Verwaltungsrecht

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Allgemeinverfügung des Freistaat Bayerns vom 19. Oktober 2020

Aktenzeichen  M 26a S 20.5372

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29644
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO 42 Abs. 2 analog, § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6,§ 80 Abs. 5, § 88, § 113 Abs. 1 S. 1,§ 122 Abs. 1, § 154 Abs. 1
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1 u. 2, § 73 Abs. 1a Nr. 6
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37
AGVwGO Art. 5 S. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die in der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 19. Oktober 2020 bzw. 22. Oktober 2020 angeordnete allgemeine Ausgangsbeschränkung Nr. 1 (2), (3), (4), die Betriebsuntersagung Nr. 3 (1), (2), (3), die Besuchsverbote (Nr. 4) und die Maskenpflicht im öffentlichen Raum (Nr. 6).
In der Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 im Landkreis Berchtesgadener Land aufgrund steigender Fallzahlen vom 19. Oktober 2020 (Amtsblatt Nr. 43a) wurde u.a. Folgendes angeordnet:
1. Allgemeine Ausgangsbeschränkungen
(1) Jeder wird angehalten, die physischen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten.
(2) Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt.
(3) Triftige Gründe im Sinne des Abs. 2 sind insbesondere:
1. die Ausübung beruflicher Tätigkeiten,
2. die Inanspruchnahme medizinischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen, der Besuch bei Angehörigen therapeutischer Berufe,
3. Versorgungsgänge für die Gegenstände des täglichen Bedarfs und Einkauf in Ladengeschäften sowie die Inanspruchnahme sonstiger Dienstleistungen wie z. B. Friseurbesuche,
4. der Besuch bei Lebenspartnern, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen (außerhalb von Einrichtungen) und die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts im jeweiligen privaten Bereich,
5. die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen,
6. die Begleitung Sterbender und von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen sowie Beerdigungen im engsten Familienkreis,
7. Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine, mit einer weiteren nicht im selben Hausstand lebenden Person oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands und ohne jede sonstige Gruppenbildung und
8. Handlungen zur Versorgung von Tieren.
(4) Die Polizei ist angehalten, die Einhaltung der Ausgangsbeschränkung zu kontrollieren. Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe durch den Betroffenen glaubhaft zu machen.
3. Betriebsuntersagungen
(1) Untersagt ist der Betrieb sämtlicher Einrichtungen, die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienen. Hierzu zählen insbesondere Sauna- und Badeanstalten, Kinos, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Clubs, Bars und Diskotheken, Spielhallen, Theater, Vereinsräume, Bordellbetriebe, Museen, Stadtführungen, Sporthallen, Sport- und Spielplätze, Fitnessstudios, Bibliotheken, Wellnesszentren, Thermen, Tanzschulen, Tierparks, Vergnügungsstätten, Wettannahmestellen, Fort- und Weiterbildungsstätten, Volkshochschulen, Musikschulen und Jugendhäuser, Jugendherbergen und Schullandheime. Untersagt werden ferner Reisebusreisen und Märkte. Davon ausgenommen sind Wochenmärkte.
(2) Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art. Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z. B. Biergärten, Terrassen). Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen. Der Betrieb ist ab 20 Uhr einzustellen.
(3) Untersagt ist der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken. Hiervon ausgenommen sind Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen.
4. Besuchsverbote
Untersagt wird der Besuch von
1. Krankenhäusern sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt (Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 und 3 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG); ausgenommen hiervon sind Geburts- und Kinderstationen für engste Angehörige sowie Palliativstationen und Hospize,
2. vollstationären Einrichtungen der Pflege gemäß § 71 Abs. 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch,
3. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, in denen Leistungen der Eingliederungshilfe über Tag und Nacht erbracht werden,
4. ambulant betreuten Wohngemeinschaften nach Art. 2 Abs. 3 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes zum Zwecke der außerklinischen Intensivpflege (IntensivpflegeWGs), in denen ambulante Pflegedienste gemäß § 23 Abs. 6a IfSG Dienstleistungen erbringen und
5. Altenheimen und Seniorenresidenzen.
Die Begleitung Sterbender oder von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen durch den engsten Familienkreis ist abweichend von Satz 1 jederzeit zulässig.
