Verwaltungsrecht

Bedingt ausgesprochene Ausweisung angesichts noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens – Straftaten

Aktenzeichen  Au 6 K 18.905

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26207
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 3, § 42, § 53 Abs. 1 – 4, § 54, § 55 Abs. 1, Abs. 3
GG Art. 6
EMRK Art. 8 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der eigenständigen ausländerrechtlichen Prognose der Wiederholungsgefahr von Straftaten sind umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausweisung eines Ausländers unter der Bedingung, dass sein Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen werde, verbunden mit einer hilfsweise verfügten Abschiebungsandrohung, beachtet den Vorrang der asylrechtlichen Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hinreichend. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 2. Mai 2018 in der Fassung des Bescheids vom 7. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO) und ergänzend ausgeführt:
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Befristungsentscheidung und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sowohl für die Verpflichtungs- als auch für die Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 18).
1. Die vom Kläger angefochtene Ausweisung ist rechtmäßig.
Die Ausweisung ist nach § 53 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Abs. 4 AufenthG gerechtfertigt, weil vom Kläger auf Grund seines persönlichen Verhaltens nach wie vor und damit gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses (§ 54 AufenthG) mit seinem privaten Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) ist das Verwaltungsgericht der Überzeugung, dass hier das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung auch nicht gegen höherrangige Normen verstößt.
a) Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers beurteilt sich nach §§ 53 ff. AufenthG, wobei der Kläger zusätzlich nach Art. 8 EMRK in seinem bislang im Bundesgebiet geführten Privatleben und nach Art. 6 GG vorwirkend in seinem Verlöbnis geschützt ist. Allerdings ist die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig.
b) Die Ausweisung setzt als gebundene und gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung nach § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 22) tatbestandlich voraus, dass der Ausländer durch sein persönliches Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig schwerwiegend gefährdet, diese Gefahr ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung zur Wahrung der gefährdeten Interessen in der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Abwägung unerlässlich ist. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem dieser Schutzgüter eintreten wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 23). Dies ist hier der Fall.
aa) Der Aufenthalt des Ausländers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland schwerwiegend, weil der Kläger mehrfach Straftaten begangen hat, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren, und eine erhebliche Wiederholungsgefahr bis heute besteht.
Maßgeblicher Ausweisungsanlass sind die o.g. Strafbefehle gegen den Kläger wegen wiederholter Identitätstäuschung, wegen zweifachen Missbrauchs falscher bzw. verfälschter Reisepässe und wegen seiner Betrugsversuche. Der Kläger hat wiederholt deutsche Behörden über seine Identität getäuscht bzw. zu täuschen versucht, so auch sein Asylverfahren in die Länge gezogen und das öffentliche Interesse an der möglichst frühen Identifizierung des Klägers (vgl. zu seinen verletzten Pflichten in seiner Aufenthaltszeit vor der Asylantragstellung § 48 Abs. 3, § 49 Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5 AufenthG und nach der Asylantragstellung § 15 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4, Nr. 5 AsylG) massiv unterlaufen. Daneben hat er aus Gewinnsucht auch private Dritte über seine Identität getäuscht bzw. zu täuschen versucht. Der gesamte Aufenthalt des Klägers bis zur Offenbarung seiner Heiratsabsichten und Vorlage eines nigerianischen Reisepasses beruhte auf Lug und Trug. Dies wusste der Kläger auch, der für seinen früheren Aufenthalt im Bundesgebiet und im Schengen-Raum in den Jahren 2011/2012 ein Visumverfahren durchlaufen hatte und sich dessen Bedeutung, Funktion und Notwendigkeit bewusst war. Seine zweite Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2013 erfolgte aber seinen Angaben zu Folge bereits mit einem fremden Pass, unter anderer Identität und damit unter erheblichen Rechtsverstößen, insbesondere war seine Einreise ohne zeitnahe Asylantragstellung auch nicht nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 Nr. 1 GFK straflos. Die Betrugsdelikte stehen ohnehin in keinem aufenthaltsrechtlichen Zusammenhang.
bb) Die vom Kläger ausgehende Gefahr dauert bis heute an, so dass eine Tatwiederholung konkret zu befürchten ist. Dies ergibt sich aus der bereits wiederholten Tatbegehung sowohl hinsichtlich Identitätstäuschungen als auch Betrugsdelikten gegenüber Dritten, seiner raschen Rückfälligkeit trotz ausländerbehördlicher Verwarnung und in Kenntnis einer drohenden Ausweisung, die ihn offenkundig nicht beeindruckte. Beim zweiten Betrugsdelikt war der Kläger schon einschlägig verurteilt gewesen.
