Verwaltungsrecht

Bedrohungen durch Verwandte begründen keinen Schutz vor Abschiebung in den Senegal

Aktenzeichen  M 16 S 16.31378

Datum:
17.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 4, 29a, § 34, § 36

 

Leitsatz

Das senegalesische Rechtssystem basiert auf französischem Recht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass senegalesische Sicherheitskräfte nicht bereit wären, Schutz vor Übergriffen von Verwandten zu gewähren. (redaktioneller Leitsatz)
Auch wenn die Haftbedingungen problematisch sind und nicht dem Standard deutscher Hafteinrichtungen entsprechen, droht dem Antragsteller im Falle der Inhaftierung kein ernsthafter Schaden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er im Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 29. Februar 2016 stellte er einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. April 2016 gab der Antragsteller an, Probleme innerhalb seiner Familie gehabt zu haben. Sein Vater habe drei Frauen gehabt. Er sei das Einzelkind seiner Mutter gewesen. Diese sei geistig krank gewesen, habe sich von seinem Vater getrennt und sei weggegangen. Im Jahr 2009 habe sein Vater einen Unfall gehabt und sei gestorben. Die anderen Frauen seines Vaters hätten seine Mutter für den Tod des Vaters verantwortlich gemacht, obwohl diese zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr da gewesen sei. Mit zwei seiner älteren Brüder habe er sich immer geprügelt. Man habe ihn aus dem Haus jagen wollen. Er aber habe nicht gehen wollen, weil das Haus auch seinem Vater gehört habe. Bei einer Prügelei mit den Brüdern im Jahr 2010 habe einer ihn mit dem Messer gestochen. Hierfür habe er Rache gewollt. Er habe die Papiere des Hauses einem Schlepper gegeben. Bei einem weiteren Streit mit seinen Brüdern habe er einem Bruder ein Brikett in den Hals geschlagen. Der Bruder sei ins Krankenhaus gebracht worden. Er selbst habe 15 Tage bei einem Freund gelebt und von da aus seine Reise organisiert. Der Schleuser habe kein Geld, sondern die Papiere des Hauses bekommen. Der Bruder, den er geschlagen habe, sei behindert und könne nicht mehr gehen. Der Schleuser habe das Haus verkauft und seine Familie habe das Haus verlassen müssen. Von Griechenland aus habe er mit seinem Freund telefoniert. Dieser habe ihm gesagt, dass seine Familie ihn bei der Polizei angezeigt habe. Er werde somit sowohl von seiner Familie als auch von der Polizei gesucht. Selbst wenn er sich der Polizei stellen würde, könne ihn sein Familie noch töten, weil er seinen Bruder verletzt habe.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2016, zugestellt am 11. Juni 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1 und Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Senegal oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Außerdem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor und auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus seien nicht gegeben. Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat und habe auch keine schutzerhebliche Verfolgungsmaßnahme geschildert. Ihm drohe bei Rückkehr in sein Heimatland kein ernsthafter Schaden.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 13. Juni 2016 Klage (M 16 K 16.31377) erhoben und gleichzeitig beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Bundesamt habe seinen Antrag falsch gewürdigt. Richtig sei, dass er im gesamten Senegal keinen Schutz finden könne, weil die Polizeibehörden sich weigerten, den Drohungen gegen seine Person nachzugehen. Dies sei dem senegalesischen Staat zuzurechnen. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben solle bei Amnesty International nachgefragt werden, ob es vorstellbar sei, dass er in seiner Lage durch Polizeikräfte geschützt werden könne. Außerdem solle durch Anfrage bei Amnesty International Beweis über die Tatsache erhoben werden, dass ihm bei Rückkehr in den Senegal eine Haftstrafe drohe, die aufgrund der dort herrschenden Haftbedingungen eine menschenrechtswidrige Behandlung bedeuten würde.
Das Bundesamt legte die Behördenakten vor; ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte dieses und des Klageverfahrens M 16 K 16.31377 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Es ist gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO davon auszugehen, dass sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltende Abschiebungsandrohung (Nr. 5) richtet, da entsprechende Anträge gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (Nr. 6) und gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 7) unzulässig wären (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 26.1.2016 – 20 L 4078/15.A – juris Rn. 21 und 32; VG Münster, B. v. 20.1.2016 – 4 L 39/16.A – juris Rn. 9 und 14).
Der so verstandene, fristgerecht erhobene (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) Antrag ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Dabei ist im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und am Offensichtlichkeitsurteil der Behörde. Nach § 29a AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sog. sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Der Antragsteller stammt aus dem Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. Anlage II zu § 29a AsylG). Der Vortrag des Antragstellers widerlegt die Regelvermutung des § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG nicht. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren bleibt ergänzend auszuführen, dass schon nicht davon auszugehen ist, dass seine Verwandten überhaupt in der Lage sind, ihn im gesamten Senegal aufzufinden. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheitsbehörden im Senegal nicht bereit oder in der Lage wären, dem Antragsteller wirksam und dauerhaft Schutz vor etwaigen Übergriffen seiner Verwandten zu bieten. Soweit der Antragsteller tatsächlich mit Haftbefehl gesucht werden sollte, hätte er ein Strafverfahren nach hinreichend rechtsstaatlichen Grundsätzen zu erwarten. Das senegalesische Rechtssystem basiert im Wesentlichen auf dem französischen Recht. Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. Im Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Die Verhängung grausamer oder erniedrigender Strafen erfolgt nicht. Die Haftbedingungen mögen zwar u. a. aufgrund von überfüllten Zellen, fehlender gesundheitlicher Versorgung und Hygiene sowie Mangel an Nahrungsmitteln problematisch sein und bei weitem nicht den Standard deutscher Hafteinrichtungen erfüllen. Es liegen jedoch nach den aktuellen Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Antragsteller hierdurch ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 AsylG drohen könnte, zumal die Regierung eine Justizreform anstrebt, die u. a. die Untersuchungshaft neu regeln und die Haftbedingungen deutlich verbessern soll (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 21.11.2015, Stand: August 2015).
Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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