Verwaltungsrecht

Auslegung als Klageerhebung

Aktenzeichen  M 5 K 19.305, M 5 K 19.306

Datum:
20.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25532
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 81, § 82, § 153
BGB § 133
JAPO § 56 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Das Gericht ist mit Blick auf das Gebot der rechtsschutzfreundlichen Auslegung gehalten, eine entsprechend weite Auslegung der Erklärungen vorzunehmen in dem Sinn, dass von einem Rechtsschutzbegehren auszugehen ist, wenn es formal wie inhaltlich – nach dem objektiven Erklärungsgehalt – einem solchen entspricht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Wiederaufnahmegrund ist nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 ZPO als Zulässigkeitsvoraussetzung der Wiederaufnahmeklage substantiiert und schlüssig darzulegen. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen M 5 K 19.305 und M 5 K 19.306 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.  
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen. 
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die nach § 93 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verwaltungsstreitsachen kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Klagen sind bereits unzulässig.
1. Mit dem Schriftsatz vom 17. Januar 2019 wurden wirksam die streitgegenständlichen Klagen erhoben.
Denn der Schriftsatz enthält alle nach § 82 VwGO erforderlichen Elemente einer Klageschrift, insbesondere ist er auch vom Kläger unterschrieben (§ 81 VwGO). Es sind Kläger, Beklagter und Streitgegenstand bezeichnet. Auch von der äußeren Gestaltung entspricht das Schreiben den Schriftsätzen, mit denen der Kläger u.a. die Verfahren M 5 K 18.250 und M 5 K 18.1598 eingeleitet hat.
Auch nach dem Verständnis des Inhalts des Schreibens stellt dieses eine Klageerhebung dar. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für die Auslegung von Willenserklärungen gemäß § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend ist, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen konnte (BVerwG, U.v. 27.5.1981 – 8 C 49/81 – MDR 1982, 257, juris Rn. 19 m.w.N.). Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 23/12 – BVerwGE 148, 217, juris Rn. 15 m.w.N.). Ausschlaggebend für die Einordnung als Klage ist der Umstand, dass dort im Präsens formuliert ist, „… dass nach Beendigung der Strafverfahren gegen VRiVG …, RiVG … und Ri`inVG … bezüglich des Gerichtsverfahrens Az. M 5 K 18.250, Az. M 5 K 18.1598 Restitutionsklage erhoben wird.“ Eine lediglich beabsichtigte Klageerhebung – wie sie der Kläger verstanden wissen will – kann dieser strikten Formulierung nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass ein Schreiben an das örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsgericht, mit dem nur die Absicht mitgeteilt wird, eine Klage erheben zu werden, nicht sachdienlich ist. Die Formulierung, „… wird darauf hingewiesen, …“ nimmt der Erklärung nicht den Gehalt einer Klageerhebung. Denn ein Hinweis, dass Klage erhoben wird, stellt sich vom Erklärungsinhalt als Klageerhebung – jedenfalls nach objektivem Verständnis – dar. Zudem ist das Gericht mit Blick auf das Gebot der rechtsschutzfreundlichen Auslegung (BVerfG, B.v. 2.12.2014 – 1 BvR 3106/09 – BVerfGE 138, 33, juris Rn. 23 ff.) gehalten, eine entsprechend weite Auslegung der Erklärungen vorzunehmen in dem Sinn, dass von einem Rechtsschutzbegehren auszugehen ist, wenn es formal wie inhaltlich – nach dem objektiven Erklärungsgehalt – einem solchen entspricht.
Auch der Zusatz „Auf die Wiedereinsetzung wird hingewiesen“ steht einem solchen Verständnis nicht entgegen. Es ist unklar, welchen Erklärungszweck dieser Zusatz verfolgt. Weder ist angegeben, auf welche Frist sich dieser Satz bezieht, noch auf welchen Wiedereinsetzungsgrund.
