Verwaltungsrecht

Besetzung einer Funktionsstelle nach besserem Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  M 5 E 16.1575

Datum:
3.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG BayLlbG Art. 16 Abs. 1
GG GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

Nach dem Leistungsprinzip ist für die Besetzung einer Stelle der Beamte auszuwählen, der in der aktuellen dienstlichen Beurteilung das bessere Gesamtergebnis erzielt. Erreicht ein Bewerber die höchste eingeführte Bewertungsstufe, ist er besser bewertet als ein Beamter, dessen Beurteilung eine Stufe darunter liegt. Ein Gleichstand der Leistungen kann sich auch nicht aus der Berücksichtigung älterer Beurteilungen ergeben, denn die Heranziehung ältere Beurteilungen ist nur zulässig, wenn nach den aktuellen Beurteilungen Gleichstand besteht. (redaktioneller Leitsatz)
Kriterien wie eine längere Dienstzeit, längeres Innehaben eine Amtes, besondere Fächerkombinationen oder Fortbildungen können bei der Auswahlentscheidung allenfalls dann berücksichtig werden, wenn sich nach dem Gesamtergebnis und der inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen ein Gleichstand der Bewerber ergibt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
er Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin schrieb am 13. Oktober 2014 die Funktionsstelle …(Besoldungsgruppe A 12/Entgeltgruppe 11 TVöD)“ an der … zur Berufsvorbereitung aus.
Der am 3. September 1962 geborene Antragsteller steht als Fachoberlehrer (Besoldungsgruppe A 11) in Diensten der Antragsgegnerin. Er ist als Lehrkraft an der … für … tätig. In einem Leistungsbericht vom 27. November 2015, der den Zeitraum vom 1. August 2012 bis 27. November 2015 abdeckt, erzielte er als Gesamturteil „übertrifft deutlich die Anforderungen“. In der periodischen dienstlichen Beurteilung vom 2. Februar 2014 (Beurteilungszeitraum 1.8.2008 bis 31.7.2012) erhielt er im Amt A 11 ebenfalls das Prädikat „übertrifft deutlich die Anforderungen“.
Der am 6. Juni 1962 geborene Beigeladene steht ebenfalls als Fachoberlehrer (Besoldungsgruppe A 11) in Diensten der Antragsgegnerin. Die Beförderung in dieses Amt erfolgte mit Wirkung zum 1. März 2014. In einem Leistungsbericht vom 19. November 2015 für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. Oktober 2015 erzielte er das Gesamtergebnis „übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“. In der periodischen Beurteilung vom 30. Mai 2013 im Amt A 10 erhielt er das Prädikat „übertrifft deutlich die Anforderungen“.
Der Antragsteller wie der Beigeladene bewarben sich auf die ausgeschriebene Stelle. Mit Besetzungsvermerk vom 11. März 2016 entschied sich die Antragsgegnerin, den Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen. Nach der Beurteilungslage bestehe zwar nach dem aktuellen Leistungsbericht ein Vorteil (besseres Prädikat), nach der periodischen Beurteilung bestehe dieser Vorteil für den Antragsteller (gleiches Prädikat im höheren Statusamt). Daher seien Vorstellungsgespräche durchgeführt worden, nach deren Eindruck sich der Beigeladene als der leistungsstärkere Beamte gezeigt habe.
Mit Schreiben vom 16. März 2016 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass für die umstrittene Stelle der Beigeladene ausgewählt worden sei. Mit Schreiben vom 21. März 2016 legte er hiergegen Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2016, eingegangen bei Gericht am 6. April 2016, hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt beantragt:
Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Stelle „… an der … zur Berufsvorbereitung derzeit, längstens bis zu einer abschließenden, rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens über den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht dauerhaft mit einem anderen Bewerber zu besetzen.
Der Antragsteller sei seit 25 Jahren bei der Antragsgegnerin im Lehrdienst tätig, der ausgewählte Beamte wesentlich kürzer. Vom Anforderungsprofil wie von den bisherigen Leistungsbeurteilungen hätte die Auswahl auf den Antragsteller fallen müssen. Er sei auch von der Fächerverbindung im Vorteil und nehme regelmäßig an Fortbildungen teil, wobei er die Note zwei erhalten habe.
Die Antragsgegnerin hat am 15. April 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach den Ergebnissen der dienstlichen Beurteilungen wie des Auswahlgespräches sei der Beigeladene als leistungsstärkerer Bewerber anzusehen. Dessen Auswahl sei daher rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 18. April 2016 wurde der ausgewählte Beamte zum Verfahren beigeladen. Er hat sich nicht zum Verfahren geäußert und insbesondere keinen Antrag gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d. h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die vom Antragsteller angestrebte Stelle ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 16. März 2016 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U.v. 25.8.1988 – 2 C 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B.v. 28.4.2014 – M 5 E 14.1466) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller allerdings nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d. h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
