Verwaltungsrecht

Asylantrag offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 17 S 16.34941

Datum:
14.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 3 S. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

Trägt eine Ausländerin zur Begründung ihres Asylantrags lediglich vor, in der Bundesrepublik Deutschland ihren deutschen Verlobten heiraten zu wollen, ist die Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet mangels Vortrags eines Verfolgungsschicksals nicht zu beanstanden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Staatsangehörige von Vietnam. Sie reiste nach eigenen Angaben Mitte Dezember auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22. April 2016 Asylantrag.
Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … Oktober 2016 gab die Antragstellerin im Wesentlichen an, dass sie nach Deutschland gekommen sei, um zu heiraten. Ihren Verlobten habe sie über das Internet kennengelernt. Ein Ausländer müsse mindestens drei Monate in Vietnam leben, um eine Vietnamesin heiraten zu können. Wenn sie nach Vietnam zurück müsse, würde ihr Verlobter dort drei Monate leben und sie dann heiraten.
Mit Bescheid vom 22. November 2016, per Einschreiben am 24. November 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihr die Abschiebung nach Vietnam bzw. in einen anderen Staat, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte offensichtlich nicht vorlägen. Die Antragstellerin habe Vietnam nur verlassen, um in Deutschland ihren deutschen Verlobten zu heiraten. Ihr drohten kein ernsthafter Schaden und keine Bedrohung für Leib und Leben, so dass auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht vorlägen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, insbesondere drohe der Antragstellerin in Vietnam keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Vietnam führten nicht zu der Annahme, dass bei ihrer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nach Rückkehr ins Heimatland wieder selbst erwirtschaften könne, sie sei arbeitsfähig und könne in ihre familiären Strukturen zurückkehren. Ihr drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG.
Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 16.34940) und beantragten gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 22. November 2016 anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte bisher nicht.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16. 34940 und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Antragstellerin möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 Asylgesetz – AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 22. November 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
I.
Der Antrag ist bereits unzulässig, da dieser nicht innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt wurde.
Nach dieser Vorschrift sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu stellen. Im vorliegenden Fall wurde der streitgegenständliche Bescheid am 24. November 2016 per Einschreiben zur Post gegeben und gilt damit am dritten Tag, das heißt am 27. November 2016, als zugestellt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG). Die Wochenfrist endete damit mit Ablauf des 5. Dezember 2016 (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1, 2 Zivilprozessordnung – ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), so dass der am 6. Dezember 2016 bei Gericht eingegangene Eilantrag verfristet ist.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
II.
Im Übrigen ist der Antrag aber auch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
2.1 Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigte oder die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht erkennbar. Vielmehr hat diese lediglich angegeben, ihren Verlobten, einen deutschen Staatsangehörigen, heiraten zu wollen. Dieser Umstand begründet aber keine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylG. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.2 Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Eine weitere Begründung erübrigt sich, da weder die Klage noch der Eilantrag bisher begründet wurden.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Eine etwaige Geltendmachung der Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen aufgrund einer Eheschließung oder eines Familienverbands (Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) wäre kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ein im Rahmen von § 60a AufenthG zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, für das sich die Antragstellerin auf einen Antrag auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verweisen lassen muss (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.5.2010 – 11 LB 186/08 – juris Rn. 47; OVG Berlin-Bbg. B.v. 30.4.2013 – OVG 12 S 25.13 – juris unter Hinweis auf § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 6/97 – juris).
2.3 Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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