Verwaltungsrecht

Asylrecht, Herkunftsland: Irak, Widerruf nach vorangegangener Negativentscheidung grundsätzlich nur noch nach Ermessen möglich, Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren nicht ausreichend für § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG, Kein Ermessen ausgeübt zu § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG, Flüchtlingsanerkennung aus dem Jahr 2016 wegen nichtstaatlicher Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz, Ninive, Distrikt Hellip, Vorliegen anderer Widerrufsgründe ohne Ermessensausübung des Bundesamts nicht zu prüfen

Aktenzeichen  M 4 K 20.31760

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34326
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
VwGO § 52
AsylG § 73 Abs. 2a S. 5
AufenthG § 60 Abs. 8 S. 1
AsylG § 3 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 8 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für … vom 19. Mai 2020 wird aufgehoben. 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
I. Der Bescheid ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört (§ 84 Abs. 1 VwGO).
2. Das Verwaltungsgericht München ist für die Entscheidung örtlich zuständig, § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 VwGO. Der Kläger hatte seinen Wohnsitz im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung in München und damit im Bezirk des Verwaltungsgerichts München.
Dies ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme des Klägers im Anhörungsverfahren vom … … 2020, aus der Auskunft von … vom … … 2021 sowie aus dem Beschluss des Landgerichts … vom 23. Januar 2020. Dass der Prozessbevollmächtigte bei Erhebung der Klage ursprünglich die Anschrift der stationären Rehabilitationseinrichtung in … angeben wollte, ändert an diesem Ergebnis nichts, weil es auf den tatsächlichen Wohnsitz ankommt. Dieser wurde durch die vorübergehende stationäre Therapie des Klägers in … nicht berührt.
3. Die Klage ist nur teilweise zulässig. Der auf Feststellung des Fortbestehens der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Antrag ist wegen Subsidiarität und mangels Rechtsschutzinteresse unstatthaft. Denn wenn der Kläger mit seinem diesbezüglichen Anfechtungsantrag Erfolg hat, lebt die mit Bescheid vom 11. November 2016 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft wieder auf.
4. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 19. Mai 2020 ist aufzuheben, weil der Widerruf der dem Kläger mit Bescheid vom 11. November 2016 zuerkannten Flüchtlingseigenschaft rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidungen zum subsidiären Schutzstatus und zum Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten in Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids sind als gemäß § 73 Abs. 3 AsylG akzessorische Entscheidungen zum Widerruf mit der Aufhebung des Widerrufs ebenfalls aufzuheben.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Widerrufsbescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Bundesamt durfte den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zwingend, sondern nur noch nach Ermessen verfügen, § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG. Dies ist nicht erfolgt.
4.1. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 1 AsylG liegen vor.
Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylG vorliegen, hat spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a Satz 1 AsylG). Ist nach der Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, steht eine spätere Entscheidung nach Absatz 1 im Ermessen (§ 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 1 AsylG).
Das Bundesamt hat im Jahr 2017 sachlich geprüft (vgl. dazu BVerwG, U.v. 5.6.2012 – 10 C 4.11 – juris Rn. 16), ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der asylrechtlichen Begünstigung des Klägers vorliegen, dies verneint und das Ergebnis seiner Prüfung der Ausländerbehörde mitgeteilt. Diese Mitteilung ist zwar mittlerweile nach Einfügung des Satzes 3 in § 73 Abs. 2a AsylG entbehrlich (insoweit wohl unzutreffend noch auf die Rechtslage vor Einfügung des § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylG durch das AsylVfBeschlG 2015 mit Wirkung zum 24.10.2015 abstellend: BeckOK AuslR/Fleuß, 30. Ed. 1.7.2021, AsylG § 73 Rn. 56; unklar VG Würzburg, U.v. 19.8.2019 – W 8 K 19.30955 – BeckRS 2019, 21740), aber nicht unzulässig. Dass eine inhaltliche Prüfung durch das Bundesamt stattgefunden hat, ergibt sich daraus, dass das Bundesamt der Ausländerbehörde mit Schreiben vom … … 2017 das negative Ergebnis seiner Prüfung mitgeteilt hat (vgl. zum Ganzen Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand 12/2019, § 73 Rn. 70).
4.2. Die Voraussetzungen eines der Ausnahmetatbestände des § 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 2 AsylG liegen nicht vor.
Danach ist ein Widerruf trotz vorangegangener Negativentscheidung dennoch zwingend möglich, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen oder weil das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat.
4.2.1. Das Bundesamt hat den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zwar auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG gestützt; dies jedoch zu Unrecht. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG liegen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor.
Gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland angesehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.
Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München vom 12. März 2018 zwar zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, dieser Entscheidung lagen jedoch „nur“ Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr und sechs Monaten zugrunde. Dies genügt nicht, um die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG zu erfüllen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt ein (zwingender) Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG bei einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe nämlich nach wie vor nur dann in Betracht, wenn eine der in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen eine mindestens dreijährige Freiheitsstrafe ist (so schon zur Rechtslage vor Einfügung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG: BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 17.12 – juris). Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem zum 17. März 2016 in Kraft getretenen weiteren Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in seinem Beschluss vom 28. April 2020 (6 A 10318/20 – juris) hierzu überzeugend ausgeführt, dass diese Bestimmung den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unberührt lässt und vielmehr eine weitere Ermächtigungsgrundlage für die Annahme des Nichtbestehens eines Abschiebeverbots begründet. Eine mit dieser Rechtsänderung verbundene Absicht des Gesetzgebers, auch im Rahmen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG das Strafmaß einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren ausreichen zu lassen, selbst wenn die Gesamtfreiheitsstrafe ausschließlich aus Einzelstrafen hervorgegangen ist, die jeweils für sich genommen die Mindestdauer von drei Jahren nicht erreichen, ist nicht erkennbar. Denn der Änderungsgesetzgeber kannte die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG. Gleichwohl hat er bei der Änderung des § 60 Abs. 8 AufenthG durch das Gesetz vom 11. März 2016 Satz 1 der Vorschrift unverändert gelassen und damit auch keinen Handlungsbedarf für eine Korrektur dieser Rechtsprechung gesehen. Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Absicht gehabt, dem Anwendungsbereich des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ohne entsprechende Änderung des Gesetzeswortlautes den von der Beklagten unterstellten Inhalt zu geben, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen.
Da schon die Voraussetzung des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren nicht vorliegt, kommt es auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzung, nämlich ob vom Kläger eine Wiederholungsgefahr ausgeht, nicht an.
Der Widerruf kann vorliegend nicht rechtmäßig auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG gestützt und somit gemäß § 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 2 AsylG ausnahmsweise trotz vorhergehender Negativentscheidung über eine Aufhebung zwingend verfügt werden.
4.2.2. Der Widerruf ist auch nicht zwingend möglich, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AsylG nicht vorliegen.
Nach § 3 Abs. 2 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (Nr. 1), vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (Nr. 2) oder den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (Nr. 3).
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm liegen ersichtlich nicht vor. Die Ausschlussregelung ist im Hinblick auf den damit verbundenen Wegfall des Schutzes vor Verfolgung sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich eng i.S.e. ultima ratio auszulegen (BeckOK AuslR/Kluth, 30. Ed. 1.7.2021, AsylG § 3 Rn. 19 unter Verweis auf EuGH NVwZ 2011, 285 und BeckEuRS 2009, 496271; BVerwG NVwZ 2011, 1450).
4.2.3. Das Bundesamt hat den Widerruf auch nicht ausnahmsweise zu Recht zwingend verfügt, weil es nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung vorliegend nämlich nicht auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG gestützt. Dies ist aber schon nach dem Wortlaut der Norm erforderlich. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG in Bezug auf die Qualität der Straftaten, wegen derer er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, erfüllt sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Gemäß § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG kann von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
Das Bundesamt hat vorliegend kein Ermessen ausgeübt, sondern den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG gestützt. Der Gesetzeswortlaut in § 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 2 a.E. „weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat“ ist insoweit jedoch eindeutig und verlangt eine Ermessensentscheidung in Bezug auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenhtG, an der es vorliegend fehlt. Die Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift einer erweiternden Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zugänglich, abgesehen davon, dass eine Regelungslücke schon nicht ersichtlich ist.
Damit hat ist keiner der Ausnahmetatbestände des § 73 Abs. 2a Satz 5 Hs. 2 AsylG erfüllt. Ein zwingender Widerruf, wie ihn das Bundesamt vorliegend verfügt hat, ist somit nicht möglich.
4.3. Die Aufhebung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Klägers kommt nur noch nach Ermessen in Betracht. Eine Ermessensentscheidung über den Widerruf hat die Beklagte jedoch nicht getroffen.
4.3.1. Eine Auslegung des zwingend erfolgten Widerrufs als Ermessensentscheidung ist nicht möglich.
4.3.2. Auch die Rechtsprechung zum gerichtlichen Prüfungsumfang bei einer gebundenen Widerrufsentscheidung führt vorliegend nicht zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs, weil die Voraussetzungen für einen zwingenden Widerruf nicht vorliegen.
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung setzt die Aufhebung eines nicht im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO u.a. seine objektive Rechtswidrigkeit voraus, an der es auch dann fehlt, wenn der Verwaltungsakt aus einem anderen, im Bescheid oder Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist, weshalb eine Klage gegen eine solche gebundene Entscheidung erst dann begründet ist, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist, insbesondere wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 1 C 2/15 – juris Rn. 14).
Vorliegend kommen als mögliche, nicht angeführte Widerrufsgründe das Absehen von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG gemäß § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG nach Ermessen sowie ein nachträglicher Wegfall der Gefahr der Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz … im Distrikt … in Betracht. Weil jedoch die Entscheidung über den Widerruf – wie soeben ausgeführt – nicht mehr als gebundene Entscheidung, sondern nur noch nach Ermessen ergehen kann, kommt die Rechtsprechung auf die vorliegende Entscheidung des Bundesamts schon nicht zur Anwendung und es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob andere Gründe die Widerrufsentscheidung rechtfertigen könnten.
Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Nr. 1 des Bescheids war somit aufzuheben. Als akzessorische Entscheidungen gemäß § 73 Abs. 3 AsylG waren auch die Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids aufzuheben. Über den Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, war wegen des Erfolgs des Hauptantrags nicht mehr zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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