6. Maskenpflicht im öffentlichen Raum
Auf den im Anhang rot gekennzeichneten öffentlichen Plätzen und Straßen gilt von 06:00 Uhr bis 23:00 Uhr die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Ebenfalls gilt an Bahnhöfen und Bushaltestationen diese Verpflichtung.
7. Bußgeld
Verstöße gegen diese Allgemeinverfügung stellen gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden kann.
8. Geltungsdauer
Diese Allgemeinverfügung tritt mit Wirkung vom 20.10.2020, 14:00 Uhr in Kraft. Diese Allgemeinverfügung gilt zunächst bis 2.11.2020, 24.00 Uhr. Sie ersetzt die Allgemeinverfügung vom 13.10.2020.
Am 22. Oktober 2020 erließ der Antragsgegner eine weitere Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 im Landkreis Berchtesgadener Land aufgrund steigender Fallzahlen (Amtsblatt Nr. 43b) in der u.a.
in Nr. 1 (3) 6. nach den Wörtern (sowie Beerdigungen) die Wörter „im engsten Familienkreis“ und
in Nr. 3. (2) der Satz 3 („Der Betrieb ist ab 20 Uhr einzustellen.“) gestrichen wurden und
in Nr. 6 als Satz 3 der Satz „§ 1 Abs. 2 der 7. BayIfSMV bleibt unberührt.“ aufgenommen wurde.
In Nr. 8 wurde verfügt, dass diese Allgemeinverfügung mit Wirkung vom 23.10.2020, 00:00 Uhr in Kraft tritt, zunächst bis 2.11.2020, 24:00 Uhr gilt und die Allgemeinverfügung vom 19.10.2020 ersetzt.
Am 22. Oktober 2020 lag im Landkreis Berchtesgadener Land der 7-Tage-Inzidenzwert bei 292,7 (292,7 Infizierte pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen).
Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 24. Oktober 2020 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München gegen die Allgemeinverfügung des Landrats vom 19. Oktober 2020 Anfechtungsklage (M 26a K 20.5371).
Zugleich beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung des Landrats vom 19. Oktober 2020 anzuordnen, soweit dies die Ziffer 1. (2), (3), (4), die Ziffer 3. (1), (2), (3) und die Ziffern 4. und 6. der Verfügung betrifft.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller im streitgegenständlichen Landkreis eine Gaststätte mit Herberge betreibe und auch dort wohnhaft sei. Die Klage sei zulässig, der Antragsteller sei klagebefugt i.S.v. § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da er nach dem Adressatengedanken als Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes wenigstens in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betroffen sei. Darüber hinaus könne er geltend machen, dass er in besonderen subjektiven Rechten betroffen sei. Durch die Betriebsuntersagung im Sinne der 3. (1) und 3. (2) sei er in seiner Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, betroffen, durch die Ziffern 1. (1) sowie 1. (2), (3) sei er in der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen sowie der Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GG. Durch das Besuchsverbot in Krankenhäusern sei er sowohl auf aktiver Seite in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit betroffen (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie auf passiver Seite aus seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, da Krankenbesuche der Genesung nachweislich zuträglich sind. Da diese Regelungen auch den Besuch von Verwandten betreffen können, sei er zudem in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betroffen. Durch die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz auch in der Öffentlichkeit zu tragen, sei er zudem in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sowie möglicherweise aus seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, da gesundheitliche Schäden durch die Maske ernsthaft zu besorgen seien. Soweit es das Besuchsrecht im Krankhaus, die Maskentragepflicht und das Veranstaltungsgebot betreffe, sei er auch ohne konkret vorliegende Fallgestaltung klagebefugt, da Zuwiderhandlungen gemäß Ziffer 7 eine Ordnungswidrigkeit darstellen würden und es ihm daher nicht zumutbar sei, einen Verstoß gegen diese Verfügung abzuwarten, um dann im Rahmen seiner Verteidigung gegen staatliche Verfolgung die Rechtswidrigkeit der Verfügung geltend zu machen. Wegen der Unbestimmtheit verwendeter Rechtsbegriffe in der Verordnung komme zudem ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Bestimmtheitsgebot, Art. 20 Abs. 3 GG, in Betracht. Zudem kämen auch und gerade Verletzungen gegen subjektive Rechte aus einfachem Recht in Betracht, insbesondere wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot, Art. 37 BayVwVfG, sowie die aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und der durch die 7. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vermittelten Rechte in Betracht.
Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig, weil sie eine abstrakt-generelle Regelung zur Gefahrenabwehr treffe, was Rechtsverordnungen und Parlamentsgesetzen vorbehalten sei. Eine konkrete Gefahr liege nicht vor. Dass sich der Antragsgegner auf die Inzidenzzahlen berufe, sei ein deutlicher Indikator dafür, dass es sich vorliegend um die Bekämpfung einer abstrakten Gefahr handele. Für die Maßgeblichkeit der Inzidenzzahlen bestehe im Übrigen auch keinerlei wissenschaftliche Evidenz. Die Allgemeinverfügung sei wegen Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt und den Wesentlichkeitsgrundsatz und aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung sei § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 27 der 7. BayIfSMV. Die Voraussetzungen des Art. 35 Satz 2 Altern. 1 BayVwVfG lägen vor. Formelle Mängel seien in der aktuellen Fassung der Allgemeinverfügung vom 22. Oktober 2020 nicht ersichtlich. Die Ermessensausübung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Allgemeinverfügung lägen sachgerechte Erwägungen zugrunde, auf Basis derer die betroffenen Grundrechte der Adressaten abgewogen und berücksichtigt worden seien. Der Antragsteller könne keine Rechtsverletzung geltend machen; in der Antragsbegründung finde sich nirgends eine konkrete Beeinträchtigung, die über Pauschalaussagen hinausgehen würden.
Mit Telefax vom 27. Oktober 2020 bat das Gericht den Antragstellerbevollmächtigten, umgehend näher darzulegen, inwiefern dieser eine Gaststätte mit Herberge betreibe, da sich dies zumindest aus der angegebenen Homepage des Gasthofs S. nicht ergibt; vielmehr sei im dortigen Impressum als Inhaber eine Familie S. und als Vertretungsberechtigte Frau H. S. benannt. Zugleich wies das Gericht darauf hin, dass sich die Maskenpflicht auf von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde festgelegten stark frequentierten öffentlichen Plätzen bereits direkt aus § 24 Satz 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV i.d.F. v. 22.10.2020 ergebe, über deren Gültigkeit in Bayern auf Antrag der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der ebenso für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Antrag zuständig sei, entscheide (§ 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO).
Eine Stellungnahme hierzu erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die umfangreiche Antragsschrift und die Antragserwiderung, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Nachdem die vom Antragsteller – dem Wortlaut des Antrags und der Klage nach -angegriffene Allgemeinverfügung vom 19. Oktober 2020 durch die Allgemeinverfügung vom 22. Oktober 2020 ersetzt wurde, im Wesentlichen aber – abgesehen von der Begründung und den oben, im vorliegenden Verfahren einschlägigen angeführten Änderungen – gleich geblieben ist, ist der Antrag gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die von ihm angegriffenen Anordnungen in der aktuell geltenden Fassung der Allgemeinverfügung wendet.
2. Der so ausgelegte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage im beantragten Umfang, also soweit dies die Nr. 1. (2), (3), (4), die Nr. 3. (1), (2), (3) und die Nummern 4. und 6. der Allgemeinverfügung betrifft, ist statthaft, da Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG).
Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen Nr. 1 (4 Satz 1), Nr. 3. (1), (2), (3) und Nr. 4. der Allgemeinverfügung begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig, da dem Antragsteller die auch im Eilverfahren erforderliche Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog, die der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren entspricht, nicht zusteht. Eilrechtsschutz soll nämlich nur derjenige in Anspruch nehmen können, der ein zulässiges Hauptsacheverfahren einleiten kann.
2.1. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre genügt dabei die Möglichkeit einer behaupteten Rechtsverletzung (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 112). Die Darlegung muss grundsätzlich substantiiert sein, wobei keine strengen Anforderungen zu stellen sind (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 175). Erforderlich sind vor allem Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht, warum, wodurch und in welchen Rechten sich der Kläger betroffen fühlt (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 113). Die Darlegungslast bezieht sich primär auf die Darlegung der die Rechtsverletzung begründenden Tatsachen.
