Verwaltungsrecht

Bescheid, Berufung, Vollziehung, Pferd, Versorgung, Zulassung, Zulassungsantrag, Halter, Zulassungsvorbringen, Anordnung, Gutachten, Schmerzen, Landratsamt, Mangel, Zulassung der Berufung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, ernstliche Zweifel

Aktenzeichen  23 ZB 19.2286

Datum:
20.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8488
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 4 K 19.454 2019-10-01 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf Euro 5.000,– festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
I. Die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Das Zulassungsvorbringen legt keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils dar.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 − BVerfGE 151, 173/186 = juris Rn. 32 m.w.N.). Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand des Urteils Bezug genommen wird, hat die Klage mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2018, mit welchem gegenüber der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Wegnahme des von ihr gehaltenen Wallachs „R* …“ angeordnet worden war, aufzuheben, als unbegründet abgewiesen. Die Wegnahme sei auf der Rechtsgrundlage des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG rechtmäßig erfolgt, weil das Pferd nach dem Gutachten der beamteten Tierärzte mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt gewesen sei. Ausweislich des Schreibens des Amtsveterinärs Dr. S. vom 22. November 2017 sei die Wegnahme des Tieres erforderlich gewesen, weil die Klägerin und der weitere Halter das Pferd aufgrund fehlender Hufkorrektur über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend gepflegt hätten, wodurch das Pferd wesentlich in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt worden sei. Dadurch sei eine weitere Schädigung des Hufbeines (fortschreitende Fehlstellung) in Kauf genommen worden und dem Pferd seien somit erhebliche Schmerzen und vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt worden. In der mündlichen Verhandlung sei dies durch die anwesende Amtstierärztin dahingehend konkretisiert worden, dass davon auszugehen sei, dass die vorliegende massive Fehlstellung des Hufes Auswirkungen auf den gesamten Körper des Tieres, insbesondere die Bänder und Sehnen habe, Pferde aber lernten, mit derartigen Gegebenheiten umzugehen. Die Fortnahme des Pferdes sei zur Beseitigung eines bereits eingetretenen tierschutzwidrigen Zustands und zur Verhinderung künftiger Verstöße geeignet, erforderlich und verhältnismäßig gewesen. Die Erforderlichkeit zeige sich in den von Beklagtenseite ausführlich dargelegten zahlreichen erfolglosen Versuchen, mittels Anordnungen, Zwangsgeldandrohungen, Fälligstellungen von Zwangsgeldern und sogar eines Antrags auf Erzwingungshaft die Klägerin und deren Lebensgefährten als weiteren Halter des Pferdes zu einer fachgerechten regelmäßigen Hufpflege zu veranlassen. Auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit sei die streitgegenständliche Anordnung nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei dem intensiven und in kurzen Intervallen erforderlichen Behandlungsbedarf des Pferdes über einen langen Zeitraum nicht gerecht geworden. Sie in dieser Situation erneut durch einen Bescheid zur Einhaltung ihrer Halterverpflichtungen anzuhalten, sei nicht geboten gewesen. Dass die Wegnahme dauerhaft erfolgt und eine Rückkehr des Pferdes zu der Klägerin ausgeschlossen worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Behörde habe zurecht davon ausgehen können, dass sich angesichts der Uneinsichtigkeit der Klägerin keine Änderung in ihrem Verhalten einstellen werde. Die Akten belegten, dass sie in vielfacher Hinsicht nicht bereit gewesen sei, den Anordnungen des Amts Folge zu leisten. Auch in der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin noch versucht deutlich zu machen, dass die gegen sie getroffenen Anordnungen nur dem Ziel gedient hätten, ihr und ihrem Verein aus sachfremden Gründen zu schaden.
Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-) Richtigkeit dieser Erwägungen sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt.
