Verwaltungsrecht

Bewilligung, Abschiebung, Asylantrag, Prozesskostenhilfe, Bescheid, Beiordnung, Berufung, Asyl, Anfechtungsklage, Ausreisefrist, Zulassung, Aufhebung, Vollziehung, Anordnung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  Au 6 S 21.2604; Au 6 S 21.2602

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10615
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Den Klägern und Antragstellern wird hinsichtlich der Ziffern 2, 3 und 6 des Bescheids des Landratsamts … vom 23. Dezember 2021 Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Beiordnung von, gewährt und im Übrigen der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass die Klägerbevollmächtigte ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat, werden nicht erstattet.
II. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
III. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Kläger) begehren mit ihrer Klage die Aufhebung eines Bescheids des Beklagten und Antragsgegners (im Folgenden: Beklagter), der u.a. ihre Vorspracheverpflichtung vor einem Generalkonsulat anordnet, die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hiergegen sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jeweils für das Klage- und Eilantragsverfahren.
I.
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Ihre am 7. August 2018 gestellten Asylanträge wurden am 12. September 2018 abgelehnt; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 3. Mai 2021 ab (24 ZB 21.30301). Am … 2018 wurde die Tochter der Kläger geboren. Ihr seit 29. Januar 2019 als gestellt geltender Asylantrag wurde mit Bescheid vom 26. Februar 2019 abgelehnt. Zugleich wurde auch die Tochter aufgefordert, innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung angedroht. Der Bescheid erwuchs am 15. März 2019 in Bestandskraft (vgl. VG Augsburg, B.v. 20.9.2021 – Au 6 K 21.1838 und Au 6 S 21.1839).
Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 wurde der Kläger zu 1) vom Beklagten über die Mitwirkungspflichten bei Vollziehbarkeit der Ausreise belehrt und u.a. dazu aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. August 2021, bei der Auslandsvertretung des Heimatlandes (Botschaft/Konsulat) vorzusprechen und einen Pass für seine Tochter zu beantragen (vgl. Behördenakte Bl. 2 ff.).
Mit Schreiben des Beklagten vom 16. Dezember 2021 wurden die Kläger hinsichtlich einer beabsichtigten Anordnung zur Vorsprache bei der Vertretung des Heimatlandes angehört; ein Antrag auf Verlängerung der Anhörungsfrist wurde am 20. Dezember 2021 mit der Begründung abgelehnt, dass eine Vorsprache beim Konsulat ohne Termin nur im Dezember erfolgen könne.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 2021 verpflichtete der Beklagte die Kläger, bei dem türkischen Generalkonsulat persönlich zu erscheinen, um einen Pass oder Passersatz, der zur Rückkehr in ihr Heimatland berechtige, für deren Tochter zu beantragen (Ziffer 1), forderte sie in Vollziehung der Anordnung nach Ziffer 1 dazu auf, sich im Dezember 2021 unter der Woche zwischen 12:00 und 14:30 Uhr unter Angabe eines bestimmten Namens beim türkischen Generalkonsulat in … einzufinden und ein Heimreisedokument zu beantragen (Ziffer 2), drohte bei Nichtnachkommen der Aufforderung nach Ziffer 2 bzw. Nichtgenügen der in Ziffer 1 festgelegten Mitwirkungspflicht eine zwangsweise Durchsetzung der Verpflichtung unter Ziffer 1 zu einem weiteren Termin an (Ziffer 3), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 3 an (Ziffer 4), verpflichtete die Kläger zur unverzüglichen Übergabe des ausgestellten Heimreisedokuments an die Ausländerbehörde (Ziffer 5) und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 400 Euro an, falls die Kläger der unter Ziffer 5 genannten Verpflichtung nicht bis spätestens eine Woche nach Erhalt des Dokuments nachkämen (Ziffer 6).
Hiergegen ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 30. Dezember 2021 Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2021, Az. …, eingegangen am 29. Dezember 2021, aufzuheben.
Zugleich ließen sie beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2021, Az. …, wiederherzustellen.
