Verwaltungsrecht

B 14 AS 27/20 R

Aktenzeichen  B 14 AS 27/20 R

Datum:
14.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:141221UB14AS2720R0
Spruchkörper:
14. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Gelsenkirchen, 18. Dezember 2018, Az: S 50 AS 1284/18, Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 5. Dezember 2019, Az: L 7 AS 171/19, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufnahme in die von der beklagten Optionskommune geführte Liste von Anbietern der Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nach § 28 Abs 7 SGB II (im Folgenden Anbieter) sowie die Verurteilung der Beklagten, mit ihm eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen.
2
Die Beklagte schließt zur näheren Ausgestaltung der Erbringung und der Abrechnung von Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe mit Anbietern Kooperationsvereinbarungen ab. Im Anschluss an die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nach § 28 Abs 7 SGB II werden leistungsberechtigten Personen grundsätzlich Gutscheine ausgehändigt, auf denen die Kooperationspartner aufgelistet sind. Jugendverbände politischer Parteien nimmt die Beklagte in die Anbieterliste nicht auf.
3
Der Kläger, bei dem es sich um die Jugendorganisation der M Partei Deutschlands (MLPD) handelt, veranstaltet jährlich in T/Thüringen ein Sommercamp für Kinder und Jugendliche. Seinen auf “Zulassung als Leistungsanbieter von Leistungen zur sozialen und kulturellen Teilhabe” gerichteten Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 21.11.2016; Widerspruchsbescheid vom 3.3.2017). Der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit einer politischen Partei oder deren Jugendorganisation entspreche nicht dem staatlichen Neutralitätsgebot. Der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Die Beklagte berücksichtige generell keine politischen Jugendorganisationen.
4
Das SG hat den Bescheid vom 21.11.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3.3.2017 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 18.12.2018). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5.12.2019). Ein gesetzliches Zulassungsverfahren sei im Bereich der §§ 28 ff SGB II nicht normiert. Eine Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten bestehe nicht. Wenn die Beklagte generell Kooperationsvereinbarungen abschließe und Anbieter, mit denen sie keine Vereinbarung abgeschlossen habe, faktisch nicht berücksichtige, sondern leistungsberechtigte Personen auf ihre Kooperationspartner verweise, sei sie verpflichtet, diesen Ausschluss rechtmäßig, insbesondere unter Beachtung grundrechtlicher Positionen der Anbieter diskriminierungsfrei zu gestalten. Weder Art 21 Abs 1 GG noch Art 3 Abs 1 GG begründeten einen Anspruch des Klägers. Die Beklagte schließe mit politischen Parteien oder deren Jugendorganisationen generell keine Kooperationsvereinbarungen ab, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung.
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Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 28 ff SGB II sowie der Art 3 und 21 GG. Das staatliche Neutralitätsgebot finde vorliegend keine Anwendung und könne eine Ungleichbehandlung von Jugendorganisationen politischer Parteien gegenüber zB kirchlichen Anbietern von Jugendfreizeiten nicht rechtfertigen. Der Kläger verlange keine staatliche Bezuschussung für sich, sondern seine diskriminierungsfreie Berücksichtigung als Anbieter. Im Übrigen sei der Regelungszusammenhang mit der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für § 83 Abs 1 Satz 2 SGB VIII, wonach die überregionalen Tätigkeiten der Jugendorganisationen der politischen Parteien auf dem Gebiet der Jugendarbeit förderfähig seien.
6
Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2019 sowie des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18. Dezember 2018 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihn als Anbieter von Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 Abs 7 SGB II in die von ihr geführte Liste aufzunehmen und mit ihm eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen.
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Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat seine Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
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1. Der Kläger ist nach § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig. Danach sind im sozialgerichtlichen Verfahren auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen beteiligtenfähig, soweit ihnen in Bezug auf den Prozessgegenstand eigene Rechte und Pflichten zustehen (vgl nur BSG vom 13.5.2015 – B 6 KA 27/14 R – SozR 4-5540 § 25 Nr 1 RdNr 11 mwN). Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen im Sinne dieser Vorschrift sind Personenmehrheiten einschließlich Verbände von juristischen Personen, die nicht selbst rechtsfähig sind oder sonst juristischen Personen gleichgestellt sind (BSG vom 5.9.2006 – B 2 U 8/05 R – BSGE 97, 47 = SozR 4-2700 § 34 Nr 1, RdNr 20). Der Kläger ist der Jugendverband der MLPD. Nach den vom LSG in Bezug genommenen “organisationspolitischen Grundsätzen” der MLPD ist er organisatorisch selbstständig, arbeitet aber unter “der ideologisch-politischen Führung” der MLPD und entwickelt “eine eigene Taktik zur Gewinnung der Jugend unter Berücksichtigung der Taktik der Partei” (§ 24). Da der Kläger geltend machen kann, einen eigenen Anspruch auf Aufnahme in die Anbieterliste und Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zu haben, ist er in Bezug auf den Streitgegenstand beteiligtenfähig.
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2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise im Wege einer reinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens stehen sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber (hierzu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 41 mwN), weshalb bereits das SG die von der Beklagten erlassenen Bescheide mangels Befugnis zum Erlass einseitiger Regelungen aufgehoben hat. Entscheidet die Beklagte in Ermangelung einer dazu ermächtigenden Rechtsgrundlage nicht durch Verwaltungsakt über die Aufnahme in eine von ihr geführte Anbieterliste, ist im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zur Aufnahme in die Liste und den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung die Leistungsklage statthaft.
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3. Rechtsgrundlage eines möglichen Anspruchs des Klägers auf Aufnahme in die von der Beklagten geführte Anbieterliste und auf Abschluss einer Kooperationsvereinbarung ist der Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG iVm der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten.
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4. Die Berechtigung der Leistungsträger nach dem SGB II, eine Liste geeigneter Anbieter iS des § 29 Abs 2 Satz 2 SGB II zu führen und mit geeigneten Anbietern Kooperationsvereinbarungen zu schließen, ist bereichsspezifisch nicht normiert (hierzu 5.). Sie folgt aus der Gewährleistungsverantwortung des § 4 Abs 2 Satz 2 bis 4 SGB II (hierzu 6.). Diese begründet keine subjektiven Rechte eines Anbieters (hierzu 7.). Ein Anspruch eines Anbieters ergibt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG iVm der Selbstbindung der Träger der Leistungen nach dem SGB II aufgrund einer ständigen rechtmäßigen Verwaltungspraxis (hierzu 8.). Rechtswidrig ist es, Anbieter, die Aktivitäten auf dem Gebiet der politischen Teilhabe durchführen, generell auszuschließen (hierzu 9.). Zulässiges Differenzierungskriterium ist demgegenüber die Geeignetheit des Anbieters, die im Fall des Klägers nicht vorliegt, weshalb er keinen Anspruch auf Aufnahme in die Liste und Abschluss einer Kooperationsvereinbarung hat (hierzu 10.).