1.1. Soweit die Klägerin Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dahingehend äußert, dass sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil insofern auf einen unrichtigen Sachverhalt stütze, als es ignoriert habe, dass die Regierung der Oberpfalz als übergeordnete Behörde in den Fall eingebunden gewesen und dass seit November 2017 nicht mehr das Landratsamt Regensburg (im Folgenden Landratsamt), sondern die Regierung der Oberpfalz (im Folgenden Regierung) für den vorliegenden Fall zuständig gewesen sei, erfolgt bereits keine hinreichende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Die Klägerin bringt insbesondere nichts substantiiert dazu vor, woraus sich ein Mangel in der Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts ergibt und legt nicht dar, inwiefern die von ihr als unrichtig bzw. unvollständig gerügten Tatsachenfeststellungen vor dem Hintergrund der Beurteilung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich sind. Damit wird die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils aber nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil insoweit ausgeführt, aus den Akten ergebe sich nicht, dass die Regierung den weiteren verwaltungsmäßigen Vollzug an sich gezogen hätte, wie dies wohl durch die Klägerin interpretiert worden sei. Ausweislich einer E-Mail der Regierung vom 23. Mai 2018 an das Landratsamt (Bl. 815 der Behördenakte), welche im Übrigen nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids datiere, sei seitens der Regierung lediglich ein Ansprechpartner benannt worden (UA, S. 7). Mit ihrem Vortrag in der Zulassungsbegründung, ein dem Verwaltungsgericht vorgelegter, ausführlicher Schriftverkehr mit einer vom Regierungspräsidenten persönlich „zugeteilten“ Mitarbeiterin der Regierung, Frau Z., über die die Regierung als übergeordnete Behörde von November 2017 an über jeden Schritt bezüglich Hufpflege u.a. am Gnadenhof detailliert informiert gewesen sei, die Benennung eines Mediators seitens des Regierungspräsidenten, sowie ein Ortstermin mit leitenden Beamten der Regierung auf dem Gnadenhof der Klägerin und ein von diesen organisierter „Runder Tisch“ am 27. April 2018 hätten in der Urteilsfindung keinerlei Beachtung gefunden, legt die Klagepartei ebenfalls nicht dar, dass und inwiefern sich hieraus die Ausübung eines Selbsteintrittsrechts der Regierung oder ein aufsichtliches Einschreiten ergeben sollte, welche die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge haben könnten, oder dass sich hieraus konkrete Tatsachen hinsichtlich der Durchführung der Hufpflege ergeben hätten, die Einfluss auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG zum maßgeblichen Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids oder auf die Verhältnismäßigkeit der Fortnahme des Pferdes haben könnten.
1.2. Soweit die Klägerseite rügt, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass das Landratsamt die von dem Verein der Klägerin geretteten und teils über 15 Jahre liebevoll und sachkundig behüteten Tiere von einer umstrittenen Pferdehändlerin in Schleswig-Holstein habe veräußern lassen, die seit drei Jahren unter dem Deckmantel des Tierschutzes agiere, in verschiedene Strafverfahren involviert sei und die Pferde willkürlich und völlig ungeprüft an nicht sachkundige, unerfahrene Reiterkreise verkaufe, und dass das Tierwohl von der Wegnahme über den Transport bis zur Veräußerung für die Beklagte nachweislich keine Rolle gespielt habe, bleiben diese Aussagen einerseits pauschal und wird im Übrigen die Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens nicht dargelegt. Der streitgegenständliche Bescheid hat nicht die Veräußerung, sondern die Wegnahme des Wallachs „R* …“ zum Gegenstand. Im Übrigen wird nicht dargelegt, dass „R* …“ tatsächlich veräußert wurde; ausweislich der Auskunft der Amtsveterinärin in der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2019 befand sich „R* …“ zu diesem Zeitpunkt noch in behördlicher Obhut (Sitzungsniederschrift, S. 3). Soweit die Klägerin die Art und Weise der Fortnahme des Pferdes beanstandet, ist dies, worauf bereits das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil hingewiesen hat, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in welchem die Rechtmäßigkeit der Wegnahme und damit die Frage inmitten steht, ob das Tier fortgenommen werden durfte. Soweit in dem klägerischen Vorbringen (weiterhin) der allgemeine Vorwurf zu erblicken ist, das Landratsamt habe bei der streitgegenständlichen Entscheidung sachfremde Erwägungen angestellt, legt die Klagepartei hiermit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dar, da sie keine konkreten Tatsachen zum Beleg der Annahme anführt, dass die Hufpflege bei „R* …“ nicht erheblich hinter dem Standard zurückgeblieben war, der durch § 2 TierSchG und die zu dessen Konkretisierung erlassenen Bestimmungen vorgegeben ist (vgl. OVG NW, B.v. 12.6.2006 – 20 B 615/06 – juris), oder dass die Wegnahme des Pferdes unverhältnismäßig war (vgl. hierzu auch noch sogleich 1.3. und 1.4.).
