Verwaltungsrecht

Berufung, Bescheid, Zulassung, Gewerbeuntersagung, Erlaubnis, Verwaltungsgerichtshof, Streitwertfestsetzung, Klage, Rechtssatz, Schriftsatz, Zweifel, Haftungsschuldner, Richtigkeit, KG, Zulassung der Berufung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Co KG

Aktenzeichen  22 ZB 21.2601

Datum:
2.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13369
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 16 K 20.1014 2021-07-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung, die aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG erlassen wurde.
Der Kläger ist Geschäftsführer der K. GmbH, die wiederum Komplementärin der Immobilien K. GmbH & Co. KG ist. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 widerrief die Beklagte die der K. GmbH nach § 34c GewO erteilte Erlaubnis und untersagte ihr die selbstständige gewerbliche Betätigung „Unternehmensberatung“ im stehenden Gewerbe. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 31. Januar 2020 (M 16 K 19.254) ab; ebenso wurde der diesbezügliche Antrag auf Zulassung der Berufung durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2020 (22 ZB 20.1088) abgelehnt.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2020 untersagte die Beklagte dem Kläger die künftige selbstständige gewerbliche Betätigung „Unternehmensberatung“, bisher unselbstständig in der K. GmbH als Komplementärin der Immobilien K. GmbH & Co. KG ausgeübt, im stehenden Gewerbe (Nr. 1 des Bescheids). Zudem wurde die Untersagung auf die Tätigkeit als künftiger Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit erweitert (Nr. 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine in leitender Stellung abhängige Beschäftigung spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3); für den Fall, dass er dem nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 4). Zudem setzte die Beklagte Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 454,98 € gegen den Kläger fest (Nr. 5).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen den Kläger in seiner Funktion als Haftungsschuldner der Immobilien K. GmbH & Co. KG seitens der Beklagten (Kassen- und Steueramt) Forderungen in Höhe von rund 118.000 € bestehen würden; durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen seien ohne Erfolg geblieben. Auch als Vertretungsperson der K. GmbH habe sich der Kläger als unzuverlässig erwiesen. Laut Mitteilung des Finanzamts habe die K. GmbH seit 2009 und die Immobilien K. GmbH & Co. KG seit 2007 keine Steuererklärung mehr eingereicht. Die K. GmbH sei einmal (18.1.2017) und die Immobilien K. GmbH & Co. KG zweimal (beide Einträge vom 28.8.2018) jeweils mit „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ im Vollstreckungsportal eingetragen. Der Kläger sei insbesondere unzuverlässig, weil er seinen Zahlungsverpflichtungen und als Vertretungsberechtigter der K. GmbH und der Immobilien K. GmbH & Co. KG deren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Eine (auch) erweiterte Untersagung gemäß § 35 Abs. 7a Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1GewO sei daher nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zum Schutz der Allgemeinheit mangels Vorliegens besonderer Umstände ein erforderliches und angemessenes Mittel.
Gegen den Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 6. März 2020 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben.
Mit Urteil vom 20. Juli 2021, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 9. September 2021, wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Mit am 11. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Zulassung der Berufung. Zur Antragsbegründung wurden mit Schriftsatz vom 9. November 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nicht dargelegt.
