Aktenzeichen 29 U 1781/18 Kart
GWB § 20 Abs. 5
Leitsatz
1 Die Beklagte hat als bundesweiter Spitzenverband der Taekwondo-Landesverbände eine Monopolstellung inne; sie ist zur Aufnahme des Klägers verpflichtet, da dieser ein wesentliches Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft hat. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Lehnt ein Monopolverband die Aufnahme eines Mitgliedschaftsbewerbers unter Berufung auf eine satzungsmäßige Aufnahmebeschränkung ab, deren Zweck an sich sachlich berechtigt ist, so kann die Aufnahmebeschränkung gleichwohl unwirksam sein, wenn jener Zweck auch durch eine andere „mildere“ Satzungsgestaltung erreicht werden kann, die die Mitgliedschaft ermöglichen würde (Bestätigung von OLG München BeckRS 2009, 20766). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
37 O 7111/17 2018-04-25 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.04.2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Verpflichtung des Beklagten zur Aufnahme des Klägers ausgesprochen.
Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Verein oder ein Verband, der eine Monopolstellung oder ganz allgemein im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat, gemäß § 826 BGB, § 20 Abs. 5 GWB zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet sein, wenn ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht (vgl. BGH NJW-RR 1986, 583 – Aikido-Verband; Senat, Urteil vom 25.06.2009, SpuRt 2009, 251 und Anlage K 8). Die Beklagte als bundesweiter Spitzenverband der Taekwondo-Landesverbände hat eine Monopolstellung inne.
Ob und inwieweit im Einzelfall ein Aufnahmezwang besteht, ist nach dem Grundsatz zu bestimmen, dass die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer – im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern – sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf. Danach spielen nicht nur die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen Rechte und Vorteile eine Rolle, die ihm vorenthalten würden. Es kommt vielmehr auch auf eine Bewertung und Berücksichtigung der Interessen des Vereins oder des Verbandes an, die im Einzelfall dahin gehen können, den Bewerber von der Mitgliedschaft fernzuhalten. Nur wenn nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen die Zurückweisung des Bewerbers unbillig erscheint, besteht in der Regel ein Anspruch auf Aufnahme (BGH NJW-RR 1986, 583 -Aikido-Verband; Senat, Urteil vom 25.06.2009, SpuRt 2009, 251 und Anlage K 8). Lehnt ein Monopolverband die Aufnahme eines Mitgliedschaftsbewerbers unter Berufung auf eine satzungsmäßige Aufnahmebeschränkung ab, deren Zweck an sich sachlich berechtigt ist, so kann die Aufnahmebeschränkung gleichwohl unwirksam sein, wenn jener Zweck auch durch eine andere „mildere“ Satzungsgestaltung erreicht werden kann, die die Mitgliedschaft ermöglichen würde. Hat das sog. Ein Platz-Prinzip in der Satzung eines Monopolverbandes in einer Form Niederschlag gefunden, die zu einer steten Quelle der Diskriminierung und Benachteiligung mehrfacher Sportverbände werden kann – der zufällig zuerst Gekommene hat sogar dann den Vorrang, wenn ihn der Außenstehende an Bedeutung überragt -, so ist es Sache des Monopolverbandes, dem Ein Platz-Prinzip eine Gestalt zu geben, die die diskriminierenden Folgen ausschließt; nur dann kann die Ablehnung der Aufnahme unter Berufung auf das Ein Platz-Prinzip gerechtfertigt sein (vgl. Senat, Urteil vom 25.06.2009, SpuRt 2009, 251 und Anlage K 8; Senat, Urteil vom 20.06.2013, SpuRt 2014, 110 und Anlage K 20; OLG Dresden NJW-RR 2017, 291 Tz. 16 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht ein Anspruch des Klägers auf Aufnahme als Mitglied in den Beklagten.
1. In § 5 Abs. 2 der Satzung des Beklagten ist das Ein Platz-Prinzip einschränkungslos und somit in diskriminierender Form verankert. Aus der Aufnahmeordnung (Anlage K 9) ergibt sich nicht, in welchem Verhältnis die dort geregelten Aufnahmevoraussetzungen zum Ein Platz-Prinzip stehen. Aus den Ausführungen des Beklagten ergibt sich, dass er die Aufnahmeordnung als Ausnahme zum Ein Platz-Prinzip versteht (vgl. S. 3 der Berufungsbegründung, Bl. 225 der Akten), somit die Aufnahme nicht aufgrund des Ein Platz-Prinzips zu versagen ist, wenn der Bewerber die Voraussetzungen der Aufnahmeordnung erfüllt.