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5. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Träger der Leistungen nach dem SGB II im Rahmen der Erbringung von Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe berechtigt sind, Anbieterlisten zu führen und Kooperationsvereinbarungen abzuschließen, ist in §§ 28 f SGB II nicht geregelt. § 29 SGB II bestimmt als Sondervorschrift zu § 4 Abs 1 SGB II, auf welche Art und Weise die Leistungen gegenüber den Anspruchsberechtigten zu erbringen sind, indem die Modalitäten der Abrechnung im Verhältnis zwischen einem Anbieter und dem für die Leistungen nach § 28 SGB II verantwortlichen kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II) näher ausgestaltet werden (vgl § 29 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 2, Abs 3 und 6 SGB II). Soweit der Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 in § 29 Abs 2 und 3 SGB II ausdifferenzierte Regelungen zum Abschluss von Leistungsvereinbarungen zwischen den Grundsicherungsträgern und Anbietern unter entsprechender Anwendung des § 17 Abs 2 SGB II vorsah (BT-Drucks 17/3404 S 19), ist diese Entwurfsfassung nicht Gesetz geworden.
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6. Die grundsätzliche Berechtigung zum Führen von Anbieterlisten durch die Träger der Leistungen nach dem SGB II, in denen geeignete Anbieter iS des § 29 Abs 2 Satz 2 SGB II aufgeführt sind und die leistungsberechtigten Personen zugänglich gemacht werden können, folgt – als Konkretisierung des § 17 Abs 1 SGB I (hierzu BSG vom 10.8.2016 – B 14 AS 23/15 R – BSGE 122, 46 = SozR 4-4200 § 16a Nr 1, RdNr 16) – aus der in § 4 Abs 2 Satz 2 und 4 SGB II normierten Gewährleistungsverantwortung der Leistungsträger. Hiernach wirken die nach § 6 SGB II zuständigen Träger darauf hin, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu geeigneten vorhandenen Angeboten der gesellschaftlichen Teilhabe erhalten (§ 4 Abs 2 Satz 2 SGB II) und sollen die Leistungsträger die Eltern unterstützen und in geeigneter Weise dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche Leistungen für Bildung und Teilhabe möglichst in Anspruch nehmen (§ 4 Abs 2 Satz 4 SGB II). Hieraus folgt zwar kein Sicherstellungsauftrag der Träger der Leistungen nach dem SGB II und obliegt die Bereitstellung einer Angebotsstruktur weiterhin den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Rahmen der Daseinsvorsorge (BT-Drucks 17/3404 S 91). Bestandteil dieser Gewährleistungsverantwortung ist aber die Schaffung von Strukturen, um den Zugang zu geeigneten vorhandenen Angeboten zu ermöglichen (näher Brems in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 4 RdNr 51 f). Dabei steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Leistungsträger, wie sie ihre Gewährleistungsverantwortung erfüllen. Sie sind insoweit befugt, Anbieterlisten zu führen, um leistungsberechtigte Personen über geeignete Anbieter und geeignete Angebote vor Ort zu informieren (vgl zur entsprechenden kommunalen Praxis Lenze in Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl 2021, § 29 RdNr 4).
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Aus der Gewährleistungsverantwortung der Leistungsträger folgt weiter die Berechtigung zum Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit geeigneten Anbietern. Zur zielgerichteten Ermöglichung des Zugangs zu vorhandenen geeigneten Angeboten haben die Träger mit den in § 4 Abs 2 Satz 3 SGB II genannten Akteuren und den Trägern der Jugendhilfe zusammenzuarbeiten, um über die Vernetzung mit Anbietern und sachverständigen Stellen eine möglichst optimale und vielschichtige Angebotsstruktur zu erzielen (BT-Drucks 17/3404 S 91). Hierzu können, insbesondere im Bereich der Gutscheingewährung (§ 29 Abs 2 SGB II), Vereinbarungen mit Anbietern geschlossen werden, die zB Qualitätsstandards festlegen (Luik/Filges in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 29 RdNr 20; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 29 RdNr 22a, Stand Juni 2020; zur Inhaltskontrolle sogleich unter 10.b) oder – ua im Hinblick auf die Möglichkeit der pauschalen Abrechnung (§ 29 Abs 1 Satz 4 SGB II) – Einzelheiten der Abrechnung regeln.
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7. Aus der Gewährleistungsverantwortung des § 4 Abs 2 Satz 2 bis 4 SGB II können Anbieter grundsätzlich keine subjektiven Ansprüche herleiten (Kemper in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 4 RdNr 20). Die Leistungsträger können grundsätzlich allein im Aufsichtswege (vgl §§ 47, 48 SGB II) dazu angehalten werden, ihrer insoweit bestehenden Verpflichtung nachzukommen (vgl Öndül in jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, § 17 RdNr 32).
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8. Ein möglicher Anspruch eines Anbieters ergibt sich aber aus dem Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG iVm der Selbstbindung eines Leistungsträgers aufgrund einer ständigen rechtmäßigen Verwaltungspraxis (vgl hierzu allgemein nur BVerfG vom 13.6.2006 – 1 BvR 1160/03 – BVerfGE 116, 135, 153 f – juris RdNr 65; BSG vom 10.8.2016 – B 14 AS 23/15 R – BSGE 122, 46 = SozR 4-4200 § 16a Nr 1, RdNr 18 mwN). Dieser Anspruch ist nicht nur verletzt, wenn die ständige Verwaltungspraxis unterschiedlich angewandt wird, sondern auch, wenn die Verwaltungspraxis selbst den Gleichheitsgrundsatz verletzt, insbesondere, wenn trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen der Kläger oder eine bestimmte Personengruppe, der der Kläger angehört, unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Verwaltungspraxis von Leistungen ausgeschlossen werden (Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963, S 29 f mwN).
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Die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten, politische Parteien und deren Jugendorganisationen, mithin Anbieter auf parteipolitischem Gebiet, generell nicht zu berücksichtigen, mit der Folge, dass diese nicht in die Anbieterliste aufgenommen werden und mit ihnen keine Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden, ist rechtswidrig (hierzu 9.). Ein zulässiges und rechtmäßiges Differenzierungsschema ergibt sich aus der Unterscheidung nach der Geeignetheit eines Anbieters iS des § 29 Abs 2 Satz 2 SGB II (hierzu 10.).
