Verwaltungsrecht

Aufnahme in eine Gemeinschaftsschule; zum Begriff der “Geschwisterkinder” und deren Berücksichtigung im Auswahlverfahren

Aktenzeichen  2 E 782/21, 2 E 782/21 Ge

Datum:
3.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 2. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGGERA:2021:0803.2E782.21.00
Normen:
§ 15a Abs 2 S 1 Nr 1 SchulG TH 2003
§ 15a Abs 2 S 2 SchulG TH 2003
§ 15a Abs 4 Nr 2 SchulG TH 2003
Art 6 Abs 2 S 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. “Geschwisterkinder” i.S.v. § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürSchulG (juris: SchulG TH 2003) sind die Kinder, die dauerhaft in einem gemeinsamen Familienverband zusammenleben. Die zivilrechtliche Abstammung ist nicht entscheidend.(Rn.31)

2. Geschwisterkinder i.S.v. § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürSchulG (juris: SchulG TH 2003) werden im Auswahlverfahren nur dann vorrangig berücksichtigt, wenn ein Kind “bereits” an der Schule beschult wird. Die zeitgleiche Anmeldung von zwei Kindern führt nicht dazu, dass beide als Geschwisterkinder i.S.d. Regelung zu betrachten sind.(Rn.30)

3. In die Auswahlgruppe “Wohnortnähe” sind alle Bewerber aufzunehmen, für die die Schule, an der sie sich angemeldet haben, die wohnortnächste ist. Innerhalb dieser Gruppe ist keine weitere Rangfolge nach tatsächlicher Entfernung zwischen Wohnung und Schule zu bilden. Unter allen Bewerbern dieser Gruppe entscheidet das Los über eine Aufnahme.(Rn.34)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig die Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die Jahrgangstufe fünf der Gemeinschaftsschule … in J….
Am 5. März 2021 beantragten die Antragsteller die Aufnahme des Antragstellers zu 1. an der oben genannten Schule. Die Stadt J… hat als zuständiger Schulträger keine Schulbezirke festgelegt, so dass eine Aufnahme entsprechend dem Wunsch der Eltern im Rahmen der bestehenden Kapazitätsgrenzen erfolgt. Nach § 15a Abs. 5 ThürSchulG wurde für diese Schule eine Aufnahmekapazität von je 23 Schülern in der vierzügigen Klassenstufe fünf festgelegt, so dass insgesamt 92 Schüler in der Klassenstufe 5 beschult werden können. Tatsächlich lagen Anmeldungen von 146 Schülern vor, so dass ein Auswahlverfahren nach § 15a Abs. 2 ThürSchulG durchzuführen war. Ausweislich der Dokumentation in den Behördenvorgängen sind 19 Schüler aus dem Primärbereich der Schule in den Sekundärbereich übergetreten, so dass sich die Kapazität auf 73 Plätze reduzierte. Neun Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, für die diese Schule nach § 8a Abs. 3 ThürSchulG als geeigneter Lernort festgelegt worden war, waren nach § 15a Abs. 6 Nr. 2 ThürSchulG vorrangig zu berücksichtigen. Damit reduzierte sich die Zahl der Plätze auf 64. Nachfolgend waren nach § 15a Abs. 2 Nr. 1 ThürSchulG 20 Schüler als Geschwisterkinder zu berücksichtigen, so dass noch 44 Plätze nach dem Kriterium Wohnortnähe zu vergeben waren. Die Anzahl der Anmeldungen, die dieses Kriterium erfüllten, betrug 57, wobei 56 Schüler ihren Wohnsitz im Gebiet des Schulträgers hatten. Unter diesen 56 Anmeldungen wurden die verbliebenen Plätze im Losverfahren vergeben. Dabei blieb der Antragsteller im Losverfahren unberücksichtigt; er wurde auf Platz 51 gezogen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2021 wurde den Antragstellern durch den Schulleiter mitgeteilt, dass der Antragsteller zu 1. nicht zum Schuljahr 2021/22 an der Gemeinschaftsschule … aufgenommen werden könne.