Soweit der Betroffene Adressat eines Verwaltungsakts ist, der ihm ein Handeln, Unterlassen oder Dulden gebietet, ergibt sich aus dem zumindest durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG begründeten umfassenden Schutz seiner Freiheitssphäre grundsätzlich stets die Möglichkeit einer Rechtsverletzung (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 91; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 69).
Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass sich die angefochtenen Regelungen in Nr. 3. (1), (2), (3) und Nr. 4. der Allgemeinverfügung zwar formal auch an den Antragsteller richten, da dieser im Landkreis Berchtesgadener Land wohnhaft und er den für diesen Landkreis geltenden Regelungen bei Erfüllung ihres Tatbestandes als Adressat unterworfen ist. Im Falle einer Allgemeinverfügung ist jeder Betroffene jedoch nur im Hinblick auf die ihn materiell betreffende Regelung, nicht schlechthin gegen die Allgemeinverfügung als solche oder die materiell andere Personen betreffenden Regelungen, klagebefugt (Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rn. 21, 170; VG Würzburg, B. v. 16.9.2020 – W 8 E 20.1298 – juris Rn. 14, VG München, B.v. 29.09.2020 – M 26b S 20.4628 – juris Rn. 14).
In diesem Fall reicht es nicht aus, dass der Antragsteller nur formal Adressat einer Regelung sein könnte, sondern er muss, damit auch hier Popularklagen ausgeschlossen werden, darlegen, inwieweit er in seiner konkreten Situation als Angehöriger der konkret adressierten Gruppe durch die angefochtenen Regelungen materiell betroffen ist. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffenen Regelungen oder deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt wird (so BayVGH, B.v. 28.9.2020 – 20 NE 20.2142 – juris Rn. 16 für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren unter Verweis auf BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027 – juris Rn. 11).
2.2. Gemessen daran hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass er von den Regelungen in Nr. 1 (4 Satz 1), Nr. 3. (1), (2), (3) und Nr. 4. der Allgemeinverfügung in seiner konkreten Situation aktuell und mehr als nur potentiell betroffen ist.
Von Nr. 1 (4 Satz 1) der Allgemeinverfügung ist der Antragsteller bereits insoweit nicht betroffen, als dass diese Vorschrift, wonach die Polizei angehalten ist, die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren, keine ihm gegenüber getroffene Regelung enthält.
Im Hinblick auf Nr. 3 (1) der Allgemeinverfügung hat der Antragsteller nicht dargelegt, am Besuch welcher der dort genannten Einrichtungen er im Zeitraum der Gültigkeit der Allgemeinverfügung gehindert wäre.
Dass es sich bei dem Antragsteller um einen Betreiber eines Gastronomiebetriebs oder eines Hotels oder Beherbergungsbetriebs handelt, wurde zwar in der Antragsschrift behauptet, auf gerichtliche Nachfrage aber nicht näher belegt. Zumindest aus der angegebenen Homepage des vom Antragsteller benannten Gasthofs ergibt sich dies nicht; vielmehr ist im dortigen Impressum als Inhaber eine Familie S. und als Vertretungsberechtigte Frau H. S. benannt. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Anordnungen in Nr. 3 (2) und (3) der Allgemeinverfügung den Antragsteller in seiner Berufsfreiheit beschränken könnten (Art. 12 Abs. 1 GG). Im Übrigen läge kein vollständiges Berufsverbot, sondern lediglich ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor, da die Untersagungen zeitlich befristet sind und die Abgabe und Lieferung mitnahmefähiger Speisen unberührt lässt. Ebenso kann sich der Antragsteller nicht auf eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG mit der Begründung berufen, dass es keine Rechtfertigung für die in Nr. 3 (3) der Allgemeinverfügung vorgenommene Ungleichbehandlung von Touristen und Geschäftsreisende gibt, da der Antragsteller weder dargelegt hat, Betreiber eines Hotels oder Beherbergungsbetriebes zu sein oder Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken zur Verfügung zu stellen oder stellen zu wollen, noch dass er selbst als Tourist von dieser Anordnung betroffen wäre.
