Verwaltungsrecht

Asyl (Herkunftsland, Iran), Flucht aus dem Iran wegen Konversion zum Bahaiglauben (unglaubhaft), Keine ernsthafte innere Glaubensüberzeugung, Anhaltspunkte für asyltaktische Konversion

Aktenzeichen  M 28 K 18.34426

Datum:
29.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53575
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl bei den mündlichen Verhandlungen kein Vertreter der Beklagten anwesend war, denn eine ordnungsgemäße Ladung unter Hinweis auf die Folgen des Nichterscheinens war erfolgt (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. des Bescheids) sowie der Befristungsentscheidung (Ziffer 6. des Bescheids) bestehen keine Zweifel.
1. Zur Begründung wird auf die Darstellung im angegriffenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch auszuführen:
2. Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG:
a) Nach § 3 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
b) Das Gericht ist nicht hinreichend davon überzeugt, dass die vom Kläger genannten Gründe für seine Ausreise aus dem Iran der Wahrheit entsprechen.
Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VG Ansbach U.v. 3.3.2017 – 10 K 16.30430 – juris Rn. 24).
Der Einzelrichter muss im Asylverfahren sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Dabei obliegt es der Klagepartei, die Gründe für ihr Asylbegehren in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalles die Furcht vor Verfolgung begründet und es ihr nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Herkunftsland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings – unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters des Asylsuchenden und deshalb möglicher, insbesondere sprachlicher Schwierigkeiten, die eigenen Belange dem Gericht überzeugend und „farbig“ darzustellen – ein detaillierter, in sich schlüssiger und überzeugender Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Der Vortrag des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung litt an nicht unerheblichen Widersprüchen und Ungereimtheiten, im Einzelnen:
So hat der Kläger beim Bundesamt auf die Frage: „Wer weiß im Heimatland, dass sie den Bahai angehören?“ geantwortet: „Wie erwähnt muss es geheim gehalten werden. Es ist gefährlich und ich war vorsichtig. Außer die bei dem Gruppentreffen anwesenden wusste es nur meine Frau. Sie wusste es anfangs auch nicht. Später habe ich sie auch von Bahai überzeugen wollen und sie beitreten lassen.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 6).
In der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2021 hat der Kläger hingegen erklärt: Ihm sei schon klar gewesen, welche Gefahr es bedeute als Bahai im Iran zu leben. Aber es sei eben sein Glauben gewesen und von seinem Herzen ausgegangen. Er habe überall direkt oder indirekt von den Bahai gesprochen. (Sitzungsprotokoll, S. 5).
In der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2021 hat der Kläger weiter erklärt, seine Frau habe bereits zuvor ihrem Onkel väterlicherseits gesagt, dass sie also sie und ihr Mann Bahai geworden seien (Sitzungsprotokoll S. 5). Auf entsprechende Nachfrage des Gerichts hat der Kläger bestätigt, seine Frau habe dem Onkel bereits vor dem fluchtauslösenden Ereignis berichtet, dass der Kläger Bahai sei (Sitzungsprotokoll S. 7). Beim Bundesamt hat der Kläger hingegen erklärt: „Nachdem ich in Gefahr war, erzählte meine Frau dem Onkel, dass ich Bahai sei und auch auf diesem Weg sei. Er ist ein kluger Mann und hatte Verständnis dafür.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt S. 6).
Auch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2021 von umfangreichen „Missionsreisen“ mit dem Freund, der ihn zum Bahai-Glauben gebracht hat, berichtet (Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2021, S. 3 und S. 4). Diese Reisen hat der Kläger beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt. Dort hat er, trotz entsprechender Nachfrage, wie er seinen Glauben ausgelebt habe, lediglich auf die regelmäßigen Treffen der Bahai-Gemeinde Bezug genommen. Auch auf entsprechende (nochmalige) Nachfrage des Bundesamts: „Habe ich sie richtig verstanden, dass Sie Ihren Glauben ausschließlich bei diesen Zusammentreffen ausgelebt haben?“ hat der Kläger diese Missionsreisen nicht erwähnt, sondern auf Gebete, Fasten und nochmals auf die Gruppentreffen hingewiesen (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 6).
