Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung der Berufung nach Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit

Aktenzeichen  6 ZB 18.2402

Datum:
9.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7211
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 55 Abs. 5
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2, § 124a

 

Leitsatz

Es ist grundsätzlich zulässig, die für die gerichtliche Überzeugung leitend gewesenen Gründe durch eine in den Entscheidungsgründen ausgesprochene Bezugnahme auf tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen in einer genau bezeichneten Entscheidung anzugeben. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 17.4758 2018-10-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Oktober 2018 – M 21 K 17.4758 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.805,07 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor oder sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
a) Mit Bescheid vom 3. August 2017 entließ die Beklagte den Kläger gemäß § 55 Abs. 5 SG mit dem Tag der Aushändigung des Bescheides (8.8.2017) aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger seine Dienstpflichten verletzt habe und dies zu einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung führe. Nach erfolglosem Beschwerdeverfahren (Beschwerdebescheid vom 22.9.2017) erhob der Kläger hiergegen Klage. Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. März 2018 – M 21 S 17.4261 – ab. Die Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof war erfolglos (Beschluss vom 28.5.2018 – 6 CS 18.775). Mit Urteil vom 19. Oktober 2018 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf die Gründe der Gerichtsentscheidungen im Eilverfahren. Insbesondere der im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 19. September 2018 enthaltene Vortrag rechtfertige keine andere Entscheidung, sondern bestätige sie.
b) Der Kläger zeigt in seinem Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an dem erstinstanzlichen Urteil auf, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
Ohne Erfolg bleibt seine Rüge, die bloße Bezugnahme auf vorangegangene Entscheidungen ersetze keine ausreichende Begründung.
Es ist grundsätzlich zulässig, die für die gerichtliche Überzeugung leitend gewesenen Gründe durch eine in den Entscheidungsgründen ausgesprochene Bezugnahme auf tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen in einer genau bezeichneten Entscheidung anzugeben. Die schriftliche Urteilsbegründung hat die Funktion, deutlich zu machen und sicherzustellen, dass das Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und sich mit ihnen in der gebotenen Weise auseinander gesetzt hat, dass ferner den Beteiligten die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung ermöglicht werden. Diese Funktion erfüllt auch eine Bezugnahme, sofern die Beteiligten die in Bezug genommene Entscheidung kennen und sofern sich für sie und das Rechtsmittelgericht aus einer Zusammenschau der Ausführungen in der Bezug nehmenden und der in Bezug genommenen Entscheidung die für die richterliche Überzeugung maßgebenden Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben.
Hiervon ausgehend gibt die Bezugnahme in dem Urteil keinen Anlass zu Beanstandungen. Der in Bezug genommene Beschluss ist gegenüber denselben Beteiligten ergangen, war ihnen also bekannt. Aus der Gesamtschau beider Entscheidungen ergab sich für die Beteiligten auch deutlich, welche Erwägungen für das angefochtene Urteil maßgeblich geworden sind.
Die darüber hinausgehende Rüge, es sei zwischen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts weiterer Sach- und Rechtsvortrag erfolgt, welcher vom erstinstanzlichen Gericht offensichtlich nicht mehr beachtet worden sei, ist nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht hat den neuen Vortrag mit der Begründung für unbeachtlich gehalten, dass er keine andere Entscheidung rechtfertige, sondern diese bestätige. Die bloße Bezugnahme des Klägers im Zulassungsantrag auf sein Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 19. September 2018 genügt bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, zum bloßen Verweis auf Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren dasjenige Vorbringen herauszusuchen, das angeblich nicht zur Kenntnis genommen wurde (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2016 – 2 B 34.14 u.a. – juris Rn. 60). Soweit sich diese Rüge im Übrigen auf sein Vorbringen bezieht, er selbst habe keine gewerbliche Tätigkeit im Sinn von § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG ausgeübt, wird darauf hingewiesen, dass der Senat im Beschluss vom 28. Mai. 2018 – 6 CS 18.775 – vom Tatbestand der unentgeltlichen Mitarbeit bei einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit ausgegangen ist (Rn. 13 des Beschlusses).
2. Mit der Rüge, das Gericht sei seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen, weil es verschiedene Zeugen nicht gehört habe, macht der Kläger ohne Erfolg einen Verfahrensmangel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend.
Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nur dann vor, wenn das Gericht die Aufklärung eines Sachverhalts unterlassen hat, auf den es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung ankommt. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Verletzung der Aufklärungspflicht muss vorgetragen werden, welche Tatsachen auf der Grundlage einer insoweit maßgeblichen materiellen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltene Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kommen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewiesen worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 5.12.2018 – 5 B 30.18 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dem wird der Zulassungsantrag schon deshalb nicht gerecht, weil er sich unter anderem hinsichtlich des erwarteten Ergebnisses der Zeugeneinvernahme nicht äußert.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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