1.3. Soweit die Klagepartei vorträgt, die Pferde seien regelmäßig an den Hufen behandelt worden, setzt sie sich wiederum nicht mit den diesbezüglichen Feststellungen und Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil auseinander. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, die Behauptung regelmäßiger Hufpflege werde schon dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte nach ihrem Umzug in den Landkreis Regensburg im Februar 2016 nach ihren eigenen Angaben zwar zunächst einen Hufschmied gehabt hätten, der alle Pferde einmal behandelt habe, dann aber erst im Jahr 2017 wieder einen Schmied gefunden hätten. Angesichts der seinerzeit amtstierärztlich für erforderlich gehaltenen Hufpflege bei „R* …“ alle vier bis sechs Wochen sei schon aus dem eigenen Sachvortrag der Kläger eine regelmäßige Hufpflege im Jahr 2016 nicht gegeben gewesen. Dass „R* …“ alle acht Wochen – wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – vom Schmied behandelt worden wäre, sei nicht belegt; die Klägerin und ihr Lebensgefährte seien den Anordnungen, die entsprechenden Nachweise vorzulegen, nicht nachgekommen (UA, S. 6 f.).
Im Übrigen ergibt sich eine regelmäßige Hufpflege, zu welcher die Klägerin gemäß der sofort vollziehbaren und bestandskräftigen Anordnung des Landratsamts vom 3. April 2017 verpflichtet worden war, auch gerade nicht aus den dem Zulassungsantrag beigefügten Rechnungen. Diese dokumentieren für das Jahr 2016 Hufpflegetermine am 6. April und 29. Dezember 2016. Für das Jahr 2017 sind ein Hufpflegetermin am 14. Juni 2017 dokumentiert, an dem fünf der 17 gehaltenen Pferde behandelt wurden, ein zweiter Termin am 28. Juni 2017, bei dem drei Pferde behandelt wurden, sowie ein weiterer Termin am 5. Juli 2017, bei dem wiederum drei Pferde behandelt wurden. In der Folgezeit wurde ein weiteres Tier behandelt (vgl. Mitteilung des Lebensgefährten der Klägerin vom 26.7.2017, Bl. 598 der Behördenakte). Weitere (erfolgreiche) Hufpflegemaßnahmen sind nicht belegt, sodass aufgrund der vorgelegten Dokumente nicht von der Durchführung regelmäßiger Hufpflege bei den 17 Pferden und insbesondere bei dem Wallach „R* …“ ausgegangen werden kann. Nach Nr. 2.2.2 der Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (BMEL) vom 9. Juni 2009 sind Hufe regelmäßig auf ihren Pflegezustand zu prüfen und so zu pflegen, dass die Gesunderhaltung gewährleistet ist. Unbeschlagene Pferde sind danach regelmäßig alle sechs bis acht Wochen auf Stellung und Abnutzung der Hufe zu kontrollieren und nach Bedarf zu korrigieren; soweit nach dem Zustand erforderlich, ist für fachgerechten Beschlag oder anderweitig geeigneten Hufschutz zu sorgen. Eine regelmäßig wiederkehrende Prüfung und Versorgung der Hufe ist unabhängig von einer Fehlstellung notwendig (vgl. OVG NW, B.v. 8.1.2020 – 20 B 1446/19 – juris Rn. 42).