Für die Klage und den Eilantrag ließen die Kläger jeweils die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten beantragen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid bereits aus formellen Gründen rechtswidrig sei, da die zweitägige Anhörungsfrist zu kurz bemessen sei. Ferner lägen die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG nicht vor, da der Bescheid des Beklagten am 29. Dezember 2021 in Urlaubsabwesenheit der Klägerbevollmächtigten eingegangen sei, weshalb er den Klägern nicht wirksam habe zugestellt werden können. Damit fehle es bereits an der Bekanntgabe des Bescheides. Die Verpflichtung unter Androhung der zwangsweisen Durchsetzung zur Vorsprache beim Konsulat im Dezember 2021 sei rechtswidrig, da die Kläger einen Termin zur Beantragung des Passes für ihre Tochter am 18. März 2022 bereits lange im Voraus vereinbart hätten. Dies sei der frühestmögliche Termin, den das Konsulat habe vergeben können. Weiter lägen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vor. Für die Erfüllung der Verpflichtung nach Ziffer 1 des Bescheids sei keine angemessene Frist im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG eingeräumt worden. Zudem seien die Voraussetzungen des Art. 34 VwZVG nicht gegeben. Die Verpflichtung zur Vorsprache im Dezember 2021 zwischen 12:00 und 14:30 Uhr sei zu unbestimmt und die faktisch eingeräumte Zeit zur Vorbereitung der Vorsprache unzumutbar kurz bemessen. Es sei nicht ausgeführt worden, dass nicht mildere Mittel als die Anwendung unmittelbaren Zwanges in Betracht kämen; auch sei die Androhung der zwangsweisen Vorführung unverhältnismäßig, da zugleich ein Zwangsgeld festgesetzt worden sei. Die Kläger seien ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen, da sie einen Termin zur Passbeschaffung vereinbart hätten, den sie wahrnehmen würden.
Der Beklagte beantragt Antragsablehnung und Klageabweisung.
Unter Vertiefung der Bescheidsbegründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, eine nicht unverzüglich durchgeführte Information der Kläger im Hinblick auf das Anhörungsschreiben liege im Verschulden der Prozessbevollmächtigten. Eine Verpflichtung zur Verlängerung einer Anhörungszeit aufgrund privater Gründe der Prozessbevollmächtigten sei rechtlich nicht vorgeschrieben. Der Bescheid vom 23. Dezember 2021 sei am selben Tag per Fax im Empfangsbereich der Bevollmächtigten eingegangen und nicht wie angegeben erst am 29. Dezember 2021. Die Kläger hätten aufgrund einer Reise gegen die Pflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG verstoßen, weshalb die Klägerseite die angegebene verspätete Zustellung und die angebliche Unmöglichkeit der Äußerung selbst zu vertreten hätten. Mit Schreiben vom 10. Juni 2021 sei die Klägerseite auf die Passpflicht aller Familienmitglieder hingewiesen worden. Eine am 5. Juli 2021 unterzeichnete Belehrung über die Mitwirkungspflichten bei Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht habe die Aufforderung enthalten, unverzüglich, jedoch spätestens bis zum 31. August 2021, bei einer türkischen Auslandsvertretung vorzusprechen und einen Pass für die Tochter der Kläger zu beantragen. Dieser Aufforderung sei die Klägerseite nicht nachgekommen. Nach Rücksprache mit dem türkischen Generalkonsulat sei ein früherer Termin zu jeder Zeit möglich gewesen. Ausgehend von der Zustellung des Bescheids am 23. Dezember 2021 wäre die Erfüllung der Verpflichtung des Bescheides im Dezember noch in vier Werktagen möglich gewesen.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2022 teilte der Beklagte mit, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 23. Dezember 2021 zurückgenommen wird. Mit Schreiben vom 27. Januar 2022 legte die Klägerbevollmächtigte vollständig ausgefüllte Prozesskostenhilfeunterlagen vor.
Mit Schreiben des Gerichts vom 8. Februar 2022 wurde auf die zwischenzeitlich erfolgte Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids hingewiesen (vgl. Gerichtsakte Bl. 80).
