Verwaltungsrecht

Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage

Aktenzeichen  9 ZB 20.32154

Datum:
17.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32787
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, § 80, § 83b

 

Leitsatz

Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.40560 2020-09-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2020 – 9 ZB 20.31403 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Soweit dem Zulassungsvorbringen, mit dem keine konkrete Frage formuliert wird, entnommen werden kann, dass die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daran anknüpfen lassen will, dass bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage die jeweiligen Umstände, wie das Bestehen einer Traumatisierung und/oder eines Zwiespalts zwischen Konventionen und eigenem Verhalten, sowie deren Auswirkungen auf das Aussageverhalten zu berücksichtigen seien, und es deshalb zu kurz greife, nur auf angebliche Widersprüche zwischen dem Protokoll des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und den Äußerungen in der mündlichen Verhandlung zurückzugreifen, ist schon die Entscheidungserheblichkeit einer entsprechenden Fragestellung nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag der Klägerin, sie sei lesbisch, als unglaubhaft gewertet. Dabei hat es gewürdigt, dass die verheiratete Klägerin, die Mutter zweier Kinder ist, zu dem Prozess der Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen in Uganda, wonach gleichgeschlechtliche Sexualität abgelehnt werde, trotz des damit verbundenen Tabubruchs, nichts vorgetragen habe. Zudem habe die Klägerin erstmals vor Gericht angegeben, dass ihr Ehemann sie und ihre Freundin überrascht sowie entdeckt habe, und sie habe auch den Beginn der Beziehung zu ihrer Freundin beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung unterschiedlich datiert (2006 bzw. 2007 im Rahmen einer Ausbildung in Physiotherapie). Die Behauptung, dies sei beim Bundesamt nicht richtig aufgenommen worden, verfange im Hinblick auf die dortige Rückübersetzung des Anhörungsprotokolls nicht. Anhaltspunkte für eine Traumatisierung der Klägerin oder dafür, dass sie wegen eines Zwiespalts zwischen den gesellschaftlichen Konventionen in Uganda und ihrer sexuellen Orientierung in ihrem Aussageverhalten gehemmt gewesen sei, was beides mit dem Zulassungsvorbringen aufgeworfen aber nicht substantiiert oder gar belegt wird, sind der Bundesamtsakte und der Akte des Verwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausgeführt, dass sie eben so veranlagt sei und in ihrer sexuellen Orientierung keine Straftat sehe.
Die angesprochene Fragestellung ist jedenfalls nicht allgemein klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2005 – 1 B 10.05 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 9 ZB 17.30411 – juris Rn. 6 m.w.N.). Auch in schwierigen Fällen ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, den Beweiswert einer Aussage selbst zu würdigen. Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 – 1 B 118.01 – juris Rn. 3). In welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvortrag oder seine Prüfung zu erfolgen hat, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten. Dies ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2019 – 9 ZB 19.31644 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben