Aktenzeichen M 4 K 17.4200
Leitsatz
Die bloße Aufnahme eines verurteilten Ausländers mit einer unbearbeiteten Gewaltproblematik in eine Gewalt-Präventions-Gruppe der Justizvollzugsanstalt beseitigt nicht die Wiederholungsgefahr. Von einem Entfallen einer Wiederholungsgefahr kann – ebenso wie bei Suchtfällen – erst nach Abschluss einer entsprechenden Therapie ausgegangen werden. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
I.
Der Bescheid der Beklagten ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U. v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen im ausführlich begründeten Bescheid und sieht insoweit von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Darüber hinaus gilt folgendes:
Das Gericht hat die behördliche Entscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts am … März 2018 zu überprüfen. Die am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I. S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht somit in vollem Umfang überprüfbar.
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (1.) und das öffentliche Interesse an der Ausweisung das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib überwiegt (2.).
1. Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil von ihm nach wie vor die Gefahr der Begehung schwerer Straftaten ausgeht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U. v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgeht. Nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 27. März 2018 gewonnen hat, liegt beim Kläger nach wie vor – trotz der Geständnisfiktion im strafrechtlichen Berufungsverfahren und der – soweit ersichtlich erstmaligen Einräumung der Taten, mit Ausnahme der Bedrohung am 4. Juni 2018, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht – keine Einsicht in seine Taten vor.
Hierfür spricht zum einen seine Schilderung der Taten im Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 21. April 2017, die die Klägerbevollmächtigte in ihrer Klagebegründung vom 24. November 2017 ausdrücklich in Bezug nimmt. Seine Schilderung der Geschehnisse, die zu seiner Verurteilung geführt haben, belegt für das Gericht nachdrücklich, dass der Kläger nach wie vor keine Einsicht in das Unrecht seiner Taten zeigt und sie zudem bagatellisiert, indem er z.B. in der mündlichen Verhandlung ausführt, er habe seine geschiedene Frau nicht so geschlagen, dass er sie ernsthaft verletzt hätte. Gegenüber der Mitarbeiterin des Sozialreferats der Beklagen hat der Kläger am 4. Oktober 2017 die Angelegenheit noch so geschildert, dass er im ersten Verfahren die Schuld für seinen Mitangeklagten auf sich habe nehmen wollen, und man ihm im zweiten Verfahren dann nicht mehr geglaubt habe. Von einer Tataufarbeitung kann nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Die Einräumung der Taten in der mündlichen Verhandlung hält das Gericht für ein rein taktisches Manöver und nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Außerdem hat der Kläger sich nach wie vor nicht bei seinen Opfern entschuldigt.
Unabhängig davon demonstriert der Kläger bereits seit kurz nach seiner Einreise im Jahr 2004, dass er die körperliche Unversehrtheit seiner geschiedenen Ehefrau und auch anderer gering achtet. So haben ausweislich der Zeugenaussage der früheren Polizeibeamtin M. im amtsgerichtlichen Strafverfahren vielfach Einsätze wegen häuslicher Gewalt beim Kläger stattgefunden. Dies deckt sich auch mit den Auskünften aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei, wonach seit dem 30. Oktober 2004 polizeiliche Verfahren gegen den Kläger aktenkundig wurden, ebenso wie mit den Angaben der Katholischen Jugendfürsorge im Rahmen der ambulanten Erziehungshilfen, dass es in den vergangenen Jahren mehrere Polizeimeldungen zur häuslichen Gewalt gegeben habe und den Angaben zur Vorgeschichte in der Stellungnahme des Sozialreferats vom 10. November 2017. Auch wenn es diesbezüglich nicht früher zu einer Verurteilung des Klägers gekommen ist, ist das Gericht nach der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Kläger ein Gewaltproblem gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau hat. Weshalb der Abschluss des Scheidungsverfahrens hieran etwas ändern sollte, wie von der Klägerbevollmächtigten angedeutet, erschließt sich dem Gericht nicht: Auch sonstige gerichtliche Anordnungen – wie beispielsweise das Kontaktverbot vom Februar 2015 – haben dem Kläger gegenüber keine derartige Autorität entfaltet, dass er sich daran gehalten hätte.