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9. Eine ständige Verwaltungspraxis dahingehend, Anbieter auf parteipolitischem Gebiet im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben nach § 28 Abs 7 SGB II grundsätzlich auszuschließen, ist rechtswidrig.
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Die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II bezwecken, Kinder und Jugendliche stärker in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren, um auf diese Weise das Gemeinschaftserlebnis zu fördern, soziale Kompetenz zu entwickeln und das gesellschaftliche Leben aktiv mitzugestalten (BT-Drucks 17/3404 S 106 f). Mit dieser Zielsetzung ermöglicht § 28 Abs 7 SGB II die Erfüllung des Anspruchs von Kindern und Jugendlichen auf gesellschaftliche Teilhabe im Rahmen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BSG vom 10.9.2013 – B 4 AS 12/13 R – SozR 4-4200 § 28 Nr 8 RdNr 23; zur veränderten Aufgabenstellung der Jobcenter durch die Einfügung der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach §§ 28 ff SGB II im Hinblick auf Kinder und Jugendliche vgl nur Lenze in Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl 2021, § 28 RdNr 1).
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Die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II orientieren sich an den Angeboten der Jugendarbeit des Kinder- und Jugendhilferechts gemäß § 11 Abs 3 SGB VIII (G. Becker in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl 2021, §§ 28-30 SGB II RdNr 64; Leopold/Buchwald in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 28 RdNr 191; Luik/Filges in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 28 RdNr 61; vgl auch Kettinger in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, § 28 SGB II RdNr 397a, Stand Juni 2019; näher zu den Überschneidungen dieser Leistungsbereiche DIJuF, “Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche nach SGB II: eine Strukturkritik”, 2013, S 9 ff), die zur Selbstbestimmung befähigen sowie zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen sollen (§ 11 Abs 1 Satz 2 SGB VIII).
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§ 28 Abs 7 Satz 1 Nr 3 SGB II schließt Bedarfe für eine politische Teilhabe ein. Das durch einen gesetzlichen Anspruch zu sichernde Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst ua ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (speziell zu § 28 SGB II BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 ua – BVerfGE 137, 34 RdNr 130; ferner BVerfG vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 ua – BVerfGE 125, 175, 223 – juris RdNr 135; BVerfG vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 ua – BVerfGE 132, 134 RdNr 64; BVerfG vom 5.11.2019 – 1 BvL 7/16 – BVerfGE 152, 68 RdNr 119), denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (BVerfG vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 ua – BVerfGE 125, 175, 223 – juris RdNr 135). Der vom BVerfG aufgestellte Dreiklang der Teilhabebereiche geht in der Gesetzesfassung des § 28 Abs 7 Satz 1 SGB II auf. Danach soll eine “Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft” sichergestellt werden. Das Adjektiv “sozial” zielt auf das Zusammenleben der Menschen und seine staatlich-rechtliche Ordnung sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse. Gemeinsam mit den Tatbestandsmerkmalen “Leben in der Gemeinschaft” und der – gleichbedeutend verwendeten (vgl BT-Drucks 17/3404 S 91) – “gesellschaftlichen Teilhabe” (§ 4 Abs 2 Satz 2 SGB II) drückt es die Gemeinschaftsbezogenheit der Teilhabe aus innerhalb des Rahmens, den die verfassungsmäßige Ordnung hierfür eröffnet. In diesem Sinne bietet die gesetzliche Formulierung der “Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft” keinen Ansatz, zwischen dem “parteipolitischen” und dem “allgemeinpolitischen” Inhalt einer Freizeit zu unterscheiden, zumal Parteien dem gesellschaftlichen und damit dem sozialen Lebensbereich zuzuordnen sind (statt aller Ipsen/Koch in Sachs, GG, 9. Aufl 2021, Art 21 RdNr 9 mwN) und unklar ist, wie eine solche Grenze praktisch gezogen werden könnte (vgl zur fehlenden Möglichkeit der Trennung zwischen allgemeiner Parteiarbeit und politischer Bildungsarbeit der Parteien bereits BVerfG vom 19.7.1966 – 2 BvF 1/65 – BVerfGE 20, 56, 112 – juris RdNr 144).
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10. Ein rechtmäßiges Differenzierungsschema folgt aus der Unterscheidung nach der Geeignetheit eines Anbieters iS des § 29 Abs 2 Satz 2 SGB II.
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Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft setzen die Geeignetheit des Anbieters voraus (a). Bei der Geeignetheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der keinen Beurteilungsspielraum des kommunalen Trägers beinhaltet, aber ein Mindestmaß an inhaltlicher Kontrolle voraussetzt (b). Bei der Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist der gemeinsame Regelungszusammenhang mit der Kinder- und Jugendhilfe, die für die Förderung freier Träger der Jugendhilfe die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit verlangt, zu berücksichtigen (c). Die Bildungs- und Teilhabeleistungen nach dem SGB II setzen eine solche “Verfassungsgewähr” insoweit voraus, als Anbieter dann nicht geeignet sind, wenn von ihnen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen (d). Eine solche Verfassungsfeindlichkeit des Anbieters hat die Behörde in eigener Zuständigkeit zu prüfen, wobei wichtige Erkenntnisquelle die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder sein können (e). Vorliegend gelten keine anderen Maßstäbe, weil es sich bei dem Anbieter der Teilhabeleistung um die Jugendorganisation einer politischen Partei handelt (f). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist der Kläger zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nicht geeignet und handelt es sich bei den von ihm angebotenen Sommercamps nicht um geeignete Angebote, weshalb kein Anspruch auf Aufnahme in die Anbieterliste und Abschluss einer Kooperationsvereinbarung besteht (g).
