Verwaltungsrecht

Berücksichtigung des Fischereirechts bei Erteilung einer Schifffahrtsgenehmigung

Aktenzeichen  8 CS 20.937

Datum:
16.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16941
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG Art. 28 Abs. 4, Abs. 5
VwGO § § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2, § 146
GG Art. 19 Abs. 4
BayFiG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Fischereirecht gewährt als Teil des Eigentumsrechts regelmäßig nur beschränkten Schutz gegenüber wasserwirtschaftlichen Veränderungen und es schützt nur vor solchen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, die einen schweren und unerträglichen Eingriff darstellen oder die Fischereirechte in ihrer Substanz betreffen. (Rn. 17) (red. LS Axel Burghart)
2. Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Schifffahrtsgenehmigung ist nicht nur – wie bei wasserwirtschaftlichen Maßnahmen – darauf abzustellen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Fischereirechts verursacht wird. Der gebotene Schutz des Eigentums und damit auch des Fischereirechts ist im Rahmen einer individuellen Prüfung des Einzelfalls bereits in die Interessenabwägung einzubeziehen. (Rn. 17) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

RN 8 S 19.1797 2020-03-30 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. März 2020 (Az. RN 8 S 19.1797) geändert.
II. Die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht Regensburg erhobenen Klage des Antragstellers (Az. 8 K 19.1504) gegen den Bescheid des Landratsamts R. vom 6. August 2019 (Az. 23-641-4) wird wiederhergestellt.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein Fischereiverein, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine dem Beigeladenen erteilten Genehmigung zur Ausübung der Schifffahrt mit Mietbooten am S. R.
Der Beigeladene betreibt eine gewerbliche Kanuvermietung auf dem S. R. (Gewässer erster Ordnung). Der Antragsteller ist Inhaber eines Fischereirechts am S. R. an den Grundstücken FlNr. …, …, …, … Gemarkung B., FlNr. …, … Gemarkung V. sowie FlNr. … und … Gemarkung S. In diesem ca. 13 km langen Flussabschnitt zwischen S. bei V. und Staumauer H. sowie stromaufwärts und -abwärts hat in den letzten Jahren der Verkehr mit kleinen Booten, insbesondere mittels gewerblicher Boots- bzw. Kanuvermietung zugenommen. Die Bootsvermietung fand in den vergangenen Jahren ohne behördliche Genehmigung statt.
Für einen Teilbereich des S. R. ab R. (Flusskm …) bis zur S. (Flusskm …) hat das Landratsamt R. am 2. Mai 2011 eine „Verordnung über die Regelung des Gemeingebrauchs (Befahren und Betreten) am S. R.“ erlassen, die zuletzt geändert wurde durch Verordnung vom 3. Mai 2017. Darin geregelt sind Beschränkungen des Gemeingebrauchs mit Vorgaben etwa zu Größe und Art der erlaubten Fahrzeuge, zu bestimmten Fahrzeiten sowie zu zulässigen Stellen zum Ein- und Aussetzen bzw. Umtragen von Booten. Für die Kanusaison 2019 entschied das Landratsamt, dass alle gewerblichen Bootsvermieter für das Befahren der Gewässer im Landkreis R. einen Antrag auf Erteilung einer Schifffahrtsgenehmigung zu stellen haben. Neben dem Antrag des Beigeladenen für sieben im Einzelnen bezeichnete Strecken gingen für den Bereich des S. R. neun weitere Anträge von Bootsvermietern mit unterschiedlichen Strecken bzw. Ein- und Ausstiegsstellen (in und außerhalb des Geltungsbereichs der genannten Verordnung über die Regelung des Gemeingebrauchs am S. R.) ein.
Mit Bescheid vom 6. August 2019 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen eine bis zum 31. Oktober 2020 geltende und mit verschiedenen Nebenbestimmungen versehene Schifffahrtsgenehmigung zum Bereithalten von Mietbooten am S. R. im Landkreis R. für die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Dritte auf den sieben beantragten Strecken. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für eine künftige belastbare Nutzungsregelung die notwendigen Untersuchungsergebnisse derzeit nicht vorhanden seien und die Genehmigung aus diesem Grund befristet worden sei. Nachträgliche Beschränkungen und Auflagen bis hin zur (teilweisen) Untersagung der Befahrung mit Mietbooten seien möglich, sobald entsprechende Fachgutachten vorliegen. Durch die Befristung enthalte die stets widerrufliche Schifffahrtsgenehmigung ohnehin nur vorübergehende Regelungen. Der Flusslauf des S. R. habe eine besonders hohe ökologische Wertigkeit. So sei er stellenweise als Teil des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes „Oberlauf des R. und Nebenbäche“ gemeldet. Der naturnahe Flusslauf unterliege dem gesetzlichen Biotopschutz. Dieser hohen Wertigkeit sei durch Festlegung entsprechender Nebenbestimmungen Rechnung getragen worden. Daher sei ein Fachgutachten beabsichtigt, dem sich eine FFH-Verträglichkeitsprüfung anschließen werde. Nach Auswertung der Fahrtenbücher sei ab 2020 ggf. eine vom Pegelstand unabhängige Kontingentierung erforderlich. Aus diesen Gründen habe die Schifffahrtsgenehmigung nur unter Auflagen und Beschränkungen im pflichtgemäßen Ermessen erteilt werden können. In diesem Rahmen erscheine ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Nutzergruppen am Gewässer und den Anforderungen des Naturhaushalts, soweit sie bereits konkret erkennbar seien, erreichbar.