Auch fällt auf, dass der Kläger beim Bundesamt von dem Schreiben, welches letztlich fluchtauslösend gewesen sein soll, erst auf mehrmalige Nachfrage berichtet hat und zunächst eher allgemeine Befürchtungen geäußert hat: „Wenn es herausgekommen wäre, dass ich Bahai geworden bin, hätte ich meine Arbeitsstelle verloren. Ich wäre eventuell vergiftet worden. Ich wäre in Gefahr.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4). Auch auf Nachfrage des Bundesamts: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihnen persönlich bis dato noch nichts Konkretes aufgrund ihrer Konversion zu Bahai zugestoßen ist?“ hat der Kläger allgemein davon gesprochen, dass das Leben als Bahi im Iran gefährlich sei und dass es bei ihm schon Verdächtigungen gegeben habe. Dies habe ihm ein Freund erzählt. Bei ihm in der Arbeit habe ihm dieser Kollege gesagt, dass er aufpassen solle, weil die anderen schon mitbekommen haben, dass er dem Islam nicht mehr nahe sei. Er sei vorsichtig gewesen und dann hätten seine Frau und er ihre Wohnung verlassen. Als er dies erfahren habe, sei er sofort aktiv geworden und sei zu seinen Schwiegereltern gegangen. Er habe ein Gespräch mit dem Onkel seiner Frau gehabt, der dann die Ausreise organisierte. Bis er die Ausreise organisierte, habe er sich im Garten verstecken müssen (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4). Obwohl der Kläger an dieser Stelle bereits die Flucht aus dem Iran geschildert hat, hat er das Schreiben mit keinem Wort erwähnt, obwohl dieses doch letztlich fluchtauslösend gewesen sein soll.
Auch auf nochmalige Nachfrage des Bundesamts „Gab es irgendwelche staatlichen Maßnahmen gegen Sie aufgrund Ihrer Religion Bahai?“ hat der Kläger zunächst angegeben: „Einem Mann, der auch Bahai war, ist etwas in einem Park passiert. Er wurde dort umgebracht. Ich war wegen meiner Religionszugehörigkeit nicht im Gefängnis. Mit wurde die Arbeit gekündigt. Bahai bekommen immer wieder Briefe vom Geheimdienst. Dies habe ich auch von anderen Bahai erfahren, denen dasselbe passiert ist. Die Mitglieder waren dann nicht mehr auffindbar.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4). Erst dann hat der Kläger von dem Schreiben berichtet: „Ich habe dann auch einen Brief in der Arbeit erhalten. Ich hatte Angst um mein Leben und dass mir etwas zustößt.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4).
Auch hat der Kläger bereits beim Bundesamt widersprüchliche Angaben dazu gemacht, ob seine Bahaizugehörigkeit im Iran nun bekannt geworden war und ob ihm nun gekündigt worden ist oder nicht:
Der Kläger hat zu Beginn seiner Anhörung beim Bundesamt erklärt: „Wenn es herausgekommen wäre, dass ich Bahai bin, hätte ich meine Arbeitsstelle verloren.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4). Später hat er dann berichtet: „Ich war wegen meiner Religionszugehörigkeit nicht im Gefängnis. Mir wurde gekündigt.“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 4). In dem dem Gericht vorgelegten Anschreiben an den Kläger wird jedoch eine Kündigung nicht erwähnt, sondern allgemeine „Drohungen“ ausgesprochen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 15. September 2021 erklärt, dass sein Freund, über den er zum Bahai-Glauben gekommen sei, einige Jahre im Gefängnis gewesen sei, er sei nun wieder frei, aber er stünde unter ständiger Beobachtung. Sie seien trotzdem in Kontakt, aber sein Handy und sogar seine „Autosteuerung“ würden überwacht werden. Der Gefängnisaufenthalt sei in dessen Jugend gewesen, seitdem werde er überwacht. Er sei unter ständiger Kontrolle weil er so bekannt sei, er könne nichts kaufen, er bekomme nicht mal eine nationale Identitätskarte, er könne nicht mal ein Auto kaufen, alles, was er besitze, sei etwas, was er schon immer besessen habe (Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. September 2021, S. 7). Dem Gericht erscheint es jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Freund bei einer solch umfangreichen Überwachung zum einen den Kläger zum Bahaiglauben geführt, zu entsprechenden Zusammenkünften gebracht (dies auch über einen längeren Zeitraum) und insbesondere mit dem Kläger zusammen die oben erwähnten „Missionsreisen“ unternommen haben soll.
