Verwaltungsrecht

Auch Tennisprofis müssen zur Berufsschule

Aktenzeichen  7 CE 16.446

Datum:
10.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
SpuRt – 2017, 42
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 11 I 2, 39 IV 1 Nr. 3
BV BV Art. 129 I

 

Leitsatz

Es liegt kein die Befreiung von der Berufsschulpflicht rechtfertigender Härtefall vor, wenn die Berufsschule bei der Ausgestaltung des Unterrichts auf die Ausbildung zum Tennisprofi Rücksicht nimmt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 E 16.96 2016-02-16 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der am … 1999 geborene Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach neunjähriger Schulausbildung die vorläufige Entbindung von der Pflicht zum Besuch der Berufsschule. Er macht geltend, der Besuch der Berufsschule sei mit seiner Ausbildung zum Profi-Tennisspieler nicht vereinbar.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 16. Februar 2016 abgelehnt. Die Schulpflicht des Antragstellers trete nicht hinter dessen privates Trainings- und Ausbildungskonzept zurück, sondern müsse in dieses miteinbezogen werden. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Die Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule gefährde die vom Antragsteller gewählte und im Rahmen der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) auch rechtlich geschützte Ausbildung zum Profi-Tennisspieler „gravierend“. Der individuell auf ihn zugeschnittene Trainingsplan könne bei der Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule, die im Wesentlichen auf „anerkannte, normativ reglementierte Berufsausbildungen“ ausgerichtet sei, „nicht mehr realisiert“ werden. Es liege ein individueller Härtefall vor. Im Übrigen habe sich der Antragsteller zu einem Fernlehrgang „Abitur – Einstieg für Hauptschulabsolventen“ angemeldet und befinde sich bei einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Begutachtung und Behandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 24. März 2016, 6. April 2016 und 3. Mai 2016 Bezug genommen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
[6] Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
II. 1. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
Der Antragsteller hat als Berufsschulpflichtiger ohne Ausbildungsverhältnis keinen Anspruch auf Befreiung vom Besuch der Berufsschule, weil der geltend gemachte Härtefall (Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen [BayEUG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.5.2000 [GVBl S. 414; BayRS 2230-1-1-K], zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2015 [GVBl S. 458]) nicht vorliegt. Die bereits verfassungsrechtlich normierte Pflicht aller Kinder zum Besuch der Berufsschule (Art. 129 Abs. 1 BV) hat nicht nur zur Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler in Abstimmung mit der betrieblichen Berufsausbildung oder unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Tätigkeit beruflich zu bilden, sondern bezweckt auch, diese zu erziehen und die allgemeine Bildung zu fördern (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayEUG). Dies findet seinen Niederschlag in der Tatsache, dass an der Berufsschule auch unabhängig von einer konkreten Berufsausbildung allgemeine, berufsfeldübergreifende Fächer wie Deutsch oder Sozialkunde unterrichtet werden (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Band 1, Stand 1.2.2016, Art. 11 BayEUG Rn. 5).
Die gesetzliche Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule gefährdet auch nicht die vom Antragsteller gewünschte und privat organisierte Ausbildung zum Profi-Tennisspieler. Die Berufsschule hatte für den Antragsteller zur Erfüllung der Berufsschulpflicht im Schuljahr 2015/2016 – unter Berücksichtigung der gewünschten sportlichen Ausbildung – einen Unterrichtsblock in den Wochen vom 11. Januar 2016 bis zum 18. März 2016 vorgesehen, wobei der Unterricht nur jeweils am Mittwoch, Donnerstag und Freitag stattgefunden und insgesamt weniger Unterrichtsstunden umfasst hätte als alternativ mögliche Unterrichtsblöcke zu Beginn oder zum Ende des Schuljahres. Die Berufsschule hatte außerdem zugesagt, den Antragsteller vom Sportunterricht zu befreien, so dass der Unterricht jeweils am Mittwoch bereits um 11:15 Uhr und am Donnerstag und am Freitag um 13:00 Uhr geendet hätte. Die Berufsschule hat ferner angeboten, den Antragsteller in Ausnahmefällen, etwa für die Teilnahme an sportlichen Ereignissen oder wichtigen Kursen, tageweise vom Besuch der Berufsschule zu beurlauben (vgl. Bl. 33 f., 41 und 108 der VG-Akte). Dass die Schulpflicht danach mit dem seinerzeit individuell für den Antragsteller erstellten Trainingsplan nicht vereinbar gewesen wäre und darüber hinaus dessen Ausbildung zum Profi-Tennisspieler ernsthaft beeinträchtigt hätte, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Vielmehr kommt die Berufsschule dem Antragsteller bei der konkreten Ausgestaltung der Schulpflicht weitgehend entgegen und stellt die Vereinbarkeit der Schulpflicht mit dem Ausbildungswunsch des Antragstellers sicher. Dies gilt erst recht, nachdem der Antragsteller zwischenzeitlich seinen Tennislehrer gewechselt hat und der neu zu erstellende Trainingsplan Rücksicht auf die bestehende Schulpflicht nehmen kann. Auf den Umstand, dass sich der Antragsteller zu einem Fernlehrgang „Abitur – Einstieg für Hauptschulabsolventen“ angemeldet hat und bei einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Begutachtung und Behandlung befindet, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 38.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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