Gegen diesen Genehmigungsbescheid hat der Antragsteller am 16. August 2019 Klage erhoben und beantragt, diesen aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Das Landratsamt ordnete auf Antrag des Beigeladenen mit Bescheid vom 29. August 2019 die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheids an. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag vom 7. Oktober 2019 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die angefochtene Schifffahrtsgenehmigung sei nach überschlägiger Prüfung rechtswidrig. Zur Verhütung weiterer Schäden am Naturhaushalt und am Fischereirecht des Antragstellers sei die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat den Antrag mit Beschluss vom 30. März 2020 unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergebe, dass das Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiege. Nach summarischer Prüfung werde die Klage gegen die streitgegenständliche Genehmigung keinen Erfolg haben, da drittschützende Rechte des Antragstellers nicht verletzt seien.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2010 – 8 AS 10.40003 – juris Rn. 15 m.w.N.). Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – ZfB 2019, 202 = juris Rn. 25 m.w.N.). Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt, bei der auch einer gesetzgeberischen Entscheidung, die aufschiebende Wirkung auszuschließen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 11 f.).
Der Verwaltungsgerichtshof prüft in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei Beschwerden gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwar grundsätzlich nur die rechtzeitig und in der gebotenen Weise dargelegten Gründe. Erweisen sich die Beschwerdegründe aber als berechtigt, hat die Beschwerde nicht schon aus diesem Grund Erfolg. Vielmehr darf sich die angefochtene Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen, was aus der entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO folgt (BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – ZfB 2019, 202 = juris Rn. 25 m.w.N.). Insoweit beschränkt § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung in diesen Fällen nicht auf die dargelegten Gründe (BayVGH, B.v. 21.5.2003 – 1 CS 03.60 – a.a.O.; B.v. 8.5.2017 – 8 CS 17.432 – a.a.O.). Dies ist nicht zuletzt mit Blick auf den verfassungsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten (ThürOVG, B.v. 24.10.2014 – 1 EO 92/14 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab überwiegt das Interesse des Antragstellers hinsichtlich der im streitgegenständlichen Bescheid genehmigten Strecken, weil er diesbezüglich voraussichtlich in der Hauptsache obsiegen wird. Es spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass bei Zugrundelegung der im Beschwerdeverfahren von Seiten des Antragstellers dargelegten Gründe der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinem Anspruch auf Berücksichtigung seines Fischereirechts verletzt. Andere als die vom Verwaltungsgericht genannten Gründe, aus denen sich die angefochtene Entscheidung als richtig erweisen könnte, sind nicht ersichtlich.
1.1 Der Anspruch des Antragstellers auf Berücksichtigung seiner fischereilichen Belange ergibt sich aus Art. 28 Abs. 4 BayWG.
Nach dieser Vorschrift darf die Schiff- und Floßfahrt an Gewässern, die wie der S. R. nicht allgemein zur Schiff- und Floßfahrt zugelassen sind, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde ausgeübt werden. Die Genehmigung kann versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft oder widerrufen werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die öffentliche Ruhe, der Schutz des Eigentums oder der Fischerei oder die Reinhaltung oder Unterhaltung des Gewässers es erfordern. Zwar gehören die von dem Beigeladenen im Rahmen der Vermietung bereitgestellten kleinen Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft grundsätzlich zum genehmigungsfreien Gemeingebrauch eines Gewässers (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG, § 3 Abs. 1 Satz 2 der Bayerischen Schifffahrtsverordnung – BaySchiffV). Für die von dem Beigeladenen betriebene Form der gewerblichen Bootsvermietung, d.h. das entgeltliche Bereithalten von Wasserfahrzeugen an oder in Gewässern für die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Dritte, schreibt Art. 28 Abs. 5 BayWG allerdings eine Einzelgenehmigungspflicht nach § 28 Abs. 4 BayWG vor.