In Bezug auf die Besuchsverbote (Nr. 4 der Allgemeinverfügung) hat der Antragsteller ebenfalls nur allgemeine Ausführungen gemacht. Er hat nicht dargelegt, dass er selbst während der Gültigkeit der Allgemeinverfügung in einer der in Nr. 4 genannten Einrichtungen untergebracht wäre oder werden würde, oder dass er dort untergebrachte Personen während des Gültigkeit der Allgemeinverfügung besuchen möchte, was ihm aufgrund der Regelung verwehrt sei.
3. Soweit der Antrag zulässig ist, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage jedoch unbegründet und war daher abzulehnen.
3.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
3.2. Vor diesem Hintergrund überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, da die angegriffene Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 22. Oktober 2020 aller Voraussicht nach rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3.2.1. Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage, insbesondere zur Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO wird auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen.
3.2.2. Soweit die Anfechtungsklage die Nr. 1. (2), (3), (4 Satz 2) und die Nr. 6. der Allgemeinverfügung betrifft, hat die Klage in der Sache voraussichtlich keinen Erfolg.
3.2.2.1. Das Gericht geht aufgrund der nur möglichen vorläufigen Prüfung davon aus, dass die angegriffenen Regelungen ihre Grundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG finden, wobei Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch in Form der Allgemeinverfügung ergehen können (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 9; B. v. 1.9.2020 – 20 CS 20.1962 – juris Rn. 24).
Die Befugnis zu Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG wird auch nicht durch die Regelungen der 7. BayIfSMV verdrängt, da diese nicht abschließender Natur sind, wie § 27 der 7. BayIfSMV vom 1. Oktober 2020 in der im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuell gültigen Fassung vom 22. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 601) zeigt, wonach weitergehende Anordnung zulässig sind.
Der Einwand des Antragstellers, § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG stelle keine hinreichende Rechtsgrundlage (mehr) dar, um weitreichende Grundrechtseingriffe wie in die in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung verfügten Anordnungen zu rechtfertigen, da die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit, Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitsgebot nicht gewahrt seien, verfängt jedenfalls im Eilverfahren bei summarischer Prüfung derzeit nicht. Dabei ist zu sehen, dass die Rechtsgrundlage in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein muss, sondern von Verfassung wegen nur hinreichend bestimmt zu sein hat. Daher genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mithilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich aber nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. Je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind, desto strengere Anforderungen gelten für das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung. Zum anderen hängen die Anforderungen von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachverhalt einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Insoweit ist im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu sehen, dass sich nicht von vorneherein bestimmen lässt, welche Schutzmaßnahmen im Einzelfall in Betracht kommen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE20.632 – juris Rn. 40 ff.). Die stets sich verändernde Pandemielage und die fortschreitende Entwicklung medizinischer und epidemiologischer Erkenntnisse erfordern eine stete Anpassung verschiedener, im vorneherein nicht abschließend bestimmbarer Maßnahmen. Der Gesetzgeber selbst hat dazu sinngemäß ausgeführt, dass eine generelle Ermächtigung geboten sei, um für alle Fälle gewappnet zu sein (vgl. BT Drs. 8/2468 S. 27 f.). Das Gericht geht daher davon aus, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsgrundlage noch gewahrt sind.
3.2.2.2. Formelle Mängel der Allgemeinverfügung – etwa Bekanntmachungsmängel – wurden nicht vorgetragen und sind bei summarischer Prüfung auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere trat die Allgemeinverfügung, die am 22. Oktober 2020 bekannt gegeben wurde, im Einklang mit Art. 41 Abs. 4 Satz 4 BayVwVfG erst am 23. Oktober 2020 in Kraft.
