Verwaltungsrecht

Auskunftsbegehren – Verpflichtung zur Angabe zuständiger Sachbearbeiter und Herausgabe von Telefonlisten

Aktenzeichen  2 S 16/50198

Datum:
15.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
IFG IFG § 1, § 3
SGB I SGB I § 15
SGB II SGB II § 44b, § 50

 

Leitsatz

1. Aus dem Informationsfreiheitsgesetz ergibt sich kein Anspruch auf Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste eines Jobcenters. (redaktioneller Leitsatz)
2. Da Rechtsbehelfe gegen Bescheide des Jobcenters nicht gegen die zuständigen Mitarbeiter zur richten sind, sondern gegen die Behörde bzw. den Rechtsträger der Behörde, hat der Leistungsbezieher keinen Anspruch auf Bekanntgabe der Sachbearbeiter. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller möchte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Informationsanspruch durchsetzen.
Der Antragsteller ist selbständig tätig. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Er beantragte am 28. Juli 2016 beim Sozialgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die sich unter anderem auf einen Bescheid vom 7. Juli 2016 bezog. Mit Ziffer 3 dieses Antrages stellte er den Antrag, dem Jobcenter W. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, im Rahmen des § 1 Abs. 1 IFG die zuständigen Sachbearbeiter für die Erstellung des Aufhebungsbescheids vom 15. März 2016 und des Bescheids vom 7. Juli 2016 auszuweisen, ferner künftig in den entsprechenden Bescheiden den verantwortlichen Sachbearbeiter inklusive Telefonnummer auszuweisen.
Den Antrag bezüglich des Auskunftsbegehrens trennte das Sozialgericht Würzburg von dem übrigen Antrag ab und verwies den diesbezüglichen Teil des Antrags vom 28. Juli 2016 mit Beschluss vom 13. September 2016 an das Verwaltungsgericht Würzburg.
Der Antragsteller führte zur Begründung seines Antrages aus, das Jobcenter weigere sich trotz mehrfacher Beantragung, die zuständigen Sachbearbeiter für den Aufhebungsbescheid vom 15. März 2016 und den vorläufigen Bescheid vom 7. Juli 2016 anzugeben. Diesbezügliche Schreiben würden nicht beantwortet. Im Rahmen des § 1 Abs. 1 IFG i.V.m. § 15 SGB I sei das Jobcenter zur Auskunft verpflichtet. Zusätzlich habe er derzeit keinen ausgewiesenen Ansprechpartner zur Klärung der Leistungsbezüge. Schreiben würden vom Jobcenter ausschließlich noch maschinell ergehen. Sie würden teilweise unterschrieben, jedoch ohne klare Nennung des Verantwortlichen. Als Selbständiger benötige er einen Ansprechpartner, um unmittelbare Fragen klären zu können.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO lägen nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern wesentliche Nachteile abzuwenden wären. Wie dem beigefügten Aktenauszug zu entnehmen sei, wisse der Antragsteller sehr wohl, wer seine Ansprechpartner seien. Dies zeige sich vor allem an den diversen Schreiben, die in der Anrede direkt an die jeweiligen Sachbearbeiter Herrn L. und Herrn J. adressiert seien.
Ein Anspruch auf Herausgabe der Durchwahlnummern der zuständigen Mitarbeiter bestehe nicht. Soweit der Antragsteller einen entsprechenden Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG herleiten wolle, stehe diesem der Schutz öffentlicher Belange nach § 3 Nr. 2 IFG entgegen. Das Jobcenter der Stadt W. habe sich vor geraumer Zeit entschieden, die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter über das sog. Service-Center der Agentur für Arbeit sicherzustellen. Alle Anrufe würden an das Service-Center umgeleitet, einfache Angelegenheiten durch dieses geklärt. Bei Fragen, in denen dies nicht möglich sei, würden die Kunden in der Regel innerhalb von zwei Werktagen zurückgerufen. Die Entscheidung der Abwicklung der telefonischen Erreichbarkeit über das Service-Center diene dazu, ein möglichst störungsfreies und effektives Arbeiten zu ermöglichen. Die Auslagerung erfülle eine wichtige Filterfunktion und entlaste spürbar die Sachbearbeiter. Die Organisationsentscheidung des Jobcenters würde komplett konterkariert, wenn dem Antragsteller die Durchwahlnummern der zuständigen Sachbearbeiter mitgeteilt werden müssten.
Der Antragsteller erwiderte hierzu, die Angaben des Jobcenters seien nur teilweise korrekt. Die verantwortlichen Sachbearbeiter (nicht der Arbeitsvermittler) hätten sich ständig geändert. Der deshalb verantwortliche Sachbearbeiter sei weiterhin unbekannt. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts seien notwendige Leistungen. Ein Entzug dürfe nur unter besonderen Umständen stattfinden. Wenn Leistungen widerrechtlich versagt würden, sei von einer strafbaren Handlung auszugehen. Der Entzug von lebensnotwendigen Leistungen komme einer (versuchten) Körperverletzung gleich, die gemäß § 223 StGB strafbar sei. Der Geschädigte müsse die Möglichkeit haben, entsprechende Rechtsmittel gegen verantwortliche Sachbearbeiter einlegen zu können. Insbesondere sei dabei zu betonen, dass die Sachbearbeiter bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Amtspflichtverletzung persönlich haften würden und deshalb Schadensersatzansprüche zivilrechtlich gegen den Sachbearbeiter zu stellen seien. Die Weigerung der Auskunft könne deshalb nicht mit § 3 Nr. 2 IFG begründet werden, weil das Jobcenter durch die Auskunftsverweigerung den Tatbestand der Strafvereitelung erfülle. Im Übrigen sei es nicht zutreffend, dass Angelegenheiten zum Leistungsbescheid vom Service-Center gelöst werden könnten. Die versprochenen Rückrufe seien noch nie getätigt worden. Es sei demnach schlichtweg gelogen, wenn die Gegenseite behaupte, dass man innerhalb von zwei Werktagen zurückgerufen würde. In Würzburg sei dies nicht der Fall. Als Selbständiger arbeite er zeitweise in Vollzeit und könne bei Fragen nicht im Rahmen der Öffnungszeiten sein Recht auf Beratung und Information wahrnehmen. Bei Fragen, die umgehend zum Leistungsbezug bearbeitet oder geprüft werden müssten, würde ein kurzes Telefonat zur Aufklärung beitragen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Antragsteller hat sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch geltend zu machen (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Als Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Angabe der für ihn zuständigen Sachbearbeiter sowie der Telefonnummern dieser Mitarbeiter des Antragsgegners kommt allein § 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in Betracht. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
Der Antragsgegner ist grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG informationspflichtig. Zwar ist das Jobcenter der Stadt W. keine Bundesbehörde und auch kein sonstiges Bundesorgan. Die Anwendung des IFG ergibt sich jedoch aus § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II, wonach sich der Informationsanspruch gegenüber einer „gemeinsamen Einrichtung“ nach § 44b Abs. 1 SGB II nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes richtet.
Hinsichtlich der Bekanntgabe der zuständigen Mitarbeiter, die Bescheide gegen den Antragsteller erlassen haben, ergibt sich deren Name normalerweise aus den entsprechenden Bescheiden bzw. ist dem Antragsteller – wie seine Briefe an das Jobcenter zeigen – der Name des jeweiligen Mitarbeiters bekannt. Insofern stellt sich bereits die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nachdem Rechtsbehelfe gegen Bescheide, mit denen der Kläger nicht einverstanden ist, nicht gegen die zuständigen Mitarbeiter zu richten sind, sondern gegen die Behörde bzw. den Rechtsträger der Behörde, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Bekanntgabe der Bearbeiter, falls diese ausnahmsweise nicht aus dem Bescheid selbst ersichtlich sein sollten. Die Ausführungen des Antragstellers bezüglich eventueller zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche gegen die Sachbearbeiter sind rechtsirrig. Nach Art. 34 Grundgesetz (GG) trifft bei Amtspflichtverletzungen die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Bedienstete steht. Der Dienstherr kann bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Rückgriff bei dem Bediensteten nehmen.
Hinsichtlich der Bekanntgabe der Telefonnummern der zuständigen Sachbearbeiter gilt folgendes:
§ 1 Abs. 1 IFG gewährt einen Anspruch auf Zugang zu „amtlichen Informationen“. Ob es sich bei Diensttelefonlisten von Jobcentern um eine solche amtliche Information handelt, wird in der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt (vgl. zum Streitstand BayVGH, U.v. 5.8.2015- 5 BV 15.160 – juris Rn. 18). Der Streit kann aber dahinstehen, weil sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz kein Anspruch auf Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste eines Jobcenters ergibt. Der Anspruch ist nach § 3 Nr. 2 IFG ausgeschlossen, weil das Bekanntwerden der Durchwahlnummern und Namen der Sachbearbeiter sowohl die Individualrechtsgüter der Mitarbeiter (Gesundheit, Ehre) als auch die Funktionsfähigkeit des Jobcenters gefährden kann (so: BayVGH, U.v. 5.8.2015, 5 BV 15.160 – juris; BayVBl. 2016, 639; OVG Münster, U.v.16.6.2015 – 8 A 2429/14 – juris-). Diese Urteile waren Gegenstand der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2016. Der hierzu erschienenen Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass die Revision zurückgewiesen wurde, weil nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts das Oberverwaltungsgericht Münster und der Verwaltungsgerichtshof München im Einklang mit der maßgeblichen Rechtsvorschrift entschieden haben, dass zu Lasten der Kläger der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG eingreife.
Nachdem vorliegend bereits kein Anordnungsanspruch ersichtlich ist, konnte der Antrag keinen Erfolg haben und war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.


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