Auch die gerade erst stattgefundene Aufnahme des Klägers in die Gewalt-Präventions-Gruppe der Justizvollzugsanstalt beseitigt nicht die Wiederholungsgefahr. Angesichts des Umstands, dass der Kläger die Gruppe erst seit knapp vier Wochen besucht, und unter Berücksichtigung der Dauer der vom Kläger ausgeübten häuslichen Gewalt liegt dies auf der Hand. Unabhängig davon, ändern auch die Therapiebestrebungen des Klägers nichts am Bestehen der Wiederholungsgefahr, denn zum Zeitpunkt der Entscheidung liegt noch nicht ansatzweise eine abgeschlossene Therapie vor, die jedoch Voraussetzung für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr wäre (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 17; B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7 m. w. N.; VG München, Urt. v. 21.4.2016 – M 12 K 16.649 – juris Rn. 41, jeweils in Bezug auf Drogenbzw. Sexualtherapie). Das Gericht wendet diese Grundsätze auch in den Fällen, in denen – wie vorliegend – eine unbearbeitete Gewaltproblematik vorliegt, an, weil kein Grund ersichtlich ist, warum bei einer manifest gewordenen Gewaltproblematik anders als in den Suchtfällen schon vor Abschluss einer Therapie vom Entfallen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden sollte.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Kläger in ein stabiles soziales Umfeld zurückkehren wird. Die neue Lebensgefährtin, auf die der Kläger seine Hoffnungen sowohl im Anhörungs- als auch noch im Klageverfahren gesetzt hat, hat den Kontakt offenbar ganz abgebrochen; der einzige Besuch fand im Mai 2017, Telefonate fanden überhaupt nicht statt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, nach ihrem einmaligen Besuch in der Haftanstalt nichts mehr von ihr gehört zu haben. Somit ist eher damit zu rechnen, dass der Kläger in sein bisheriges Umfeld zurückkehren wird, das ihn auch bislang zumindest nicht von seinen Rechtsverstößen abgehalten hat. Es ist diesbezüglich eher zu erwarten, dass er von seinem sozialen Empfangsraum in seiner frauenfeindlichen Haltung sogar noch bestärkt werden wird: Sein Schwager war sein Mittäter, seine Schwiegereltern haben den Kontakt zur eigenen Tochter abgebrochen, den Kontakt zum Kläger als Täter aber gesucht und freuen sich ausdrücklich, wenn sie den Kläger nach seiner Haftentlassung wieder bei sich begrüßen können.
Ausweislich der Stellungnahme des Sozialreferats der Beklagten vom 10. November 2017 im Sorgerechtsverfahren hat die Familie der geschiedenen Ehefrau den Kontakt zu ihr komplett abgebrochen, während die Eltern der geschiedenen Ehefrau den Kläger nach der Haftentlassung gerne bei sich daheim begrüßen wollen. Zu ihrer Tochter hingegen wollten sie keinen Kontakt, weil diese mit einem Europäer unverheiratet zusammen lebe. Wenn man einen neuen afghanischen Ehemann, der sie mit den drei Kindern nehme, für die Tochter gefunden habe, werde man wieder Kontakt zur Tochter aufnehmen. Dass zwei Brüder der Klägerin unverheiratet mit Europäerinnen zusammen lebten, wurde nicht als Widerspruch gesehen. Dies zeigt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein bisheriges Umfeld statt mit Kritik eher mit Bestärkung für sein Verhalten wird rechnen können. Ein Schwager, der Bruder seiner geschiedenen Ehefrau war zudem Mittäter der Straftat am 4. Juni 2015. Der zu erwartende Empfangsraum des Klägers wird somit aller Voraussicht nach nicht in positivem Sinn auf den Kläger einwirken.
Vor dem dargestellten Hintergrund sieht das Gericht eine vom Kläger ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere durch die Begehung von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit seiner geschiedenen Ehefrau und deren Lebensgefährten.
2. Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt.
a) Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG u.a. dann besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist, was vorliegend der Fall ist.
Darüber hinaus wiegt das Ausweisungsinteresse vorliegend auch deshalb gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG besonders schwer, weil der Kläger wegen einer oder mehrerer vorsätzlichen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, die mit Gewalt begangen worden ist.
Dem steht ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, weil der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und ein weiteres normiertes schwer wiegendes Bleibeinteresse, weil die Belange bzw. das Wohl von drei Kindern zu berücksichtigen sind (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). Aus seiner Beziehung zu den Kindern kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts kein normiertes besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ableiten, weil er weder mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt noch unmittelbar vor seiner Inhaftierung gelebt hat, kein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen besitzt und auch kein Umgangsrecht ausübt. Hierauf hat der Kläger ausdrücklich – jedenfalls bis zu seiner Haftentlassung – verzichtet. Selbst wenn man jedoch zugunsten des Klägers auch diesbezüglich von einem besonders schwer wiegenden Bleibeinteresse ausginge, würde dies am Ergebnis der Abwägung nichts ändern.
b) Bei der Abwägung gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG überwiegt unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien sowie aller sonstigen Umstände des Einzelfalls vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise das private Bleibeinteresse des Klägers. Die Ausweisungsentscheidung erweist sich auch mit Blick auf die Anforderungen des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG als verhältnismäßig, auch unter Beachtung des hohen Gewichts der Beziehung zu mehreren minderjährigen Kindern.
Für den weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet sprach bei dieser Abwägung, dass der Kläger bereits seit 13 Jahren im Bundesgebiet lebt, zwei minderjährige ledige deutsche Kinder und ein weiteres minderjähriges lediges Kind hat, ein Großteil seiner Familie im Bundesgebiet lebt und er sich in der jetzigen Strafhaft bisher beanstandungsfrei führt und dort arbeitet. Für die Ausreise sprechen die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten. Die aus spezialpräventiven Gründen für das Überwiegen des Ausweisungsinteresses sprechenden Gesichtspunkte sind gemeinsam mit den generalpräventiven Gründen jedoch so gewichtig, dass die von der Beklagten vorgenommene Entscheidung nicht zu beanstanden ist.
Die Beklagte hat die privaten Belange des Klägers zutreffend dargestellt und mit sehr ausführlicher Begründung, der sich das Gericht anschließt, gegen die für die Ausreise sprechenden Gründe abgewogen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 28.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 40).
aa) Aufgrund der Schwere der Straftaten insbesondere im Hinblick auf die verletzten Rechtsgüter und das hierbei gezeigte Frauenbzw. Familienbild gilt dies selbst dann, wenn man ein inniges Verhältnis des Klägers zu seinen Kindern vor der Inhaftierung sowie auch weiter unterstellt, dass er sich vor der Inhaftierung um die Kinder gekümmert hat. Selbst wenn man zusätzlich das sogar verfassungsrechtlich geschützte Interesse der Kinder – aus deren Sicht – einbezieht, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen, hält das Gericht die Ausweisung für verhältnismäßig.
Zwar drängt insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Tatsache, dass eine Vater-Kind-Beziehung nur in Deutschland gelebt werden kann, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Außerdem ist bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen, und für ein sehr kleines Kind haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung ein hohes gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris). Andererseits folgt weder aus Art. 6 GG noch aus Art. 8 EMRK ein absolutes Ausweisungsverbot, wenn der Ausgewiesene ein deutsches Kind hat (vgl. BVerwG, B.v. 7.12.2011 – 1 B 6.11; EGMR v. 14.3.2015 – 37074/13; EGMR v. 7.10.2014 – 15069/08; EGMR v. 19.3.2013 – 45971/08 – jeweils juris).