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von dem Beklagten vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Eilantrags sowie das Klageverfahren ist diese hinsichtlich der Ziffern 2, 3 und 6 des Bescheides vom 23. Dezember 2021 zu gewähren und im Übrigen abzulehnen.
Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Eyermann, a.a.O., Rn. 38).
Mit Vorlage der vollständig ausgefüllten Prozesskostenhilfeunterlagen am 27. Januar 2022 ist Bewilligungsreife eingetreten, nachdem auch die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2022 – 10 C 22.273 – juris Rn. 11). Zu diesem Zeitpunkt war der Klägerbevollmächtigten die Mitteilung des Beklagten bezüglich der Aufhebung des Bescheids vom 23. Dezember 2021 noch nicht zugegangen.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilantragsverfahren ist hinsichtlich der Ziffern 2, 3 und 6 des Bescheids vom 23. Dezember 2021 erfolgreich und im Übrigen erfolglos. Im Einzelnen:
a) Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 und 6 des Bescheids zulässig.
b) Nach summarischer Prüfung bestehen hinsichtlich der in Ziffer 1 des Bescheids vom 23. Dezember 2021 angeordneten und für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtung der Kläger zum persönlichen Erscheinen und zur Beantragung eines Reisepasses für die Tochter voraussichtlich keine rechtlichen Bedenken.
aa) Die Sofortvollzugsanordnung ist im Zeitpunkt der Bewilligungsreife nicht zu bean standen; insbesondere liegt aufgrund der durch den Beklagten hervorgehobenen Weigerung hinsichtlich der Befolgung der Mitwirkungspflichten eine den konkreten Einzelfall betreffende Begründung vor.
bb) Nach summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Bewilligungsreife ist die Verpflich tung nach Ziffer 1 des Bescheids vom 23. Dezember 2021 rechtmäßig. Im Rahmen einer Interessenabwägung liegt kein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Kläger vor:
Rechtsgrundlage einer solchen Pflicht zum persönlichen Erscheinen und zur Passbeantragung ist § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Die gesetzlichen Vertreter des minderjährigen passlosen Kindes sind insoweit verpflichtet, die erforderlichen Anträge auf Erteilung eines Passes bzw. Passersatzes zu stellen (§ 80 Abs. 4 AufenthG), um der in § 3 Abs. 1 AufenthG statuierten Passpflicht im Bundesgebiet nachzukommen. Der Kläger zu 1) wurde bereits am 5. Juli 2021 über die bestehende Passpflicht durch den Beklagten belehrt und dazu aufgefordert, unverzüglich, jedoch spätestens bis zum 31. August 2021, bei der Auslandsvertretung seines Heimatlandes vorzusprechen sowie einen Pass für seine Tochter zu beantragen (vgl. Behördenakte Bl. 2 ff.). Ein solcher Termin sei durch die Kläger erst zum 18. März 2022 beim türkischen Generalkonsulat vereinbart worden. Vor dem Hintergrund, dass nach Informationen des Landesamtes für Asyl und Rückführungen Vorsprachetermine beim Generalkonsulat jedenfalls auch im Dezember 2021 möglich gewesen seien und laut Angaben des türkischen Generalkonsulats ein früherer Termin zu jeder Zeit möglich gewesen wäre, ist klägerseits nicht hinreichend substantiiert dargetan oder anderweitig ersichtlich, weshalb ein solcher Termin erst für März 2022 vereinbart wurde. Die Verpflichtung zu einem früheren persönlichen Erscheinen beim türkischen Generalkonsulat ist danach voraussichtlich nicht unverhältnismäßig. Ermessensfehler sind im Zeitpunkt der Bewilligungsreife nicht ersichtlich oder anderweitig hinreichend substantiiert vorgetragen.