Da der Kläger nach dem objektiven Erklärungsverständnis seines Schriftsatzes Restitutionsklage sowohl hinsichtlich des Verfahrens M 5 K 18.250 wie auch des Verfahrens M 5 K 18.1598 erhoben hat, war es auch sachgerecht, zwei Klageverfahren anzulegen.
Die späteren Angaben des Klägers, dass es sich bei dem Schriftsatz vom 17. Januar 2019 nur um ein Schreiben handle, in dem lediglich die Absicht erklärt werde, eine Klage erheben zu werden, bedingen nichts anderes. Denn durch das Schreiben vom 17. Januar 2019, das in allen Elementen einer Klage entspricht, wurde wirksam Klage erhoben und es trat Rechtshängigkeit (§ 90 Satz 1 VwGO) des eingeklagten Anspruchs ein. Der Kläger hat keine prozessbeendende Erklärung abgegeben, insbesondere keine Klagerücknahme, obwohl er auf diese Möglichkeit der Beendigung des Klageverfahrens hingewiesen wurde (Schreiben des Gerichts vom 8. April 2019).
2. Die Klagen sind unzulässig.
a) Die Klageerhebung ist eine Prozesshandlung, die bedingungsfeindlich ist. Wird die Rechtshängigkeit einer Klage von einem außerprozessualen Ereignis abhängig gemacht, ist die Klage unzulässig (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 82 Rn. 11; BVerwG, U.v. 17.1.1980 – 5 C 32/79 – BVerwGE 59, 302, juris Rn. 7).
Nach dem objektiven Erklärungsinhalt, der sich insbesondere aus der grammatikalischen Formulierung ergibt, wird Restitutionsklage „… nach Beendigung der Strafverfahren gegen VRiVG …, RiVG … und Ri`inVG … bezüglich des Gerichtsverfahrens Az. M 5 K 18.250, Az. M 5 K 18.1598 …“ erhoben. Das stellt eine unzulässige Bedingung dar. Denn die genannte Beendigung der Strafverfahren ist ein außerprozessuales Ereignis.
b) Ohne dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich darauf ankommt, ist die Klage auch deshalb unzulässig, da der Kläger trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht mit Schreiben vom 2. April 2019, den Wiederaufnahmegrund für die erhobenen Restitutionsklagen nicht substantiiert hat. Das macht die Klagen unzulässig. Denn der Wiederaufnahmegrund nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 der Ziviprozessordnung (ZPO) ist als Zulässigkeitsvoraussetzung der Wiederaufnahmeklage substantiiert und schlüssig darzulegen (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 153 Rn. 17; BVerwG, B.v. 12.4.2018 – 9 B 4/18 – NVwZ-RR 2018, 787, juris Rn. 5 ff.; VG Augsburg, B.v. 18.3.2014 – 1 K 14.356 – juris Rn. 12 ff.).
Zwar wird in der Literatur davon ausgegangen, dass die Erfüllung der inhaltlichen Mindestanforderungen an die Klageschrift nach § 588 ZPO als Ordnungsvorschrift anzusehen ist, so dass Verstöße dagegen die Wiederaufnahmeklage nicht automatisch unzulässig machen (Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage 2019, § 588 Rn. 1 – ohne Begründung; einschränkend: in diese Richtung: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 588 Rn. 1 – Angaben in der Klageschrift müssen erkennen lassen, ob die zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzungen eingehalten sind). Diese Auffassung ist aber abzulehnen, denn ohne die Erfüllung dieser Mindestanforderungen hinsichtlich der Substantiierung ist vorliegend für das Gericht weder erkennbar, welche Form der Wiederaufnahmeklage der Kläger verfolgt, noch ob diese zulässig innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben wurde (BeckOK ZPO, 33. Edition Stand: 1.7.2019 § 588 Rn. 2; so auch VG Augsburg, a.a.O., juris Rn. 16).
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten der Verfahren zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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