Ob die Voraussetzungen nach § 3 a) der Aufnahmeordnung erfüllt sind, der Kläger somit eine Mindestzahl von 25 Vereinen als ordentliche Mitglieder mit insgesamt 2.500 Sportlern vertritt, kann dahinstehen, denn diese Regelung ist nicht geeignet, die diskriminierenden Folgen des Ein Platz-Prinzips auszuschließen. Sie ist vielmehr selbst diskriminierend und kann der Aufnahme des Klägers somit nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Aus den vom Kläger mitgeteilten Zahlen zu den Mitgliedsvereinen und Sportlern in den Verbänden, die Mitglieder des Beklagten sind, ergibt sich, dass nur 6 der 17 Mitgliedsverbände des Beklagten die Mindestzahlen, die der Beklagte als Voraussetzung für eine Aufnahme verlangt, erfüllen. Die Mehrzahl der Verbände erfüllen die Mindestzahlen nicht. Etliche vertreten nur einige hundert Sportler. Die in § 3 a) der Aufnahmeordnung statuierten Hürden sind so hoch, dass in der Mehrzahl der Bundesländer neue Landesverbände nicht in den Beklagten aufgenommen würden, auch wenn sie den Landesverband ihres Bundeslandes, der Mitglied ist, an Bedeutung erheblich übersteigen würden. Die ohne Rücksicht auf die Größe des Bundeslandes und vor allem die Bedeutung des Taekwondo-Sports in diesem Bundesland generell festgelegten Mindestzahlen für neue Mitglieder sind nicht geeignet, die diskriminierenden Folgen des Ein Platz-Prinzips auszuschließen. Durch die tatsächlich weitgehend nur rein theoretische Möglichkeit der Aufnahme für einen neuen Verband auch bei deutlich größerer Bedeutung gegenüber dem bereits aufgenommenen Mitgliedsverband eines Landessportbundes werden neue Verbände gegenüber Altmitgliedern, für die diese Mindestzahlen nicht gelten, diskriminiert.
Dem seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung an den Senat herangetragenen Ansinnen, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Beklagten im Wege einer „geltungserhaltenden Reduktion“ eigenständig festzusetzen, kann nicht nähergetreten werden. Es ist Sache des Beklagten, die Aufnahmevoraussetzungen im Rahmen seiner Satzungsautonomie diskriminierungsfrei auszugestalten.
2. Der Beklagte kann sich für die Nichtaufnahme des Klägers auch nicht darauf berufen, dass die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 seiner Satzung für eine Aufnahme nicht vorlägen, weil in den Satzungen der Mitgliedsvereine seine Satzung nicht verbindlich anerkannt wurde.
Dies ergibt sich zum einen schon aus § 2 f) der Aufnahmeordnung des Beklagten. Danach ist dem Aufnahmeantrag eine vom Vorstand gemäß § 26 BGB unterzeichnete Erklärung, dass Satzung und Ordnungen des Beklagten anerkannt und beachtet werden, beizufügen. Dieser Regelung bedürfte es nicht, wenn eine Aufnahme ohnehin erst in Betracht käme, wenn die Satzungen des antragstellenden Verbandes und seiner Mitgliedsvereine eine Anerkennung der Satzung und der Ordnungen des Beklagten vor der Aufnahme bereits enthalten müssten. Bereits aus der Zusammenschau von § 2 f) der Aufnahmeordnung und § 5 Abs. 2 der Satzung ergibt sich somit, dass eine Verankerung der Satzungsanerkennung in den Satzungen selbst nicht bereits vor Aufnahme erfolgt sein muss. Es ist auch sachlich nicht gerechtfertigt, von Verbänden und deren Mitgliedsvereinen, die gar keine Mitglieder des Beklagten sind, zu verlangen, dass sie die Anerkennung von dessen Satzung in ihren Satzungen bereits statuiert haben, bevor sie überhaupt aufgenommen werden.
Aber auch unabhängig von der Regelung in § 2 f) der Aufnahmeordnung kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, die Mitgliedsvereine hätten die Satzung der Beklagten nicht anerkannt. Der Kläger hat die Satzung des Beklagten in § 10 Ziffer 7 seiner Satzung ausdrücklich anerkannt. Durch die Erklärung des Beitritts der Vereine zum Kläger erklären sie konkludent die Anerkennung von dessen Satzung (vgl. OLG Dresden NJW-RR 2017, 291 Tz. 23) und somit mittelbar auch die Anerkennung der Satzung des Beklagten, so dass die Bindung der Mitgliedsvereine an die Satzungsbestimmungen des Beklagten auch ohne ausdrückliche Aufnahme in deren Satzungen besteht.