c) Hingegen bestehen nach summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Bewilligungsreife Bedenken hinsichtlich der in Ziffer 2 des Bescheids angeordneten Pflicht, sich im Dezember 2021 im türkischen Generalkonsulat einzufinden und ein Heimreisedokument für die Tochter der Kläger zu beantragen. Insoweit überwiegt im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Kläger das öffentliche Vollzugsinteresse:
Zum einen ist bereits fraglich, ob eine solche Verpflichtung im Zeitraum vom 29. Dezember 2021 bis zum 31. Dezember 2021 durch die Kläger in zeitlicher Hinsicht angemessen ist. Der Bescheid mit der entsprechenden Verpflichtung ist erst am 29. Dezember 2021 der Klägerbevollmächtigten zugestellt worden (vgl. Behördenakte Bl. 35 f.); die vorherige Übersendung am 23. Dezember 2021 per Telefax ohne Empfangsbekenntnis (vgl. Behördenakte Bl. 25 f.) an die Klägerbevollmächtigte genügt insoweit nicht dem Zustellungserfordernis aus Art. 36 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwZVG, Art. 5 Abs. 4 VwZVG. Im Übrigen hat der Beklagte seit dem Ablauf des Monats Dezember 2021 weder hinreichend substaniiert dargetan, ob eine solche Vorsprachemöglichkeit weiterhin möglich ist, noch ist dies anderweitig ersichtlich.
d) Ziffer 3 des Bescheids begegnet nach summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Be willigungsreife ebenfalls rechtlichen Bedenken, da insoweit im Bescheidstenor kein konkretes Zwangsmittel angedroht wurde (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) und § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG keine vollstreckungsrechtliche Spezialvorschrift darstellt, die einen Rückgriff auf allgemeine vollstreckungsrechtliche Vorschriften ausschließt, weshalb auf die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Landesrechts zurückzugreifen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 5.6.2014 – OVG 3 S 71.13 – juris Rn. 4, 8). Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung im Zeitpunkt der Bewilligungsreife überwiegt danach das Aussetzungsinteresse der Kläger ebenfalls das öffentliche Vollzugsinteresse.
e) Im Hinblick auf Ziffer 5 des Bescheides ist bereits keine sofortige Vollziehung ange ordnet (vgl. Ziffer 3 des Bescheids vom 23. Dezember 2021), weshalb die am 30. Dezember 2021 erhobene Anfechtungsklage insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bereits unstatthaft ist.
f) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte im Zeitpunkt der Be willigungsreife auch im Hinblick auf das in Ziffer 6 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld voraussichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt, da es insoweit nach summarischer Prüfung mangels sofortiger Vollziehbarbarkeit bzw. Bestandskraft der in Ziffer 5 des Bescheids angeordneten Verpflichtung an einer allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung mangelt (Art. 19 Abs. 1 VwZVG).
2. Im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. dazu oben) hat die Klage nach summari scher Prüfung gegen die Ziffern 2, 3 und 6 des Bescheids voraussichtlich Erfolg. Hinsichtlich der aus den Ziffern 1 und 5 bestehenden Verpflichtungen bestehen umgekehrt im Zeitpunkt der Bewilligungsreife voraussichtlich keine Bedenken; insbesondere folgt eine Vorlagepflicht der Kläger bezüglich des Passes deren minderjähriger Tochter (§ 80 Abs. 4 AufenthG) aus § 48 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 56 AufenthV sowie die Befugnis zur Verwahrung des Dokuments durch den Beklagten aus § 50 Abs. 5 AufenthG.
3. Die Mittellosigkeit der Kläger ergibt sich aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. zur Berechnung das nur im Prozesskostenhilfeakt enthaltene Berechnungsblatt).
4. Die Beiordnung der Rechtsanwältin als Bevollmächtigte folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.
Der Ausschluss der Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass ein Bevollmächtigter seinen Kanzleisitz nicht im Bezirk des Verwaltungsgerichts Augsburg unterhält, ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO (BayVGH, B.v. 5.3.2010 – 19 C 10.236 – juris Rn. 6 f.), da der Kanzleisitz in … liegt.
III.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag mangels Statthaftigkeit unzulässig geworden, da der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021 mitgeteilt hat, dass der Bescheid vom 23. Dezember 2021 zurückgenommen wird. Auf dieses Schreiben wurde durch das Gericht mit Schreiben vom 8. Februar 2022 hingewiesen.


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