Verwaltungsrecht

Besonderes Rechtsschutzbedürfnis bei Klage auf Asylanerkennung nach Zuerkennung von Flüchtlingsschutz

Aktenzeichen  W 2 K 16.31047

Datum:
26.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 26a, § 27

 

Leitsatz

1 Für den Fall einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage bedarf es einer besonderen Begründung, inwiefern diese dem Kläger einen weiteren Vorteil brächte, wenn ihm bereits Flüchtlingsschutz gewährt wurde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 sind Asylberechtigte und Flüchtlinge weitgehend rechtlich gleichgestellt worden, insbesondere können sich beide Personengruppen auf die Flüchtlingen gewährten Vorteile der Genfer Flüchtlingskonvention berufen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Befindet sich die Familie des Klägers noch in der Türkei und sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass syrische Flüchtlinge in der Türkei politisch verfolgt werden, kann der Kläger auch nach 1,5-monatigem Aufenthalt in der Türkei auf die dort erlangte Verfolgungssicherheit verwiesen werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gem. § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Kläger wurden dazu mit Schreiben vom 2. August 2016 gehört. Für die Beklagte war – aufgrund der allgemeinen Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 mit Ergänzungen vom 24. März 2016 – eine Anhörung entbehrlich.
Die Klage ist zum gem. §§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.
Die Klage ist schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, so dass dahinstehen kann, ob die als bloße Anfechtungsklage erhobene Klage überhaupt statthaft ist. Für den Fall einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass – wurde zugleich unionsrechtlicher Flüchtlingsschutz gewährt – es einer besonderer Begründung bedarf, inwiefern die gerichtliche Weiterverfolgung des Asylbegehrens mit dem Ziel der (zusätzlichen) Anerkennung als Asylberechtigten den Kläger einen weiteren Vorteil brächte (vgl. BVerwG, B.v. 16. September 2015 – 1 B 36/15 – juris). Der Gesetzgeber hat mit dem Zuwanderungsgesetz von 2004 Asylberechtigte und Flüchtlinge rechtlich weitgehend gleichgestellt, so dass der Unterscheidung keine erhebliche praktische Bedeutung mehr zukommt, insbesondere können sich beide Personengruppen auf die einem Flüchtling gegenüber anderen Ausländern in der Genfer Flüchtlingskonvention gewährten Vorteile berufen. Hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Folgen sind Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, ebenfalls gleichgestellt (vgl. etwa § 5 Abs. 3, § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und § 29 Abs. 2 AufenthG bezüglich Erleichterungen beim Familiennachzug). Auch für das Familienasyl und den Familienflüchtlingsschutz bestehen nach § 26 AsylVfG inzwischen keine Unterschiede mehr. Bei dieser Sachlage obliegt es – so die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – den Klägern darzulegen, welche weitergehenden Vorteile ihnen die begehrte Asylanerkennung brächte. Andernfalls wäre es eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte, wenn diese trotz des vom Bundesamt gewährten Flüchtlingsschutzes über die Asylanerkennung sachlich entscheiden müssten. Dies zu verhindern ist Zweck der Sachurteilsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1998 – 9 C 1.97 – BVerwGE 106, 339 /340 f.). Da trotz eines entsprechenden richterlichen Hinweises das besondere Rechtsschutzinteresse nicht begründet wurde, ist die Klage bereits unzulässig.
Sie ist darüber hinaus auch unbegründet. Selbst wenn man der Argumentation des Klägerbevollmächtigten insoweit folgend würde, dass aufgrund eines Selbsteintritts der Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31) die Voraussetzungen von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 (europarechtliche Zuständigkeit) vorliegen würden, würde dies zwar dazu führen, dass § 26a auf das Asylverfahren der Kläger in Bezug auf die sicheren Drittstaaten nicht anzuwenden wäre. Die Unzulässigkeit (nur) des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte ließe sich dann jedoch aufgrund der Verfolgungssicherheit in der Türkei auf § 27 Abs. 1 AsylG stützen. Zwar kann dabei nicht auf die Vermutungswirkung des § 27 Abs. 3 AsylG zurückgegriffen werden, denn die Kläger haben sich nur 1,5 Monate in der Türkei aufgehalten. Jedoch befindet sich die Familie der Kläger noch in der Türkei und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass syrische Flüchtlinge in der Türkei politisch verfolgt werden. Da die Klage jedoch bereits wegen Fehlens des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, kommt es darauf im gerichtlichen Verfahren nicht weiter an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gerichtsverfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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