Hinzu kommt, dass der Beklagte es bisher hat genügen lassen, dass in den Satzungen der Mitglieder entsprechend der Regelung in § 10 Ziffer 7 der früheren Satzung des Kläger normiert war „Die Satzung und die Ordnungen dürfen nicht im Widerspruch zur Satzung der Deutschen Taekwondo Union e.V. (DTU), des Landes-Sportbundes Nordrhein-Westfalen (LSB NW) und der Sporthilfe e.V. stehen.“ Der Kläger hatte sich bei Formulierung dieser Satzungsbestimmung an den entsprechenden Formulierungen der Mitglieder des Beklagten orientiert. Dass der Beklagte dies beim Kläger nicht genügen lassen möchte, stellt eine im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung dar. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger oder seinen Mitgliedern eine besondere Gefahr gegeben sei, dass sie gegen die Satzung des Beklagten verstoßen, und daher unterschiedliche Maßstäbe anzulegen sind, bestehen nicht.
3. Der Beklagte kann dem Aufnahmebegehren des Klägers auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass dieser entgegen § 3 e) der Aufnahmeordnung nicht Mitglied in einem Landessportbund ist. Der Kläger ist zwar nicht direkt Mitglied im Landessportbund NRW, jedoch ist er in diesem über den Budo-Dachverband, in dem er Mitglied ist, vertreten. Sieht es die Satzung eines Landessportbundes, wie beim Landessportbund Nordrhein-Westfalen, vor, dass Landesverbände mehrerer Sportarten Mitglieder eines Dachverbandes werden (vgl. Anlagen K 11 und K 12) und werden diese dann im Landessportbund über diesen Dachverband vertreten, dann entspricht die Mitgliedschaft im Dachverband der Mitgliedschaft in einem Landessportbund gemäß § 3 e) der Aufnahmeordnung des Beklagten. Dementsprechend war auch der NWTU Mitglied des Beklagten, als er zwar Mitglied des Budo-Dachverbandes, aber nicht Mitglied des Landessportbundes NRW war. Dass die Mitgliedschaft des Klägers im Budo-Dachverband vom NWTU angegriffen wurde und der diesbezügliche Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig entschieden ist, ändert nichts an der derzeitigen Mitgliedschaft des Klägers.
4. Dass der Kläger die Voraussetzung des Betreibens von Jugendarbeit in nicht nur geringem Umfang gemäß § 3 d) der Aufnahmeordnung erfüllt, wird vom Beklagten in der Berufung nicht mehr gesondert angegriffen. Diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 11 f. des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Inzwischen wurde auch die von dem Beklagten als fehlend monierte Jugendordnung erlassen (Anlage BB 6).
5. Das Interesse des Klägers an der Mitgliedschaft überwiegt das Interesse des Beklagten, den Kläger aus dem Verband fernzuhalten. Der Beklagte kann sich – wie ausgeführt – hinsichtlich der Nichtaufnahme des Klägers nicht mit Erfolg auf Vorschriften in seiner Satzung oder seiner Aufnahmeordnung berufen, die der Kläger nicht erfüllt. Der Kläger hat durch die Nichtaufnahme, wie auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt wird, erhebliche Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Fördergelder sowie hinsichtlich der Teilnahme der Sportler seiner Mitglieder an internationalen Wettkämpfen. Der organisatorische Mehraufwand, der die Mitgliedschaft des Klägers gegenüber nur einem Mitglied aus N.-W. mit sich bringt, wiegt die Nachteile des Klägers nicht auf. Dass die Mitgliedschaft des Klägers im Budo-Dachverband gerichtlich angegriffen wurde, rechtfertigt es nicht, den Kläger jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht aufzunehmen, denn dies kann, wie schon der Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem LG D. zeigt, zu einer jahrelangen Verzögerung führen, die dem Kläger nicht zuzumuten ist. Die Durchbrechung des Ein Platz-Prinzips kann, da es nicht diskriminierungsfrei ausgestaltet wurde, nicht zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden. Soweit der Beklagte meint, bei einer Verpflichtung zur Aufnahme des Klägers würde seiner Verbandautonomie nicht hinreichend Rechnung getragen, übersieht er, dass die Verbandsautonomie, was die Aufnahme neuer Mitglieder angeht, bei einem Verband, der eine Monopolstellung innehat, gerade entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen eingeschränkt ist. Die Strafanzeige des Kriminalhauptkommissars a.D. Peter B. ist für diesen Rechtsstreit ohne Bedeutung.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.