Hiergegen haben sie mit Schreiben vom 10. Mai 2021 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Zur Begründung tragen sie durch ihren Prozessbevollmächtigen vor, dass die Auswahlentscheidung anhand der Akten nicht darauf überprüft werden könne, ob die berücksichtigten Geschwisterkinder tatsächlich Geschwister seien oder ob auch Kinder berücksichtigt worden seien, deren Eltern lediglich zusammenlebten. Zudem lasse die Tabelle nur 18 Kinder als Geschwisterkinder erkennen. Bei zwei Kindern sei die Zuordnung nicht eindeutig. Darin liege ein Verfahrensfehler. Weiterhin seien 9 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigt worden. Nach dem Schulnetzplan der Stadt Jena für die Klassenstufe 5 sollten aber nur zwei Schüler entsprechend berücksichtigt werden. Diese Zahl werde überschritten. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass die Gemeinschaftsschule von einer Klassenkapazität von 23 Schülern ausgehe, während man am Gymnasium von 26 Schülern ausgehe.
Am 13. Juli 2021 haben die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, den sie zunächst gegen die Stadt J… richteten. Zur Begründung machen sie geltend, dass die Berücksichtigung der Kapazität fehlerhaft erfolgt sei. Ausweislich des Schulnetzplanes liege die Kapazität deutlich über 92 Plätze in der Klassenstufe 5. In den Vorjahren seien 100 bis 117 Schüler in dieser Klassenstufe unterrichtet worden. Damit habe die Schule in jedem Fall räumliche Kapazitäten. Zudem sollten maximal zwei Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf je Klasse unterrichtet werden. Hinzu kämen zwei Übertritte aus der Klasse vier, so dass insgesamt 11 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet würden. Nicht nachvollziehbar sei, ob die Schule für die neun Schüler, die nach § 15a Abs. 6 ThürSchulG vorrangig zu berücksichtigen seien, die nächstgelegene Schule sei. Unklar sei auch die Berücksichtigung von Geschwisterkindern, insbesondere ob hierzu auch Stiefkinder gezählt worden seien. Hierzu machen die Antragsteller weitere Ausführungen.
Weiterhin sei die Auswahlentscheidung fehlerhaft, weil bei zwei der 20 berücksichtigten Geschwisterkinder noch nicht klar sei, ob es sich tatsächlich um Geschwisterkinder handele. Damit stünden zwei weitere Plätze zur Verfügung.
Die Antragsteller beantragten,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, den Antragsteller zu 1. in die Jahrgangsstufe fünf der Thüringer Gemeinschaftsschule … aufzunehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er legt dar, dass sich die Kapazitätsobergrenze von 23 Schülern pro Klasse aus der inklusiven Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie dem zur Verfügung stehenden Personal ergebe. Die Schule sei aufgrund ihres Konzeptes insbesondere für Schüler mit Förderbedarf in der emotionalen-sozialen Entwicklung anerkannt. Dabei sei die Kapazitätsgrenze von 23 Schülern geboten. Dies habe der Schulleiter umfassend begründet, indem er in der Kapazitätsfeststellung dargelegt habe, dass entgegen der in J… üblichen Zahl von zwei Schülern drei Schüler pro Klasse aufgenommen worden seien. Damit seien die größten Herausforderungen zu bewältigen. Zudem hätten weitere 5-7 Schüler Anspruch auf intensivere pädagogische Arbeit und Elternarbeit. Hier habe die Schule ein spezifisches Konzept. Im Bereich Sonderpädagogik fehle es gleichzeitig an personellen Ressourcen, so dass 23 Kinder je Klasse die noch vertretbare Obergrenze darstelle.
Von Bedeutung sei auch, dass neben den Schülern auch Sonderpädagogische Fachkräfte und ggf. Schulbegleiter während des Unterrichts zugegen seien, so dass dies bei der Bewertung der räumlichen Kapazität zu beachten sei.