3.2.2.3. Die Allgemeinverfügung ist in dem vorliegend vom Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage umfassten Umfang (allgemeine Ausgangsbeschränkung und Maskenpflicht) voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
(1) Die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 35 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG für den Erlass einer personenbezogenen Allgemeinverfügung sind gegeben. Die personenbezogene Allgemeinverfügung richtet sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Kreis von Adressaten aus Anlass einer bestimmten konkreten Situation. Eine solche konkrete Situation ist – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers – in der Corona-Pandemie und in dem extrem hohen Inzidenzwert (292,7 Infizierte pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen am 22.10.2020) im Landkreis Berchtesgadener Land zu sehen, der ein Tätigwerden der Behörde erforderlich macht, um das Infektionsgeschehen effektiv einzudämmen. Bei den Anordnungen in Nr. 1. (2), (3), (4 Satz 2) und 6. der Allgemeinverfügung handelt es sich aufgrund des räumlich und zeitlich begrenzten Geltungsumfangs um die Regelung eines Einzelfalls für einen bestimmbaren Personenkreis und damit um eine konkret-generelle Regelung.
Im Hinblick auf die Anordnung in Nr. 6 der Allgemeinverfügung ist jedoch zu beachten, dass darin seitens des Antragsgegners lediglich die stark frequentierten öffentlichen Plätze i.S. v. § 24 Satz 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV i.d.F. v. 22.10.2020 festgelegt wurde. Die Maskenpflicht an sich ergibt sich direkt aus § 24 Satz 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV.
(2) Tatbestandlich setzt § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.
Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage unzweifelhaft vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit§ 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation, wobei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist. Intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen bleiben nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es ist laut Robert Koch-Institut (RKI) von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand 26.10.2020).
Weitere tatbestandliche Voraussetzungen für ein Tätigwerden der zuständigen Behörde enthält § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht. Die niedrige Eingriffsschwelle der Norm ist auch nicht auf Tatbestandsebene, sondern im Einzelfall ggf. auf der Ermessensebene zu kompensieren, indem an die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme je nach deren Eingriffstiefe erhöhte Anforderungen zu stellen sind (BayVGH, B. v. 1.9.2020 – 20 CS 20.1962 – juris Rn. 24).
(3) Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – das „Wie“ des Eingreifens – ist der Behörde durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG ein Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass nur „notwendige Schutzmaßnahmen“ in Betracht kommen, also Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – BVerwGE 142, 205 – juris Rn. 24).
(a) Das Gericht hat keinen Zweifel an der Notwendigkeit der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Anordnungen in Nr. 1. und Nr. 6 der Allgemeinverfügung. Der Antragsgegner nimmt insoweit zu Recht Bezug auf den extremen Anstieg des Inzidenzwerts auf weit über 250 (Stand: 22. Oktober 2020). Damit hatte der Landkreis Berchtesgadener Land den Spitzenplatz in der Liste der höchsten Inzidenzwerte in der Bundesrepublik Deutschland erreicht. Am 26. Oktober 2020 lag der Inzidenzwert laut Robert Koch-Institut immer noch bei 237 und übersteigt damit um ein Vielfaches die Werte von 35, 50 bzw. 100, ab denen die 7. BayIfSMV (n.F.) besondere Regelungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens vorsieht. Stand 28. Oktober 2020 stieg der 7-Tage-Inzidenz-Wert für das Berchtesgadener Land nach Berechnungen des Gesundheitsamts sogar auf 323,8 (https://www.lra-bgl.de/t/das-landratsamt/aktuelles/details/news/der-landkreis-bereitet-sich-auf-das-coronavirus-vor0/).
