Verwaltungsrecht

Asyl (Sierra Leone): Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  9 ZB 21.30252

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4355
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84 Abs. Abs. 4
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, § 80

 

Leitsatz

Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.31212 2020-11-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. November 2020 die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 21.30109 – juris Rn. 4 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
a) Soweit das Zulassungsvorbringen anführt, der Kläger habe die Vaterschaft seiner beiden Kinder anerkannt und besuche diese vier bis fünfmal je Woche, weshalb im Rahmen der Rückkehrprognose die Grundsätze des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2019 (Az. 1 C 45.18) zugrunde zu legen und von einer Lebensgemeinschaft auszugehen sei, führt dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Abgesehen davon, dass die Frage, von welcher Rückkehrsituation auszugehen ist, der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall unterliegt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 4.1.2021 – OVG 3 N 42/20 – juris Rn. 23) und der Kläger damit vielmehr in der Gestalt einer Grundsatzrüge Kritik an der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht übt, was keinen nach § 78 Abs. 3 AsylG vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2020 – 9 ZB 20.31773 – juris Rn. 6), besteht auch keine Entscheidungserheblichkeit. Denn das Verwaltungsgericht hat ergänzend darauf abgestellt, dass beim Kläger auch bei Bejahung einer gemeinsamen Rückkehr kein Abschiebungshindernis vorliegt.
b) Die Frage, ob ein männlicher Rückkehrer bei Abschiebung für das Existenzminimum seines Familienverbandes sorgen kann, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat – ergänzend zur Begründung des Gerichtsbescheids vom 17. Februar 2020 (§ 84 Abs. Abs. 4 VwGO) – darauf abgestellt, dass es dem Kläger als jungem, volljährigem, gesundem und erwerbsfähigem Mann, der den Beruf eines Automechanikers gelernt hat, möglich sein sollte, in Sierra Leone auch das Einkommen für die gesamte Familie zu erwirtschaften. Dem tritt das Zulassungsvorbringen schon nicht substantiiert entgegen und setzt sich nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 9 ZB 20.32156 – juris Rn. 4). Dem genügt der boße Hinweis nicht, das Verwaltungsgericht stütze sich auf veraltete Erkenntnismittel; neuere Berichte, die die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Frage stellen könnten, legt der Kläger mit dem Zulassungsvorbringen nicht vor. Abgesehen davon ist die aufgeworfene Frage auch nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 9 ZB 20.30689 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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