Verwaltungsrecht

Berufung, Zulassung, Annahmeverzug, Verschulden, Streitwertfestsetzung, Medien, Verwaltungsgerichtshof, Anspruch, Kenntnis, Informationspflicht, Wegfall, Kostenentscheidung, Kenntnisnahme, Zinsen, Zulassung der Berufung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Wegfall des Hindernisses

Aktenzeichen  4 ZB 22.1162

Datum:
16.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12105
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss vom 22. April 2022, mit dem der Senat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Dezember 2021 abgelehnt hat, ist unbegründet. Aus den fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme zur Kenntnis gebrachten Darlegungen (vgl. § 152a Abs. 2 Satz 1 und 6 VwGO) ergibt sich nicht, dass der Senat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hätte (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und diese zu begründen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, B.v. 17.5.1983 – 2 BvR 731/80 – BVerfGE 64, 135/143 f.). Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, B.v 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/274). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, U.v. 8.7.1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205/216); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, B.v. 12.4.1983 – 2 BvR 678/81 – BVerfGE 64, 1/12; U.v. 7.7.1992 – 1 BvL 51/86 u.a. – BVerfGE 87, 1/33). Aus ihr ergibt sich allerdings das Verbot, eine Entscheidung auf Gründe zu stützen, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Prozess erörtert wurden und mit deren Erheblichkeit für die Entscheidung nach dem bisherigen Verlauf auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste (BVerfG, B.v. 9.5.1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188/190).
b) Zur Begründung seiner Anhörungsrüge trägt der Kläger vor, der Verwaltungsgerichtshof stelle „nunmehr neu“ darauf ab, die Rückgabe der ausgeliehenen Medien sei lediglich vorübergehend unmöglich gewesen, was zu einer bloßen Suspendierung der Rückgabepflicht geführt habe und nicht zu ihrem Entfallen. Sodann sei es nach Meinung des Gerichts ausreichend, wenn durch die Erfüllung einer Informationspflicht die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme der wiedereröffneten Rückgabemöglichkeit für den Kläger gegeben sei, wobei Versäumnisgebühren auch während der Suspension der Rückgabepflicht rechtmäßig erhoben werden könnten und damit erst recht nach Wegfall des Rückgabehindernisses; das alles ergebe sich aus den anwendbaren §§ 275 ff. BGB. Zu dieser Ansicht habe das Gericht den Kläger nicht angehört. Im Falle einer Anhörung hätte dieser vorgetragen, dass ein Annahmeverzug nach ganz allgemeiner Auffassung kein Verschulden voraussetze und während dessen keine Nutzungen und Zinsen zu ersetzen seien. Er ende nach ganz allgemeiner Auffassung erst mit Mitteilung der Annahmebereitschaft an den Schuldner. Entgegen der Auffassung des Gerichts bestehe keine Informationspflicht, sondern lediglich eine Obliegenheit, da eine Leihe keine Rücknahmepflicht des Gläubigers kenne. Das alles ergebe sich aus einer Lektüre des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Gehörsverletzung sei entscheidungserheblich, da nicht völlig auszuschließen sei, dass das Gericht bei Erkennen der Rechtslage und der Unvertretbarkeit der eigenen Auffassung dem Antrag auf Zulassung der Berufung stattgegeben hätte.
c) Mit diesem Vorbringen wird ein Gehörsverstoß nicht dargelegt.
Die entscheidungstragende Annahme des Senats, die Pflicht zur Rückgabe der entliehenen Medien sei trotz der vorübergehenden Unmöglichkeit ihrer Erfüllung nur suspendiert und nicht gänzlich entfallen sei, war entgegen der Darstellung in der Anhörungsrüge keineswegs „neu“ oder gar überraschend; bereits das Verwaltungsgericht ging ersichtlich vom Fortbestehen dieser Pflicht aus. Dass der Senat nicht der Auffassung des Klägers gefolgt ist, wonach eine Rückgabepflicht nicht mehr aufgrund des (ursprünglichen) Leihverhältnisses, sondern nur noch aufgrund des Sacheigentums bestanden habe, stellte schon deshalb keinen Gehörsverstoß dar, weil dieses prozessuale Recht nicht dazu verpflichtet, der Rechtsmeinung eines Beteiligten zu folgen.
Mit der Feststellung, dass die Beklagte ihrer Informationsverpflichtung hinreichend nachgekommen sei, indem sie es den Einrichtungsbenutzern ermöglichte, von der Wiedereröffnung der Rückgabemöglichkeit Kenntnis zu nehmen, hat sich der Senat ausdrücklich dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts angeschlossen (Rn. 16). Schon aus diesem Grund bedurfte es dazu nicht einer gesonderten Anhörung der Beteiligten.
Soweit der Kläger dem Beschluss vom 22. April 2022 die Aussage entnimmt, Versäumnisgebühren könnten auch schon während der Suspension der Rückgabepflicht rechtmäßig erhoben werden, beruht dies ersichtlich auf einem Fehlverständnis. Der Senat hat in den Gründen seiner Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass die Rückgabepflicht, an deren Nichterfüllung die Erhebung von Versäumnisgebühren anknüpft, erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Wegfall des Hindernisses erfüllt werden musste (Rn. 14). Auch dies entsprach der Sache nach der bereits der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegenden rechtlichen Bewertung.
Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB) spielten bei dem angegriffenen Beschluss entgegen der Vorstellung des Klägers keine Rolle; die Entscheidung ist allein auf die in den §§ 275 ff. BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsätze über die Unmöglichkeit gestützt. Dass im Rahmen des Leihverhältnisses für den Entleiher keine (selbständige) Informationspflicht, sondern nur eine Obliegenheit besteht, sich über die Möglichkeiten einer Rückgabe zu informieren, hat der Senat nicht verkannt, sondern vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht (Rn. 16 a. E.). Auch insoweit bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen Gehörsverstoß.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht‚ da für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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