Soweit vom Antragsteller vorgebracht wurde, dass die Testzahlen insoweit unergiebig seien, weil ein positiver Test nicht zwischen Krankheit und bloßem Vorhandensein viraler Moleküle unterscheide, und er sich damit gegen die Feststellung von COVID-19-Fällen mittels eines PCR-Tests wendet, ist hierzu auszuführen, dass es sich bei einem PCR-Test um einen Test zum direkten Erregernachweis, der zur Diagnostik einer Vielzahl von Infektionskrankheiten eingesetzt wird, handelt (Österreichisches Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Laborbefund: Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), https://www.gesundheit.gv.at/labor/laborbefund/polymerase-ketten-reaktion). Dieser wird sowohl vom Robert-Koch-Institut (Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 24.9.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html) als auch von der Weltgesundheitsorganisation (Laboratory testing for coronavirus disease (COVID-19) in suspected human cases, Interim guidance 19 March 2020, https://www.who.int/publications-detail/laboratory-testing-for-2019-novel-coronavirus-in-suspected-human-cases-20200117) auch bei SARS-CoV-2 als geeigneter Test zum Nachweis einer Infektion angesehen. Die Richtigkeit des Ergebnisses von diagnostischen Tests hängt neben deren Qualitätsmerkmalen und der Qualität von Probennahme, Transport, Durchführung und Befundung auch von der Verbreitung einer Erkrankung/eines Erregers in der Bevölkerung beeinflusst wird (positiver und negativer Vorhersagewert). Je seltener eine Erkrankung ist und je ungezielter getestet wird, umso höher sind die Anforderungen an die Sensitivität (= die Empfindlichkeit) und die Spezifität (die Zielgenauigkeit des Tests, also wie wahrscheinlich es ist, dass nur der gesuchte Erreger sicher erkannt wird) der zur Anwendung kommenden Tests. Ein falsch-positives Testergebnis bedeutet, dass eine Person ein positives Testergebnis bekommt, obwohl keine Infektion mit SARS-CoV-2 vorliegt. Aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100%. Im Rahmen von qualitätssichernden Maßnahmen nehmen diagnostische Labore an Ringversuchen teil. Die bisher erhobenen Ergebnisse spiegeln die sehr gute Testdurchführung in deutschen Laboren wider (siehe www.instand-ev.de). Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differentialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen (siehe auch: www.rki.de/covid-19-diagnostik). Bei korrekter Durchführung der Teste und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse geht das RKI demnach von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde aus, die die Einschätzung der Lage nicht verfälscht (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 07.09.2020).
Der Antragsgegner hatte daher begründeten Anlass, einem weiteren Anstieg des Infektionsgeschehens durch weitere, eigene Maßnahmen entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck hat er ein Maßnahmenpaket geschnürt, welches erkennbar darauf gerichtet ist, Kontakte auf das notwendigste Maß zu beschränken und damit die Weiterverbreitung des Virus einzudämmen. Bestandteil dieses Maßnahmenpakets sind auch die streitgegenständlichen Anordnungen.
Im Hinblick auf Nr. 6 der Allgemeinverfügung wurde seitens des Antragsgegners lediglich die stark frequentierten öffentlichen Plätze i.S. v. § 24 Satz 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV i.d.F. v. 22.10.2020 festgelegt. Die Maskenpflicht an sich ergibt sich bereits direkt aus § 24 Satz 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV. Die Ausführungen des Antragstellers zur fehlenden Notwendigkeit der Anordnung der Maskenpflicht gehen insoweit ins Leere. Dass der Antragsgegner nicht stark frequentierte öffentliche Plätze als solche festgelegt hätte, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
(b) Zudem genügen die Anordnungen auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
(aa) Der legitime Zweck der Anordnungen liegt in der zeitlichen und räumlichen Verlangsamung der Ausbreitung von SARS-CoV-2, indem infektionsbegünstigende physische Kontakte eingeschränkt werden, um so eine Überlastung des Gesundheitssystems und das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit Betroffener zu verhindern. Ebenso soll zudem auch ein sog. Contact Tracing ermöglicht bleiben.
(bb) Die getroffenen Maßnahmen sind auch als geeignete Mittel anzusehen. Dabei reicht es nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen aus, dass die einzelne Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2012 – 7 CN 1.11 – juris Rn. 29, BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 S 20.1821 – juris Rn. 27). Es ist demnach gerade nicht erforderlich, dass eine Maßnahme allein den Zweck erreichen kann.
Generell gilt, dass eine Reduzierung von physischen Kontakten ein wesentliches Mittel zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ist. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass nach Einschätzung des Gesundheitsamtes Berchtesgadener Land im dortigen Landkreis die hohe Inzidenzzahl nicht auf ein oder mehrere Einzelereignisse beruht, sondern ein diffuses Infektionsgeschehen vorliegt, was plausibel und nachvollziehbar erscheint und im Einklang mit den Feststellungen des Robert Koch-Instituts (vgl. den täglichen Situationsbericht vom 26. Oktober 2020, Seite 7), wonach es sich in den meisten Kreisen „um ein diffuses Geschehen, mit zahlreichen Häufungen im Zusammenhang mit privaten Feiern im Familien- und Freundeskreis“ handele (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Okt_2020/2020-10-26-de.pdf? blob=publicationFile).
