Aktenzeichen 14 ZB 17.2079
Leitsatz
1 Ist die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Berufungszulassungsgrund angezeigt wird und vorliegt. Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zu den Darlegungspflichten einer Berufungsbegründung mit dem Ziel der Berücksichtigung des juristischen Vorbereitungsdienstes und einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit in unterhälftiger Beschäftigung als Erfahrungszeiten. (Rn. 8 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 11 K 16.708 2017-08-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.479,20 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
I.
Die Klägerin, eine von der Beklagten zum 1. Januar 2016 als Regierungsinspektorin (Laufbahn des gehobenen Dienstes) ernannte Volljuristin, wendet sich im Zulassungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. August 2017, mit dem ihr Antrag als unbegründet abgewiesen wurde, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19. Januar 2016 sowie des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2016 zu verpflichten, bei der erstmaligen Stufenfestsetzung Beschäftigungszeiten der Klägerin in einer Rechtsanwaltskanzlei sowie den juristischen Vorbereitungsdienst als Erfahrungszeiten zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe weder aus § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG (i.d. bis 4.4.2017 geltenden Fassung – BBesG a.F.) noch aus § 28 Abs. 2 Satz 1 BBesG a.F., § 28 Abs. 2 Satz 2 BBesG a.F. oder § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG a.F. einen Anspruch auf Anerkennung dieser Zeiten. Es hat dabei im Einzelnen begründet, warum im Fall der Klägerin hinsichtlich dieser Vortätigkeiten die Anerkennungsvoraussetzungen der jeweiligen Regelungen des § 28 BBesG a.F. nicht vorliegen.
II.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Mit ihren gegen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Zulassungsverfahren vorgebrachten Einwendungen kann die Klägerin nicht durchdringen. Selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten auch ihr Vorbringen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO berücksichtigt, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil nicht dargelegt. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren, ohne sich mit den vom Verwaltungsgericht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung angeführten tragenden Erwägungen auseinanderzusetzen. Gesichtspunkte, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften, werden nicht aufgezeigt.
1. Soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BBesG a.F. auf Anerkennung der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiten abgelehnt hat, legt die Klägerin nichts dar. Von der Richtigkeit der diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist somit auszugehen.
2. Mit ihrem Vorbringen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, sie habe keinen Anspruch auf Anerkennung der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiten nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F., kann die Klägerin weder im Hinblick auf die Zeit ihres juristischen Vorbereitungsdienstes (nachfolgend a) noch im Hinblick auf die streitgegenständlichen Zeiten ihrer Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei (nachfolgend b) durchdringen.
a) Hinsichtlich des von der Klägerin absolvierten juristischen Vorbereitungsdienstes hat das Verwaltungsgericht die mangelnde Berücksichtigungsfähigkeit der maßgeblichen Zeit auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt. Zum einen hat es einen Anspruch der Klägerin aus § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. mit der Begründung abgelehnt, es handele sich beim juristischen Vorbereitungsdienst um keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F.. Der juristische Vorbereitungsdienst sei schon kein Beruf, sondern werde in einem Ausbildungsverhältnis abgeleistet. Ein Ausbildungsverhältnis sei keine hauptberufliche Tätigkeit, weil der Ausbildungszweck und nicht die Entgelterzielung im Vordergrund stehe. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht den Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. mit der weiteren selbständig tragenden Begründung verneint, unabhängig von der fehlenden Hauptberuflichkeit sei der juristische Vorbereitungsdienst eine Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst. Das mit der Ersten Juristischen Staatsprüfung abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften allein entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen des mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossenen Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst. Im Hinblick auf den berufspraktischen Teil sei eine Gleichwertigkeit des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst und des Studiums der Rechtswissenschaften nicht gegeben. Entgegen den in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes zwingend abzuleistenden zwei Semestern berufspraktische Studienzeiten in Bundesbehörden seien in Bayern während des Studiums der Rechtswissenschaften nur drei Monate praktische Studienzeiten vorgesehen. Diese könnten – wie der Fall der Klägerin zeige – erfüllt sein, ohne dass auch nur ein Tag Praktikumszeit im Bereich des Öffentlichen Rechts abgeleistet worden sei.
Ist die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung – wie vorliegend hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Zeit des juristischen Vorbereitungsdienstes nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Berufungszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.4.2016 – 14 ZB 15.1439 – juris Rn. 12 m.w.N.). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 Rn. 2).
Mit der selbständig tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, eine Berücksichtigung der Zeit des juristischen Vorbereitungsdienstes nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. scheide aus, weil es sich hierbei um keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift handele, hat sich die Klägerin im Zulassungsverfahren in keiner Weise substantiell auseinandergesetzt. Sie hat daher insoweit keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgezeigt, so dass die Berufung insoweit bereits aus diesem Grunde nicht zuzulassen ist.
