Verwaltungsrecht

Bedürfnis für die Erteilung eines Waffenscheines wegen erhöhter Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG als Händler „hochpreisiger“ Fahrzeuge im Barverkauf

Aktenzeichen  AN 16 K 19.01463

Datum:
17.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17522
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 1, § 4 Abs. 1, § 8, § 19 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der Bedürfnisprüfung nach § 4 Abs. 1 Nummer 4 i.V.m. §§ 8 und 19 Abs. 1 und 2 WaffG ist ein strenger Maßstab anzulegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soll eine Schusswaffe auch außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums geführt werden, gilt angesichts der besonderen Gefährlichkeit von Schusswaffen im öffentlichen Bereich ein besonders strenger Maßstab bei der Prüfung des Bedürfnisses. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Bedürfnisses i.S.d. § 4 Abs. 1 Nummer 4 i.V.m. §§ 8 und 19 Abs. 1 und 2 WaffG trägt der Antragsteller. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Antragsteller muss das Vorliegen der besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 und 2 WaffG nicht nur behaupten, sondern er muss durch Tatsachen belegen, dass die für ihn – im Vergleich zur Allgemeinheit – bestehende überdurchschnittliche Gefährdung ihm nicht nur im häuslichen Bereich, sondern auch oder gerade im besonderen Maße dann droht, wenn er diesen Bereich verlässt und am öffentlichen Leben teilnimmt und dass der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die überdurchschnittliche Gefährdungslage ergibt sich nicht allein daraus, nicht allein daraus ergibt, dass der Antragsteller mit hochpreisigen Sportwagen tagsüber, abends oder nachts auf bundesdeutschen Autobahnen Probefahrten unternimmt, die mitunter auf Raststätten beginnen oder enden. Insoweit steht er in derselben Gefahrensituation wie andere Autofahrer von Kraftfahrzeugen im oberen Preissegment. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage wird abgewiesen, weil sie unbegründet ist.
Der Bescheid vom 22. Juli 2019, mit dem die Beklagte dem Kläger das Führen einer Schusswaffe versagt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Waffenscheines, weil er kein Bedürfnis dafür hinreichend glaubhaft gemacht hat.
Voraussetzung für die Erteilung des vom Kläger beantragten Waffenscheines ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis vorliegen. Da der Kläger bereits im Besitz einer Waffenbesitzkarte ist, steht hier allein im Streit, ob er ein waffenrechtliches Bedürfnis im Sinne der § 4 Abs. 1 Nummer 4 i.V.m. §§ 8 und 19 Abs. 1 und 2 WaffG glaubhaft gemacht hat.
Gemäß § 19 Abs. 1 WaffG wird ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und der dafür bestimmten Munition bei einer Person anerkannt, die glaubhaft macht, dass sie wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist (Nummer 1) und dass der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern (Nummer 2). Ein Bedürfnis zum Führen einer Schusswaffe wird anerkannt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 auch außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums vorliegen.
Aus der das gesamte Waffengesetz beherrschenden Zielsetzung (§ 1 Abs. 1 WaffG), die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und die Menge der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken, damit so wenig Waffen wie möglich in die Bevölkerung gelangen, folgt, dass bei der Bedürfnisprüfung ein strenger Maßstab anzulegen ist (VG Gelsenkirchen, U.v. 17.8.2017 Az. 17 K 783/15 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 14.11.2007 – 6 C 1.07 – NVwZ 2008, 906). Soll eine Schusswaffe wie hier auch außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums geführt werden, gilt angesichts der besonderen Gefährlichkeit von Schusswaffen im öffentlichen Bereich ein besonders strenger Maßstab bei der Prüfung des Bedürfnisses (ebenda unter Hinweis auf Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 12.4.2016 Az. 22 K 2053/14).