Unter Beachtung dieser Maßgaben ist die Ausweisung nach Auffassung des Gerichts auch unter Beachtung des hohen Gewichts und aus dem Blickwinkel der Kinder verhältnismäßig. Einwanderungspolitische Belange spielen für die vorliegende Ausweisung keine Rolle; bei der Aufenthaltsbeendigung handelt es sich um die Folge der massiven Straffälligkeit des Klägers.
Die vom Kläger verübten Straftaten wiegen schwer. Der Kläger hat in seinen Straftaten eine enorme Gewaltbereitschaft demonstriert und nicht davor zurückgeschreckt, seine ihm körperlich unterlegene damalige Ehefrau mehrfach zu schlagen, sogar als sie schon am Boden lag, und ihr dadurch Verletzungen zuzufügen (Tat vom 1. Februar 2015). Bei der Tat am 4. Juni 2015 trat der Kläger gleich zwei Türen ein und trat und schlug auch hier auf den Geschädigten M. ein, als dieser verbal schlichten wollte. Seine damalige Ehefrau trat und schlug er ebenfalls. Selbst als der Geschädigte M. sich in Todesangst in ein Gebüsch geflüchtet hatte, ließ der Kläger in seiner Aggression nicht von seinem Tun ab, sondern folgte ihm, um ihn weiter zusammen mit dem Mittäter mit Händen und Füßen zu traktieren. Der Geschädigte M. erlitt aufgrund der durch den Kläger und dessen Mittäter erfolgten Behandlung einen Bruch eines Rippenknorpels, zahlreiche Hämatome und wochenlange Schmerzen. Die Tat am 4. Juni 2015 stellt einen extremen Gewaltexzess dar.
Die körperlichen Gewalttaten begleitete der Kläger sowohl am 1. Februar 2015 als auch am 4. Juni 2015 jeweils mit Todesdrohungen gegen seine damalige Ehefrau („ihr Blut liege in seinen Händen“) und auch gegen den Geschädigten M. Dass die Betroffenen diese Drohungen ernst nahmen und nehmen, ist bei der zu Tage getretenen Aggression mehr als nachvollziehbar.
Doch selbst nach den dramatischen Geschehnissen am 4. Juni 2015 ließ der Kläger nicht von der damaligen Ehefrau ab, sondern rief sie am 7. Juni 2015 an und drohte ihr, er werde sie erschießen. Das am 9. Februar 2015 verhängte Kontaktverbot interessierte den Kläger hierbei augenscheinlich nicht im Mindesten. Die Bedrohung am 7. Juni 2015 entkräftet auch die Erklärung des Klägers, dass er sich am 4. Juni 2015 in einer „Extremsituation“ befunden habe, denn er hatte sich offenbar selbst nach einem Polizeieinsatz und drei Tagen Abstand zur Tat immer noch nicht beruhigt.
Das in den Taten zu Tage getretene Frauenbild kann nicht akzeptiert werden. Die verübten Gewalttaten und Drohungen stellen nach Auffassung des Gerichts schwere Straftaten dar und rechtfertigen daher in diesem Fall selbst dann die Ausweisung, wenn man unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung zu Gunsten des Klägers sogar zu Grunde legt, dass die Kinder zu ihrem Wohl tatsächlich auf die Aufrechterhaltung der Beziehung zum Kläger angewiesen sind.
Auf den mit unbedingtem Beweisantrag gestellten Vortrag, dass der Kläger ein außerordentlich gutes und inniges Verhältnis zu seinen Kindern bis zu seiner Inhaftierung hatte und dass er sich bis zu diesem Zeitpunkt sehr um seine Kinder gekümmert und gesorgt hat, kommt es daher auch nicht entscheidungserheblich an.
bb) Auch wenn es letztlich nicht entscheidungserheblich ist, weist das Gericht dennoch darauf hin, dass die Kinder zur Überzeugung des Gerichts zu ihrem Wohl nicht auf die Aufrechterhaltung der persönlichen Verbundenheit zum Kläger angewiesen sind.