Bei der eigenständigen ausländerrechtlichen Prognose der Wiederholungsgefahr sind umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/282 f. Rn. 16). Die auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, führt unter Berücksichtigung der Tat und der Tatumstände, des Täters und seiner Persönlichkeitsstruktur sowie seines Nachtatverhaltens und ggf. einer therapeutischen Aufarbeitung des Geschehenen (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/283 f. Rn. 17; BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 10 ZB 15.2062 – Rn. 14) hier zur Annahme einer erheblichen Wiederholungsgefahr.
Der Kläger ist erstens einschlägig wegen Betrugs und Urkundendelikten vorbestraft gewesen und hat die den Ausweisungsanlass bildenden Taten auch in Tatmehrheit an verschiedenen Tagen und Orten begangen. Er ist daher mehrfacher Wiederholungstäter.
Der Kläger ist zweitens rasch rückfällig geworden und hat sich von der Aufdeckung und Strafverfolgung seines ersten Betrugsdelikts nicht von der Begehung des zweiten abhalten lassen.
Drittens fällt die individuelle Tatmotivation ins Gewicht, die beim Kläger aus seiner von ihm behaupteten Geldnot und damit aus Gewinnsucht hinsichtlich der Betrugsdelikte resultiert und hinsichtlich der Urkundsdelikte gegenüber Behörden aus der schlichten Motivation, seinen im zweiten Anlauf legal nicht erlangten Aufenthalt illegal faktisch zu verlängern. Diese Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Regeln und geschützten Rechtsgütern Anderer, insbesondere der Rechtsordnung des Gaststaates, zeigte sich auch darin, dass der Kläger die Schuld bei den Umständen sucht, nicht bei sich, letztlich auch keine Einsicht und Reue zeigt. Dass er sich nunmehr ein Jahr lang straffrei geführt habe, wie sein Bevollmächtigter vorträgt, schließt die Wiederholung nicht aus, denn zwischen den beiden Betrugsdelikten lagen immerhin acht Monate (Tatbegehung in … am 10.7.2015, in … am 18.3.2016).
Wegen des hohen Rangs der von ihm verletzten und bei einem Rückfall erneut bedrohten Rechtsgüter insbesondere der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland mit dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Identitätsklärung der faktisch hier aufhältigen Ausländer sowie dem Vermögensschutzinteresse anderer Personen tragen diese Feststellungen die Annahme einer erheblichen und gegenwärtigen Wiederholungsgefahr. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit seiner Ausweisung ist jedenfalls davon auszugehen, dass für den Kläger weniger die Umstände als vielmehr persönlichkeitsimmanente Faktoren wie ein geringer Respekt vor der geltenden Rechtsordnung des Gastlandes und dem Vermögen Dritter wesentlich tatbestimmend waren. Sind aber die Ursachen seiner früheren Straftaten nicht beseitigt, ist weiter von einer konkreten Rückfallgefahr auszugehen.
cc) In der Person des Klägers liegt nach dem soeben Ausgeführten auf Grund seines persönlichen Verhaltens eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses im Sinne von § 53 Abs. 3 AufenthG unerlässlich macht. Sein vergangenes Fehlverhalten gefährdet wegen der akuten Wiederholungsgefahr weiterhin ein Grundinteresse der Gesellschaft.
c) Die Ausweisung ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 und Abs. 4 AufenthG unter der behördlich tenorierten Bedingung gerechtfertigt, weil das öffentliche Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG das Bleibeinteresse des Klägers nach § 53 Abs. 2 i.V.m. § 55 AufenthG überwiegt.
aa) Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer, weil der Kläger einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat, sondern wegen wiederholter Identitätstäuschung, wegen zweifachen Missbrauchs falscher bzw. verfälschter Reisepässe und wegen seiner Betrugsversuche durch Strafbefehle zu mehreren Geldstrafen verurteilt worden ist (vgl. oben). In der Summe wiegen diese Verstöße schwer, sind in ihrer Häufung nicht mehr vereinzelt und in ihrem Gewicht als ausschließlich vorsätzlich und auf Grund mehrfachen Tatentschlusses begangene Delikte auch nicht mehr geringfügig.
Zwar können die in § 54 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG typisierten Interessen im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände auch weniger oder mehr Gewicht entfalten, doch liegen hierfür unter umfassender Würdigung des Einzelfalles keine Anhaltspunkte vor. Tat, Täter und Nachtatverhalten weichen von vergleichbaren Delikten nicht derart ab, dass hier die Annahme eines atypischen Falles in Betracht käme. Auch nach strafgerichtlicher Bewertung rechtfertigten die Tatumstände und die Täterpersönlichkeit keine abweichende Gewichtung. Insbesondere eine Minderung der Schuldfähigkeit des Klägers wurde nicht festgestellt. Im Gegenteil war er bei Tatbegehung voll steuerungsfähig, sich des Unrechtsgehalts seines Vorgehens bewusst und ging planmäßig berechnend vor. Dies stützt also die Annahme des gesetzlichen Regel-Schlusses aus einer einschlägigen Verurteilung auf ein entsprechendes öffentliches Ausweisungsinteresse; ein Ausnahmefall ist erst recht nicht erkennbar.