Auch fällt auf, dass der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage des Gerichts von den nach seiner Flucht angeblich stattgefundenen staatlichen Maßnahmen (Durchsuchung, Befragungen seiner Frau) berichtet hat (Sitzungsprotokoll mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2021, S. 6). Zwar ist einleuchtend, dass der Kläger von diesen Maßnahmen noch nicht bei seiner Anhörung beim Bundesamt berichten konnte, da diese schon unmittelbar nach seiner Einreise am Flughafen erfolgt ist. Allerdings fällt auf, dass diese Maßnahmen auch in den Schriftsätzen an das Gericht nicht erwähnt werden, während in diesen hingegen ausführlich auf das Schreiben an der Arbeitsstelle eingegangen wird. Warum diese doch wohl nicht ganz unerheblichen Maßnahmen (siehe hierzu dann auch der entsprechende Beweisantrag) hier nicht erwähnt wurden, sondern erst auf entsprechende gerichtliche Nachfragen, ist schwer verständlich.
Auch in Bezug auf die Voraussetzungen der Aufnahme bei der Bahaigemeinde in Deutschland waren die Angaben des Klägers nicht ganz widerspruchsfrei: So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2021 auf die Frage, was Voraussetzung dafür sei, dass er bei der Bahai-Gemeinde Deutschlands Mitglied werde, erklärt, man brauche nichts nachzuweisen. Denn der Glaube sei Herzensangelegenheit. Es gebe da auch keine Zeremonien.“ (Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung am 16. Juli 2021). In der mündlichen Verhandlung am 15. September 2021 hat der Kläger hingegen erklärt, die Bahai-Gemeinde habe für seine Aufnahmen eine Bestätigung aus dem Iran gebraucht. Nachdem diese Bestätigung gekommen sei, habe er teilnehmen können (Sitzungsprotokoll, S. 2). Diese Bestätigung sei von dem Freund gekommen, der ihn zum Bahai-Glauben gebracht habe. An diesen habe er sich gewandt, obwohl dieser unter ständiger Überwachung sei und er nicht wolle, dass dieser Probleme bekomme (Sitzungsprotokoll, S. 7).
Auch erscheint es eine Schutzbehauptung, wenn der Kläger angesichts von 12 Jahren Schulbildung und vier Jahren Studium der Ingenieurwissenschaft angibt, er beherrsche kein Englisch und habe daher „die Schilder nicht verstehen können“ (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 3).
Ohne, dass es angesichts der oben ausgeführten Widersprüche und Ungereimtheiten darauf ankäme, fällt zudem Folgendes auf: Der Kläger hat beim Bundesamt davon berichtet, dass er im Iran ein Gebetsbuch der Bahai erhalten habe (Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt, S. 5). Auf die Frage: „Können Sie das Gebetsbuch vorlegen?“ hat der Kläger geantwortet: „Ja, ich habe es dabei.“. Die in der Akte befindlichen Kopien des Umschlags dieses Gebetsbuchs weisen dieses jedoch als in Deutschland veröffentlicht aus.
Nachdem der Kläger angegeben hat, in Deutschland zunächst keine Kontakte zu Bahai gehabt, sondern erst über das Internet Kontakt zu der Bahaigemeinde in … aufgenommen zu haben, erscheint auch wenig wahrscheinlich, dass ihm dieses Buch bereits vier Tage nach seiner Einreise noch am Flughafen (während des laufenden Flughafenverfahrens) von einem Bahai-Mitglied dieser Gemeinde überreicht worden ist.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag musste das Gericht nicht nachkommen:
Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit das Auswärtige Amt oder die deutsche Botschaft in Teheran das vorgelegten Schreiben als echt oder unecht einzuschätzen vermögen, da es sich offensichtlich nicht um ein Dokument einer öffentlichen Stelle oder Behörde des Iranischen Staats handelt, sondern vielmehr um ein internes Schreiben der Arbeitsstelle des Klägers. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass es sich hierbei um die „Nationale Iranische Gasgesellschaft“ handelt. Selbst wenn das Auswärtige Amt eine Einschätzung dahingehend geben könnte, dass der Briefkopf des Anschreibens echt wäre, würde dies die Echtheit des Schreibens schon nicht nachweisen; so wäre beispielsweise nicht auszuschließen, dass der Kläger dieses Anschreiben selber verfasst hat oder über ehemalige Kollegen verfassen ließ, da er ja gerade bei der Gasgesellschaft angestellt war.