In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, seit eineinhalb Jahren keinen Kontakt zu seinen Kindern und keine Ahnung zu haben, welche Schule seine Kinder besuchen. Unrichtig gab er an, alle Kinder besuchten die Grundschule. Richtig ist hingegen, dass die älteste Tochter bereits die 5. Klasse einer Mittelschule besucht und das jüngste Kind noch den Kindergarten. In welchen Therapien sich seine Kinder befinden, wusste der Kläger auch nicht. Besuche der Kinder in der Haftanstalt haben nicht stattgefunden, auch keine Telefonate. Ausweislich der Stellungnahme der Mitarbeiterin des Sozialreferats der Beklagten schreibt der Kläger seinen Kindern auch nicht. Unter diesen Umständen sieht das Gericht schon keine Beziehung, die von einer geistigen und emotionalen Verbundenheit geprägt ist.
Auch die Mitarbeiterin des Sozialreferats kommt in ihrer Stellungnahme vom 10. November 2017 zum Ergebnis, dass der Kläger zum Wohl der Kinder eher vom Umgang auszuschließen sei. Die Möglichkeiten der Jugendhilfe und des Kinderschutzes seien auf den Umgang der Kinder mit dem Kläger nicht mehr anwendbar und hätten auch in der Vergangenheit nicht verhindern können, dass die Mutter der Kinder und die Kinder durch die Gewalt des Klägers massiv traumatisiert worden seien. Das jüngste Kind habe seine Geschwister gefragt, als nach dem Kläger gefragt wurde, ob „er den auch kennt“, und ob er auch von ihm geschlagen worden sei. Des Weiteren habe es wissen wollen, ob die Geschwister ihn beschützen würden, wenn der Kläger wieder komme, was diese bejahten und ihm sagten, dass er noch schneller laufen lernen müsse. Die Tochter M. wollte keinesfalls beim Kläger übernachten. Bei den beiden Treffen ohne die Umgangspflegerin habe ihr Onkel sie geschlagen, und der Kläger habe am Spielplatz probiert, sie zu schlagen. Sie habe mit ihrem Bruder jedoch „trainiert“ und sei weggelaufen. Wenn es sein müsse, wäre sie zu einem Treffen auf einem Spielplatz bereit; lieber wäre ihr aber, wenn die Polizei dabei wäre. Sie wolle auf keinen Fall mit ihrem Vater allein sein. Der Therapeut des Sohnes D. sehe im bisherigen Behandlungsverlauf Hinweise auf eine traumatisch erlebte Gewalt durch den Kläger. D. bezeichne den Lebensgefährten der Klägerin als „Papa“ und habe betont, dass er jetzt sehr, sehr schnell laufen könne und der Kläger ihn somit nicht mehr schlagen könne, wenn er ihn wieder sehe.
Der Mitarbeiterin des Sozialreferats erklärte der Kläger auf die Frage, warum er seinen Kindern bisher nicht geschrieben habe, etwa zum Geburtstag, dass er nur 30,00 EUR Taschengeld erhalte und schließlich Raucher sei. Dass er monatlich durch Arbeit zusätzlich ca. 100,00 EUR erhält, ergänzte der Kläger erst auf Nachfrage.
Vor diesem Hintergrund spielt es keine entscheidungserhebliche Rolle, dass die Kinder nach Einschätzung der Umgangspflegerin im Zeitraum von April 2016 bis November 2016 die – soweit aus den Akten ersichtlich – jeweils einstündigen Umgänge freudig wahrnahmen. Die Schilderungen der Kinder über die Umgänge ohne die Umgangspflegerin relativieren deren Einschätzung erheblich.
