Verwaltungsrecht

Arzneimittelrechtliche Untersagungsverfügung (D-Mannose), Begründung der Sofortvollzugsanordnung, konkrete Gesundheitsgefahr, Interessenabwägung

Aktenzeichen  20 CS 20.341

Datum:
4.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30920
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146
AMG § 69 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1
AMG § 69 Abs. 1b Sätze 1 und 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 26 S 19.5534 2020-01-30 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Aus den zur Begründung der Beschwerde vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Oktober 2019 unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung vom 30. Januar 2020 abzulehnen wäre.
1. Aus Sicht des Senats erscheint schon fraglich, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids den Begründungsanforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht (zu den prozessualen Folgen eines solchen Begründungsmangels vgl. BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6; zum Meinungsbild Buchheister in Wysk, VwGO, Stand August 2020, § 80 Rn. 62; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 80 Rn. 442). Während das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO als „(noch)“ erfüllt angesehen hat (vgl. Rn. 21 f. BA), erscheint aus Sicht des Senats insbesondere zweifelhaft, ob der erforderliche Einzelfallbezug der Begründung vorliegt.
a) In den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Dabei rechtfertigt allein das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes – hier der Anordnungen in Ziffer 1. und 2. des streitgegenständlichen Bescheides – regelmäßig nicht die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ist der gesetzliche Regelfall, ungeachtet dessen, dass stets ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines (rechtmäßigen) Verwaltungsaktes besteht. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Umsetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes Vollzugsinteresse treten, das das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung und die Befugnis der Behörde, einen Verwaltungsakt auch schon vor Eintritt der Bestandskraft mit Zwangsmitteln durchzusetzen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwZVG, § 6 Abs. 1 VwVG), zu rechtfertigen vermag (zu den materiellen Anforderungen an das Dringlichkeitsinteresse vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2020 – 12 CS 20.1750 – juris Rn. 42 ff.). Diesem Erfordernis trägt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung. Die Behörde muss sich der Ausnahmesituation bewusst werden und das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet. Die Norm dient darüber hinaus dem Rechtsschutz des Betroffenen, der ausgehend von der Begründung die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs besser einschätzen können soll (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 54). Zwar kommt es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und sachlich geeignet ist, ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Dieser materiell-rechtliche Aspekt fließt in die originäre Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ein und wird durch sie ersetzt. Nicht ausreichend für das formale Begründungserfordernis ist aber eine formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung, aus der nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann (vgl. Hoppe in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 55).
b) Den dargestellten Anforderungen dürfte die Begründung der Ziffer 3. des in der Hauptsache angefochtenen Bescheids vom 30. Oktober 2019 nicht genügen. Die Begründung lässt gerade nicht erkennen, dass sich die anordnende Behörde besonderer Umstände des Einzelfalls bewusst war, die eine Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können. Vielmehr hat sie die Anordnung auf allgemeine, grundsätzlich auf alle arzneimittelrechtlichen Anordnungen auf der Grundlage von § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 AMG übertragbare Gesichtspunkte gestützt, ohne diese aber näher zu begründen. Die Behörde hat die Anordnung des Sofortvollzugs maßgeblich daraus hergeleitet (Ziff. II.3. der Bescheidgründe), dass ein „Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit (…) drohende Nachteile für Leben und Gesundheit“ hätte, und dass die Interessen der Antragstellerin hinter dem öffentlichen Interesse am „Gesundheitsschutz und [der] Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Patienten“ zurückstehen müssten, da „generell mit dem Inverkehrbringen eines nicht zugelassenen Arzneimittels“ ein gesundheitliches Risiko bestände. Jedoch fehlt es in den gesamten Gründen des angegriffenen Bescheids an einer – zumindest überschlägigen – Einschätzung, dass und ggf. unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall des streitgegenständlichen Produkts tatsächlich ein gesundheitliches Risiko bestände. Statt dessen hat die Behörde ausdrücklich nur mit der „generellen“ Risikobeurteilung des Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels argumentiert und damit das ohnehin erforderliche Erlassinteresse für Anordnungen nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG (in der Variante der Untersagung des Inverkehrbringens von Arzneimitteln, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt) und nach § 69 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 1 AMG i.V.m. § 3a Satz 1 HWG (in der Variante der Untersagung der Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind) mit dem besonderen Sofortvollzugsinteresse gleichgesetzt. Das wird nach Auffassung des Senats den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht gerecht.
