Verwaltungsrecht

Bescheid, Zwangsgeld, Vollziehung, Vollstreckung, Zustellung, Zwangsvollstreckung, Hund, Feststellung, Landratsamt, Kostenentscheidung, Klage, Vollstreckungsschuldner, Verfahren, Zeitpunkt, sofortige Vollziehung, Kosten des Verfahrens, Einstellung der Zwangsvollstreckung

Aktenzeichen  RN 4 K 19.800

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42286
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, die Vollstreckung aus Nr. 3.7 des Bescheids des Landratsamts R.-I. vom 29.12.2016 einzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 5/6, der Beklagte zu 1/6.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag unbegründet (dazu I.), im Hilfsantrag hingegen begründet, soweit sie sich auf Nr. 3.7 des Bescheids vom 29.12.2016 bezieht (dazu II.).
I.
Im Hauptantrag ist die Klage unbegründet. Die vom Kläger begehrte Feststellung kann nicht ausgesprochen werden, weil die in Nr. 3.7, 3.16 und 3.17 des Bescheids des Landratsamts R.-I. vom 29.12.2016 angedrohten Zwangsgelder fällig geworden sind.
Gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) wird ein angedrohtes Zwangsgeld fällig, wenn die damit bewehrte Verpflichtung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bis zum Ablauf der gewährten Erfüllungsfrist nicht bewirkt wird. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs tritt zu dieser ersten, ausdrücklich geregelten Bedingung der Fälligkeit die weitere Voraussetzung, dass während des relevanten Zeitpunkts oder Zeitraums die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorgelegen haben (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14).
Beides ist hier der Fall (dazu 1. und 2.). Die Angriffe des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügungen (dazu 3.) bleiben ebenso ohne Auswirkung auf die begehrte Feststellung wie seine Einlassung, die Kontrolle am 28.2.2019 sei unverhältnismäßig gewesen (dazu 4.).
1. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus Nr. 1.7, 1.16 und 1.17 des Bescheids vom 29.12.2016 bis 28.2.2019 nicht nachgekommen war.
Was Nr. 1.7 angeht, ist dem Protokoll zur Ortseinsicht vom 28.2.2019 zu entnehmen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt für die Ausläufe am Hundehaus über Material für die Herstellung eines Witterungsschutzes verfügte, dieses aber nicht montiert hatte. Das Gericht hat keinen Anlass, an dieser Darstellung zu zweifeln, die auch der Kläger nicht in Abrede gestellt hat. Es fällt im Gegenteil auf, dass der Kläger im Verfahren auch Bilder vorgelegt hat, auf denen an zwei Ausläufen des Hundehauses (noch) keinen Witterungsschutz erkennbar ist. Dass der Kläger entgegen Nr. 1.16 und 1.17 ein Bestandsbuch nicht geführt hat und dieses auch bei der Kontrolle am 28.2.2019 nicht vorzeigen konnte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
2. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs müssen im hier vorliegenden Fall mit dem Grundverwaltungsakt verbundener Zwangsgeldandrohungen die Vollstreckungsvoraussetzungen während des gesamten Laufes der Erfüllungsfrist vorliegen (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14). Dies ist hier der Fall.
Allgemeines Erfordernis jeder Vollstreckungsmaßnahme ist das Bestehen eines wirksamen Grundverwaltungsakts mit vollstreckungsfähigem Inhalt (Art. 18 Abs. 1 VwZVG), der im Sinne des Art. 19 Abs. 1 VwZVG vollstreckbar ist. Der streitgegenständliche Bescheid wurde mit der Zustellung wirksam und ist dies nach wie vor. Die Behörde hatte ihre Anordnungen auch für sofort vollziehbar erklärt (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), wodurch bereits am Beginn der Erfüllungsfrist Vollstreckbarkeit bestand, die im Zeitpunkt des festgestellten Verstoßes noch andauerte.
Zugleich waren die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben. Namentlich hatte die Behörde dem Kläger die Zwangsgelder im Bescheid vom 29.12.2016 in der vorgeschriebenen Weise angedroht. Die gewährten Erfüllungsfristen hatten mit der Zustellung des genannten Bescheids begonnen (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG) und waren im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bereits verstrichen.
3. Ohne Auswirkungen auf die Fälligkeit des Zwangsgelds bleiben die klägerseits geführten Angriffe gegen die Rechtmäßigkeit der in Nr. 1.16 und 1.17 getroffenen Anordnungen das Bestandsbuch betreffend. Denn es stellt einen tragenden Grundsatz des Vollstreckungsrechts dar, dass die Zulässigkeit der Vollstreckung nicht von der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung abhängt (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – NVwZ 2009,122).