Dadurch, dass das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt ist, werden naturgemäß die zustande kommenden physischen Kontakte minimiert. Die allgemeine Ausgangsbeschränkung ist Teil eines Maßnahmenpakets, das auf Kontaktreduzierung ausgerichtet und damit geeignet ist, die Infektionsgefahr im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu verringern und eine Ausbreitung des Coronavirus zu verzögern.
cc) Die Anordnungen sind auch erforderlich. Gleich geeignete, den Adressatenkreis der Anordnungen weniger belastende Maßnahmen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der außerordentlich hohe Inzidenzwert im Landkreis Berchtesgadener Land erfordert eine effektive Strategie, um eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens zu erreichen. Die steigenden Infektionszahlen haben gezeigt, dass das bisherige Maßnahmenbündel, wie es sich aus der 7. BayIfSMV ergibt, nicht mehr ausreichend ist. Dies wird auch aus dem im Rahmen der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 28. Oktober 2020 getroffenen Beschluss ersichtlich, nach dem ab dem 2. November 2020 deutschlandweit zusätzliche Maßnahmen in Kraft treten sollen, wobei als wichtigste Maßnahme das Abstandhalten und die Verringerung von Kontakten genannt ist.
(dd) Schließlich sind die verfügten Regelungen auch angemessen (verhältnismäßig in engerem Sinne).
Durch die getroffenen Regelungen in Nr. 1 (2) i.V.m. (3) und (4 Satz 2) ist der Antragsteller als deren Adressat in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, betroffen, da es ihm untersagt ist, bei Vorliegen nichttriftiger Gründe die eigene Wohnung zu verlassen. In diesem Zusammenhang ist jedoch bereits zu berücksichtigen, dass die triftigen Gründe in Nr. 1 (3) nicht abschließend aufgeführt sind, was sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Aufgrund der beispielhaften Aufzählung triftiger Gründe lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass triftige Gründe – selbst wenn sie von der beispielhaften Aufzählung nicht umfasst sein sollten – jedenfalls dann vorliegen, wenn unaufschiebbare gesundheitliche, private oder berufliche Belange von erheblichem Gewicht eine Ausnahme von Ausgangsverbot rechtfertigen (BayVGH, B.v. 30.03.2020 – 20 NE 20.632 – juris Rn. 62).
Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten stellen die streitgegenständlichen Anordnungen keine freiheitsentziehenden Maßnahmen i.S.v. Art. 104 GG dar, da mit der Ausgangsbeschränkung keine volle Freiheitseinschränkung wie die Einschließung auf engem Raum verbunden ist. Auch die Freiheit der Person i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht verletzt, da der Antragsteller durch die Ausgangsbeschränkungen nicht in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.
Soweit Rechte des Antragstellers (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen sind, gelten diese allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr finden sie ihre Grenzen in einfach gesetzlichem Recht respektive in kollidierendem Verfassungsrecht und treten in der Abwägung gegenüber dem mit der Allgemeinverfügung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück.
Dies ist hier im Hinblick auf den angestrebten Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung sowie des Funktionierens des Gesundheitssystems zu bejahen. In Anbetracht der überragenden Bedeutung des Rechts auf Leben und Gesundheit der Bevölkerung, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die es vor einer ungebremsten Ausbreitung der COVID-19-Erkrankung zu schützen gilt, um eine Vielzahl von teils schweren Erkrankungen und Todesfällen sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, und angesichts der zeitlich begrenzten Geltungsdauer der Regelungen bis 2. November 2020 überwiegen die mit den ausgesprochenen Anordnungen verfolgten öffentlichen Interessen und der Schutz der Grundrechte Dritter die Interessen des Antragstellers.
c) Selbst, wenn das Gericht von offenen Erfolgsaussichten der Klage ausgehen würde, käme eine Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis.
Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der Nachteil, den die streitgegenständlichen Anordnungen dem Antragsteller auferlegt, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Den Rechten des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG stehen der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens gegenüber. Bei einer Abwägung eines zeitlich befristeten Eingriffs in das Grundrecht des Antragstellers mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint eine Reduzierung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht.


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