Im Schuljahr 2020/21 habe die Gemeinschaftsschule in der Klassenstufe fünf 96 Schüler in vier Klassen aufgenommen. Dies sei möglich gewesen, da insgesamt nur drei Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen wurden. Es sei nur ein Schulbegleiter eingesetzt gewesen. Viele Eltern hatten von der pandemiebedingten Sonderregelung, die Klassenstufe vier freiwillig zu wiederholen, Gebrauch gemacht. Diese rückstellungsbedingte niedrige Zahl an Schülern mit Förderbedarf sei auch ein Grund für die nunmehr deutlich höhere Zahl.
Im Schuljahr 2019/20 galt der derzeitig geltende Schulnetzplan der Stadt J… noch nicht. Zudem sei die hohe Zahl von 117 Schülern in fünf Klassen darauf zurückzuführen gewesen, dass die … zum Ende des Schuljahres 2018/19 aufgelöst und in die IGS … integriert worden sei. Diese Schule habe aber im Gegensatz zur GMS …_ noch nicht die benötigte räumliche Kapazität gehabt.
Die Aufnahme von neun Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf begegne keinen Bedenken, da der Schulnetzplan, der von einer Aufnahme von zwei Schülern ausgehe, allenfalls eine Orientierung darstelle. Letztlich sei die im Stadtgebiet zu verteilende Anzahl von Schülern einer entsprechenden Vereinbarung zugrunde zu legen. Die Lernortfeststellung sei anlässlich der Sitzung der Steuerungsgruppe (§ 8a Abs. 3 ThürSchulG) am 19. März 2021 erfolgt.
Im Auswahlverfahren seien zunächst die Geschwisterkinder berücksichtigt worden. Bei den Geschwisterkindern habe man auch die Kinder einbezogen, die nicht miteinander verwandt seien, die aber aufgrund des Zusammenlebens der Eltern als solche gelten würden. Diese Kinder seien zu Recht berücksichtigt worden. Dies wird vom Antragsgegner weiter aufgeführt.
Letztlich verblieben 56 Schüler, unter denen die verbleibenden 44 Schulplätze nach dem Kriterium „Wohnortnähe“ ausgelost worden seien. Dabei habe man entsprechend der „Handreichung Aufnahmeverfahren in die Sekundarstufe allgemein bildender Schulen“ (Bl. 31 ff der Gerichtsakte), Seite 9, unter allen Bewerbern gelost. Es habe keine Binnendifferenzierung dahingehend stattgefunden, dass man eine Reihenfolge innerhalb der Gruppe „Wohnortnähe“ entsprechend der Entfernung zwischen Wohnort und Schule vorgenommen habe. Damit habe man vermeiden wollen, dass Schüler, für die GMS …_ die nächstgelegene Schule vom Wohnort ist, die aber dennoch in größerer Entfernung zu dieser Schule wohnten als ihre Mitbewerber, von vornherein keine Chance hätten, an dieser Schule aufgenommen zu werden und damit in jedem Fall nur Aufnahme an einer Schule finden könnten, die vom Wohnort weiter entfernt liege als die GMS …. Im konkreten Fall wohne der Antragsteller in einer Entfernung von 1,7 km zur GMS …. Für einen Mitbewerber (M) betrage die Entfernung 4,4 km. Würde man auch innerhalb der Gruppe „Wohnortnähe“ die Reihenfolge nach der konkreten Entfernung bestimmen, würde der Schüler M von vornherein keine Berücksichtigung finden, da bereits mehr als 44 Schüler in geringerer Entfernung zur GMS …_ wohnen als er. Er wäre dann auf eine Schule zu verweisen, die nicht mehr wohnortnah wäre.
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021 haben die Antragsteller den Antrag dahingehend geändert, dass der Antrag sich nunmehr gegen den Freistaat Thüringen, vertreten durch das Staatliche Schulamt Ostthüringen, richtet.