Soweit die Klägerin ausführt, ein Vorstandsmitglied des Vereins habe bei der Hufpflege selbst Hand anlegen können, da er sich entsprechende Kenntnisse und professionelles Werkzeug zugelegt habe, ist zum einen die entsprechende Qualifikation des Vereinsmitglieds zur Durchführung der Hufpflege nicht belegt. Zwar kommen grundsätzlich für rein pflegerische Tätigkeiten außerhalb des Eisenbeschlags (Barhufpflege, ggf. auch unter Verwendung alternativer Hufschutzmaterialien) wohl auch qualifizierte Hufpfleger („Hufheilpraktiker“, „Huforthopäden“) oder Huftechniker in Betracht (BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 C 16.2602 – juris Rn. 7; vgl. auch BVerfG, B.v. 3.7.2007 – 1 BvR 2186/06 – BVerfGE 119, 59). Dass das betreffende Vereinsmitglied eine entsprechende Ausbildung an einer Schule für Hufpflege oder Huftechnik absolviert hätte, wird allerdings weder behauptet noch näher dargelegt. Zum anderen waren etwaige entsprechende Bemühungen ausweislich der auch im Urteil des Verwaltungsgerichts dargestellten Feststellungen der Amtsveterinäre, denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, bei dem Wallach „R* …“ jedenfalls nicht erfolgreich, da bei durchgeführten Kontrollen die Hufe wiederholt nicht ausreichend gepflegt waren.
1.4. Soweit die Klagepartei geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nicht ausreichend geprüft, da das Landratsamt vorher jahrzehntelang die Pferdehaltung und selbst die ehemals tatsächlich nicht rechtmäßige Mistlagerung auf dem Anwesen akzeptiert habe, da der Verein, dessen Vorsitzende die Klägerin sei, vor dem Einzug noch zahlreiche Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen an Stallungen und Koppeln vorgenommen habe, und da eine telefonische Kontaktaufnahme mit Veterinärämtern anderer Landkreise ergeben habe, dass Wegnahmen von Pferden so gut wie nie stattfänden, weil bei auftretenden Problemen grundsätzlich zusammen mit den Eigentümern Lösungen – erforderlichenfalls auch in Form einer alternativen Unterbringung – erarbeitet würden, vermag sie damit nicht durchzudringen.
Das Verwaltungsgericht hat die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Wegnahme des Pferdes insbesondere angesichts der von Beklagtenseite ausführlich dargelegten zahlreichen erfolglosen Versuche, mittels Anordnungen, Zwangsgeldandrohungen und Fälligstellungen von Zwangsgeldern die Klägerin zu einer fachgerechten regelmäßigen Hufpflege des Pferdes „R* …“ zu veranlassen, sowie angesichts der mangelnden Bereitschaft der Klägerin, mit den Amtstierärzten zusammenzuarbeiten, welche zuletzt nochmals in der Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe mit der Regierung kommuniziert, weil das Landratsamt unseriös sei, hervorgetreten war, zurecht bejaht. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Umstands, dass ein „Runder Tisch“, bei welchem seitens des Beklagten insbesondere eine (deutliche) Reduzierung des Tierbestandes vorgeschlagen wurde, und die Einschaltung eines Mediators ebenfalls zu keiner einvernehmlichen Lösung geführt haben, welche den tierschutzrechtlichen Anforderungen hätte gerecht werden können, ist nicht ersichtlich, dass mildere Maßnahmen erfolgversprechend gewesen wären. Dass die Klägerin bzw. ihr Verein Investitionen für die Pferdehaltung getätigt haben, vermag es nicht zu rechtfertigen, geringere Anforderungen an die Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen zu stellen, damit diese sich amortisieren können. Schließlich legt das Zulassungsvorbringen schon mangels Benennung konkreter Zahlen und Fakten nicht dar, dass es im Rahmen der Sicherstellung einer tierschutzgerechten Pferdehaltung im Gebiet des Beklagten ein flächendeckendes Vollzugsdefizit geben könnte und allein gegen die Klägerin willkürlich vorgegangen würde. Dem Senat sind aus eigener Anschauung mehrere Verfahren bekannt, in denen der Beklagte Pferde wegen nicht tierschutzgerechter Haltung fortgenommen und das Halten und Betreuen von Pferden untersagt hat. Die Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Wegnahme des Pferdes entfällt nicht allein deshalb, weil der Beklagte von der Wegnahme von Tieren als „ultima ratio“ in anderen Einzelfällen nicht oder nur selten Gebrauch macht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines seitens der Klagepartei geltend gemachten Verfahrensmangels zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
Die von Klägerseite geltend gemachte Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO oder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen Aktenwidrigkeit des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts liegen nicht vor.