Das Auswärtige Amt vermag insbesondere auch nicht zu beurteilen, ob die Ehefrau des Klägers von iranischen Sicherheitskräften aufgesucht wurde, diese nach dem Kläger gesucht haben und persönliche Dinge des Klägers beschlagnahmt haben. Es ist schon nicht ersichtlich, wie das Auswärtige Amt zu Erkenntnissen in Bezug auf diese Frage kommen sollte, das Beweismittel stellt sich insoweit schon als ungeeignet dar.
c) Auch aus der behaupteten Hinwendung des Klägers zum Bahaitum ergibt sich vorliegend nicht die Anerkennung als Flüchtling.
aa) Zwar kann eine Verfolgung, die an der Religion des Asylsuchenden anknüpft, grundsätzlich zu einer Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
bb) Nach § 28 Abs. 1a AsylG sind im Rahmen der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) und der Prüfung des subsidiären Schutzes grundsätzlich auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe zu berücksichtigen (vgl. zum Nachfluchtgrund der Konversion u.a. VG Augsburg, U.v. 19.9.2016 – Au 5 K 16.30957 – juris Rn. 28,30), durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.
cc) Zum Bahaitum konvertierte Muslime können im Iran auch einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder zumindest von subsidiären Schutz oder von Abschiebungsverboten grundsätzlich rechtfertigen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, vom 12. Januar 2019, Stand November 2018 S. 4, 12 und S. 14; VG München, U. v. 6.5.2014 – M 2 K 13.31341 -; VG Würzburg, U. v. 2.10.2013 – W 6 K 13.30160 – juris Rn. 25 ff. m.w.N.).
dd) Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zur neuen Religion vorliegt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt genügt nicht. Vielmehr muss glaubhaft sein, dass der Betreffende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in den Iran ungehindert leben zu können. Steht fest, dass sich der Betroffene nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigten wird, dass er der tatsächlichen Gefahr asylrelevanter Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist, kann er grundsätzlich auch nicht darauf verwiesen werden, auf bestimmte Handlungen zu verzichten (EuGH, U. v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. – juris Ziff. 73 ff.). Andererseits ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Heimatland eine Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat.
ee) An diesen Maßstäben gemessen konnte der Kläger das Gericht nicht davon überzeugen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran aufgrund einer Konversion zum Bahaitum asylerheblichen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt wäre. Insbesondere geht das Gericht nicht davon aus, dass sich der Kläger aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung dem Bahaitum zugewandt hätte, die Hinwendung des Klägers zum Bahaitum stellt sich dem Gericht vielmehr als asyltaktisch motiviert dar, im Einzelnen:
(1) Zweifel des Gerichts am Nachfluchtvorbringen des Klägers zu seiner Konversion im Bundesgebiet werden bereits dadurch begründet, dass der Kläger seine Hinwendung zum Bahaitum mit dem Vorbringen zu einer vermeintlichen Vorverfolgung im Iran verknüpfte, das das Gericht jedoch dargelegt – als nicht glaubhaft erachtet (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris, Rn. 57). Da der Kläger mit seinem Vorbringen gerade das Gegenteil eines „neuen, das Vorfluchtvorbringen überlagernden Strangs zu einem identitätsprägenden inneren Einstellungswandel“ im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung (BayVGH, a.a.O.) präsentiert hat, so begründet schon dies Zweifel des Gerichts an der Glaubhaftigkeit seines Nachfluchtvorbringens zur Konversion zum Bahaitum im Bundesgebiet. Der Kläger hat insbesondere auf Nachfragen zum Grund seiner inneren Hinwendung zum neuen Glauben nicht unmaßgeblich auf die angebliche (nicht glaubhafte, s.o.) Flucht aus dem Iran Bezug genommen: Wegen seines Glaubens habe er seine Familie beiseite getan, aber er müsse seinen Glauben eben frei ausleben aus tiefstem Herzen. Wegen Baha`ulla habe er den Iran verlassen. Er sei mit einem Schleuser hergekommen. Er habe das Land, die Sprache nicht gekannt. (Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. September 2021, S. 8).
