Verwaltungsrecht

Asylrecht, Herkunftsland: Nigeria, teilweise Klagerücknahme, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot (verneint), paranoide Schizophrenie, Existenzsicherung (bejaht, alleinstehender Mann)

Aktenzeichen  M 28 K 18.32667

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38310
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollsteckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Der Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2021 gilt als nicht ergangen, da der Antrag auf mündliche Verhandlung rechtzeitig gestellt worden ist, § 84 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 7 Asylgesetz (AsylG), § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
2. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden, da sie zum Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden ist.
3. Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
4. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2018 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird, vor allem hinsichtlich des rechtlichen Rahmens und des Prüfungsmaßstabs bezüglich des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen der Einzelrichter folgt, verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Einzelrichter insoweit der Begründung des Gerichtsbescheids vom 14. Juni 2021 folgt (§ 84 Abs. 4 VwGO).
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass der Kläger auch im (weiteren) gerichtlichen Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2021, keine Umstände vorgetragen hat, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Der Einzelrichter geht auch nach den in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2021 gewonnenen Erkenntnissen nach wie vor davon aus, dass im Hinblick auf die von der Klagepartei vorgetragene Erkrankung ein (krankheitsbedingtes) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt.
Hinsichtlich der Beurteilung, der im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten Atteste wird nochmals ausdrücklich auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2021 verwiesen. Weitere (und aktuellere) Atteste konnte die Klagepartei auch bis zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht beibringen, sodass dem Gericht nach wie vor keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2c AufenthG vorliegt, die eine lebensbedrohliche Erkrankung glaubhaft machen könnte.
Unabhängig davon konnten auch die Erkenntnisse des Einzelrichters aus der mündlichen Verhandlung keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür liefern, dass der Kläger an einer der Abschiebung entgegenstehenden, ernstzunehmenden psychischen Erkrankung leidet.
Entgegen der von der Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 27. Februar 2020 geäußerten Behauptung, dass es offensichtlich sei, dass der Kläger aufgrund seiner schweren paranoiden Schizophrenie nicht in der Lage sei, sich um seine eigenen Belange zu kümmern, präsentierte sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung in einem – in Anbetracht der allgemein schwierigen Situation, in der sich jeder Asylbewerber befindet – durchaus aufgeräumten und „wachen“ Zustand. Die an ihn gerichteten Fragen des Einzelrichters bzw. seiner Bevollmächtigten beantwortete der Kläger durchwegs inhaltlich stringent und nachvollziehbar. Nach dem Eindruck des Einzelrichters schien der Kläger die Fragen dabei ausnahmslos vollständig inhaltlich durchdringen zu können. Dem Kläger fiel es bei der Beantwortung der Fragen nicht schwer, Ereignisse und Zusammenhänge lückenlos und widerspruchsfrei zu schildern. Der Kläger vermochte es etwa, dem Einzelrichter sehr detailliert und präzise zu veranschaulichen, wie er es schaffe, seinen Alltag zu strukturieren und zu organisieren. So führte der Kläger beispielsweise aus, dass er noch nie einen Arzttermin verpasst habe, da er sich diese stets in einem Notizbuch, das er immer bei sich habe, notieren würde. Auch weitere Fragen des Einzelrichters, etwa nach seiner Erkrankung, dem Behandlungsablauf oder seiner Familie im Heimatland, konnte der Kläger stets überzeugend und ohne zu Zögern beantworten.
Nach alledem bestehen für den Einzelrichter bei einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an einer ernsthaften psychischen Erkrankung leidet.
Diese Einschätzung wird schließlich auch durch die Tatsache gestützt, dass der Kläger nunmehr schon seit längerer Zeit gerade nicht mehr unter (förmlicher) Betreuung steht. Bei der vermeintlichen Betreuerin Frau B. handelt es sich letztlich nur um eine Mitarbeiterin des Landratsamts, die dort im Team Asyl tätig ist und sich generell um die Angelegenheiten der Asylbewerber im Landkreis kümmert. Auch diesbezüglich konnte der Kläger dem Gericht in der mündlichen Verhandlung detailliert und inhaltlich nachvollziehbar schildern, welche Rolle die Frau in der Asylbewerberunterkunft einnimmt und wie sich sein persönliches Verhältnis zu ihr darstellt. Dabei hob der Kläger insbesondere hervor, dass Frau B. ihn zwar nach seinen Arztterminen fragen würde, ansonsten aber nichts weiter für ihn tun würde.
5. Die (gerichtskostenfreie, § 83 b AsylG) Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.


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