Eine Aufklärungsrüge ist nur dann erfolgreich, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem muss der Kläger darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte (BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12; B.v. 8.7.2009 – 4 BN 12.09 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 17.12.2021 – 19 ZB 21.2450 – juris Rn. 29; B.v. 21.3.2012 – 10 ZB 10.100 – juris Rn. 22).
Dies legt die Klägerin mit ihrem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe ignoriert, dass das Landratsamt die von dem Verein der Klägerin geretteten und teils über 15 Jahre liebevoll und sachkundig behüteten Tiere von einer umstrittenen Pferdehändlerin in Schleswig-Holstein habe veräußern lassen, die seit drei Jahren unter dem Deckmantel des Tierschutzes agiere, in verschiedene Strafverfahren involviert sei und die Pferde willkürlich und völlig ungeprüft an nicht sachkundige, unerfahrene Reiterkreise verkaufe, und dass seit November 2017 nicht das Landratsamt, sondern die Regierung der Oberpfalz Ansprechpartnerin in allen Angelegenheiten gewesen sei, wobei der gesamte, umfangreiche Schriftverkehr, der Ortstermin am Gnadenhof mit leitenden Beamten der Regierung und der von diesen organisierte „Runde Tisch“ am 27. April 2018 als Beweise ignoriert worden seien, nicht dar. Inwiefern diese Umstände auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hinsichtlich der streitgegenständlichen Wegnahme des Pferdes „R* …“ führen könnten, ist nicht ersichtlich (s.o. 1.1. und 1.2.). Eine weitergehende Beweiserhebung wurde von der anwaltlich vertretenen Klägerin auch nicht beantragt.
Mangels Entscheidungserheblichkeit liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ebenfalls nicht vor. Allein der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Benennung eines Ansprechpartners bei der Regierung der Oberpfalz rechtlich anders gewürdigt hat als die Klägerin, vermag eine solche nicht zu begründen, da die Würdigung des Sachverhalts und dessen rechtliche Bewertung dem materiellen Recht zuzuordnen sind.
Auch eine Aktenwidrigkeit der der Entscheidung des Erstgerichts zugrunde gelegten Tatsachen wird nicht dargelegt. Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn zwischen den vom Tatrichter getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Inhalt der Akten (Gerichtsakte oder beigezogene Akten) zweifelsfrei, d.h. ohne Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung, ein offensichtlicher Widerspruch besteht, der keine unterschiedliche tatrichterliche Würdigung zulässt (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.2008 – 3 B 11.08 – NVwZ 2008, 1355, Rn. 6; B.v. 14.7.2010 – 10 B 7.10 – NVwZ 2011, 55, Rn. 5 f.). Aus dem Zulassungsvorbringen und den zur Entscheidungsgrundlage gemachten Gerichts- und Behördenakten ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Inhalt hieraus übergangen hat oder darüber hinausgegangen ist, indem es ohne Grundlage in den Akten „ins Blaue hinein“ Tatsachen angenommen hätte.
II. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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