Zwar können sich die formalen Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, insbesondere hinsichtlich der Darlegung des überwiegenden öffentlichen Interesses, im Einzelfall dann reduzieren, wenn der Gesetzeszweck ohne Anordnung des Sofortvollzugs überhaupt nicht erreichbar ist (zur Fahrerlaubnisentziehung vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46). Dafür ist in erster Linie der Rang der durch die Anordnung zu schützenden Rechtsgüter maßgeblich: Je höher diese einzustufen und je geringer die anderweitigen Einflussmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle sind, desto niedrigere Anforderungen sind an eine Begründung für den konkreten Einzelfall zu stellen.
Aus der arzneimittelrechtlichen Befugnisnorm des § 69 AMG ergibt sich jedoch gerade nicht für jede Fallkonstellation, dass den betroffenen und geschützten Rechtsgütern ein so hoher Rang zukäme, dass das besondere Sofortvollzugsstets mit dem Erlassinteresse identisch wäre. Soweit der – im angegriffenen Bescheid zitierte – Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. insbesondere B.v. 30.11.2000 – 25 ZS 00.2436 – juris Rn. 3 unter Verweis auf HessVGH, B.v. 14.2.1996 – 11 TG 1144/95 – juris Rn. 9) das Erlass- und Sofortvollzugsinteresse im Arzneimittelrecht bisher (wohl) als deckungsgleich angesehen hat, dürfte diese Auffassung nach geltender Rechtslage nicht weiter aufrecht zu halten sein (so wohl auch VGH BW, B.v. 26.3.2019 – 9 S 1668/18 – juris Rn. 47).
Der Gesetzgeber des Arzneimittelgesetzes hat davon abgesehen, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsakte auf der Grundlage von § 69 AMG nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO allgemein auszuschließen, nutzt diese Möglichkeit aber seit der Änderung des § 69 AMG im Jahr 2012 selektiv für bestimmte Anordnungen (vgl. Art. 1 Nr. 56 Buchst. a Doppelbuchst. cc des „Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 19. Oktober 2012, BGBl. 2012 I S. 2192). Hintergrund der Einführung eines gesetzlichen Sofortvollzugs war für den Gesetzgeber ausdrücklich die – offenbar nur – bei bestimmten Tatbeständen generell angenommene „Gefährdung für die Gesundheit“ (vgl. BT-Drucks 17/9341 S. 65). Nach derzeitiger Rechtslage werden lediglich die „zum Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder zum Schutz der Umwelt“ gebotenen Rückrufanordnungen der zuständigen Bundesoberbehörden auf der Grundlage von § 69 Abs. 1b Sätze 1 und 2 AMG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. c des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ vom 9.8.2019, BGBl. 2019 I S. 1202) für sofort vollziehbar erklärt. Dieser Tatbestand umfasst von vornherein nur Fälle, in denen ein Arzneimittel Herstellungs- oder Qualitätsmängel aufweist (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG), ein begründeter Fälschungsverdacht (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AMG) oder der begründete Verdacht schädlicher, über ein vertretbares Maß hinausgehender Wirkungen im Raum stehen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AMG). In allen anderen Tatbestandsvarianten des § 69 AMG – also insbesondere auch in den hier einschlägigen Fällen des Fehlens einer erforderlichen Zulassung (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG) und des Werbens für nicht zugelassene Arzneimittel (§ 69 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 1 AMG i.V.m. § 3a Satz 1 HWG) – haben Rechtsbehelfe gegen behördliche Anordnungen dagegen regelhaft aufschiebende Wirkung. Aus dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers folgt aus der Sicht des Senats, dass es in den Fällen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einer konkret-individuellen Darlegung eines besonderen, über das allgemeine Erlassinteresse hinausgehende Vollzugsinteresses bedarf, solange keine ausdrücklich als solche bezeichnete „Notstandsmaßnahme“ i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO getroffen wird.
Ein bloßer Verweis auf das generell bestehende öffentliche Interesse daran, das Inverkehrbringen nicht zugelassener Arzneimittel zu verhindern, kann nicht im Wege eines Quasi-Automatismus dem Begründungserfordernis für den Sofortvollzug im Einzelfall genügen. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – im Rahmen der Begründung auf bestehende Gefahren für Leben und Gesundheit verwiesen wird, ohne diese aber in irgendeiner Form zu konkretisieren und zu plausibilisieren. Anderenfalls würde die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen sofortvollziehbaren und nicht sofortvollziehbaren Anordnungen auf der Grundlage von § 69 AMG letztlich von der Exekutive regelhaft korrigiert bzw. umgangen (vgl. auch Hoppe in Eyermann, a.a.O. § 80 Rn. 46 a.E.). Zudem verlöre die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs in den Fällen des § 69 Abs. 1b Sätze 1 und 2 AMG die ihr vom Gesetzgeber zugemessene gesteigerte Bedeutung und die Beschränkung dieses Tatbestands auf Anordnungen „zum Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder zum Schutz der Umwelt“ weitgehend ihren Sinn, wenn die Exekutive den Eintritt der aufschiebenden Wirkung in formeller Hinsicht bereits mit einem pauschalen Verweis auf das für Anordnungen nach § 69 AMG ohnehin erforderliche Erlassinteresse aufheben könnte.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass mit dem Vorstehenden keine Aussage zu der zwischen den Beteiligten strittigen materiell-rechtlichen Frage getroffen wird, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Funktionsarzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG handelt bzw. ob dies den Nachweis eines Gesundheitsrisikos voraussetzt.
