Verwaltungsrecht

Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots

Aktenzeichen  M 25 S 16.868

Datum:
1.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 119187
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
AufenthG § 11
AufenthG § 60a Abs. 2

 

Leitsatz

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzgl. einer Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots würde die Befristungsentscheidung suspendieren und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot würde somit gem. § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten, sodass sich hierdurch die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern würde. Einem entsprechenden Antrag fehlt daher das Rechtsschutzbedürfnis.  (Rn. 18 und 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,– Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am … 1979 geborener bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die nachträgliche Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung.
Der Antragsteller, der im Alter von zehn Jahren gemeinsam mit seinem Bruder zu seiner im Bundesgebiet lebenden Mutter zog, wurde in der Folgezeit vielfach straffällig. Mit Bescheid vom 13. Februar 2009 wurde der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurden abgelehnt. Die Abschiebung wurde nach Bosnien-Herzegowina angedroht. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.
Die Beteiligten einigten sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. Juli 2009, dem Antragsteller eine Bewährungsduldung unter Beachtung bestimmter Auflagen (u.a. Straf- und Drogenfreiheit, eigenes Einkommen) zu erteilen. Diese Auflagen hielt der Antragsteller nicht ein.
Der Antragsteller heiratete am … 2012 eine rumänische Staatsangehörige. Aus dieser Beziehung ist ein am … 2011 geborenes Kind hervorgegangen. Der Antragsteller hat die Vaterschaft bereits vor der Geburt des Kindes anerkannt. Die Ehe wurde am … 2013 geschieden. Das alleinige Sorgerecht wurde der Mutter zugesprochen. Dem Antragsteller wurde begleitetes Umgangsrecht eingeräumt.
Anlässlich eines weiteren Gerichtsverfahrens im April 2014 wurde nochmals eine Duldung für sechs Monate erteilt, um dem Antragsteller letztmals die Möglichkeit zu geben, eine notwendige Suchttherapie erfolgreich abzuschließen und den Kontakt zur Tochter zu stabilisieren. Der Antragsteller brach im Dezember 2014 eine kurz zuvor begonnene Ausbildung zum Industriekaufmann auch wegen seines Alkoholkonsums ab.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 28. Juli 2015 mit, dass bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (zuverlässige Wahrnehmung der Termine bei der Ausländerbehörde, aktive Arbeit in der Bewältigung der Sucht- und Drogenproblematik, regelmäßige Kontaktnachweise mit der Tochter, Nachweise der Möglichkeit einer stationären Alkoholtherapie) die Abschiebung ausgesetzt würde. Dem kam der Antragsteller nicht ausreichend nach. Der Antragsteller wurde weiterhin straffällig (zuletzt Amtsgericht München, U.v. *.9.2015, Az.: …, Geldstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung in Höhe von 240 Tagessätzen zu je 15,00 Euro).
Mit Schreiben vom 9. Januar 2016 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 befristete die Antragsgegnerin unter der Bedingung des Nachweises der Straf- und Drogenfreiheit das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot der Ausweisungsverfügung vom 13. Februar 2009 auf drei Jahre, für den Fall der Nichterfüllung der Bedingung auf fünf Jahre (Ziffer 1.). Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde abgelehnt (Ziffer 2).
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die dreijährige Sperre sei im Hinblick auf die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen im Bundesgebiet erforderlich. Der Antragsteller habe es in den vergangenen sechs Jahren nicht geschafft, sich an die getroffenen Vereinbarungen zu halten, sondern sei weiterhin straffällig geworden. Er habe seine Alkohol- und Drogensucht nicht in den Griff bekommen.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2016 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 2. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Befristung der Ausweisung dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Gleichzeitig wurde gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, hilfsweise wurde beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller vor Abschluss des Verfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde beantragt.