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a) Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 28 Abs 7 SGB II) sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der Anbieter hierfür “geeignet” ist. Es kann dahinstehen, ob eine solche Anforderung bereits aus allgemeinen Grundsätzen des Förderungsrechts folgt (so Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 29 RdNr 21, Stand Juni 2020). Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, wenn es in § 4 Abs 2 Satz 2 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) heißt, die nach § 6 SGB II zuständigen Träger wirken darauf hin, “dass Kinder und Jugendliche Zugang zu geeigneten vorhandenen Angeboten der gesellschaftlichen Teilhabe erhalten”. Dies hat seine Ausformung in § 29 Abs 2 Satz 2 SGB II (ebenfalls idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) erfahren, wonach die “kommunalen Träger gewährleisten, dass Gutscheine bei geeigneten vorhandenen Anbietern oder zur Wahrnehmung ihrer eigenen Angebote eingelöst werden können”. Die “Geeignetheit” ist nicht auf die Gutscheinausgabe beschränkt (Leopold/Buchwald in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 29 RdNr 37 ff, 42; Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III, § 29 SGB II RdNr 13, Stand März 2019; Petersen, ZFSH SGB 2013, 407, 411). Der Regelungsort ist Folge der gesetzgeberischen Entscheidung im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), Bedarfe nach § 28 Abs 7 SGB II nicht durch Geldleistungen zu decken, sondern in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen.
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b) Bei der Geeignetheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Dem kommunalen Träger steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu. Es liegt nicht in seiner Entscheidungsfreiheit, bestimmte Anbietergruppen – etwa politische Nachwuchsorganisationen oder religiöse Vereine – ganz auszuschließen, um auf diese Weise Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Die Geeignetheit ist in aller Regel unproblematisch und ohne erheblichen Prüfaufwand von der Behörde zu bejahen. Sie umfasst die (organisatorische) Befähigung des Anbieters zur Erbringung der jeweiligen Teilhabeleistung, beschränkt sich hierauf aber nicht, sondern umfasst auch einen qualitativen Aspekt, indem jedenfalls ein Mindestmaß an inhaltlicher Kontrolle stattfindet (so auch “Vierte Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe” vom 24.11.2020, S 32; Lenze in Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl 2021, § 29 RdNr 15; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 29 RdNr 30, Stand August 2020; Luik/Filges in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 29 RdNr 20; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 29 RdNr 21, 22a, Stand Juni 2020; differenzierend Kettinger in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, § 29 SGB II RdNr 24, 25, Stand Juni 2019). Gegenstand dieser inhaltlichen Kontrolle ist dabei die Eignung im Sinne der bereits dargelegten Zielsetzung der Teilhabeleistung. Die Geeignetheit ist danach zu verneinen, wenn die Aktivität nicht der Einbindung in soziale Gemeinschaftsstrukturen dient (vgl BT-Drucks 17/3404 S 106 f) oder einer Förderung Gesichtspunkte des Kinder- und Jugendschutzes entgegenstehen (vgl Lenze in Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl 2021, § 29 RdNr 15; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 29 RdNr 30, Stand August 2020).
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Gegen eine solche Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Geeignetheit spricht nicht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Es ist zwar zutreffend, dass die Entwurfsfassung der damaligen Koalitionsfraktionen, wonach Anbieter als ungeeignet auszuschließen seien, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Gefährdung des Wohls der Kinder oder der Jugendlichen bei der Leistungserbringung geltend mache (§ 29 Abs 3 Satz 3 SGB II idF des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucks 17/3404 S 19), nicht Gesetz geworden ist. Es gibt aber keine Anhaltspunkte in der Entstehungsgeschichte für die Annahme, der Gesetzgeber habe die Prüfung durch die Behörde mit dem Verzicht auf eine solche Regelung auf die reine organisatorische Befähigung des Anbieters beschränken und dabei insbesondere Fragen des Kinder- und Jugendschutzes ausklammern wollen. Der Verzicht auf eine solche Regelung ist vielmehr der Gesetz gewordenen Regelungskonzeption geschuldet. Während die Entwurfsfassung – wie bereits dargelegt – Leistungsvereinbarungen zwischen dem Träger und dem Anbieter unter entsprechender Anwendung des § 17 Abs 2 SGB II vorsah und vor diesem Hintergrund Sonderkündigungsrechte für den Fall, dass sich ein Anbieter als ungeeignet erwiesen habe, verzichtet die Gesetz gewordene Fassung des § 29 SGB II, die auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zurückgeht (BT-Drucks 17/4719 S 3), auf eine formalisierte Regelung dieses Rechtsverhältnisses. Stattdessen erhebt sie den unbestimmten Rechtsbegriff der Geeignetheit zur Leistungsvoraussetzung. Im Gegensatz zur Entwurfsfassung, die die Bundesagentur für Arbeit als Trägerin der Leistungen zur sozialen und kulturellen Teilhabe vorsah, weshalb Anlass bestand, die Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe detailliert zu regeln, sind diese Leistungen mit der Folge der Teilidentität der Leistungsträger zudem nunmehr den kommunalen Trägern zugewiesen (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453). Im Übrigen ist es bei der nur allgemein geregelten Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Grundsicherungsträger und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verblieben (§ 4 Abs 2 Satz 3 SGB II, § 81 Nr 1 SGB VIII).
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Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, den Anspruch auf soziale Teilhabeleistungen nach Maßgabe einer Mindestkontrolle zu gewähren, die qualitative Aspekte einschließt. Die Bildungs- und Teilhabeleistungen in der hier vorgenommenen Auslegung stellen insoweit eine zulässige Ausgestaltung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dar (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG). Die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Teilhabebedarfe von Kindern und Jugendlichen nicht als relevant für den pauschalen monatlichen Regelbedarf zu werten, sondern gesondert über das sogenannte “Bildungs- und Teilhabepaket” zu decken, ist nicht zu beanstanden (BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 ua – BVerfGE 137, 34 RdNr 130), obwohl dies zwangsläufig die Selbstautonomie, die in der Gewährung eines (ausreichend bemessenen) monatlichen Pauschalbetrags liegt, einschränkt. Ebenfalls verfassungsrechtlich zulässig ist es, die Leistungen im Rahmen des § 28 Abs 7 SGB II an bestimmte Verwendungszwecke zu knüpfen (BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 ua – BVerfGE 137, 34 RdNr 133; BSG vom 28.3.2013 – B 4 AS 12/12 R – SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 46 f).
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Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist zudem, den Teilhabeanspruch (teilweise) abhängig zu machen von einem unbestimmten Rechtsbegriff. Die Möglichkeit des Gesetzgebers, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, ist allgemein anerkannt. Sie begegnet keinen Bedenken, solange es Behörden und Gerichten möglich ist, mit herkömmlichen juristischen Methoden Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme zu bewältigen (vgl nur BVerfG vom 6.10.2017 – 1 BvL 2/15 ua – juris RdNr 14, 18 mwN; vgl zur Aufgabe der Fachgerichte insoweit nur BVerfG vom 24.3.1976 – 2 BvR 804/75 – BVerfGE 42, 64, 74 ff juris RdNr 27 ff; zur Auslegung anhand grundgesetzlicher Wertmaßstäbe BVerfG vom 10.6.1964 – 1 BvR 37/63 – BVerfGE 18, 85, 92 – juris RdNr 20). Dies ist hier der Fall.