4. Die Auswahlentscheidung entspricht den dargestellten rechtlichen Maßstäben.
Da der Beigeladene gegenüber dem unterlegenen Beamten einen Leistungsvor-sprung nach dem Gesamtergebnis der dienstlichen Beurteilungen hat, erweist sich die Auswahl des Beigeladenen im Ergebnis als rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei einem Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen besitzt der ausgewählte Beamte einen Leistungsvorsprung um ein Beurteilungsprädikat im Gesamtergebnis (BayVGH, B.v. 5.11.2015 – 3 CE 15.1606 – juris Rn. 36; B.b. 12.10.2015 – 3 CE 15.1637 – juris Rn. 22). Denn der Beigeladene hat im aktuellen Leistungsbericht im selben Statusamt mit dem Endergebnis „übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“ die beste der bei der Antragsgegnerin eingeführten Bewertungen erhalten (Nr. 4.1 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte der Landeshauptstadt München, Stand: 24.11.2011). Demgegenüber bleibt der Antragsteller mit dem Ergebnis „übertrifft deutlich die Anforderungen“ um eine Bewertungsstufe darunter. Es ist für den Leistungsvergleich maßgeblich auf die aktuellen Leistungseinschätzungen abzustellen, da sie die aktuelle dienstliche Leistung abbilden (Nr. D. 2 der Ausschreibungsrichtlinien der Antragsgegnerin). Hinzu kommt, dass diese Leistungsberichte einen Zeitraum von über drei Jahren umfassen. Ihnen kommt daher eine erhebliche Aussagekraft zu.
Wenn die Antragsgegnerin im Vermerk vom 15. Dezember 2015 sowie 11. März 2016 unter Heranziehung der dienstlichen Beurteilungen zum Stichtag 31. Juli 2012 zu einem Leistungsgleichstand kommt, steht das in Widerspruch zum Leistungsprinzip. Denn eine Heranziehung einer älteren dienstlichen Beurteilung ist nur bei einem Gleichstand in den aktuellen Beurteilungen zulässig, nicht jedoch um bei einem Vorsprung im Endergebnis nach der aktuellen Beurteilungslage unter Rückgriff auf eine ältere Beurteilung erst einen Gleichstand zu begründen (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – ZBR 2013, 383, juris 35 ff.). Das ist so wohl auch nicht in Nr. D. 2 der Ausschreibungsrichtlinien der Antragsgegnerin vorgesehen. Zwar kann einem Bewerber, der nicht das beste Gesamturteil des Bewerberfeldes aufweist, der Vorrang eingeräumt werden, wenn er spezifische Anforderungen des Dienstpostens voraussichtlich am besten erfüllt. Dieser Bewerber muss in Bezug auf bestimmte leistungsbezogene Gesichtspunkte, die für die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens von herausragender Bedeutung sind, in besonderem Maße geeignet sein (BayVGH, B.v. 29.10.2014 – 3 CE 14.2073 – RiA 2015, 889, juris Rn. 27). Dazu ist aber im Auswahlvermerk nichts ausgesagt und auch ansonsten nichts ersichtlich. Die fehlerhafte Annahme eines Gleichstands nach dem Vergleich der Beurteilungslage wirkt sich aber im vorliegenden Fall nicht aus, da sich die Antragsgegnerin für den aktuell besser beurteilten Beamten entschieden hat. Das gilt auch für die Durchführung und Bewertung des Vorstellungsgesprächs, da die Auswahl entsprechend der Beurteilungslage erfolgt ist (BayVGH, B.v. 16.9.2011 – 3 CE 11.1132 – juris Rn.44). Soweit die Antragsgegnerin für die Durchführung von Auswahlgesprächen auf Nr. D.2.1 ihrer Ausschreibungsrichtlinien verweist, berücksichtigen diese wohl nicht das durch die aktuelle Rechtsprechung ausgeprägte Verständnis des Leistungsprinzips (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – ZBR 2013, 383, juris Rn. 33 ff.).
Vor diesem Hintergrund hat die Antragsgegnerin zu Recht nicht auf die von der Antragstellerseite im Rahmen dieses Verfahrens eingeführten Gesichtspunkte der längeren Dienstzeit bzw. dem längeren Innehaben des Amtes A 11 abgestellt, ebenso nicht auf besondere Fächerverbindungen oder den Besuch von Fortbildungen. Diese Kriterien könnten – wenn überhaupt – erst dann berücksichtigt werden, wenn sich nach dem Ergebnis der Gesamtbewertung wie einer inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen (hier: Leistungsberichte) ein Gleichstand ergibt (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – ZBR 2013, 383, juris Rn. 33 ff.). Das ist hier aber gerade nicht der Fall.
5. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, dessen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes/GKG.


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