Verwaltungsrecht

Ausbildungskapazität für den Studiengang Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 18.10060 u.a.

Datum:
19.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30689
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 46 Abs. 2
LUFV § 4 Abs. 1 Nr. 6

 

Leitsatz

1 Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, wenn für die Kapazitätsberechnung eine namentliche Untersetzung des Stellenplans fehlt. Relevant ist wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stelle und nicht die Namen der Stelleninhaber (stRspr d. Senats). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Darstellung der Kapazitätsberechnung obliegt allein der Universität, so das die Verwendung neuer Berechnungsformulare unrelevant ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Verpflichtung der Universität, vor längerer Zeit gewährte Deputatsermäßigungen in regelmäßigen Abständen von Amts wegen zu überprüfen, besteht bei unveränderter Sachlage nicht (vgl. BayVGH BeckRS 2013, 59911). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die partielle Ausschöpfen des vom Verordnungsgeber eröffneten Rahmens einer Erhöhung des Umfangs der Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 LUFV (aF) für die Festlegung der Lehrdeputate ist rechtmäßig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 E 18.20018 u.a. 2018-06-28 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen und der Antragsteller tragen jeweils die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und der Antragsteller (im Folgenden: die Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum ersten Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (im Folgenden: Universität) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Sommersemesters 2018.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die Anträge mit Beschluss vom 26. Juni 2018 abgelehnt. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass an der Universität über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Humanmedizin im ersten Studienabschnitt zur Verfügung stünden.
Mit den Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft. Bezweifelt werde schon, dass tatsächlich entsprechend der Festsetzung 157 Studierende im ersten Fachsemester eingeschrieben seien. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Lehrdeputat und zum Stellenplan könnten nicht nachvollzogen werden, weil der Stellenplan den Antragstellern nicht zugänglich gemacht worden sei und ebenso keine Unterlagen zum jeweiligen Lehrdeputat vorlägen. Das gleiche gelte für die im Beschluss des Verwaltungsgerichts in Bezug genommene E-Mail der Universität vom 15. Februar 2018 sowie den Schriftsatz vom 8. Dezember 2017 im Verfahren W 7 E 17.20204. Die von der Universität durchgeführte neue Kapazitätsberechnung hinsichtlich des Lehrangebots sei nicht mehr vergleichbar mit der Kapazitätsberechnung für das Wintersemester 2016/2017 und infolgedessen nicht überprüfbar. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welchen Lehrpersonen welche Deputatsverminderungen gewährt würden und welchen vorklinischen Instituten die Stellen zugeordnet seien.
Mit Schreiben des Senats vom 31. August 2018 und vom 6. September 2018 wurden die Kopien der von den Antragstellern monierten Schreiben ebenso wie eine E-Mail der Beklagten vom 16. Mai 2018 mit der Zahl der eingeschriebenen Studenten im Studiengang Humanmedizin (im ersten Fachsemester 158, davon eine Beurlaubung) an die Bevollmächtigten der Antragsteller übersandt.
Die Antragsteller nahmen nunmehr auf diese Schreiben Bezug und trugen vor, dass bei Prof. A, Dr. D. und Dr. H. ein Lehrdeputat von 10 statt 9 Lehrveranstaltungsstunden in die Berechnung der personellen Kapazität einzustellen sei. Die Berechtigung der seit langem vorgenommenen einzelnen Deputatsminderungen sei durch konkrete Nachweise zu belegen und werde im Einzelnen bestritten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten vom 30. Juli, 22. August und 8. Oktober 2018 Bezug genommen.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden. Es wird auf die Schriftsätze vom 8. August und 3. September 2018 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im ersten Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin ausgeschöpft hat und die Kapazitätsberechnung nicht zu beanstanden ist. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen anzumerken:
a) Die Kapazitätsunterlagen sind nicht deswegen unvollständig, weil ein die Namen der jeweiligen Stelleninhaber enthaltender Stellenplan fehlt. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auch auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. In der unterbliebenen Vorlage einer entsprechenden Aufstellung liegt daher kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel (stRspr d. Senats, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10009 – juris Rn. 10).