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c) Die Teilhabeleistungen stehen – wie bereits dargelegt (siehe unter 9.) – in einem Regelungszusammenhang zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, wo die Tätigkeiten der Jugendorganisationen der politischen Parteien auf dem Gebiet der Jugendarbeit förderfähig sind (§ 83 Abs 1 Satz 2 SGB VIII idF des Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 29.8.2013, BGBl I 3464). Hierauf weist der Kläger im Revisionsverfahren zur Begründung seiner Ansicht, dass die von ihm organisierten Freizeiten vom Begriff der sozialen Teilhabe umfasst seien, zutreffend hin. Für diesen Regelungszusammenhang spricht auch, dass dem Gesetzgeber – unbeschadet des offeneren Begriffs des “Anbieters” (vgl § 29 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II) – eine Bereitstellung von Angeboten durch die freien Träger der Jugendhilfe vor Augen stand, soweit sie nicht ohnehin im Rahmen der Daseinsvorsorge durch die Gemeinden und Gemeindeverbände oder im Rahmen der Kultushoheit durch die Länder erfolgt (BT-Drucks 17/3404 S 107 f).
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Das Kinder- und Jugendhilferecht verlangt sowohl für die Trägeranerkennung als auch für die (bloße) Förderung der freien Jugendhilfe, dass der jeweilige Träger die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet (§ 74 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB VIII, § 75 Abs 1 Nr 4 SGB VIII). Diese “Verfassungsgewähr” ist seit jeher Bestandteil der Prüfung der Geeignetheit eines freien Trägers und seiner Aktivitäten (vgl bereits BVerfG vom 18.7.1967 – 2 BvF 3/62 ua – BVerfGE 22, 180, 207 – juris RdNr 84 zur Vorgängernorm § 9 Jugendwohlfahrtsgesetz idF der Bekanntmachung vom 11.8.1961, BGBl I 1205). Nach der Rechtsprechung des BVerwG erfüllt der Träger sie, wenn er positiv im Sinne der obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie wirkt, was mehr erfordert als nur eine passive oder gleichgültige Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (BVerwG vom 16.2.1978 – V C 33.76 – BVerwGE 55, 232, 235 f – juris RdNr 11 ebenfalls zu § 9 JWG; BVerwG vom 20.6.1969 – VII C 73.68 – BVerwGE 32, 217, 218 – juris RdNr 19 zur Anwendung auf die Förderung durch den Bund seinerzeit nach § 25 JWG; zur Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das SGB VIII BVerwG vom 1.8.1996 – 5 B 90.96 – Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr 1; hierzu von Boetticher/Münder in FK-SGB VIII, 8. Aufl 2019, § 74 RdNr 14; Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 74 RdNr 33 ff, Stand September 2012; Kunkel/Kepert in LPK-SGB VIII, 7. Aufl 2018, § 74 RdNr 14 ff; Reichert in Jung, SGB VIII, 2. Aufl 2008, § 74 RdNr 27 f; Wabnitz, ZfJ 2003, 165, 167 f). Eine solche Verfassungsgewähr rechtfertigt sich aus Gründen des Jugendschutzes (vgl Trésoret in jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl 2018, § 74 RdNr 110; vgl auch Kunkel/Kepert in LPK-SGB VIII, 7. Aufl 2018, § 74 RdNr 17).
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d) Diese Grundsätze sind bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Geeignetheit iS der § 4 Abs 2 Satz 2 iVm §§ 28 ff SGB II zu berücksichtigen. Sie können zwar nicht ohne weiteres übertragen werden, weil zwischen der institutionellen Förderung eines Trägers einerseits und der Erfüllung eines individuellen Teilhabeanspruchs andererseits ein qualitativer Unterschied besteht. Dies entspricht – zugleich als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – der eingangs beschriebenen (inhaltlichen) Mindestkontrolle. In diesem Sinne verlangt die Geeignetheit eines Anbieters iS des SGB II einerseits kein (positives) Verfassungsbekenntnis im Sinne der beschriebenen jugendhilferechtlichen Grundsätze. Andererseits kann aber von der Geeignetheit – unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Anbieter bezweckt, tragende Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, weil von ihm Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen (vgl zum Begriff § 4 Abs 1 Satz 1 Buchst c BVerfSchG; näher hierzu BVerwG vom 21.7.2010 – 6 C 22.09 – BVerwGE 137, 275 RdNr 59 f; vgl auch BVerfG vom 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63, 81 – juris RdNr 69; enger der Maßstab für ein Vereinsverbot nach Art 9 Abs 2 GG, vgl zuletzt nur BVerwG vom 21.9.2020 – 6 VR 1.20 – juris RdNr 16 mwN; vgl zu den Schutzgütern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insoweit § 4 Abs 2 BVerfSchG). Ein solcher Anbieter ist nicht geeignet, gegenüber Kindern und Jugendlichen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erbringen. In diesem Sinne kann die Eignung links- oder rechtsextremistischer und ggf auch religiös-fundamentalistischer Anbieter zu verneinen sein (ebenso im Ergebnis Fasselt in Gesamtkommentar SRB, 2. Aufl 2018, §§ 28-30 SGB II RdNr 26; Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, § 11 RdNr 334; Lenze in Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl 2021, § 29 RdNr 15; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 29 RdNr 30, Stand August 2020; Petersen, ZFSH SGB 2013, 407, 411; zweifelnd – jedenfalls außerhalb eines Vereins- oder Parteiverbots – Leopold/Buchwald in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 29 RdNr 42; Schwabe in Gagel, SGB II/SGB III, § 29 SGB II RdNr 21, Stand März 2019).
