Verwaltungsrecht

Asylrecht (Sierra Leone)

Aktenzeichen  9 ZB 21.31330

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31016
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 30 K 17.44009 2021-07-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2021 – 9 ZB 21.30180 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Der Kläger sieht eine grundsätzliche Bedeutung in der Tatsachenfrage, ob aufgrund der schwierigen Versorgungslage in Sierra Leone und durch bürgerkriegsbedingte Zerstörungen und die damit einhergehenden Infrastrukturmängel ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG für eine alleinstehende Person, die nicht auf eine stützende Großfamilie zurückgreifen kann, insbesondere auch aufgrund der aktuellen durch die Covid 19-pandemiebedingten Einschränkungen vorliegende Situation, vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat unter Würdigung der von ihm herangezogenen Erkenntnismittel und der schwierigen Lebensumstände in Sierra Leone in seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass der gesunde Kläger mittleren Alters mit zwölfjähriger Schulbildung, der sich derzeit im zweiten Jahr eines Hochschulstudiums im Fachbereich Wirtschaft befinde, als Elektriker gearbeitet und ein Restaurant betrieben habe. Er werde aufgrund seines überdurchschnittlichen Bildungsstands und seiner Arbeitserfahrung in der Lage sein, sich durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – möge diese auch nur aus Gelegenheitsarbeiten bestehen – ein Existenzminimum aufzubauen und zu sichern. Auch angesichts der aktuellen Covid-19-Pandemie lägen keine Erkenntnisse vor, dass sich die Verhältnisse in Sierra Leone insoweit erheblich verschlechtert hätten, auch wenn bei Auswertung der allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen davon auszugehen sei, dass von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Personen, die von Kleinhandel und Gelegenheitsarbeiten lebten, besonders betroffen seien und diese die Armut noch einmal verschärft haben dürften. Inwieweit zurückliegende Lockdowns in dieser Weise erheblich nachwirkten oder das öffentliche Leben derzeit derart eingeschränkt sei, dass es einer erwerbsfähigen Person nicht mehr möglich sei, ihre Existenz mit den elementaren Grundbedürfnissen zu sichern, sei aber nicht ersichtlich. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen.
Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 9 ZB 19.34123 – juris Rn. 3). Die mit dem Zulassungsvorbringen angeführten Erkenntnismittel (Homepage Auswärtiges Amt zu Sierra Leone zu Covid 19-bedingten Einschränkungen im Land, Auskunft Auswärtiges Amt vom 14.11.2005 an VG Aachen), einhergehend mit dem Hinweis, dass der Kläger unter den in Sierra Leone herrschenden Bedingungen nicht wieder ein Restaurant betreiben könne, sind hierfür nicht geeignet, weil insoweit schon nicht dargelegt oder ersichtlich ist, dass sie nicht der Auskunftslage entsprechen, wie sie auch vom Verwaltungsgericht zur Beurteilung der Schwierigkeiten der Existenzsicherung in Sierra Leone zugrunde gelegt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2021 – 9 ZB 21.30633 – juris Rn. 4). Die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen hat bereits das Verwaltungsgericht in das Verfahren eingeführt. Es lassen sich nach ihrem jeweiligen Inhalt auch keine begründeten Zweifel daran anknüpfen, dass für arbeitsfähige Männer wie den Kläger in Sierra Leone weiterhin die Möglichkeit besteht, den Lebensunterhalt – zumindest durch Gelegenheitsarbeiten – sicherzustellen und keine Situation extremer materieller Not droht, wegen der eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu besorgen und ein nationales Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen sein könnte (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12). In Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Kläger damit auch nicht dargetan, dass sich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG trotz des Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen einer vorliegenden Extremgefahr, wegen der er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde, für ihn nicht auswirkt (vgl. BayVGH, B.v. 18.11.2020 – 9 ZB 20.31924 – juris Rn. 6). Mit dem Vorbringen, dass die Tatsachenfrage für eine Vielzahl von Asylverfahren bedeutsam sei, ist zudem nicht aufgezeigt, dass die aufgeworfene Frage überhaupt verallgemeinernd, und nicht nur nach Würdigung der konkreten Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 21.30431 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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