Der Antragsteller wendet sich als Inhaber eines Fischereirechts in Form der sogenannten Drittanfechtungsklage gegen die dem Beigeladenen erteilte Schifffahrtsgenehmigung. Das Fischereirecht gibt seinem jeweiligen Inhaber die Befugnis, in einem Gewässer Fische zu hegen, zu fangen und sich anzueignen; es erstreckt sich auch auf Fischlaich und sonstige Entwicklungsformen von Fischen sowie auf Fischnährtiere (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bayerisches Fischereigesetz – BayFiG). Als ein aus dem Eigentum abgeleitetes dingliches Aneignungsrecht (vgl. Art. 3 Satz 1 BayFiG, § 958 Abs. 2 BGB) unterfällt das Fischereirecht dem in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG genannten Schutz des Eigentums (BVerfG, B.v. 19.6.1985 – 1 BvL 57/79 – BVerfGE 70,191 = juris Rn. 22 f.; Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 28 Rn. 42 f.). Geschützt ist das betroffene Eigentum dabei nicht nur, soweit sein Schutz im allgemeinen öffentlichen Interesse liegt, sondern auch in seiner Eigenschaft als subjektiv-öffentliches Recht des individuellen Eigentümers oder Fischereirechtsinhabers (BayVGH, U.v. 20.9.1993 – 22 B 92.2821 – BayVBl 1994, 534 = juris Rn. 6).
Das Verwaltungsgericht bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Senats zum wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot in Bezug auf Drittschutz vermittelnde Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes. Danach gewährt das Fischereirecht als Teil des Eigentumsrechts regelmäßig nur beschränkten Schutz gegenüber wasserwirtschaftlichen Veränderungen und es schützt nur vor solchen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, die einen schweren und unerträglichen Eingriff darstellen oder die Fischereirechte in ihrer Substanz betreffen (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – juris Rn. 46 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Ausübung der Schiff- und Floßfahrt. Diese wird nicht von den Gewässerbenutzungstatbeständen des Wasserhaushaltsgesetzes erfasst und ist auch ansonsten nicht Gegenstand des Wasserhaushaltsrechts des Bundes (OVG RP, U.v. 23.11.1995 – 1 A 12853/94 – juris Rn. 17 ff.; BayObLG, B.v. 28.9.1971 – 8 St 506/71 OWi – BayVBl 1971, 478/479; BayVGH, U.v. 5.12.1978 – 1 VIII 74 – BayVBl 1979, 178 = juris Rn. 62; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Auflage 2019, § 25 Rn. 44; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Februar 2019, Art. 28 Rn. 7). Sie stellt daher einen eigenen, davon abgesetzten Rechtstatbestand dar (BayVGH, U.v. 16.12.1999 – 22 B 97.1171 – BayVBl 2000, 406; Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Art. 28 Rn. 4). Nach dem Willen des Gesetzgebers hat die Kreisverwaltungsbehörde die in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG aufgeführten, einer potentiellen Gefährdung durch die Schifffahrt ausgesetzten öffentlichen und privaten Interessen besonders zu würdigen (LT-Drs. 4/1394, S. 59 zu Art. 26 Abs. 4). Zu den privaten Interessen gehört auch der Schutz des Fischereirechts. Bei der rechtlichen Beurteilung ist insofern nicht nur – wie bei wasserwirtschaftlichen Maßnahmen – darauf abzustellen, ob durch die erteilte Schifffahrtsgenehmigung eine erhebliche Beeinträchtigung des Fischereirechts verursacht wird. Der gebotene Schutz des Eigentums und damit auch des Fischereirechts ist im Rahmen einer individuellen Prüfung des Einzelfalls bereits in die Interessenabwägung einzubeziehen (BayVGH, U.v. 20.9.1993 – 22 B 92.2821 – BayVBl 1994, 534 = juris Rn. 6). Dabei sind gegebenenfalls auftretende Nutzungskonflikte zu würdigen und zu einem Ausgleich zu bringen (BayVGH, U.v. 14.7.2015 – 8 BV 12.1575 – GewArch 2016, 24 = juris Rn. 20).