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Eine im Sinne einer solchen Mindestkontrolle verstandene “Verfassungsgewähr” dient dem Kinder- und Jugendschutz und ist damit Ausdruck einer zwischen Eltern und Staat aufgeteilten Schutzverantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes (vgl Art 6 Abs 2 Satz 1 GG), wobei die der staatlichen Gemeinschaft zugewiesene Aufgabe insbesondere in der ihr zugewiesenen Wächterfunktion (Art 6 Abs 2 Satz 2 GG) Ausdruck gefunden hat (vgl im Einzelnen nur BVerfG vom 19.2.2013 – 1 BvL 1/11 ua – BVerfGE 133, 59 RdNr 42 f mwN; zum Wächteramt einschließlich seiner leistungsrechtlichen Dimension vgl nur Luthe in jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl 2018, § 1 RdNr 9, 15 ff). Träger dieser auf das Kindeswohl bezogenen Schutzverantwortung ist die staatliche Gemeinschaft in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich und damit auch der kommunale Träger iS des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II, dem die Verantwortung für die rechtmäßige Erbringung der Leistungen nach § 28 SGB II obliegt (vgl § 44b Abs 3 Satz 1 SGB II). Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art 1 Abs 1 iVm Art 2 Abs 1 GG) und bedürfen dabei des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht (BVerfG vom 29.7.1968 – 1 BvL 20/63 ua – BVerfGE 24, 119, 144 – juris RdNr 58; BVerfG vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130, 140 – juris RdNr 34; zuletzt BVerfG vom 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 ua – RdNr 46; zum Verfassungsrang des Jugendschutzes vgl nur BVerfG vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130, 140 – juris RdNr 34). Dies ermöglicht – im Rahmen seines verfassungsrechtlichen Auftrags zur Sicherstellung eines existenzsichernden Mindestbedarfs – der Anspruch auf Leistungen für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gemäß § 28 Abs 7 SGB II.
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Entgegen der Ansicht des Klägers liegt in einer insoweit ausgestalteten inhaltlichen Mindestkontrolle kein Eingriff in das vorrangig den Eltern zugewiesene und als Abwehrrecht ausgestaltete Erziehungsrecht (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG; vgl hierzu nur BVerfG vom 29.7.1968 – 1 BvL 20/63 ua – BVerfGE 24, 119, 138 – juris RdNr 45 mwN). Das elterliche Erziehungsrecht verwehrt es der staatlichen Gemeinschaft nicht, in Ausübung der eigenen Schutzverantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen die Gewährung finanzieller Leistungen davon abhängig zu machen, dass ihre grundlegenden, für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben unverzichtbaren Werte nicht zur Disposition gestellt werden. Im Gegenteil: Eine wertgebundene Ordnung wie die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl nur BVerfG vom 23.10.1952 – 1 BvB 1/51 – BVerfGE 2, 1, 12 – juris RdNr 37) würde zu sich selbst in Widerspruch treten, würde sie Anbieter, die bezwecken, diese Grundordnung zu beseitigen, für ebenso geeignet zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am sozialen Leben in der Gemeinschaft ansehen wie jeden anderen Anbieter auch. Sie würde damit gegenüber Kindern und Jugendlichen zum Ausdruck bringen, es sei letztlich beliebig, welcher gesellschaftlichen Ordnung man den Vorzug gebe. Eine solche “offene Konkurrenzsituation” besteht bei staatlich gewährten Teilhabeleistungen nicht (dies für die öffentlich geförderte Jugendarbeit ablehnend BVerwG vom 1.8.1996 – 5 B 90.96 – Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr 1 – juris RdNr 3; Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 74 RdNr 36, Stand September 2012; Kunkel in Kepert/Kunkel, Kinder- und Jugendhilferecht, 2019, S 489; vgl beispielhaft für die gezielte Ansprache von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen BVerfG vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 RdNr 862, 938). Dass dies von der Behörde “Fingerspitzengefühl” erfordert (so zutreffend Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 74 RdNr 36, Stand September 2012; vgl auch BVerwG vom 16.2.1978 – V C 33.76 – BVerwGE 55, 232, 239 – juris RdNr 15), damit die Leistungsablehnung beschränkt bleibt auf das, was für die Distanzierung von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung unerlässlich notwendig ist, liegt auf der Hand und wird bei Umsetzung der hier beschriebenen Mindestkontrolle gewahrt.
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e) In tatsächlicher Hinsicht haben die kommunalen Träger die Frage nach der so verstandenen Verfassungsfeindlichkeit eines Anbieters in eigener Zuständigkeit zu prüfen (so auch Petersen, ZFSH/SGB 2013, 407, 411). Eine gesetzliche Beweisregel, wonach bei Vereinigungen, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszugehen ist, dass Bestrebungen iS des § 4 BVerfSchG erfüllt sind (so § 51 Abs 3 Satz 2 AO zur Frage der Gemeinnützigkeit von Körperschaften; hierzu BFH vom 11.4.2012 – I R 11/11 – BFHE 237, 22; BFH vom 14.3.2018 – V R 36/16 – BFHE 260, 420; zur deklaratorischen Bedeutung dieser Regelung Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 51 AO RdNr 56, Stand Juli 2017 sowie zuletzt FG München vom 27.9.2021 – 7 K 3347/18 – juris RdNr 44), woran die jugendhilferechtliche Förderpraxis im Hinblick auf die Jugendorganisationen der politischen Parteien anknüpft (vgl Ziffer 3 Abs 3 der Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20.12.2018 über die Gewährung von Zuschüssen für Aufgaben der freien Jugendhilfe an Jugendorganisationen der politischen Parteien – RL JpP), sehen § 4 Abs 2 Satz 2 iVm §§ 28 ff SGB II nicht vor. Dies schließt es nicht aus, dass der kommunale Träger im Zusammenhang mit der ohnehin bestehenden Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Grundsicherungsträger und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe (vgl hierzu oben unter 10.b) an deren Prüfung für die Anerkennung oder Förderung freier Träger anknüpft. Im Einzelfall können auch aus dem abgabenrechtlichen Verfahren über die Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke Erkenntnisse zu gewinnen sein. Im Übrigen haben sich Anlass und Inhalt der Prüfung daran zu orientieren, dass die Sozialverwaltung zwar einerseits als Teil staatlicher Leistungsverwaltung die Verfassungsfeindlichkeit eines Anbieters bei ihrer Entscheidung über Leistungen aus Gründen des Jugendschutzes zu berücksichtigen hat. Andererseits sind die Sozialleistungsträger keine Sicherheitsbehörden, die Informationen über extremistische Bestrebungen sammeln und auswerten. Maßgebliche Erkenntnisquelle für die Frage der Geeignetheit eines Anbieters iS des § 28 SGB II können deswegen zunächst die allgemein zugänglichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder sein. Den dort genannten Vereinigungen oder Personen stehen gerichtliche Wege offen, dem Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit zu begegnen, indem sie gegen die Verfassungsschutzberichte gerichtlich vorgehen (BVerfG vom 20.2.2013 – 2 BvE 11/12 – BVerfGE 133, 100 RdNr 24) und verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
36
f) Vorliegend gelten keine anderen Maßstäbe, weil es sich bei dem Anbieter der Teilhabeleistung um die Jugendorganisation einer politischen Partei handelt, die nicht gemäß Art 21 Abs 2 Satz 2 GG (jetzt Art 21 Abs 4 GG idF des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 13.7.2017, BGBl I 2346; vgl hierzu BT-Drucks 18/12357 S 7) verboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er von Art 21 GG geschützt ist und nicht als Nebenorganisation einer Partei lediglich dem Vereinsrecht unterfällt (vgl hierzu BVerfG vom 23.10.1952 – 1 BvB 1/51 – BVerfGE 2, 1, 13 – juris RdNr 39; speziell zu den Jugendorganisationen der politischen Parteien OVG Berlin-Brandenburg vom 14.3.2012 – OVG 6 B 19.11 – NVwZ 2012, 1265, 1271 – juris RdNr 45; OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.8.1989 – 5 A 814/88 – NJW 1990, 1684; zusammenfassend Pilniok, ZG 2016, 62, 74 ff).