Zur Begründung wurde angeführt, die Verwurzelung des Antragstellers im Bundesgebiet sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Zwar habe der Antragsteller die Alkoholerkrankung bislang nicht therapiert, er habe sich jedoch um eine Therapie bemüht. Für den 7. März 2016 sei eine Operation des Sprunggelenks geplant. Es bestehe eine grundrechtlich geschützte Bindung des Antragstellers zu seiner bei der Mutter lebenden Tochter. Die ersten beiden Jahre hätte nahezu täglich Kontakt bestanden, im Jahr 2014 nur wenig und im Jahr 2015 hätten in den letzten drei Monaten mindestens fünf weitere Kontakte stattgefunden. Eine beabsichtigte Intensivierung des Kontaktes zu seiner Tochter sei aus Bosnien nicht möglich. Aufgrund der gänzlich fehlenden Landes- und Sprachkenntnisse des Antragstellers sowie des Umstandes, dass er in Bosnien weder über ein familiäres noch ein sonstiges soziales Netzwerk verfüge, könne er die Mittel für die Reisen ins Bundesgebiet nicht aufwenden.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 26. Februar 2016, den Antrag abzulehnen.
Es wurde auf Ausführungen im Ausweisungsverfahren verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Anträge bleiben ohne Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG ist zwar statthaft (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG) jedoch unzulässig, da ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Mit der Anordnung der begehrten aufschiebenden Wirkung würde nämlich die Befristungsentscheidung der Antragsgegnerin suspendiert und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten. Die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kann somit die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels anzuordnen,ist unbegründet, da der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis die Sperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegensteht.
Der hilfsweise gestellte Antrag gemäß § 123 VwGO, die bevorstehende Abschiebung vorübergehend auszusetzen, ist unbegründet. Der Antragssteller hat einen Anordnungsanspruch – die tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung, § 60a Abs. 2 AufenthG – nicht glaubhaft gemacht.
Eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers ist mit dem Verweis auf eine für den 7. März 2016 geplante Operation am Sprunggelenk nicht dargelegt.
Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers ist davon auszugehen, dass der Antragsteller über ausreichende Sprachkenntnisse seines Herkunftslandes verfügt, da er bis zu seinem 10. Lebensjahr in Bosnien-Herzegowina war. Er verfügt auch weiterhin über Kontakte in seine Heimat. Nach den Ausführungen im Ausweisungsverfahren leben eine Schwester seines Vaters und mehrere Halbgeschwister in seiner Heimat. Nach seinen damaligen Angaben hat seine Mutter in den Jahren 1997 oder 1998 ein Haus in Bosnien gekauft.
Ein Abschiebungsverbot gemäß Art. 6 GG, Art. 8 EMRK ergibt sich auch nicht aufgrund der Beziehungen zu seiner 2011 geborenen Tochter. Das alleinige Sorgerecht liegt bei der Mutter. Der Antragsteller hat lediglich begleiteten Umgang mit seiner Tochter. Es wurde Umgangspflegschaft angeordnet. Der Kontakt zur Tochter erfolgte in den Jahre 2014 und 2015 nur sporadisch. Der Antragsteller hat seine Ex-Frau in der Ehe beschimpft, bedroht und geschlagen. Diese hat im Scheidungsverfahren auch angegeben, der Antragsteller habe gedroht, dass 1-jährige Kind aus dem Fenster zu werfen (Amtsgericht München, Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom … August 2013, Verfahren … * …*). Eine Betreuungs- oder Erziehungsleistung wurde und wird durch den Antragsteller nicht erbracht. Die Kontakte zur Tochter können aus Bosnien-Mazedonien über elektronische Medien aufrechterhalten werden.
Zu seinem am … 2000 geborenen Sohn hat er keinen Kontakt.
Die Anträge sind somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Streitwert: § 53 Abs. 2 Nr. 1, 2 § 52 Abs. 1 in Verbindung mit dem Streitwertkatalog.
Da die Anträge keine Aussicht auf Erfolg haben, ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO.


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