bb) Das Bleibeinteresse wiegt nach § 53 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG zwar ebenfalls schwer, aber nicht besonders schwer, weil der seiner Wohnsitzzuweisung nach dem Landkreis … zugewiesene und hierauf nach § 56 Abs. 1 AsylG aufenthaltsbeschränkte und in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Kläger mit seiner in … wohnhaften Verlobten keine tatsächliche Lebensgemeinschaft führt, weil er sich – bis auf durch Verlassenserlaubnis nach § 58 Abs. 1 AsylG genehmigte Besuchsaufenthalte – nicht bei ihr aufhalten darf. Dass er diese Beschränkungen z.B. bei seinen Tatbegehungen in … und … und nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift vom 22.8.2018, S. 2) auch bei Besuchen in … regelmäßig ignoriert hat, ändert nichts daran, dass eine rechtlich geschützte tatsächliche Lebensgemeinschaft nicht besteht.
Der Beklagte hat im Rahmen die Vorwirkungen des Verlöbnisses bzw. der beabsichtigten, wenn auch zeitlich noch nicht absehbaren Eheschließung vorsorglich und zutreffend mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK ebenfalls als schweres Bleibeinteresse berücksichtigt. Eine höhere Gewichtung ist aber nicht angezeigt.
cc) In der nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG gebotenen Gesamtabwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteresse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles wie insbesondere der Dauer des Aufenthalts, der persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie der Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner überwiegt vorliegend das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse des Klägers deutlich.
(1) Der Aufenthalt des Klägers in Deutschland dauert erst seit seiner – nach seinen Angaben – Einreise im Jahr 2013 ununterbrochen an, während er sich zuvor – bis auf das Asylverfahren in der Schweiz – nahezu durchgehend im Herkunftsstaat Nigeria aufgehalten haben will. Der Kläger hat seit der Einreise im Jahr 2013 bislang kein Aufenthaltsrecht erworben; seine weitere Bleibeperspektive ist nach dem Schutz versagenden Bescheid des Bundesamts auch schlecht, denn dieser Bescheid ist wegen der Klage zwar nicht vollziehbar, aber wirksam. Der Kläger ist demgegenüber ausschließlich in Nigeria aufgewachsen, zur Schule gegangen und erwerbstätig gewesen, hat also seine persönliche und soziale Prägung dort erfahren, nicht in Deutschland.
Der Kläger hat auch keine wesentlichen persönlichen Bindungen im Bundesgebiet, da er zwar eine Verlobte im Bundesgebiet hat, sonst aber keine persönlichen Beziehungen, insbesondere noch keine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Ehe oder Familie. Hingegen hat der alleinstehende Kläger in Nigeria seine dortige Lebensgefährtin, seine drei Kinder und seine Großfamilie, ist also dort bis 2013 umfassend familiär und sozial integriert gewesen und wird sich auch im Fall seiner Rückkehr dorthin wieder integrieren können.
Der Kläger hat mangels nachhaltiger Integration in den deutschen Arbeitsmarkt keine beruflichen und wirtschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet, sondern nur in Nigeria. Daher sind die beruflichen und wirtschaftlichen Bindungen des Klägers im Inland ohne Gewicht.
Sonstige wesentliche Bindungen des Klägers im Bundesgebiet sind weder aus den vorliegenden Behörden- und Strafakten ersichtlich, noch vom Kläger geltend gemacht.
(2) In Nigeria als seinem in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Herkunftsstaat hat der Kläger Familie und Verwandte, damit persönliche und familiäre, zudem auch wirtschaftliche Bindungen. Würde er dorthin zurückgeführt, müsste er sich dort ein eigenes Leben neu aufbauen und sich eine Arbeit suchen, was ihm bis zu seiner Reise nach Europa bereits gelungen war und wieder gelingen kann. Dabei dürfte ihm zuzumuten sein, auch niedrig entlohnte Arbeit anzunehmen, um wirtschaftlich Fuß zu fassen und für seinen Lebensunterhalt auf legale Weise aufzukommen.
Sonstige wesentliche Bindungen des Klägers in Nigeria sind weder aus den vorliegenden Behörden- und Strafakten ersichtlich, noch vom Kläger geltend gemacht.
(3) Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner fallen für den alleinstehenden Kläger zwar ins Gewicht. Da er aber – wie dargelegt – noch keine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Ehe in Deutschland, aber eine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie in Nigeria hat, wo seine Kinder seine Fürsorge und Unterstützung als von ihm abhängige Angehörige benötigen, halten sich die Auswirkungen einer Ausweisung die Waage: Der Kläger würde zwar von seiner Verlobten in Deutschland getrennt, aber mit seinen Kindern in Nigeria wieder vereint. Letztere sind auf ihn auch angewiesen, während er als erwachsener Mann umgekehrt grundsätzlich nicht auf eine lediglich im Bundesgebiet leistbare Fürsorge und Unterstützung angewiesen ist.
