Verwaltungsrecht

Antrag nach § 80 Abs. 6 VwGO unzulässig, kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an Behörde festgestellt, keine drohende Vollstreckung

Aktenzeichen  B 4 S 21.833

Datum:
11.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28482
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 705,70 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Miteigentümer zu je 53/1000 an den bebauten Grundstücken Fl.-Nrn. aaaa/1, bbbb/4, cccc/6 und dddd/8, Gemarkung … Mit vier Bescheiden vom 22.03.2021 veranlagte die Antragsgegnerin den Antragsteller für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage … entsprechend seinen Miteigentumsanteilen an den oben genannten Grundstücken zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 2.822,81 EUR.
Gegen diese Bescheide erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsätzen vom 08.04.2021, eingegangen bei Gericht am 22.04.2021, jeweils Klage und beantragte die Aufhebung der Bescheide. Die Verfahren B 4 K 21.471, 472, 473 und 474 wurden mit Beschluss vom 22.04.2021 verbunden und werden unter dem Az. B 4 K 21.471 geführt.
Mit Schriftsatz vom 22.07.2021, eingegangen am 26.07.2021, stellte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.03.2021, … wird angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, es sei fraglich, ob der Beitragsbescheid rechtmäßig sei. Das Grundstück des Antragstellers sei bereits erschlossen. Es werde nicht erläutert, inwiefern die Erschließungsanlage erforderlich sei und welcher Nutzen von ihr ausgehe. Die Hinweise auf die Rechtsgrundlagen seien zu unbestimmt. Die konkrete Berechnung des Beitragsanteils sei nicht nachvollziehbar. Die Wirksamkeit der Satzung sei fraglich. Dem Antragsteller sei von der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, sein Grundstück sei bereits erschlossen, weshalb der Beitragsbescheid ihn völlig überraschend erreicht habe.
Abschließend wurde ausgeführt, der Antrag gelte auch für die untergebundenen Verfahren B 4 K 21.472 bis 474 als gestellt.
Mit Schriftsatz vom 02.08.2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Antragserwiderung trägt er vor, nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO habe eine Anfechtungsklage bei Beitragsforderungen keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 6 VwGO sei ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ganz oder teilweise abgelehnt habe, oder wenn über einen solchen Antrag nicht zeitgerecht entschieden worden sei oder eine Vollstreckung drohe. Bei der Antragsgegnerin sei kein solcher Antrag gestellt worden. Außerdem drohe derzeit keine Vollstreckung. Es fehle deshalb nicht nur an einer Sachentscheidungsvoraussetzung, sondern an einer nicht nachholbaren Zugangsvoraussetzung für das Verfahren. Entsprechend sei der Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 10.08.2021 wandte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ein, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde nicht erforderlich sei, wenn Vollstreckung drohe. Dies sei der Fall, da die ermittelten Beiträge einen Monat nach Zustellung der Bescheide zur Zahlung fällig würden. Dieser Zeitraum sei bei Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits verstrichen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig, weil die Zugangsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO bei Antragseingang nicht erfüllt waren.
Nach dieser Vorschrift ist, wenn die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) – wie hier – entfällt, weil der angefochtene Bescheid die Anforderung von öffentlichen Abgaben (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) zum Gegenstand hat, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO) oder über einen solchen Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO) oder eine Vollstreckung droht (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Da § 80 Abs. 6 VwGO nicht nur eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung normiert‚ die noch im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens verwirklicht werden könnte‚ sondern eine Zugangsvoraussetzung‚ die nicht nachgeholt werden kann, muss eine der genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen (BayVGH, B. v. 05.03.2015 – 6 CS 15.369, juris; BayVGH, B. v. 18.04.2000 – 6 ZS 99.3557, juris).
Bei Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht war keine der Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt.
Unstreitig wurde kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin gestellt.
Aber auch die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO (drohende Vollstreckung) lag bei Antragserhebung am 26.07.2021 nicht vor. Der unmittelbare Zugang zum Gericht ist nach dieser Vorschrift an die Voraussetzung geknüpft, dass die Zwangsvollstreckung „droht“. Eine Vollstreckung im Sinne dieser Vorschrift droht erst dann, wenn die Behörde konkrete Schritte für die baldige Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt oder bereits eingeleitet hat (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 186 zu § 80). Dies ist etwa der Fall, wenn eine erneute Zahlungsaufforderung mit Androhung der Zwangsvollstreckung ergeht oder eine „letzte Zahlungserinnerung“ mit Zahlungsfrist und dem Hinweis, dass sodann zwangsweise eingezogen wird (BayVGH, B. v. 03.01.1995 – 6 CS 94.3728, juris). Selbst eine bloße Mahnung ist noch keine Vollstreckungsmaßnahme. Nur wenn die Vollstreckung in diesem Sinne drohend bevorsteht, kommt es nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht mehr darauf an, ob angesichts der gesetzten Frist noch ein Antrag bei der Behörde gestellt werden könnte. Die von der Behörde angedrohte Vollstreckung eröffnet vielmehr ohne weiteres den Weg zum Gericht.
Solche konkreten Vollstreckungsmaßnahmen durch die Antragsgegnerin standen am 26.07.2021 nicht bevor. Der Hinweis der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, dass bei einem sofort vollziehbaren Beitragsbescheid die Zahlungspflicht einen Monat nach Zustellung des Bescheids eintrete, erfüllt nicht die Voraussetzung einer „drohenden Vollstreckung“ im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO.
2. Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsteller als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 -NVwZ-Beilage 2013, 57 – (ein Viertel von 2.822,81 EUR).


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