Es bedarf daher keiner Prüfung, ob die von der Klägerin gegen die weitere tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, der juristische Vorbereitungsdienst sei vorliegend eine Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst, so dass deshalb eine Berücksichtigung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. ausscheide, vorgebrachten Einwendungen eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen würden. Soweit die Klägerin darauf verweist, bei einer Kollegin, die ihr Erstes Juristisches Staatsexamen in einem anderen Bundesland abgelegt habe, sei die Zeit des Juristischen Vorbereitungsdienstes in vollem Umfang als Erfahrungszeit anerkannt worden, hat sie bereits nicht mittels detaillierter Angaben aufgezeigt, dass ihr Fall mit dem der Kollegin tatsächlich vergleichbar ist. Somit kann auch diese Rüge eine Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen.
b) Soweit sich die Klägerin gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Ausführungen wendet, die streitgegenständlichen Zeiten ihrer Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei seien nicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. als Erfahrungszeiten berücksichtigungsfähig, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Mit ihrer Rüge, trotz der Unterhälftigkeit seien auch ihre Tätigkeiten in der Rechtsanwaltskanzlei als Erfahrungszeiten anzurechnen, weil sie sämtliche Aufgaben eines Rechtsanwalts – einschließlich der Vertretung vor Gericht nach Abschluss des Zweiten Juristischen Staatsexamens – wahrgenommen und es sich daher nicht nur um unterstützende Aushilfstätigkeiten gehandelt habe, zeigt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Sie setzt sich schon nicht substantiiert mit der insoweit tragenden Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, Zeiten unterhälftiger Beschäftigung – hier maximal 44 Stunden im Monat – könnten dann als hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. angesehen werden, wenn die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015 familiäre Pflege- oder Betreuungspflichten zu erfüllen gehabt hätte und deshalb nur unterhälftig in der Rechtsanwaltskanzlei hätte arbeiten können. Hiervon sei nicht auszugehen.
3. Mit ihrem Vorbringen, sowohl ihre Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei als auch ihr juristischer Vorbereitungsdienst seien förderlich für die Tätigkeit im gehobenen Dienst gewesen, auch weil die Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin die Basis für ihre weitere berufliche Tätigkeit als Juristin darstelle, wendet sich die Klägerin gegen die Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BBesG a.F. auf Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeiten, ohne auch insoweit ernstliche Zweifel hieran darzulegen. Es findet auch insoweit keine substantiierte Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts statt, eine Anerkennung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BBesG a.F. scheide aus, da auch diese Ermessensvorschrift auf Tatbestandsebene hauptberufliche Zeiten voraussetze, die nicht Voraussetzungen für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind. Sie setzt lediglich ihre eigene Ansicht an die Stelle der Einschätzung des Verwaltungsgerichts.
4. Auch ihr Vorbringen, die mehrjährige Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei begründe einen besonderen Einzelfall im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG a.F., weil es sich hierbei nicht um eine Aushilfstätigkeit, sondern um die Tätigkeit als freie Mitarbeiterin gehandelt habe, kann nicht zur Zulassung der Berufung führen. Denn die Klägerin geht nicht ansatzweise auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts zu § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG a.F. ein, ein besonderer Einzelfall müsse sich von der Masse der Fälle in hohem Maße hervorheben. Der besondere Einzelfall könne nicht darin liegen, dass ein Bewerber die Qualifikation für eine höhere Laufbahn erwerbe und sich dann – aus welchen Gründen auch immer – entschließe, eine Laufbahn niedrigerer Stufe einzuschlagen. Das Besoldungsrecht trage den unterschiedlichen Qualifikationen und den für ihren Erwerb erforderlichen Zeiten gemäß § 23 BBesG dadurch Rechnung, dass den jeweiligen Laufbahnen entsprechende Besoldungsgruppen zugewiesen seien. Diese Gesetzessystematik würde unterlaufen, wenn die Besoldungsdifferenz zwischen einem Amt einer niedrigeren Laufbahn und einem Amt einer höheren Laufbahn durch Anerkennung der Zeiten für den Erwerb der höheren Laufbahnbefähigung als Erfahrungszeit ausgeglichen würde.
III.
Ungeachtet dessen, ob die Klägerin ihren Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in gebotenem Maße nachkommt, weist die Rechtssache – wie sich aus den Ausführungen unter II. ergibt – auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
IV.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72 m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.6.2015 – 14 ZB 15.568 – juris Rn. 14).
Dem kommt die Klägerin nicht nach. Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, reicht es nicht aus, eine Frage zu formulieren und darauf hinzuweisen, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesen Rechtsfragen fehlt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Anwendung der – von der Klägerin mit ihrer Frage angesprochenen – Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG a.F. auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht.
Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen. Die Klägerin hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).