Die Beziehung zu seiner Verlobten in Deutschland kann auch über Kommunikationsmittel sowie Besuche in Nigeria bis zur Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gepflegt werden; beide lebten bislang nicht miteinander, sondern der Kläger noch in einer Aufnahmeeinrichtung, räumlich weit getrennt.
(4) Weitere Belange und Interessen sind weder aus den vorliegenden Behörden- und Strafakten ersichtlich, noch vom Kläger geltend gemacht. In der gebotenen Gesamtabwägung überwiegt daher – wie vom Beklagten zutreffend erkannt – das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse des Klägers.
Zwar sind die Bindungen des Klägers an seine Verlobte im Bundesgebiet von Gewicht, werden aber durch seine engen familiären Bindungen nach Nigeria aufgewogen. Andererseits wiegen die von ihm wiederholt begangenen Straftaten ebenfalls schwer und überwiegen gegenüber den Bindungen des Klägers im Bundesgebiet, weil in seiner Person eine konkrete nicht ausgeräumte erhebliche Rückfallgefahr besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
d) Die Ausweisung erweist sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, das Alter des Ausländers bei Begehung dieser Taten, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, das der Ausländer verlassen soll, die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das seitdem gezeigte Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation und gegebenenfalls die Dauer einer Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen, Kinder des Ausländers und deren Alter, das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere auch die Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits als Kriterien heranzuziehen (EGMR, U.v. 25.3.2010 – Mutlag/ Bundesrepublik Nr. 40601/05 – InfAuslR 2010, 325; U.v. 13.10.2011 – Trabelsi/ Bundesrepublik Nr. 41548/06 – juris Rn. 54).
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Schutz des Privatlebens des Klägers der Ausweisung als Eingriff in seine Grundrechte aus Art. 8 EMRK nicht entgegensteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf die obige Abwägung verwiesen (vgl. oben zu § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG). Der Schutz des Privat- und Familienlebens fordert, dass die Ausweisung nur zu einem der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf. Dies ist hier erfolgt. Angesichts der greifbaren Gefahr weiterer erheblicher Straftaten durch den mehrfach einschlägig straffälligen und rückfälligen Kläger ist deshalb der Umstand, dass er in der Bundesrepublik Deutschland nur einen ungesicherten Aufenthaltsstatus und ein Verlöbnis, aber nicht sein bisheriges Leben verbracht hat, nicht so gewichtig, dass dies unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der angefochtenen Ausweisungsentscheidung entgegenstehen könnte.
2. Die hilfsweise Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Abschiebungshindernisse, die nach § 59 Abs. 3 AufenthG zwar nicht ihrer Androhung, aber ihrer Vollstreckung durch Abschiebung entgegenstünden und zu einer Duldung führen könnten, sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden. Der bedingte Ausspruch beachtet den Vorrang der asylrechtlichen Entscheidung des Bundesamtes (§ 42 AsylG) hinreichend. Es wird insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die ursprünglich im Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2018 nicht tenorierte und erst im ergänzenden Bescheid vom 7. August 2018 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf zwei Jahre, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Abschiebung bzw. der nachgewiesenen Ausreise, ist ebenfalls rechtmäßig.
Die Befristungsdauer steht nach der Neufassung des § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 65 f. mit Verweis auf BR-Drs. 642/14 S. 39), wobei diese Ermessensentscheidung keiner uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sondern – soweit wie hier keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt – eine zu lange Frist lediglich aufgehoben und die Ausländerbehörde zu einer neuen Ermessensentscheidung verpflichtet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – Rn. 54 ff.).
Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 65 f.). Die Dauer der Frist darf nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42). Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorliegen, ist davon auszugehen, dass in der Regel ein Zeitraum von max. zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann, so dass sie nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten soll. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 66). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und dem Verwaltungsgericht ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG n.F. genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
Nach diesen Maßstäben und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die mit dem angefochtenen Bescheid des Beklagten festgesetzte Frist nicht zu lang und daher rechtmäßig. Der Beklagte konnte seine Ermessensentscheidung aufrechterhalten; durchgreifende Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht:
Der Beklagte stützt die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf die wiederholten Straftaten und die konkrete Wiederholungsgefahr im Fall des Klägers, die sich nach Auffassung des Verwaltungsgericht auch bestätigt hat (vgl. oben). Zudem hat der Beklagte zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger derzeit eine nur begrenzt schützenswerte Beziehung zu seiner Verlobten im Bundesgebiet hat und für den Fall der Eheschließung eine Überprüfung und Verkürzung der Frist in Aussicht hat.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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