Verwaltungsrecht

Asylfolgeantrag eines kurdischen Mhallamis

Aktenzeichen  W 2 K 18.31876

Datum:
2.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6994
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 31 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 59 Abs. 4, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51

 

Leitsatz

Der Prüfungsumfang im Rahmen eines Folgeantrages ist in Bezug auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nicht darauf beschränkt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen vorliegen. Vielmehr hat das Bundesamt nach § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG – unabhängig von der Zulässigkeit des Folgeantrags – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (VG München BeckRS 2018, 27197).  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Kläger wurde dazu mit Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 13. September 2018 gehört. Für die Beklagte war – aufgrund der allgemeinen Prozesserklärung vom 25. Juni 2017 – eine Anhörung entbehrlich.
Die Klage ist zum gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250) maßgebliche Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
Soweit der Kläger begehrt, die Beklagte zu einer Weisung an die Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung bis zum 31. März 2019 zu verpflichten, ist die Klage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon mangels tatsächlichem Rechtsschutzinteresse unzulässig, da der Zeitraum auf den die Duldung sich beziehen soll, bereits in der Vergangenheit liegt.
Im Übrigen wäre die Klage insoweit auch unbegründet, da es keine Rechtsgrundlage für ein solches Weisungsverhältnis gibt. Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, d.h. die bevorstehende Hochzeit mit einer deutschen Staatsangehörigen, haben keine asylrechtliche bzw. zielstaatsbezogene Relevanz und fallen mithin in die ausschließliche Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde, so dass eine Weisung der Beklagten zur Erteilung einer Duldung rechtlich von vornherein nicht in Betracht kommt.
Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen im Rahmen der Bearbeitung seines Asylfolgeantrags vom 18. September 2017.
So legt das Gericht den Klageantrag gem. § 88 VwGO sachdienlich dahingehend aus, dass der Kläger den Bescheid vom 9. August 2018 nur insoweit angreift, als er in Ziffer 2 die Abänderung des Bescheides vom 13. Mai 2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ablehnt.
Zwar hat das Bundesamt in diesem Punkt seinen Prüfungsumfang verkannt. Denn es darf sich auch im Rahmen eines Folgeantrages bei der Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nicht darauf beschränken, zu prüfen, ob insoweit die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen bzw. ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne vorliegen. Vielmehr hat es gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – unabhängig von der Zulässigkeit des Folgeantrags – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (vgl. VG München, B.v. 8.8.2018 – M 18 E 18.32455 – BeckRS 2018, 27197). Als zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bezieht sich diese Prüfung jedoch alleine auf den in der Abschiebungsandrohung benannten Zielstaat. Denn nur in diesen Staat kann der Ausländer ohne weitere Benachrichtigung und Beteiligung der Beklagten abgeschoben werden. So darf die Ausländerbehörde gemäß § 59 Abs. 4 AufenthG nach Eintritt der Unanfechtbarkeit einer Abschiebungsandrohung auch nur die Umstände unberücksichtigt lassen, die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit eingetreten sind und sich auf den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat beziehen.
Alleine der in Ziffer 5 Satz 3 des Bescheides vom 13. Mai 2016 enthaltene Hinweis, der Kläger könne auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme bereit sei, führt mithin nicht dazu, dass er ohne rechtsmittelfähige Benachrichtigung in einen anderen als den tatsächlich bezeichneten Zielstaat abgeschoben werden kann. Vielmehr bedarf es dazu einer weiteren Konkretisierung gegenüber dem Kläger, die dann in Bezug auf das Vorbringen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse einer weiteren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle – ggf. im Rahmen eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz – selbständig zugänglich ist (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 8.1.2014 – 10 CE 13.2632 – juris). Dabei kann offen bleiben, ob die Abschiebung in einen anderen als den in der Abschiebungsandrohung konkret bezeichneten Zielstaat einer förmlichen Beteiligung der Beklagten im Wege einer Ergänzung oder Modifikation der ursprünglichen Abschiebungsandrohung bedarf, oder ob eine verwaltungsinterne Beteiligung der Beklagten genügt (in letzterem Sinne vgl. OVG Sachsenanhalt, B.v. 13.8.2008 – 2 L 12/08 – juris). In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass die Beklagte vor einer Abschiebung in einen anderen als den in der Abschiebungsandrohung konkret bezeichneten Zielstaat das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen bezogen auf den nunmehr abschiebungsrelevanten neuen Zielstaat überprüft. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Beklagte die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten immer nur auf den im Rahmen der Abschiebungsandrohung konkretisierten Zielstaat durchzuführen hat. Sie muss nicht – quasi auf Vorrat – andere, nicht bereits als Abschiebungsziele konkretisierte Staaten überprüfen. Dies ist – wie ausgeführt erst dann notwendig, wenn eine Abschiebung in einen anderen – von der Konkretisierung der Abschiebungsandrohung abweichenden Zielstaat – tatsächlich betrieben werden soll.
Da dem Klägers in Ziffer 5 Satz 2 des Bescheides vom 13. Mai 2016 die Abschiebung in den Libanon angedroht wurde, ohne dass es – im Zuge des Folgeverfahrens – zu einer Änderung oder weiteren Konkretisierung des Abschiebungszieles bezüglich der Türkei kam, bezieht sich die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch im Rahmen des Folgeantrags ausschließlich auf den Libanon. Der umfangreiche Vortrag des Klägers zur Türkei spielt dabei – unabhängig von seiner Glaubwürdigkeit – insoweit keine Rolle, als er weder zu einer entsprechenden Ergänzung der Abschiebungsandrohung geführt hat, noch – in Konsequenz daraus – für die Prüfung von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf den Libanon relevant ist.
Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bezüglich des Libanon sind auch unter umfassender Würdigung des klägerischen Vortrags im Rahmen des Folgeverfahrens wie seines gerichtlichen Vortrags weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Dem Kläger steht mithin kein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu.
Die Klage war mithin insgesamt abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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