37
Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Annahme, der Kläger sei als Anbieter sozialer Teilhabeleistungen nicht geeignet, weshalb er als Anbieter nicht zu berücksichtigen ist, in Art 21 GG eingreift. Art 21 GG stattet die politischen Parteien wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie aus (sog Parteienprivileg). Art 21 Abs 1 GG garantiert den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung im Sinne einer (formalen) Chancengleichheit auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt (stRspr; vgl nur BVerfG vom 27.2.2018 – 2 BvE 1/16 – BVerfGE 148, 11 RdNr 42 mwN). Ob von staatlichem Handeln eine die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen beeinträchtigende Wirkung ausgeht, hängt dabei von der jeweiligen Fallgestaltung ab (BVerfG vom 10.6.2014 – 2 BvE 4/13 – BVerfGE 136, 323, 333 – juris RdNr 25). Hiergegen spricht vorliegend, dass der streitgegenständliche Anspruch auf Berücksichtigung als Anbieter abgeleitet ist von den individuellen Teilhabeansprüchen leistungsberechtigter Kinder und Jugendlicher. In diesem Sinne bereitet er Entscheidungen im Sozialrechtsverhältnis vor, die ihrerseits nicht auf “Kundgabe” (hierzu BVerfG aaO) angelegt sind und deren Ziel auch nicht besteht in der staatlichen Bekämpfung des Klägers oder der MLPD, der die Sperrwirkung des Art 21 Abs 2 Satz 2 GG (jetzt Art 21 Abs 4 GG) entgegenstünde (stRspr; vgl nur BVerfG vom 26.10.2004 – 2 BvE 1/02 ua – BVerfGE 111, 382, 410 – juris RdNr 106; BVerfG vom 15.7.2014 – 2 BvE 2/14 – BVerfGE 137, 29 RdNr 10; vgl auch BVerfG vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 RdNr 526 mwN). Vor diesem Hintergrund stellen sich mögliche Auswirkungen auf den Kläger in erster Linie als bloßer Reflex dar.
38
Soweit Ausdruck der formalen Chancengleichheit zudem ist, dass bis zur insoweit konstitutiven Entscheidung des BVerfG niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen kann (vgl hierzu nur BVerfG vom 18.3.2003 – 2 BvB 1/01 ua – BVerfGE 107, 339, 362 – juris RdNr 68 mwN), liegt ein Eingriff jedenfalls nicht vor. Die Entscheidung, der Kläger sei als Anbieter nicht geeignet, enthält keine Aussage zur Verfassungswidrigkeit der MLPD, weil diese die Schwelle für ein Parteienverbot und damit für ein Tätigkeitsverbot beschreibt, das an weitere Voraussetzungen geknüpft ist (zum Verhältnis von Art 21 GG und jugendhilferechtlicher “Verfassungsgewähr” Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 74 RdNr 36, Stand September 2012; zum Verhältnis zum Vereinsverbot nach Art 9 Abs 2 GG BVerwG vom 20.6.1969 – VII C 73.68 – BVerwGE 32, 217, 222 – juris RdNr 35). Art 21 Abs 2 GG verlangt für die Verfassungswidrigkeit von Parteien, dass diese “darauf ausgehen”, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, was nur angenommen werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das gegen die Schutzgüter des Art 21 Abs 2 GG gerichtete Handeln einer Partei erfolgreich sein kann (sog Potentialität: BVerfG vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 RdNr 585 ff). Hierauf kommt es bei der Frage, ob die staatliche Gemeinschaft aus Gründen der Schutzverantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen eine Teilhabeleistung ablehnt, nicht an.
39
Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Eingriff vorliegt, wäre ein solcher aber gerechtfertigt, denn der Anspruch der politischen Parteien auf (formale) Chancengleichheit gilt nicht absolut, sondern ist seinerseits mit anderen verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsgütern zu einem Ausgleich zu bringen. In diesem Sinne schließt es Art 21 Abs 2 GG im Einzelfall nicht aus, dass sich das Engagement in einer nicht verbotenen Partei nachteilhaft auswirkt. Dies gilt etwa dann, wenn es um eine besondere Pflichtenstellung des Betroffenen geht (grundlegend BVerfG vom 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334, 359 – juris RdNr 61; zu Parallelen bei der politischen Bildung durch Träger der freien Jugendhilfe BVerwG vom 16.2.1978 – V C 33.76 – BVerwGE 55, 232, 238 – juris RdNr 14) oder eine allgemeine staatliche Schutzpflicht mit dem Parteienprivileg in einen Ausgleich zu bringen ist (vgl zB zu Art 2 Abs 2 Satz 1 GG
BVerwG vom 30.9.2009 – 6 C 29.08 – juris RdNr 21; hierzu zuletzt BVerfG vom 19.6.2019 – 2 BvR 2299/15 – juris RdNr 27). So liegt der Fall hier, weil – wie dargelegt – der Jugendschutz, dem eine “Verfassungsgewähr” im Sinne einer Mindestkontrolle der Geeignetheit dient, seinerseits Verfassungsrang genießt und entsprechende Schutzpflichten der staatlichen Gemeinschaft begründet (ausführlich hierzu unter 10.d).
