Verwaltungsrecht

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  M 17 S 17.30546

Datum:
7.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 5
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 34, § 36 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1, § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 71 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 1, § 71a Abs. 4, Abs. 5, § 77 Abs. 2
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1 – 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der serbischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist nicht auszugehen. (redaktioneller Leitsatz)
3 In Serbien ist die Gesundheitsversorgung grundsätzlich gesichert und Frauen werden im Falle der Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft grundsätzlich kostenfrei behandelt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragsteller, eine Mutter mit sieben Kindern zwischen zwei und fünfzehn Jahren, sind serbische Staatsangehörige, dem Volke der Roma zugehörig und islamischen Glaubens. Sie stellten bereits unter dem Aktenzeichen 5558779-170 einen Asylerstantrag und unter den Aktenzeichen 5653168-170, 5804268-170 und 5900979 Asylfolgeanträge in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Asylanträge wurde am 05. Oktober 2012 (Az.: 5558779-170) mit Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2013, am 16. Oktober 2013 (Az.: 5653168-170) mit Bescheid des Bundesamts vom 27. September 2013, am 4. November 2014 mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. November 2014 und am 23. März 2016 (Az.: 5900979-170) mit Bescheid des Bundesamtes vom 7. März 2016 unanfechtbar abgelehnt. Den Antragstellern wurde die Abschiebung nach Serbien angedroht.
Nach eigenen Angaben reisten die Antragsteller am … November 2016 über dem Landweg erneut in das Bundesgebiet ein und stellten am 15. November 2016 persönlich bei der Außenstelle in Ingolstadt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Mit diesem Antrag ist das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten verbunden.
Die Begründung des Folgeantrages erfolgte schriftlich am 15. November 2016.
Dabei trug die Antragstellerin zu 1) im Wesentlichen vor, sie sei ohne Schulbildung und könne nicht so gut vortragen. Sie würde sich auf die Gründe stützen, die ihr Lebensgefährte vortrage. Dieser würde in Serbien von der Mafia verfolgt und habe Angst um seinen Sohn, der noch in Serbien sei und von diesen Leuten verfolgt werde.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2017, zugestellt am 12. Januar 2017, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig (Nr. 1) sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 24. September 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die Antragsteller hätten keinen neuen Sachvortrag vorgebracht. Die Fluchtgründe, die sie in ihrer schriftlichen Antragsbegründung genannt haben, werden den Anforderungen des § 51 VwVfG nicht gerecht. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen jedoch ebenfalls nicht vor.
Am 12. Januar 2017 erhoben die Antragsteller bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München zur Niederschrift Klage (M 17 K 17.30541) und beantragten gleichzeitig,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt verwiesen. Die Antragstellerin zu 1) sei schwanger und werde voraussichtlich am 28. Januar 2017 entbinden. Zudem sei festgestellt worden, dass sie an Diabetes B leide.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Asylakten verwiesen, insbesondere auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides.
II.
1. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da sich für das gerichtliche Hauptsachverfahren eine Anfechtungsklage als richtige Klageart darstellt (§ 123 Abs. 5 VwGO). Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folgeanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (in der Fassung des Art. 6 Nr. 7 des Gesetzes vom 31. Juli 2016, BGBl. S. 1939) ergeht, ist mit der Anfechtungsklage anzugreifen (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris). Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung des Antragstellers, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass sein Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i. V. m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i. V. m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, U. v. 7.3.1995 – 9 C 264.94 – juris Rn. 12).
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg, denn die Ablehnung des Asylfolgeantrags im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2017 begegnet aller Voraussicht nach keinen ernsthaften Bedenken.
Bei dem Asylantrag der Antragsteller vom 15. November 2016 handelt es sich um einen Asylfolgeantrag. Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Der vorliegende Eilantrag könnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn die Antragsteller glaubhaft gemacht hätten, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, das zur Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigten bzw. zur Feststellung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder eines Abschiebungsverbots nach § 4 AsylG, § 60 AufenthG führen wird, überwiegend wahrscheinlich gegeben sind. Dabei legt das Gericht den eingeschränkten Prüfungsmaßstab zugrunde, der im Fall einer nach § 71 Abs. 4 AsylG grundsätzlich zu erlassenden, hier aber wegen § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht erforderlichen neuen Abschiebungsandrohung anzuwenden wäre. Gemäß § 71 Abs. 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgesetzt werden.
Derartige ernstliche Zweifel bestehen hier nicht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht den Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG mit Wirkung vom 6. August 2016) als unzulässig abgelehnt, da im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Der Antragsteller konnte die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens i. S. v. § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 4 AsylG, § 60 AufenthG nicht glaubhaft machen.
Insoweit wird vollumfänglich auf die im Bescheid der Antragsgegnerin getätigten Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es wurden gegenüber dem früheren Verfahren keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen, die zu einem Wiederaufgreifen führen würden.
Die Antragstellerin zu 1) gab im Rahmen der Begründung ihres Folgeantrages am 15. November 2016 an, dass sie sich auf die Gründe stütze, die ihr Lebensgefährte vortrage. Dieser würde in Serbien von der Mafia verfolgt und habe Angst um seinen Sohn, der noch in Serbien sei und von diesen Leuten verfolgt werde. Eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit der Antragsteller ist aus dem Vortrag nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass auch das Vorbringen des Lebensgefährten keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen lässt. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Der Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1) trägt vielmehr vor, Opfer kriminellen Handelns geworden zu sein, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar. Zudem erfordert § 3 c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der serbischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen.
Damit sind die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG nicht gegeben. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich und Gründe für eine Aufhebung oder Abänderung der bisherigen Entscheidung nach § 48 oder § 49 VwVfG liegen nicht vor.
Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der behaupteten Diabetes B Erkrankung, zu der kein Attest vorgelegt wurde, ist nicht anzunehmen. Im Übrigen können Erkrankungen in Serbien grundsätzlich behandelt werden (zur Behandelbarkeit von Diabetes vgl. VG Oldenburg (Oldenburg), U. v. 25.11.2016 – 7 A 5498/16 – juris; Bericht des Auswärtigen Amtes vom 1. November 2016 im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG (Stand: September 2016) – Lagebericht). Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts ist die Gesundheitsversorgung in Serbien grundsätzlich gesichert und Frauen werden im Falle der Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft grundsätzlich kostenfrei behandelt.
Die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1) kann kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Bei einer Schwangerschaft handelt es sich allenfalls um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Ausländerbehörde gegebenenfalls bei der Vollstreckung der Abschiebung zu berücksichtigen hat (§ 60 a Abs. 2 AufenthG; vgl. z. B. VG München, Gerichtsbescheid v. 12.5.2016 – M 17 K 16.30717; B. v. 22.09.2015 – M 15 S 15.31117 – juris Rn. 17; VG München, B. v. 23.10.2013 – M 24 S 13.31033; VG München, U. v. 15.01.2015 – M 12 K 14.31140 – juris Rn. 45; VG Berlin, B. v. 30.10.2015 – 33 L 305.15 A – juris Rn. 18; hinsichtlich der Luftabschiebung von Schwangeren vgl. BayVGH, B. v. 10.08.2015 – 10 CE 15.1341, 10 C 15.1343 – juris Rn. 8).
2. Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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