Der Kläger hat vor diesem Hintergrund weder gegenüber der Beklagten noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht, dass er außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist, noch dass das Führen einer Schusswaffe geeignet und erforderlich ist, die durch ihn geschilderte Gefährdungslage zu mindern. Zur Begründung der Klageabweisung nimmt das Gericht zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen Bezug auf die ausführliche Begründung im Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2019, der es folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend hierzu hebt das Gericht noch folgende Gesichtspunkte hervor:
Der Kläger hat schon keine Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift ist eine Gefährdung glaubhaft zu machen, die sich bei realistischer Betrachtung deutlich von derjenigen der Allgemeinheit abhebt, Opfer entsprechender Delikte zu werden. Die persönliche Anschauung des Klägers ist dabei nicht maßgeblich. Auch die bloße Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe, die im Vergleich zu anderen Teilen der Bevölkerung potentiell stärker gefährdet ist, reicht nicht aus. Anzulegen ist vielmehr ein objektiver Maßstab. Den subjektiven Befürchtungen müssen gleichlautende gesicherte Erfahrungswerte entsprechen, nach denen der Betroffene aufgrund der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls tatsächlich wesentlich mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung mit Schadensereignissen der behaupteten Art rechnen muss (siehe dazu OVG NRW, U.v. 23.4.2008 Az. 20 A 321/07).
Dabei liegt die materielle Beweislast beim Kläger, denn ein Bedürfnis im Sinne des § 19 Abs. 2 WaffG kann nur anerkannt werden, wenn er hierzu hinreichende Tatsachen glaubhaft gemacht hat (Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, 84. AL März 2020, § 19 WaffG RdNr. 9 unter Hinweis auf BVerwG, bereits im U.v. 24.6.1975 Az. I C 2.74 – Buchholz 402.5 WaffG Nummer 8a = DVBl. 1975, 1282). Er muss das Vorliegen der besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Absätze 1 und 2 WaffG nicht nur behaupten, sondern er muss durch Tatsachen belegen, dass die für ihn – im Vergleich zur Allgemeinheit – bestehende überdurchschnittliche Gefährdung ihm nicht nur im häuslichen Bereich, sondern auch oder gerade im besonderen Maße dann droht, wenn er diesen Bereich verlässt und am öffentlichen Leben teilnimmt und dass der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern (vgl. dazu BayVGH, B.v. 20.4.2010 Az. 21 CE 10.601). Der anwaltlich vertretene Kläger muss auf die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung auch nicht eigens hingewiesen werden, denn es handelt sich insoweit um ein Tatbestandsmerkmal der Anspruchsnorm, das der Kläger auch als solches erkannt (vgl. etwa die Klagebegründung vom 5. September 2019), aber eben nicht erfüllt hat.
Mit seinem Antrag vom 31. Januar 2019 hat der Kläger eine Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG nicht glaubhaft gemacht.
Soweit er aus seiner „familiären Situation“ eine erhöhte Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG – etwa durch eine Entführung oder Erpressung – herleitet, konnte der Kläger, den eigenen Angaben folgend, diese durch mildere Maßnahmen vermeiden. Im Übrigen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine solche erhöhte Gefährdungslage wohl auch daran scheitert, dass der Kläger einen anderen Familiennamen führt als seine Eltern. Von einer Glaubhaftmachung einer erhöhten Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG kann damit keine Rede sein.
Weiter stützt er sich in seinem Antrag vom 31. Januar 2019 auf seine „neue Tätigkeit Anfang 2018 als Inhaber und Geschäftsführer der … GmbH“. Auch in diesem Zusammenhang konnte er eine erhöhte Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG nicht glaubhaft machen.
Es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Gefährdungslage nicht allein daraus ergibt, dass der Kläger mit hochpreisigen Sportwagen tagsüber, abends oder nachts auf bundesdeutschen Autobahnen Probefahrten unternimmt, die mitunter auf Raststätten beginnen oder enden. Insoweit steht er in derselben Gefahrensituation wie andere Autofahrer von Kraftfahrzeugen im oberen Preissegment.
Aber auch aus der vom Kläger insgesamt nur oberflächlich geschilderten Verfahrensweise bei der Bezahlung der hochpreisigen Fahrzeuges im Falle eines Ankaufes lässt sich eine solche Gefährdungslage nicht erkennen, geschweige denn ist sie glaubhaft gemacht.
Der Kläger ist auch dann, wenn man seinen Sachvortrag hierzu als zutreffend unterstellt, keiner erhöhten Gefährdungslage durch Dritte ausgesetzt, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass er „sechsstellige Geldbeträge“ oder „mehrere hunderttausend Euro“ offen – etwa auf dem Beifahrersitz – bei den Probefahrten zeigt oder aber regelmäßig in besonders auffälligen Behältnissen mit sich führt. Im Übrigen unterscheidet sich die Situation des Klägers aber nicht von dem Risiko für andere Geschäftsleute, die regelmäßig größere Geldbeträge oder Wertsachen mit sich führen (Schmuckhändler, Juweliere, Großhändler), etwa nach Geschäftsschluss zur Bank bringen. Eine gesteigerte Gefahr ergibt sich vielmehr allenfalls dann, wenn vom Kläger für einen potentiellen Straftäter erkennbar besonders wertvolle und verwertbare Ware transportiert wird, was hier nicht vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht ist. Diese allgemeine Gefährdungslage durch potentielle (dritte) Straftäter erhöht sich insbesondere auch nicht dadurch, dass der Kläger ein Fahrzeug auf einer Bundesautobahn in Bewegung hält oder sich mit seinen Geschäftspartnern auf einem Rastplatz trifft. Der Kläger führt nach seinen Angaben hohe Geldbeträge mit einem neutralen und hinsichtlich des Geschäftszwecks unauffälligen Fahrzeugen aus. In einem die allgemeinen Verhältnisse übersteigenden Maß ist eine Gefährdung indessen nur dann gegeben, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein Täter den verdeckten Transport zuvor gezielt ausspäht. Von einem regelmäßig stattfindenden Treffen an einem bestimmten Treffpunkt, bei dem derselbe oder die Fahrroute ausspioniert werden könnte, ist nichts vorgetragen. Die Beklagte hat das ausführlich erörtert und dargelegt, ohne dass der Kläger diesem Vorbringen im Sinne einer Glaubhaftmachung entgegengetreten wäre. Der Kläger hat im Übrigen auch nicht darauf verwiesen, dass er bei früheren Transportaufträgen bereits mit ernsthaften Gefährdungssituationen konfrontiert gewesen sei (zu alledem VGH BW, U.v. 16.12.2009 Az. 1 S 202/09).
Dasselbe gilt im Ergebnis für eine Gefährdungslage, die aus dem Kontakt mit seinen Geschäftspartnern hergeleitet werden könnte. Insoweit hat der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er mit „Kunden aus dem europäischen Ausland“ in Kontakt steht, die eine erhöhte Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG darstellen. Eine solche Einschätzung drängt sich aus den Gesamtumständen heraus auch nicht auf. Es handelt sich bei den Geschäftspartnern offensichtlich weder um Straftäter, die aus dem Hinterhalt auftreten, noch um illegale Geschäftspraktiken, die einer Verdunkelung bedürfen. Dem Kläger ist es zuzumuten, vor Transaktionen mit besonders hohen Umsätzen sorgfältige Erkundigungen über die potentiellen Vertragspartner einzuholen, extrem hohe Sachwerte nicht über Nacht zuhause zu lagern und bei deren Transport ggf. die Dienstleistungen darauf spezialisierter Dritter in Anspruch zu nehmen (VG München, U.v. 10.10.2012 Az. M 7 K 11.5612). Zur Häufigkeit solcher Geldübergaben im sechststelligen Bereich macht der Kläger ohnehin keine genaueren Angaben (siehe ergänzend dazu BVerwG, U.v. 11.11.2015 Az. 6 C 67/14 GewArch 2016, 115 zu Erteilung eines Waffenscheines an ein Bewachungsunternehmen).