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Heftungen) Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller haben zulässigerweise den Antragsgegner im Verfahren geändert. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist die Klageänderung u. a. zulässig, wenn das Gericht diese für sachdienlich hält. Die Antragsteller haben zunächst verkannt, dass nicht der Schulträger für die Auswahlentscheidung zuständig ist, sondern der Schulleiter, der dieser Entscheidung als Bediensteter des Freistaates trifft, so dass der angefochtene Bescheid diesem zuzurechnen ist. Daher ist die Änderung des Antragsgegners sachdienlich, weil der Streitgegenstand unverändert bleibt.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich ergibt, dass ihm ein Anspruch, ein Recht oder ein sonstiges schützenswertes Interesse zusteht (Anordnungsanspruch). Ferner muss er glaubhaft machen, dass dieser Anspruch in Folge einer Gefährdung durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss und somit eine Eilbedürftigkeit besteht (Anordnungsgrund).
Ob ein Anordnungsanspruch besteht, orientiert sich an den Erfolgsaussichten des Antragstellers in einem eventuell noch durchzuführenden Hauptsacheverfahren unter Abwägung der Nachteile, die dem Antragsteller drohen, wenn er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten müsste, und andererseits den Nachteilen, die bei Erlass der beantragten Anordnung für das öffentliche Interesse oder für private Dritte zu erwarten sind. Die Bewertung der Beteiligteninteressen bestimmt sich dabei nach deren Bedeutung für die Grundrechte, nach dem Grad der Beeinträchtigung und nach den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Begehrens in der Hauptsache. Je größer diese Erfolgsaussichten sind, desto mehr Gewicht kommt den Interessen des Antragstellers in der Abwägung zu (vgl. VG Gera, Beschluss vom 2. Februar 1997 – 2 E 55/97 Ge -, zitiert nach juris).
Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ist ein Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht ersichtlich.
Das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) begründete Recht der Eltern auf freie Wahl des Bildungswegs umfasst grundsätzlich auch das Recht auf Zugang zu einer bestimmten Schule im Rahmen der bestehenden Kapazitäten (vgl. hierzu u.a. Sächsisches OVG, Beschluss vom 8. Dezember 2008 — 2 B 316/08 -, juris). Diesem Grundrecht tritt das Schulorganisationsrecht aus Art. 7 GG gleichgeordnet gegenüber. Insofern ist das Recht der Eltern eingeschränkt, darüber zu befinden, welche Schule ihr Kind in Erfüllung der Schulpflicht besuchen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1964 – VII C 65.62 -, juris). Damit haben die Eltern grundsätzlich ein Wahlrecht bei der Anmeldung ihres Kindes bezüglich der weiterbildenden Schule. Übersteigt die Zahl der Aufnahmeanträge die Kapazität der Schule, muss in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes nach sachgerechten Kriterien ermessensfehlerfrei darüber entschieden werden, welche der Bewerber die freien Plätze erhalten sollen. Dieses Auswahlverfahren hat der Landesgesetzgeber nunmehr in § 15a Abs. 2 ThürSchulG i. d. F. vom 2. Juli 2019 für die Sekundarstufe an einer Gemeinschaftsschule geregelt. Danach ist für den Fall, dass die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität übersteigt, den Anträgen auf Aufnahme nach den folgenden Kriterien in abgestufter Reihenfolge stattzugeben, wenn 1. Geschwisterkinder die Schule bereits besuchen, 2. die Schule die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsganges ist, 3. die Eltern ausdrücklich ein bestimmtes Schulprofil oder ein bestimmtes Fremdsprachenangebot wünschen (§ 15a Abs. 2 Satz 1 ThürSchulG). Nach Satz 2 dieser Regelung entscheidet im Übrigen das Los.