b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Universität eine von der bisherigen Handhabung abweichende Kapazitätsberechnung, insbesondere durch Verwendung neuer Berechnungsformulare, vorgenommen hat. Ein Anspruch der Antragstellerin, die bestehende Kapazitätsermittlung in der alten Form beizubehalten oder diese in bestimmter Art und Weise darzustellen, besteht nicht. Die Darstellung der Kapazitätsberechnung obliegt allein der Universität (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2018 a.a.O. Rn. 9).
c) Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass das Lehrangebot zutreffend angesetzt ist.
Die der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Minderungen der Lehrverpflichtung (§ 46 Abs. 2 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18. Juni 2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2015 [GVBl S. 74]), betreffen die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen [Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV] vom 14. Februar 2007 [GVBl S. 201, BayRS 2030-2-21-WFK], zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 [GVBl S. 286]) Dr. A., Dr. S., Dr. H. und Dr. D.. Sie sind – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – nach Art und Umfang in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand gerichtlicher Überprüfung gewesen und zu Recht unbeanstandet geblieben (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 7 CE 16.10082 – und ausführlich B.v. 12.2.2014 – 7 ZB 13.10357 – jeweils juris). Die Universität hat bestätigt, dass die Deputatsermäßigungen Funktionsstellen betreffen, die seit Jahren von denselben Mitarbeitern (s.o.) besetzt sind, die unveränderte Dienstaufgaben wahrnehmen (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 8. Dezember 2017). Die bereits vor längerer Zeit gewährten Deputatsermäßigungen sind jeweils unbefristet erfolgt. Eine Verpflichtung der Universität, die einmal gewährten Ermäßigungen in regelmäßigen Abständen von Amts wegen zu überprüfen, besteht bei unveränderter Sachlage nicht (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2013 – 7 CE 13.10354 – juris Rn. 27).
Anhaltspunkte, die eine weitere Sachaufklärungspflicht nahelegen würden, sind dem Vortrag der Antragsteller nicht zu entnehmen. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass in der Berechnung der Gesamtdeputatsermäßigung drei Lehrveranstaltungsstunden für wissenschaftliche Mitarbeiter im Beamtenverhältnis (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV) enthalten sind. Diese erklären sich laut Schriftsatz der Universität vom 8. Dezember 2017 – AG 2 – aus einer Konsolidierung der in den Kapazitätsunterlagen enthaltenen Stellengruppen „A 13 alt“ und „A 13 neu“ mit der Folge, dass für diese Stellengruppe gleichmäßig eine Lehrverpflichtung von 10 Stunden („A 13 neu“) in Ansatz gebracht wurde. Da die drei wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. A., Dr. S. und Dr. D. jedoch als „A 13 alt“ lediglich eine Lehrverpflichtung in Höhe von 9 Stunden zu erfüllen haben, wurde die daraus entstehende Minderverpflichtung im Verhältnis zur Berechnung nach Stellenplan durch Ansatz von jeweils einer Stunde Deputatsermäßigung ausgeglichen.
Mit der Forderung, bei den betreffenden wissenschaftlichen Mitarbeitern sei eine Lehrverpflichtung von 10 Stunden anzusetzen, können die Antragsteller nicht durchdringen. Wie diese selbst vorbringen, beruht die Erhöhung des Umfangs der Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis auf der durch die Zweite Verordnung zur Änderung der LUFV vom 9. September 2004 (GVBl S. 392) neugefassten Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 4 LUFV (a.F.), die das bisherige Lehrdeputat von „höchstens 8 Lehrveranstaltungsstunden“ auf „höchstens 10 Lehrveranstaltungsstunden“ erhöhte. Bereits mit Schreiben des Wissenschaftsministeriums vom 10. August 2004 waren die Universitäten im Vorgriff auf die bevorstehende Rechtsänderung angewiesen worden, die Lehrverpflichtungen der zu diesem Zeitpunkt bereits verbeamteten Akademischen Räte (nur) um jeweils eine Lehrveranstaltungsstunde zu erhöhen. Dieses nur partielle Ausschöpfen des vom Verordnungsgeber eröffneten Rahmens für die Festlegung der Lehrdeputate hat der Senat bereits geprüft und für rechtmäßig befunden (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2008 – 7 CE 08.10627 u.a. – juris Rn. 17).
Die Deputatsermäßigung für Dr. K. ist, wie sich aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 8. Dezember 2017 – AG 2 – ergibt, auf 0 festgesetzt und dementsprechend auch nicht in die der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegte Gesamtermäßigung von 20 Lehrveranstaltungsstunden eingeflossen. Der Vortrag der Antragsteller hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs von Dr. K. ist schon deshalb nicht relevant.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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