(2) Diese Zweifel an der ernsthaften Konversion des Klägers wurden auch durch das weitere Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt: Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass er intensive Kenntnisse des Bahaiglaubens vorweisen konnte. Dem Gericht ist jedoch trotz mehrfacher Nachfragen in beiden mündlichen Verhandlungen, auch von Seiten Prozessbevollmächtigten, nicht klar geworden, was den Kläger letztlich zu der für ihn äußerst gefährlichen Konversion bewogen hat und warum ihn dieser Glaube derart prägt, als dass es ihm im Iran nicht möglich wäre, ohne dessen öffentliche Ausübung ein für ihn sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.
Der Kläger konnte dem Gericht nicht schlüssig und überzeugend vermitteln, in wieweit ihn sein Glaube im Alltäglichen begleitet, ihm wichtig ist und seine Leben und seine Persönlichkeit prägt. Stattdessen wirkten viele Antworten wie die Angabe auswendig gelernten Wissens. Allein aus den formalen Kenntnissen über eine Religion und der rein reproduktiven Wiedergabe selbiger, lässt sich aber nicht ableiten, dass die religiöse Identität einer Person von dieser Glaubenslehre geprägt wird.
Dem Gericht hat sich aus den Antworten des Klägers nicht erschlossen, warum für ihn persönlich die Ausübung des Bahai-Glaubens derart wichtig ist, als dass davon auszugehen wäre, dass er die Ausübung desselben auch im Iran als derart unerlässlich empfinden wird, so dass er bereit wäre, auch Verfolgung durch den iranischen Staat einzugehen.
Auch die die Bestätigung des Nationalen Geistigen Rats der Bahai in Deutschland vermag den Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, sowie die im Vortrag des Klägers bestehenden Widersprüche nicht auszuräumen:
Denn das Gericht hat unabhängig von den durch den Staat zu respektierenden Kirchenmitgliedschaftsregelungen Feststellungen zur religiösen Identität des Flüchtlings zu treffen, um die Wahrscheinlichkeit der Verfolgung der Kläger im Iran zu beurteilen,
d. h. insbesondere, welche Art der religiösen Betätigung die Kläger für sich als verpflichtend empfinden, um ihre religiöse Identität zu wahren (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris).
d) Aus der Flucht des Klägers aus dem Iran sowie seiner Asylantragstellung in Deutschland ergibt sich ebenfalls nicht die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zwar sind Nachfluchtgründe im Rahmen der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft grundsätzlich zu berücksichtigen, § 28 Abs. 1 a AsylG (s.o. unter 2c bb)). Es ist jedoch zumindest nicht generell davon auszugehen, dass allein aufgrund einer Flucht aus dem Iran und einer Asylantragstellung in Deutschland mit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a AsylG durch den iranischen Staat zu rechnen ist (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 2. März 2018, Stand Dezember 2017, Seite 24). Gegenteiliges haben die nicht vorgetragen.
3. Das vom Kläger Vorgetragene führt auch nicht zu der Einschätzung, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht. Ihm ist daher kein subsidiärer Schutz zu gewähren.
Der Kläger ist unverfolgt ausgereist (siehe oben unter 2b)). Des Weiteren ist beim Kläger nicht von einer ernsthaften Konversion nach den oben genannten Maßstäben auszugehen und damit ebenfalls nicht davon, dass der Kläger seinen Glauben auch in seinem Heimatland ausüben und dementsprechend Repressalien durch den iranischen Staat ausgesetzt sein wird (siehe oben unter 2c)). Allein die Ausreise aus dem Iran und die Asylantragstellung führen nach den vorliegenden Erkenntnismitteln ebenfalls nicht zu Sanktionen gegen den Kläger (siehe oben unter 2d)).
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK, welche im Rahmen der Prüfung des Art. 60 Abs. 5 AufenthG zu berücksichtigen wäre, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch keine Krankheiten oder sonstige individuelle, gefahrerhöhende Umstände vorgetragen, welche im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG zu berücksichtigen wären.
Auch aus der derzeitigen Lage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) im Iran in Bezug auf die Corona-Pandemie ergibt sich vorliegend kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1 denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht.
Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Ausländer im Zielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 23.6.2016 – 6 K 6684/15.A – juris Rn. 122). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
Nach alldem war die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.


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