4. Der eingetretenen Fälligkeit steht auch der Einwand des Klägers nicht entgegen, die am 28.2.2019 durchgeführte Kontrolle sei unverhältnismäßig gewesen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger nicht die Unverhältnismäßigkeit der hier streitgegenständlichen Zwangsvollstreckung, sondern diejenige der tierschutzrechtlichen Kontrolle rügt. Zwar hat diese Ortseinsicht zu der Feststellung geführt, dass der Kläger Nr. 3.7, 3.16 und 3.17 des Bescheids vom 29.12.2016 nicht enthielt. Das Gericht vermag aber nicht zu erkennen, wie ein etwaiger Verfahrensmangel bei der Feststellung eines Verstoßes auf die streng an Vollstreckungsvoraussetzungen ausgerichtete Frage durchschlagen sollte, ob Zwangsgelder fällig geworden sind oder nicht.
Das Vorgehen der Behörde am 28.2.2019 stellt sich aber ohnehin nicht als unverhältnismäßig dar. Die erneute Überprüfung entsprach vielmehr dem, was die Beteiligten vor dem Güterichter vereinbart hatten. Der Hinweis des Klägers auf seine angeschlagene Gesundheit vermag hieran nichts zu ändern. Denn ein gewerblicher Tierzüchter kann sich notwendigen Kontrollen und behördlichen Maßnahmen nicht unter Verweis auf eigene Unpässlichkeit entziehen. Vielmehr unterliegt er nach § 16 Abs. 1 TierSchG der behördlichen Aufsicht, hat in diesem Rahmen Auskunftspflichten zu erfüllen (§ 16 Abs. 2 TierSchG) und muss amtlichen Kontrollen hinnehmen und sie unterstützen (§ 16 Abs. 3 TierSchG). Wenn er diesen Verpflichtungen selbst vorübergehend nicht nachkommen kann, so werden tierschutzrechtliche Maßnahmen dadurch nicht schlechterdings unverhältnismäßig. Es liegt vielmehr im richtig verstandenen Eigeninteresse des Tierzüchters, in derartigen Fällen durch Benennung eines Vertreters für die geschuldete Kooperation mit der Behörde zu sorgen. Sollte dem Kläger also aus medizinischer Sicht von einer Teilnahme an der Ortseinsicht am 28.2.2019 tatsächlich abzuraten gewesen sein, so erwächst daraus für die Behörde kein Vorwurf.
II.
Demgegenüber hat die Klage im Hilfsantrag hinsichtlich der Nr. 3.7 des Bescheids vom 29.12.2016 Erfolg, weil dem Kläger insoweit ein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß Art. 22, Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG zusteht (dazu 1.). Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen in Nr. 3.16 und 3.17 besteht ein solcher Anspruch hingegen nicht (dazu 2.).
1. In Bezug auf die Verpflichtung zur Schaffung witterungsgeschützter Liegeplätze in den Ausläufen muss der Beklagte die Zwangsvollstreckung einstellen. Gemäß Art. 22 VwZVG sind Vollstreckungsmaßnahmen unter anderem zu beenden, wenn sie für unzulässig erklärt werden (Nr. 1), der zu vollstreckende Verwaltungsakt rechtskräftig aufgehoben wurde (Nr. 2) oder die Verpflichtung offensichtlich erloschen ist (Nr. 3). Allgemein gesprochen erfolgt die Einstellung in Fällen eines später erfolgten Wegfalls von Vollstreckungsvoraussetzungen (Käß in Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2018, Art. 22 VwZVG Rn. 7). Art. 37 Abs. 4 VwZVG konkretisiert dies für die Anwendung der Zwangsmittel dahingehend, dass eine Einstellung zu erfolgen hat, sobald der Vollstreckungsschuldner seiner Verpflichtung nachkommt. Ein anderes gilt gemäß Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG nur im hier nicht einschlägigen Fall, dass einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wurde.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger seine Verpflichtung aus Nr. 1.7 des Bescheids vom 29.12.2016 gegenwärtig erfüllt. Der Kläger hält nach Einlassung seines Bevollmächtigten insgesamt nur noch sechs Hündinnen und drei Rüden. Diese sind nicht im Hundehaus, sondern in gesonderten Ausläufen untergebracht, in denen sich jeweils entweder ein überdachter Zwinger oder Gartenhäuser sowie Kälberboxen befinden. Nach dem Dafürhalten der Kammer kommt der Kläger seiner Verpflichtung, für jeden Hund in den Ausläufen mindestens einen zuverlässig vor Sonne und Regen geschützten Liegeplatz mit wärmegedämmtem Boden vorzuhalten, mit diesen Einrichtungen gegenwärtig nach. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Amtstierärztin, die in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt hat, ob den Hunden die genannten Schutzmöglichkeiten 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen. Hieran hat das Gericht angesichts von deren Gestaltung und aufgrund der Einlassung des Klägers keinen Zweifel.
2. Zwischen den Beteiligten ist demgegenüber unstreitig, dass der Kläger ein Bestands buch nicht führt und dieses auch im Fall von Kontrollen nicht vorzeigen kann. Weil er damit seinen Verpflichtungen aus Nr. 1.16 und 1.17 des Bescheids vom 29.12.2016 nicht nachkommt und auch für einen anderweitigen Wegfall von Vollstreckungsvoraussetzungen nichts ersichtlich ist, besteht im Hinblick auf Nr. 3.16 und 3.17 kein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung.
III.
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Obsiegen des Klägers hinsichtlich einer Zwangsgeldandrohung im Hilfsantrag entspricht es, ihm die Kosten zu 5/6 aufzuerlegen und den Beklagten zur Tragung zu 1/6 zu verpflichten.
IV.
Rechtsgrundlage des Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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