Den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung einer erhöhten Gefährdungslage im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ist der Kläger – unabhängig von den dargelegten Einzelfragen – im Übrigen auch schon deshalb nicht gerecht geworden, weil er trotz konkreter Einwände durch die Beklagte keine näheren Einzelheiten zu seinen Kundenkontakten und zum Zahlungsverkehr an sich vorgetragen hat. Die Beklagte hat ihn im Gespräch vom 4. April 2019 und mit Schreiben vom 14. Mai 2019 ausführlich auf die bestehenden Zweifel hingewiesen und festgestellt, dass aus dem Gespräch deutlich geworden sei, dass der Kläger alternative Möglichkeiten zur Gefahrenminderung „überhaupt noch nicht eingehend überlegt“ habe. Er hat noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass es nach Rücksprache mit seiner Bank oder anderen Finanzinstituten keine Möglichkeit gebe, eine Überweisung eines hohen Geldbetrages zu ermöglichen, ohne dass er selbst mit Bargeld ungesichert in Vorleistung treten müsste oder aber seine Geschäftspartner ohne jegliche Sicherheit im Voraus das Fahrzeug an ihn übergeben müssten. Es ist auch nicht die Obliegenheit der Beklagten, solche Finanzierungsmöglichkeiten zu erforschen. Vielmehr obliegt es dem Kläger, glaubhaft zu machen, dass solche Sicherungsmöglichkeiten nicht bestehen oder in Anspruch genommen werden können. Soweit der Kläger die Überlegungen und Denkanstöße der Beklagten lediglich pauschal in Frage stellt oder ausführt, „dass in diesen Kreisen eine nächtliche Geldübergabe üblich“ sei, oder dass „nur Autobahnparklätze geeignete Treffpunkte“ seien, liegt darin ersichtlich keine Glaubhaftmachung im Sinne des § 19 Abs. 1 WaffG. Aber auch im Schreiben vom 5. Juni 2020 sind hierzu lediglich Behauptungen als „branchenbekannt“ aufgestellt, ohne dass auch nur ansatzweise näher erläutert wird, weshalb keine andere Zahlungsabwicklung, die dem Empfänger eine Sicherheit des Geldempfanges garantiert, oder aber eine Bargeldabwicklung an einem anderen sichereren Ort erfolgen kann. Wiederum selbstredend finden sich keine Angaben dazu, in welchem Umfang solche „Autoverkäufer (…) insbesondere aus Osteuropa“ mit dem Kläger in Kontakt treten, was wiederum den ergänzenden substantiellen Vortrag zur Folge haben müsste, dass auch in diesen Fällen eine Beiziehung eines Bewachungsunternehmens nicht möglich sei (zu den „wirtschaftlichen Gründen“ im Schriftsatz vom 5. Juni 2019 siehe im Folgenden).
Fehl geht der Kläger zudem in der Annahme, er müsse bei seinen „geschäftlichen Gepflogenheiten“ nicht auf die Gefährdungssituation eingehen. Das Verwaltungsgericht München verweist zutreffend auf die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach Betriebsabläufe sehr wohl flexibel und beim Transport hoher Werte unauffällig zu gestalten seien sowie auch technische Schutzvorkehrungen in Betracht gezogen werden müssten (VG München, U.v. 10.10.2012 Az. M 7 K 11.5612 mit Hinweis auf OVG NRW, U.v. 23.4.2008 Az. 20 A 321/07 und OVG Rh.-Pf., B. v. 15.9.2008 Az. 7 A 10475/08).
Unabhängig hiervon (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2013 Az. 21 ZB 12.2503) liegen auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nummer 2 WaffG nicht vor. Nach dieser Bestimmung muss die Waffe nach den Umständen des Einzelfalls zur Minderung der (hier nicht gegebenen) Gefährdung auch erforderlich und geeignet sein. Eine Waffe ist dann nicht erforderlich, wenn die Gefährdung sich auf andere zumutbare Weise verhindern oder wenigstens ebenso mindern lässt. Sie ist nicht geeignet, wenn in der befürchteten typischen Verteidigungssituation keine erfolgreiche Abwehr zu erwarten ist, zum Beispiel weil ein etwaiger Angriff voraussichtlich so überraschend käme, dass der Betroffene zu einer wirksamen Verteidigung außerstande wäre. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass das Waffengesetz bewusst zwischen dem Bedürfnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe (§ 19 Abs. 1 WaffG) und dem Bedürfnis zum darüber hinaus gehenden Führen einer Waffe, d. h. der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen außerhalb der eigenen Wohnung, der eigenen Geschäftsräume und des befriedeten Besitztums, unterscheidet (§ 19 Abs. 2 WaffG). Für die Erlaubnis (Waffenbesitzkarte) zum Ausüben der tatsächlichen Gewalt nur innerhalb der genannten Räume, das heißt, für ein vom Gesetzgeber anerkanntes Bedürfnis zum Erhalt einer Waffenbesitzkarte, gelten insoweit weniger strenge Anforderungen als für das Führen von Schusswaffen. Denn Schusswaffen, die nur für den häuslichen (und geschäftlichen) Bereich des Antragstellers bestimmt sind, gefährden erfahrungsgemäß die öffentliche Sicherheit im Allgemeinen weniger stark als Schusswaffen, die auch außerhalb seines Besitztums geführt werden. Zu Hause ordnungsgemäß aufbewahrte Schusswaffen können weniger leicht abhandenkommen oder in die Hand Unberechtigter gelangen als Schusswaffen, die der Antragsteller außerhalb seiner Räumlichkeiten – etwa im Anzug, in einer Tasche oder im Kraftfahrzeug – auch dann zur Verfügung haben will, wenn ihm keine dringende Gefahr im polizeirechtlichen Sinne droht. Außerdem ist nach allgemeiner Lebenserfahrung innerhalb der genannten Räume die Verteidigungsmöglichkeit durch Schusswaffengebrauch günstiger als außerhalb, wo der Besitz einer Schusswaffe insbesondere gegenüber Überraschungsangriffen vielfach nichts nützt, sondern eher schaden kann. Schließlich ist die sich aus § 10 Abs. 4 Satz 3 WaffG gesetzlich zwingend ergebende Einschränkung des Geltungsbereichs eines Waffenscheins zu berücksichtigen. Danach ist der Geltungsbereich eines Waffenscheins auf bestimmte Anlässe oder Gebiete zu beschränken, wenn ein darüber hinaus gehendes Bedürfnis nicht nachgewiesen wird (siehe zu alledem ausführlich OVG Lüneburg, U.v. 23.2.2010 Az. 11 LB 234/09 – GewArch 2010, 307 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 24.6.1975 Az. 1 C 25/73 – BVerwGE 49, 1).
Der Kläger hat auch das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Beklagte die mögliche Beiziehung einer weiteren Personen aus seinem Betrieb oder eines Bewachungsunternehmens anspricht, ist der Kläger dem wiederum nicht substantiiert entgegengetreten. Dass die dafür entstehenden Kosten für den Kläger untragbar wären, lässt sich schon deshalb nicht feststellen, weil der Kläger schon nicht ansatzweise – etwa durch Vorlage von Einkommensteuerbescheiden – belegt hat, welchen Verdienst er als Geschäftsführer der GmbH erzielt und in welcher Häufigkeit mit welchen Geld(bar) beträgen solche Fahrzeugverkäufe nachts auf Rastplätzen von Bundesautobahnen stattfinden. Anlass dazu bestand, weil die Beklagte wiederholt die wirtschaftliche Situation geltend gemacht und dem Kläger eine entsprechende Kostenermittlung aufgegeben hat (vgl. etwa Schreiben vom 15. Mai 2019).
Zur Abwehr eines etwaigen Übergriffes während einer abendlichen oder nächtlichen Probefahrt bedarf es keiner Schusswaffe. Insoweit besteht allenfalls ein geringfügig erhöhtes Risiko, das vom Kläger zudem durch die Wahl der benutzten Wegestrecken und -zeiten zumutbar minimiert werden kann. Im Übrigen kann auch nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass die vom Kläger befürchtete Verfolgung über weite Strecken von ihm unbemerkt bliebe und ihm die Möglichkeit nähme, rechtzeitig um polizeiliche Hilfe nachzusuchen.