Der Bevollmächtigte des Klägers trägt dazu im Wesentlichen vor, dass es bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit auf eine Prognoseentscheidung zur künftigen gewerblichen Betätigung ankomme. Daher sei entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts allein das Vorliegen von Steuerschulden, welche auf einer übermächtigen Steuernachforderung aus dem Jahr 1995 beruhten, wenig aussagekräftig. Denn es seien seitdem, seit mehr als 26 Jahren, keine weiteren Steuerverbindlichkeiten aufgelaufen, der Kläger habe seine laufenden Verbindlichkeiten weiter erfüllt, was auch innerhalb der vom Erstgericht angeführten zeitlichen Komponente zu berücksichtigen sei. Soweit das Verwaltungsgericht argumentiere, dass es auf eine subjektive Vorwerfbarkeit nicht ankomme, übersehe es, dass der Vorwurf der Unzuverlässigkeit sehr wohl eine solch subjektive Komponente enthalte. Das Bemühen, eine tragbare Regelung für die Steuerverbindlichkeiten des Klägers zu erarbeiten, sei angesichts seiner eingeschränkten finanziellen Verhältnisse und weil Ratenzahlungen beim 88-jährigen Kläger schwer zu vermitteln seien, gescheitert. Seine langjährige Tätigkeit nach Begründung der Steuerverbindlichkeit sei in keinster Weise gewürdigt und eine Interessenabwägung zur Bestätigung des Tatbestandsmerkmals „Unzuverlässigkeit“ unterblieben.
Dieser Vortrag begründet, davon abgesehen, dass er sich überwiegend bereits nicht konkret mit den diesbezüglichen entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, keine ernstlichen Zweifel am Urteil vom 20. Juli 2021. Hinsichtlich der Steuerrückstände hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den o.g. Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2020 betreffend die K. GmbH zurecht darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um Steuern i.e.S. (§ 1 Abs. 1 AO) oder steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) handelt und von einem Gewerbetreibendem – wie von jedem Steuerzahler – erwartet wird, dass er nicht nur fällige Steuern, sondern auch unabhängig von Entstehungsgrund aufgelaufene Schulden nach Kräften alsbald verringert (vgl. UA S. 9, Rn. 27 m.V.a. BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.1088 – juris Rn. 10). Von daher entlastet es den Kläger auch nicht, dass er laut eigenem Vortrag keine „weiteren“ Verbindlichkeiten (der von ihm vertretenen Gesellschaften) hat entstehen lassen. Von einem Gewerbetreibendem ist zu erwarten, dass er bei solch einer lang – über 26 Jahre – anhaltenden Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Soweit angeführt wird, dass es dem Kläger angesichts seines hohen Alters nicht mehr gelungen sei, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen, spricht dies – gerade im Sinne der vom Klägerbevollmächtigten eingeforderten Zukunftsprognose – ebenso dafür, dass der Kläger angesichts der Höhe der Verbindlichkeiten (für die er gemäß § 69 AO grundsätzlich haftet) und seiner „eingeschränkten finanziellen Verhältnisse“ auch künftig wirtschaftlich leistungsunfähig bleiben wird (vgl. dazu in Bezug auf die K. GmbH bereits BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.1088 – juris Rn. 11). Davon abgesehen vermag dies nicht zu erklären, warum der Kläger nicht bereits ab 1995, nach Entstehen der Verbindlichkeiten, an einem sinnvollen und erfolgsversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet hat. Soweit der Kläger den – zutreffenden – Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass es auf ein Verschulden hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit nicht ankommt (UA S. 8, Rn. 26), entgegenhält, dass auch bei Beurteilung der Unzuverlässigkeit eine „subjektive „Komponente“ zu berücksichtigen sei, folgt daraus nichts anderes. Denn abgesehen von seiner objektiven Leistungsunfähigkeit folgt aus der mehrfachen Nichtabgabe der Vermögensauskunft für die K. GmbH und die Immobilien K. GmbH & Co. KG die Weigerung des Klägers, durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung den Gläubigern den notwendigen Überblick über die Vermögensverhältnisse dieser Gesellschaften zu verschaffen. Dies ist mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren und rechtfertigt die Annahme, dass er – wenn man so will im Sinne einer „subjektiven Komponente“ – auch leistungsunwillig ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2013 – 22 ZB 13.1419 – juris Rn. 19).
Dass die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 7a GewO unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft ist, wird angesichts dessen und auch mangels konkreter Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig plausibel dargelegt wie ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Erweiterung nach § 35 Abs. 7a Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GewO.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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