Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung der Berufung, Verlustfeststellung, Recht auf Einreise und Aufenthalt, Polen

Aktenzeichen  10 ZB 22.571

Datum:
2.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10617
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124a
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
FreizügG/EU § 6

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 4 K 19.2323 2021-10-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 11. April 2019 erlassene Feststellung weiter, dass er sein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.
1. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor beziehungsweise ist nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
b) Das Zulassungsvorbringen zeigt keine derartigen Zweifel auf.
Nicht durchdringen kann der Kläger insbesondere mit dem gegen die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts gerichteten Einwand, dieses habe nur Entwicklungen zu Lasten des Klägers verwerten dürfen, auf die er uneingeschränkt aktiv Einfluss nehmen könne. So habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass der Kläger es nicht uneingeschränkt in der Hand habe, wie sich seine Deutschkenntnisse, seine Beziehung zu einer Partnerin sowie seine berufliche Laufbahn entwickelten. Der Vorwurf des Verwaltungsgerichts, der Kläger stünde nicht in einem festen Beziehungsverhältnis, gehe daher fehl. Außerdem seien die Möglichkeiten, in der Pandemie einen Sprachkurs zu absolvieren, äußerst beschränkt. Oftmals würden nur Online-Kurse angeboten, deren Erfolg äußerst fraglich sei. Das Verwaltungsgericht hätte zudem die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die berufliche Entwicklung des Klägers berücksichtigen müssen.
Bei der Gefahrenprognose nach § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU ist maßgeblich, ob eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt. Das Verwaltungsgericht hat daher im vorliegenden Fall zutreffend geprüft, ob objektiv die Gefahr besteht, dass der Kläger erneut Straftaten gegen die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums begehen wird (vgl. UA S. 21). Die in diesem Zusammenhang von dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, unter anderem die mangelhaften Deutschkenntnisse des Klägers, das Fehlen einer stabilen und konfliktfreien Partnerschaft sowie die Tätigkeit des Klägers in einem Zeitarbeitsunternehmen (anstatt wie von Klägerseite angekündigt in Festanstellung), greift die Klägerseite nicht substantiiert an. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit, dass die genannten ungünstigen Faktoren bei dem Kläger vorliegen, kommt es nicht an.
Im Übrigen kann der Senat die Einwände der Klägerseite in der Sache nicht nachvollziehen. In der von der Forensischen Ambulanz des Isar-Amper-Klinikums ausgestellten Epikrise vom 18. November 2020 wird dem Kläger ausdrücklich eine lediglich beschränkte Bereitschaft attestiert, Deutsch zu lernen. So habe der Deutschlehrer den Kläger aus dem Unterricht ausgeschlossen, weil dieser selbst einfachste Hausaufgaben nicht erledigt habe. Auf seine Verständigungsschwierigkeiten in der deutschen Sprache angesprochen, habe der Kläger meist zahlreiche Erklärungen und Besserungsabsichten vorgebracht, die er letztlich nicht umgesetzt habe (vgl. UA S. 14). Der Kläger spricht sich durchaus das Vermögen zu, Deutsch zu lernen, er hat sich indes, wie das Verwaltungsgericht treffend ausgeführt hat, nicht nachhaltig um die Verbesserung seiner Sprachkenntnisse bemüht (vgl. UA S. 24). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es gerade die Sprachschwierigkeiten waren, die eine therapeutische Auseinandersetzung erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht haben (vgl. UA S. 23). Laut der Epikrise vom 18. November 2020 sind zudem maßgebliche Bedingungen für die Gefährlichkeitshypothese ein hoher emotionaler Stress, vor allem durch Beziehungsprobleme oder finanzielle Schwierigkeiten, oder auch eine fehlende Tagesstruktur. Das Verwaltungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang mit dem zu der Entlassung des Klägers führenden Gutachten vom 21. Juli 2020 auseinandergesetzt, in welchem der Gutachter noch als prognostisch günstig verwertet hatte, dass der Kläger zu jenem Zeitpunkt in einer stabilen Partnerschaft gelebt hatte und ihm nach seinen Angaben für eine Tätigkeit auf einer Baustelle in Solln eine Festanstellung in Aussicht gestellt worden war. Das Verwaltungsgericht hat jedoch festgestellt und dementsprechend auch gewertet, dass der Kläger mittlerweile allein lebt und sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin getrennt hat. Überdies hat das Verwaltungsgericht die Partnerschaft mit seiner neuen Lebensgefährtin – vor dem Hintergrund der eingeleiteten und mangels Strafantrags eingestellten polizeilichen Ermittlungen, welche auf der Angabe der neuen Lebensgefährtin beruhten, der Kläger habe sie in Trunkenheit geschlagen − als nicht im Sinne des vorgenannten Gutachtens stabile und konfliktfreie Partnerschaft eingestuft (vgl. UA S. 25 i.V.m. S. 15). Diese Feststellungen und Wertungen sind in der Sache nicht zu beanstanden. Das Zulassungsvorbringen hierzu ist vage, pauschal und unplausibel.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 8.1 des Katalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechend.
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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