Die angefochtene Genehmigung trägt den Belangen des Antragstellers in fischereilicher Hinsicht nicht ausreichend Rechnung und ist deshalb ermessensfehlerhaft (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Der Antragsteller wurde zwar als betroffener Fischereiberechtigter im Verfahren angehört und stellte dabei dar, inwiefern sein Fischereirecht durch die gewerbliche Kanuvermietung verletzt werde. So seien Beeinträchtigungen der Fischfauna während der Laich- und Entwicklungszeiten der Fische durch den Bootsverkehr, insbesondere bei Grundberührungen mit dem Bootskörper oder einem Paddel möglich. In der Begründung des Genehmigungsbescheids wird auf diese Umstände aber an keiner Stelle eingegangen. Das Landratsamt erwähnt lediglich im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung die Anhörung der betroffenen Fischereiberechtigten. Auch wird eine von der Fachberatung für Fischerei geforderte jahreszeitliche Beschränkung der Befahrung verbunden mit einer Erhöhung des Mindestpegels genannt. Letztere bezieht sich allerdings nur auf den allgemeinen Schutz der Fischerei und umfasst nicht die individuellen Belange des Fischereiberechtigten. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung wird nur formelhaft auf das pflichtgemäße Ermessen hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Nutzergruppen am Gewässer und den Anforderungen des Naturhaushalts, soweit sie bereits konkret erkennbar seien, erreichbar erscheine. Welche konkreten Interessen der einzelnen Nutzergruppen gemeint sind, bleibt dabei offen. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine individuelle Prüfung des Einzelfalls.
Soweit das Verwaltungsgericht die wissenschaftlich ungesicherte Erkenntnislage, ob überhaupt und in welchem Umfang der Betrieb kleiner Boote negative Auswirkungen auf den Fischbestand bzw. das Fischereirecht des Antragstellers hat und welchen Einfluss andere Faktoren haben, zu Lasten der Antragstellerseite gewertet und die getroffene Ermessensentscheidung nicht beanstandet hat (vgl. UA Bl. 17), kann der Senat dem nicht folgen. Denn Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung des Ermessens ist eine vollständige und zutreffende Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (BVerwG, U.v. 14.10.1965 – II C 3.63 – BVerwGE 22, 215 = juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 1.9.2008 – 12 ZB 08.1324 – juris Rn. 7; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 114 Rn. 25 m.w.N.). Die Behörde muss grundsätzlich von Amts wegen (vgl. Art. 24 BayVwVfG) alle Feststellungen treffen, die erforderlich sind, um die nach dem Zweck der Ermächtigung für die Ermessensentscheidung relevanten Gesichtspunkte feststellen zu können. Hat eine Behörde für ihre Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, die nach den Umständen des Falls hätten berücksichtigt werden müssen, so liegt ein Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensfehlgebrauchs vor (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 114 Rn. 12).
Es entspricht daher keiner sachgerechten Ermessensausübung, wenn – wie in dem angefochtenen Bescheid – nur auf die beabsichtigte Einholung von Fachgutachten hingewiesen und je nach Ergebnis nachträgliche Beschränkungen und Auflagen in Aussicht gestellt werden. Das Landratsamt macht damit selbst deutlich, dass es den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht ausermittelt hat. Dies zeigt zudem unmissverständlich die Begründung zum am 29. August 2019 angeordneten Sofortvollzug. Dort führt das Landratsamts aus, dass die vom Antragsteller im wasserrechtlichen Verfahren vorgebrachten Aussagen (über Beeinträchtigungen der Fischfauna etc.) erst durch ein noch in Auftrag zu gebendes Fachgutachten untersucht und überprüft werden müssen. Mangels vollständiger Sachverhaltsfeststellung lässt sich eine mögliche Fehlgewichtung der beteiligten Interessen nicht mit der notwendigen Sicherheit ausschließen.
1.2 Die sieben von dem Beigeladenen beantragten Strecken befinden sich in Gewässerabschnitten, in denen der Antragsteller ein Fischereirecht innehat. Unschädlich ist, dass allein die Strecken 4 bis 7 vollständig und die Strecke 1 (R.R. bis S.), die Strecke 2 (G. bis S.) und die Strecke 3 (G. bis V.) mit jeweils nur etwa 4 bis 6 km im Bereich des Fischereirechts verlaufen. Insofern ist die für die jeweilige Strecke erteilte Schifffahrtsgenehmigung nicht teilbar. Teilbar ist ein angefochtener Verwaltungsakt nur dann, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.11.1997 – 3 C 33.96 – BVerwGE 105, 354 = juris Rn. 23; B.v. 2.5.2005 – 6 B 6.05 – juris Rn. 8). Dies ist hier – in Bezug auf die weitere Unterteilung der sieben Einzelstrecken – nicht der Fall. Die Schifffahrtsgenehmigung hängt eng mit den Ein- und Ausstiegsstellen der einzelnen Strecken zusammen. Die jeweilige Ein- und Ausstiegsstelle kann aufgrund der gesondert erforderlichen Gestattung der Grundstückseigentümer nicht geändert werden, ohne den Inhalt der Genehmigung im Übrigen zu ändern. Die einzeln in dem Bescheid genehmigten Strecken 1, 2 und 3 können daher vom Antragsteller insgesamt angefochten werden, auch wenn sein Fischereirecht sich nicht über die gesamte Strecke erstreckt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat in beiden Instanzen keinen Antrag gestellt. Daher können ihm gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt werden.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (152 Abs. 1 VwGO).


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