Hieran gemessen ist das Auswahlverfahren nicht zu beanstanden. Zunächst ist festzustellen, dass die Kammer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Bedenken gegen die Festlegung der Aufnahmekapazität hat. Nach § 15a Abs. 5 ThürSchulG erfolgt die Festlegung der Aufnahmekapazität durch den Schulleiter in Abstimmung mit dem Schulträger und dem zuständigen Schulamt. Dabei sind die personellen, räumlichen und sächlichen Gegebenheiten sowie die durch den Schulträger festzulegende Zügigkeit der Schule zu berücksichtigen. Im Eilverfahren ist nicht erkennbar, dass die Festlegung der Kapazität von 23 Schülern je Klasse diesen Grundsätzen widerspricht. Es ist sachgerecht, die Anzahl der Schüler je Klasse zu begrenzen im Hinblick auf die Zahl der aufzunehmenden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Der Schulleiter hat nachvollziehbar dargelegt, dass die erhöhte Anzahl von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf neben der Aufnahme von Schülern, die einen pädagogischen Förderbedarf haben, zu einer Begrenzung der Kapazität führen muss, zumal bei der Beschulung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch Schulbegleiter bzw. Sonderpädagogen im Klassenzimmer anwesend sind, so dass diese Kinder doppelt gezählt werden dürfen (Ziffer 5.1 des Schulnetzplanes der Stadt J…). D. h. selbst wenn die räumliche und die personelle Kapazität höher liegen, kann der Anteil dieser Kinder zu einer Reduzierung der Klassenkapazität führen. Soweit die Antragsteller auf höhere Kapazitäten in den Vorjahren verweisen, kann auf die Ausführungen des Antragsgegners hierzu verwiesen werden, dass durch besondere Umstände höhere Schülerzahlen aufgenommen wurden. Ob die Anzahl der aufgenommenen Förderschüler Bedenken im Hinblick auf § 8a ThürSchulG unterliegt, kann nicht in einem Eilverfahren festgestellt werden. Insoweit weist der Vortrag der Antragsteller auch nicht auf offensichtliche Mängel der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und der Feststellung des geeigneten Lernortes (§ 15a Abs. 6 Nr. 2 ThürSchulG) hin. Damit geht die Kammer im Eilverfahren von der nach § 15a Abs. 5 ThürSchulG festgelegten Kapazität aus.
Die Einwände der Antragsteller zum eigentlichen Auswahlverfahren begründen ebenfalls keinen Aufnahmeanspruch des Antragstellers zu 1.
Zu Recht hat die Schule zunächst von der festgelegten Aufnahmekapazität von 92 Schülern die 19 Schüler in Abzug gebracht, die von der Klasse vier in die Klasse 5 gewechselt sind. Denn für diese Schüler ist kein Aufnahmeverfahren durchzuführen. Damit verbleibt eine Kapazität von 73 Schülern. Weiterhin sind kapazitätsmindernd zu berücksichtigen die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, § 15a Abs. 6 Nr. 2 ThürSchulG. Ob diese Festlegung nach § 8a Abs.3 ThürSchulG zu Recht ergangen ist, kann nicht Gegenstand einer Prüfung im Eilverfahren sein, jedenfalls soweit keine offensichtlichen Fehler aufgezeigt werden. Damit reduziert sich die Aufnahmekapazität um weitere 9 Schüler auf 64 Schüler.
In der Gruppe der Geschwisterkinder nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürSchulG wurden 20 Schüler berücksichtigt. Diese Zahl der berücksichtigten Schüler begegnet keinen Bedenken:
Soweit sich auf Bl. 12 BA 2 bei einer Schülerin der Vermerk findet „evtl. GK Nachrücker 1“ hat diese Schülerin im Auswahlverfahren keine Berücksichtigung als Geschwisterkind gefunden, sondern im Losverfahren. Allerdings ist der Schulleiter offenbar davon ausgegangen, dass die Aufnahme eines Geschwisterkindes in die erste Klasse zu einer Berücksichtigung unter § 15a Abs. 2 Ziffer 1. ThürSchulG führen kann. Dies lässt sich jedoch mit dem Wortlaut der Ziffer 1. nicht in Einklang bringen, da danach nur Geschwisterkinder berücksichtigt werden dürfen, die die Schule „bereits“ besuchen. Insoweit wenden die Antragsteller zu Recht ein, dass die zeitgleiche Anmeldung von zwei Kindern nicht zur jeweiligen Berücksichtigung als „Geschwisterkind“ führen kann.