Schließlich fehlt es aber auch an der Eignung des Führens einer Schusswaffe zur Abwehr der vom Kläger befürchteten überraschenden Überfälle. Geeignet im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist das Führen einer Schusswaffe nur, wenn in einer typischen Verteidigungssituation eine erfolgreiche Abwehr zu erwarten ist. Der Angegriffene muss in der Lage sein, durch das Tragen einer Schusswaffe die Gefahr zu verringern, der er bei einem Überfall ausgesetzt ist. Das richtet sich in erster Linie nach den insoweit ins Auge zu fassenden typischen Überfallszenarien. Die Frage ist, ob diese einen effektiven Einsatz der Schusswaffe überhaupt zulassen. Mit der Eignung zusammen hängt zugleich die Frage nach den persönlichen Möglichkeiten des Betroffenen im Umgang mit der Schusswaffe. Denn eine erfolgreiche Abwehr eines Angriffs ist dann nicht zu erwarten, wenn die gefährdete Person über die zum verteidigungsgemäßen Gebrauch der Schusswaffe außerhalb der eigenen Wohnung und Geschäftsräume notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verfügt und sie deshalb die Schusswaffe voraussichtlich nicht Gefahren mindernd einsetzen kann. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westphalen hat unter Bezugnahme auf Berichte des Landeskriminalamtes überzeugend dargelegt, dass bei Raubdelikten, bei denen Transporteure von Schmuck Opfer von Raubüberfällen waren, typischerweise Szenarien in Rede stehen, in denen kaum Zeit verbleibt, eine Schusswaffe zur Verteidigung einzusetzen (siehe dazu auch BayVGH, B.v. 25.5.2020 Az. 24 ZB 16.2251). Das ändert sich nicht dadurch, dass der Kläger mit einem Angriff durch mehrere Personen argumentiert. Soweit der oder die Täter nicht ihrerseits mit einer Schusswaffe ausgestattet sind, würde im Übrigen gegebenenfalls schon die Bewaffnung des Klägers mit einer Gaspistole, Reizgas und/oder einem Schlagstock zu Verteidigungszwecken ausreichen (OVG NRW, U.v. 23. April 2008 Az. 20 A 321/07).
Schließlich ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum effektiven Einsatz einer Schusswaffe in typischen (außerhäuslichen) Verteidigungssituationen verfügt (siehe dazu wiederum BayVGH, B.v. 25.5.2020 Az. 24 ZB 16.2251 mit Hinweis auf die Lehrgänge im Verteidigungsschießen im Sinne des § 22 AWaffV). Der Kläger lässt von seinem Bevollmächtigten zwar vortragen, er „verfüge über besondere Erfahrungen im Umgang mit Schusswaffen“. Er hat aber insoweit nicht glaubhaft gemacht, dass er über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum effektiven Einsatz einer Waffe in den vorgestellten typischen Verteidigungssituationen in den in Frage kommenden Szenarien verfügt. Seine Aktivitäten als Sportschütze reichen hierfür nicht aus, denn die für den Kläger vorzustellende typische Angriffssituation unterscheidet sich nachhaltig von derjenigen beim sportlichen Schießen, selbst in besonderen Wettkampfsituationen.
Eine lediglich angedachte generalpräventive Wirksamkeit des Führens einer Schusswaffe erfüllt ebenfalls die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nummer 2 WaffG nicht, denn wenn der Kläger – aus naheliegenden Gründen – um Diskretion bemüht wäre, und zwar gerade auch während der Probe- und Verkaufsfahrten, bleibt unklar, wie potenzielle Täter von seiner Bewaffnung überhaupt Kenntnis erlangen sollten. Soweit Raubüberfälle als denkbare Szenarien im Raum stehen, wäre bei einer Bewaffnung des Klägers eine Intensivierung der Gefährdungslage – an Rastplätzen auch für nichtbeteiligte Personen – die Folge. Für die Fälle ohne Schusswaffeneinsatz und bei vorgestellter Reaktionsmöglichkeit stünde die Frage der Erforderlichkeit einer eigenen Bewaffnung mit einer Schusswaffe im Raum. Warum in diesen Fällen eine Bewaffnung mit einer Gaspistole, Reizgas und/oder Schlagstock nicht ausreichen sollte, wird auch vom Kläger nicht weiter erläutert, geschweige denn, glaubhaft gemacht.
Die an die Beklagte gerichtete polizeiliche Gefährdungsbewertung vom 11. Februar 2019 und die Ergänzung dazu vom 4. April 2019 sind insgesamt etwas oberflächlich gefasst, kommen letztlich aber zum selben Ergebnis. Der handschriftliche Vermerk vom 14. Februar 2019 bleibt für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidungen im angefochtenen Bescheid stimmen mit den angegebenen Rechtsgrundlagen überein.
Die Kostenentscheidung für das vorliegende Urteil beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens trifft das Gericht keine Entscheidung, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft dieser Entscheidung nicht vollstreckt.
Die Gericht hat die Berufung gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Gründe dafür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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