Auch die Äußerung der Bereitschaft der Tochter M. gegenüber dem Verfahrenspfleger am 2. Januar 2018, den Papa gerne wiedersehen zu wollen, wurde sogleich dahingehend eingeschränkt, dass der Umgang nur zusammen mit der Umgangsbegleiterin erfolgen solle und der Kläger nur Deutsch sprechen dürfe. Die Tochter M. gab an, den Vater nicht zu vermissen, da er nie da gewesen sei. Der Sohn D. gab an, dass er Angst davor habe, den Kläger zu sehen. Mit der Umgangspflegerin sei der Umgang schön gewesen, als sie nicht mehr dabei gewesen sei, habe der Kläger die Kinder die ganze Zeit angeschrien. Er wolle den Kläger zwar sehen, aber nicht allein. Er habe in Bezug auf den Vater gemischte Gefühle. Er denke nicht an den Kläger, wenn er es tue, habe er manchmal Alpträume. Der Sohn E. hat in dem Gespräch mit dem Verfahrenspfleger den Lebensgefährten seiner Mutter als „Papa“ bezeichnet. Den Kläger wolle er nicht sehen, dieser sei nicht sein Vater. Allenfalls wolle er den Kläger in Gegenwart der Umgangspflegerin sehen.
Den Schluss, dass die Kinder bei dieser Sachlage zu ihrem Wohl auf die Aufrechterhaltung der persönlichen Verbundenheit mit dem Kläger angewiesen sind, kann das Gericht – ohne dass es hierauf, wie gesagt, entscheidungserheblich ankommt – ebenso wenig wie die Mitarbeiterin des Sozialreferats ziehen.
c) Auch die persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet führen zu keinem anderen Abwägungsergebnis: Soweit ersichtlich, ist dem Kläger eine wirtschaftliche Integration trotz seines langjährigen Aufenthalts zumindest nicht vollständig gelungen. Unterhalt für seine Kinder hat er nach Aktenlage nie gezahlt. Während des vierzehnjährigen Aufenthalts hat der Kläger nur ca. 46 Monate, also knapp vier Jahre, Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt; dass er darüber hinaus zusätzlich nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen ist, ist nicht entscheidungserheblich. Dass der Kläger nach seinen Angaben im Verfahren der Alleinverdiener und Ernährer der Familie gewesen sein und zudem bis zur Trennung sogar 15.000 EUR angespart haben will, lässt sich im Übrigen nicht damit vereinbaren, dass seine geschiedene Ehefrau während der Ehezeit trotz der Geburt von drei Kindern ein Mehrfaches an Entgeltpunkten für die Rentenversicherung im Vergleich zum Kläger erarbeitet hat. Es spricht einiges dafür, dass der Kläger – wie von der geschiedenen Ehefrau im Scheidungsverfahren vorgetragen – „schwarz“ gearbeitet habe. Unabhängig hiervon, kann jedenfalls von einer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration nicht gesprochen werden.
Der Kläger ist auch nicht im Hinblick auf sein Heimatland entwurzelt. Er hat in Afghanistan noch Verwandte, zumindest seinen Vater und seine Stiefmutter. Als Volljähriger ist der Kläger auch nicht mehr auf den Beistand seiner Eltern angewiesen; zum Entscheidungszeitpunkt ist der Kläger bereits 35 Jahre alt. Der Kläger ist gesund, daher ist es ihm zuzumuten, sich in seinem Heimatland mit der Unterstützung seiner Verwandten eine neue Existenz aufbauen. Es wäre ihm sogar zuzumuten, sich ohne Kontaktperson zurechtzufinden.
d) Zusammenfassend kommt das Gericht Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wie die Beklagte zum Ergebnis, die Ausweisung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. z.B. BVerfG v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris) und dem Kläger eine Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit zuzumuten ist.
3. Die von der Beklagten verfügte Befristung der Ausweisung auf fünf Jahre unter der Bedingung von Straffreiheit ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Über die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist hat die Beklagte gemäß der seit 1. August 2015 verbindlichen Fassung des § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Sie hat dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu tun und darf hierbei fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Hierbei bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U. v. 10.7.2012 – 2 C 19.11 – juris Rn. 42). Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG).
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als ermessensfehlerfrei. Die gewählten fünf Jahre sind angemessen. Ermessensfehler der Beklagten sind insofern nicht ersichtlich. Auch liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG vor.
Auch die bei Nichterfüllung der Bedingung festgesetzte Frist von sieben Jahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch hier erweist sich die Befristung als ermessensfehlerfrei. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegen vor.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.