Ein weiterer Schüler wurde als Stiefbruder in der Gruppe „Geschwisterkinder“ berücksichtigt. Das Schulgesetz enthält keine Definition des Geschwisterkindes. Zivilrechtlich ist eine gemeinsame Abstammung entscheidend, die bei einem Stiefkind zu verneinen ist. Dennoch ist im vorliegenden Regelungszusammenhang nicht auf eine gemeinsame Abstammung abzustellen, sondern auf ein familiäres Zusammenleben. Die Regelung soll es den Familien erleichtern, den Schulalltag zu organisieren und Erleichterungen z. B. dadurch zu schaffen, dass Kinder nicht zu verschiedenen Schulen gebracht und Lehrer-Eltern-Beziehungen nicht an unterschiedlichen Schulen organisiert werden müssen. Damit ist darauf abzustellen, ob Kinder dauerhaft in einem gemeinsamen Familienverband leben, um sie im schulrechtlichen Sinne als Geschwisterkinder zu betrachten. Dieses Kriterium erfüllt auch ein Stiefbruder.
Ein dritter Schüler (Bl. 13 BA 2), der in der Liste ebenfalls den Vermerk „evtl. GK Nachrücker 1“ trägt, hat letztlich ebenfalls keine Aufnahme als Geschwisterkind gefunden, sondern erhielt eine Absage. Damit ist dieser Schüler nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen.
Damit ist die Kapazität unter Berücksichtigung der Geschwisterkinder nicht zu erhöhen, so dass 44 Schüler nach dem Kriterium „Wohnortnähe“ aufzunehmen waren.
Das Kriterium der Wohnortnähe erfüllen alle Schüler, für die die Schule, an der sie Aufnahme finden wollen, die zur Wohnung nächstgelegene Schule ist. Dem folgend hat die Schule im Auswahlverfahren nicht nur die Nähe zur eigenen Schule ermittelt, sondern auch die Entfernung zur TGS …__ und zur IGS …__. In die Gruppe „Wohnortnähe“ wurden demzufolge alle Schüler aufgenommen, die nicht näher an einer anderen Gemeinschaftsschule ihre Wohnung haben. Die Schule durfte auch unter allen verbleibenden 57 Schülern dieser Gruppe das Losverfahren nach § 15a Abs. 2 Satz 2 ThürSchulG durchführen. Die Bildung einer Rangfolge innerhalb dieser Gruppe nach Entfernung, und damit das Kriterium der „Wohnortnähe“ zweimal anzuwenden, hätte dazu geführt, dass Schüler, die das Kriterium „Wohnortnähe“ erfüllen, keine Chance auf Aufnahme haben, obwohl andere Schulen in größerer Entfernung liegen, als die Schule, an der sie sich beworben haben. Damit wären sie gegenüber anderen Schülern, die dieses Kriterium erfüllen, benachteiligt und der Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 GG, verletzt. Somit ist die Durchführung des Auswahlverfahrens durch die Schule nicht zu beanstanden.
Letztlich ist festzustellen, dass der Antragsteller zu 1., der im Losverfahren auf Rangstelle 51. gelost worden ist, keinen Anspruch auf Aufnahme an der Gemeinschaftsschule …_ hat. Er hätte auch dann, wenn der Vortrag der Antragsteller, dass noch zwei weitere Plätze in der Gruppe „Wohnortnähe“ zu berücksichtigen seien, richtig sein sollte, keinen Anspruch, da dann die nachfolgend ausgelosten Bewerber (Losnummer 45 und 46) Aufnahme an der Schule finden müssten, nicht aber die Losnummer 51.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach tragen die Antragssteller als Unterlegene die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner, § 159 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. Der Wert war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Abschnitt II Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs), so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.


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