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g) Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Aufnahme in die von ihr geführte öffentliche Anbieterliste sowie auf Abschluss einer Kooperationsvereinbarung. Er ist als Anbieter von Leistungen für Bildung und Teilhabe nicht geeignet, weil von ihm Bestrebungen ausgehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dies folgt insbesondere aus den im gerichtlichen Verfahren erörterten Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes sowie dem Parteiprogramm der MLPD. Auf den thematischen Inhalt der alljährlichen Sommercamps kommt es nicht an, weil eine solche Veranstaltung nicht getrennt werden kann von dem Veranstalter, der sie organisiert; es ist vielmehr ausgeschlossen, dass ein ungeeigneter Anbieter von Bildungs- und Teilhabeleistungen gleichwohl geeignete Angebote erbringen kann (vgl zur fehlenden Möglichkeit einer solchen “Kompensation” bereits BVerwG vom 16.2.1978 – V C 33.76 – BVerwGE 55, 232, 242 – juris RdNr 20). Aus diesem Grund verwendet das SGB II die Geeignetheit des Anbieters (§ 29 Abs 2 Satz 2 SGB II) gleichbedeutend mit der Geeignetheit des Angebots (§ 4 Abs 2 Satz 2 SGB II).
41
Im Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2015 heißt es sowohl zum Kläger als auch zur MLPD, sie seien maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und zielten auf die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft ab (S 136). Die MLPD sei eine in der linksextremistischen Szene weitgehend isolierte Kaderpartei (S 135). Sowohl die MLPD als auch der Kläger werden im Anhang des Verfassungsschutzberichts des Bundes für das Jahr 2015 als Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt hätten, es handele sich aufgrund der verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele um extremistische Gruppierungen. Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2015 heißt es über die MLPD hiermit übereinstimmend, ihre Zielsetzungen wie Revolution, Diktatur des Proletariats und Kommunismus seien durch eindeutig verfassungsfeindliche Aussagen geprägt (S 123).
42
Anhaltspunkte dafür, dass die in den Verfassungsschutzberichten mitgeteilten Informationen sowie die hieraus gezogenen (wertenden) Schlussfolgerungen unzutreffend sein sollten, sind nicht ersichtlich. Die Verfassungsschutzbehörden haben ihre Erkenntnisse insbesondere nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln, sondern auf der Grundlage allgemein zugänglicher Quellen gewonnen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger oder die MLPD in der Vergangenheit versucht hätten, gegen diese Berichterstattung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Vorgegangen wurde ausweislich der veröffentlichten Rechtsprechung nur gegen einzelne Formulierungen (vgl zur Formulierung “agiert sie auf kommunaler Ebene verdeckt”
VG Düsseldorf vom 16.9.2020 – 20 L 1581/20) oder gegen die Verdachtsberichterstattung über mit ihr verflochtene Organisationen (BVerwG vom 21.1.2019 – 6 B 152.18 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.11.2014 – 5 B 1104/14 – juris).
43
Es bestehen auch deswegen keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Einschätzung durch die Verfassungsschutzbehörden, weil deren Erkenntnisse durch allgemein zugängliche Veröffentlichungen bestätigt werden, insbesondere durch das Parteiprogramm der MLPD. Die MLPD versteht sich danach selbst als “revolutionäre Arbeiterpartei” (Parteiprogramm 2016, S 99), der die Aufgabe zufalle, bei der “Eroberung der politischen Macht […] die entscheidende Mehrheit des internationalen Industrieproletariats in Deutschland für den Sozialismus zu gewinnen und seine Kämpfe höherzuentwickeln zu einem umfassenden Kampf, der sich gegen das allein herrschende internationale Finanzkapital und seinen Staat als politisches Herrschaftsinstrument” (S 81) richte. Dies erfordere die “Schmiedung des revolutionären Kampfbündnisses der Arbeiterklasse mit den kleinbürgerlichen Zwischenschichten” (S 91 f), wobei die MLPD mit “ihrem Jugendverband REBELL […] die Masse der Jugend als praktische Avantgarde des Kampfs um den echten Sozialismus” (S 83) gewinne. Im Zuge des revolutionären Sturzes des Imperialismus und “der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats” müsse “sich die Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei gegebenenfalls zum bewaffneten Aufstand erheben” (S 87). Gesellschaftliches Ziel seien der Kommunismus und die Errichtung einer “Diktatur des Proletariats” (S 59). Eine solche “Diktatur des Proletariats” im marxistisch-leninistischen Sinne ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes unvereinbar (vgl im Einzelnen BVerfG vom 17.8.1956 – 1 BvB 2/51 – BVerfGE 5, 85, 147 ff – juris RdNr 234 ff; vgl zur Verfassungsfeindlichkeit einer solchen Zielsetzung außerhalb eines Parteiverbotsverfahrens BVerfG vom 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334, 360 – juris RdNr 62; ausführlich auch BVerwG vom 21.7.2010 – 6 C 22.09 – BVerwGE 137, 275 RdNr 33; zuletzt VG Berlin vom 18.11.2021 – 1 K 26.19 – juris RdNr 26). Vor diesem Hintergrund ist bereits in der Vergangenheit entschieden worden, die MLPD befinde sich in grundsätzlicher Feindschaft gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (BGH vom 15.10.1990 – II ZR 255/89 – NJW 1991, 485, 486 – juris RdNr 7; nachfolgend BVerfG vom 21.12.1992 – 1 BvR 1537/90 – NZA 1993, 655; vgl auch BGH vom 4.3.1991 – II ZR 90/90 – juris RdNr 11).
44
Die Feststellung, dass vom Kläger Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen, kann das BSG selbst treffen. Zwar obliegt die Feststellung, ob ein Anbieter extremistische oder sonstige verfassungsfeindliche Bestrebungen fördert, im gerichtlichen Verfahren in erster Linie den Tatsachengerichten (BFH vom 11.4.2012 – I R 11/11 – BFHE 237, 22 – juris RdNr 23 zu § 51 Abs 3 Satz 2 AO), weil es die Beweiswürdigung und damit die tatsächlichen Grundlagen des Urteils betrifft (vgl § 128 Abs 1 SGG). Ausgehend vom Rechtsstandpunkt des LSG kam es auf die Verfassungsfeindlichkeit des Klägers nicht an. Eine eigene Überzeugung, die dem Urteil entnommen werden kann, hat es sich insoweit nicht gebildet. Vorliegend sieht der Senat aber davon ab, den Rechtsstreit deswegen an das LSG zurückzuverweisen. Die tatsächlichen Grundlagen, deren Würdigung für die Bewertung als verfassungsfeindlich maßgeblich sind, waren Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und sind mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass es insoweit weiterer Ermittlungen bedarf, die das insoweit sachnähere Tatsachengericht noch nachzuholen hat (vgl zur Feststellung genereller Tatsachen durch das Revisionsgericht nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 163 RdNr 7 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).
45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2 GKG.


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