Verwaltungsrecht

Beiordnung eines Notanwalts

Aktenzeichen  10 ZB 21.1714

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20865
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 55a, § 67 Abs. 4 S. 1, S. 2, § 124a Abs. 4 S. 1, § 173 S. 1
ZPO § 78b Abs. 1

 

Leitsatz

Die Einlegung eines Antrags nach § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO mit einfacher E-Mail, die nicht den qualifizierten Anforderungen des § 55a VwGO entspricht, genügt dem Schriftformerfordernis nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 22 K 20.3851 2021-05-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung die vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage gegen ein ihm gegenüber erlassenes Betretungsverbot weiter und beantragt zudem für das Zulassungsverfahren die Beiordnung eines Notanwalts.
Mit Urteil vom 20. Mai 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers gegen ein ihm gegenüber erlassenes Betretungsverbot abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger zunächst am 25. Mai 2021 an eine frühere Adresse und dann erneut am 17. Juni 2021 an dessen aktuelle Adresse zugestellt.
Mit einfacher E-Mail vom 12. Juni 2021 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht der Sache nach beantragt,
gegen das vorgenannte Urteil die Berufung zuzulassen.
Mit einfacher E-Mail vom 29. Juni 2021 hat der Kläger sodann bei dem Verwaltungsgerichtshof beantragt,
ihm für das Zulassungsverfahren einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2021 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts diesem am 17. Juni 2021 zugestellt wurde und dass für den Antrag auf Zulassung der Berufung das Schriftformerfordernis sowie der Vertretungszwang gelten, und hat ihn in Bezug auf den in der Sache gestellten Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts auf das Schriftformerfordernis sowie die geltende Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast aufmerksam gemacht.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts für das Zulassungsverfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 78b Abs. 1 ZPO hat keinen Erfolg.
a) Nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 78b Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf Antrag einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Die Einlegung per einfacher E-Mail genügt hierbei dem Schriftformerfordernis nicht (vgl. BGH, B.v. 9.7.2014 – IX ZR 114/14 – juris Rn. 3). Ein Betroffener hat zudem für einen zulässigen Antrag substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er sich bei einer angemessenen Zahl von postulationsfähigen Prozessvertretern vergeblich um die Übernahme des Mandats bemüht hat (vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2017 – 2 B 4.17 – juris Rn. 9).
b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen hat der Kläger keinen ordnungsgemäßen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt. Zum einen genügt die einfache E-Mail des Klägers vom 29. Juni 2021 nicht dem Schriftformerfordernis (s.o.). Zum anderen lässt sie jegliche Ausführungen hinsichtlich etwaiger Bemühungen des Klägers um eine anwaltliche Vertretung vermissen.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist mangels Einreichung eines ordnungsgemäßen Antrags innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO unzulässig.
a) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Die Einlegung eines derartigen Antrags mit einfacher E-Mail, die nicht den qualifizierten Anforderungen des § 55a VwGO entspricht (qualifizierte elektronische Signatur o. einfache Signatur auf einem sicheren Übertragungsweg), genügt dem Schriftformerfordernis nicht (vgl. bereits zu § 55a a.F.: BT-Drs. 17/12634 S. 14 u. S. 25: „ist das … Dokument nicht wirksam eingereicht“ u. „ist die prozessuale Form nicht gewahrt“ sowie „sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht“; vgl. aus dem Schrifttum: Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 37 i.V.m. § 81 Rn. 9 u. Rn. 11; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 55a Rn. 11 u.14; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 124a Rn. 46 i.V.m. § 81 Rn. 9). Für die Einreichung des Zulassungsantrags als einleitende Prozesshandlung gilt nach § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO der Anwaltszwang.
b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen hat der Kläger nicht innerhalb der einschlägigen Frist einen ordnungsgemäßen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Berufung nicht zugelassen, mit der Folge, dass die einmonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO zur Anwendung gelangt. Ausweislich der bei den Gerichtsakten befindlichen Postzustellungsurkunde ist das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Urteil dem Kläger jedenfalls am 17. Juni 2021 ordnungsgemäß nach § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 180 ZPO zugestellt worden. Die einmonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO für die Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung ist damit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB jedenfalls mit Ablauf des 19. Juli 2021, einem Montag, verstrichen. Bis dahin ging kein ordnungsgemäßer Antrag auf Zulassung der Berufung ein. Die einfache E-Mail des Klägers vom 12. Juni 2021 entspricht nicht den qualifizierten Anforderungen des § 55a VwGO und genügt damit nicht dem Schriftformerfordernis (s.o.). Gleiches gilt auch für die übrigen E-Mails des Klägers. Zudem hat sich der Kläger hierbei – und auch nicht in der Folge − gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.
3. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Antrags auf Zulassung der Berufung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostenentscheidung in Bezug auf den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist entbehrlich, weil hierfür Gerichtskosten nicht entstehen und Kosten nicht erstattet werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2012 – 4 AV 2.12 – NJW 2013, 711 Rn. 11; BayVGH, B.v. 9.12.2019 – 5 C 19.2386 – juris Rn. 4).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG sowie § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 35.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
5. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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