Verwaltungsrecht

Behauptete Verfolgung eines Schiiten durch Angehörige der christlichen Verlobten im Irak

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30359

Datum:
17.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 25 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Es ist wenig glaubhaft, dass Verwandte einer Verlobten, die der christlichen Minderheit im Irak angehören, einen der schiitischen Mehrheitsreligion zugehörigen Asylsuchenden im islamisch geprägten Irak quasistaatlich verfolgt haben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat. Auch die in Ziffern 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2016 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Die abgelehnte Feststellung der Asyleigenschaft im Sinne von Art. 16a GG durch Ziffer 2 des Bescheides vom 21. März 2016 ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Denn gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 17. August 2016 gestellten Klageantrag ist dieser allein auf die Aufhebung der Ziffer 1 sowie der Ziffern 3 bis 6 des ablehnenden Bescheids vom 21. März 2016 und auf die – insoweit – positive Verbescheidung gerichtet.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 17. August 2016, noch ausgeführt:
1. Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung
oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Kläger hat die angebliche Bedrohung durch die Familie der christlichen Frau, welche er heiraten wollte, nicht glaubhaft gemacht.
Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen daher keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i. V. m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
So hat der Kläger die maßgeblichen Daten seiner angeblichen Inhaftierung und des von ihm behaupteten anschließenden Brandanschlages auf sein Geschäft im Rahmen der mündlichen Verhandlung zwar klargestellt, aber nach wie vor nur ungefähre Zeiträume nennen können, nämlich Mitte Februar 2015 und Mitte März 2015. Demgegenüber hatte er im Verfahren beim Bundesamt noch erklärt, die Ereignisse im Zusammenhang mit seiner christlichen Verlobten und der Inhaftierung hätten sich im Februar 2014 abgespielt. Das – genaue – Datum der Anzeige der Brüder seiner Verlobten wegen des Brandanschlages hatte er mit dem 10. Februar 2015 angegeben. So bleibt schon der äußere Rahmen des Fluchtgrundes vage und widersprüchlich und damit unglaubhaft.
Im Übrigen ist auch der materielle Gehalt der geschilderten, fluchtauslösenden Ereignisse wenig glaubhaft: Dass ein christlicher Mann in einem islamisch geprägten Staat wie dem Irak derart viel Einfluss ausüben kann, wie es der Kläger – bezogen auf den Vater seiner Verlobten – schildert, ist nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar ist durchaus vorstellbar, dass auch Angehörige der religiösen Minderheiten im Irak einer Ehe außerhalb ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft ablehnend begegnen. Dass daraus jedoch eine – quasistaatliche – Verfolgung des andersgläubigen, aber zur Mehrheitsreligion des Islam zählenden Ehewerbers erwächst, erscheint angesichts der geringen Einflussmöglichkeiten und der oftmals prekären Lebenssituation der christlichen Minderheit im Irak wenig wahrscheinlich. Das Gericht bezieht sich dabei auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 und auf die dortigen Ausführungen unter 2.3 (Christen), wonach im Irak aktuell nur noch ca. 400.000 Christen leben. Viele Christen sehen für sich keine Zukunft im Irak und sind zahlreichen Angriffen ausgesetzt.
2. Das Bundesamt legt zu Recht dar, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Der Kläger hat auch im gerichtlichen Verfahren nichts dargetan und glaubhaft gemacht, was zu einer anderslautenden Entscheidung führen würde. Bezüglich seines individuellen Vortrages wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 3 Abs. 1 AsylG unter Ziffer 1) verwiesen.
Die angedrohte Abschiebung in Ziffer 5 des Bescheids vom 21. März 2016 beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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