2. Ob die Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hier erfüllt sind, kann jedoch letztlich dahinstehen, da jedenfalls die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO im Übrigen zu treffende originäre Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts zu Gunsten der Antragstellerin ausgeht. Aus den zur Begründung der Beschwerde vorgetragenen Gründen ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zu ändern und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen wäre.
Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid sind bei einer summarischen Prüfung als offen anzusehen. Insoweit kann zur Begründung verwiesen werden auf den Senatsbeschluss im Hauptsacheverfahren 20 ZB 20.1408 vom heutigen Tag, mit dem der Senat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2020 (M 26 K 19.5533) zugelassen hat; das Ergebnis des Berufungsverfahrens hängt voraussichtlich von bisher nicht abschließend geklärten Tatsachen- und/oder Rechtsfragen ab und ist daher derzeit nicht absehbar.
Bei der danach erforderlichen umfassenden Abwägung der betroffenen schutzwürdigen Interessen (vgl. dazu Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93) setzt sich das Interesse der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen das öffentliche Sofortvollzugsinteresse durch. Für das Interesse der Antragstellerin, das streitgegenständliche Produkt bis zur Bestandskraft des Hauptsacheverfahrens vorläufig weiter in den Verkehr bringen und bewerben zu dürfen, streitet insbesondere ihre Berufsfreiheit aus Art 12 Abs. 1 GG und der Umstand, dass ihr – sollte sich der angegriffene Bescheid letztlich als rechtswidrig erweisen – ein möglicherweise nicht vollständig rückgängig zu machender wirtschaftlicher Schaden droht. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Ziff. 1. und 2. des in der Hauptsache angegriffenen Bescheids wiegt demgegenüber weniger schwer. Der Antragsgegner hat dieses Interesse – auf Grundlage der Annahme, dass es für die streitgegenständlichen Anordnungen keines über das Erlassinteresse hinausgehenden Sofortvollzugsinteresses bedürfe (vgl. dazu oben 1.b) – lediglich darauf gestützt, es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein gesundheitliches Risiko durch die Verwendung“ des Produkts ergebe. Zur Begründung verweist er auf eine von der Antragstellerin vorgelegte Zusammenfassung verschiedener Studien, wonach in einem Teil der vorliegenden Untersuchungen Nebenwirkungen von D-Mannose in Form von „leichten gastro-intestinalen Unverträglichkeiten“ festgestellt worden seien. Allein daraus ergeben sich jedoch keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte für ein Gesundheitsrisiko, das geeignet wäre, das vom Gesetzgeber in den Fällen des Fehlens einer erforderlichen Zulassung (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG) und des Werbens für nicht zugelassene Arzneimittel (§ 69 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 1 AMG i.V.m. § 3a Satz 1 HWG) regelhaft höher gewichtete Suspensivinteresse der Betroffenen aufzuwiegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Prüfbericht des Landeslabors Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2018 (der dem streitgegenständlichen Bescheid zu Grunde liegt) ausdrücklich noch davon ausgeht, dass auch hohe Dosen von D-Mannose nicht mit schädlichen Wirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel verbunden seien (vgl. Prüfbericht S. 5) und dass es sich bei D-Mannose nicht um einen bisher unbekannten Stoff, sondern um ein in seiner Zusammensetzung und Wirkungsweise weitgehend erforschtes Monosaccharid (Einfachzucker) handelt, das strukturell eng mit D-Glucose (Traubenzucker) verwandt ist. Insofern bedürfte es für die begründete Annahme gesundheitlicher Risiken konkreter und stichhaltiger Anhaltspunkte, die hier aber bislang weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar sind. Selbst wenn das streitgegenständliche Produkt – wie offenbar in einigen Studien festgestellt – tatsächlich geeignet sein sollte, „leichte gastro-intestinale Unverträglichkeiten“ zu verursachen, stehen damit jedenfalls bislang keine irreversiblen Gesundheitsgefahren im Raum, die den Sofortvollzug der angegriffenen Untersagungsverfügungen rechtfertigen könnten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte war der Streitwert der Hauptsache nach § 52 Abs. 2 GKG für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.


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