Verwaltungsrecht

Bußgeld wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise

Aktenzeichen  S 38 KA 112/18

Datum:
9.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29100
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
Satzung der KVB § 18 Abs. 3
SGB V § 81 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Aufgrund der Feststellungswirkung von bestandskräftigen Entscheidungen der Prüfungsstelle können später im Rahmen eines Disziplinarverfahrens vorgetragene Praxisbesonderheiten und/oder kausal-kompensatorische Einsparungen nicht mehr berücksichtigt werden.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Antragsfrist für eine Disziplinarmaßnahme nach § 18 der Satzung der KVB (§ 18 Abs. 1 und Abs. 3) beginnt bei einer Pflichtverletzung, die sich in mehreren zeitlichen Abschnitten manifestiert, mit dem Zeitpunkt der Bestandskraft des Kürzungsbescheides. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Disziplinarausschusses vom 21.02.2018 ist als rechtmäßig anzusehen. Rechtsgrundlage für die die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße über EUR 3.000 ist § 81 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 18 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Danach kann bei Verletzung vertragsärztlicher Pflichten je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, ein Verweis oder eine Geldbuße bis zu EUR 10.000.-(alte Rechtslage) oder das Ruhen der Zulassung bzw. der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu 2 Jahren ausgesprochen werden.
Die Behandlungsweise des Klägers wurde über einen längeren Zeitraum hinweg (Quartale 2/09-4/12 mit Ausnahme des Quartal 1/10) im Rahmen mehrerer Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht. Die Prüfungsstelle kam jeweils zu dem Ergebnis einer Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise in den Leistungsgruppen 2 (Besuche, Visiten) und 4 (Wegepauschalen). Deshalb wurde in den Quartalen 2/09 und 3/09 schriftlich beraten und in den übrigen Quartalen Kürzungen in Höhe von insgesamt 123.124,13 EUR ausgesprochen. Da seitens des Klägers gegen die hierzu ergangenen Bescheide keine Widersprüche eingelegt wurden, trat Bestandskraft ein.
Aufgrund der Feststellungswirkung der bestandskräftigen Entscheidungen der Prüfungsstelle können später im Rahmen eines Disziplinarverfahrens vorgetragene Praxisbesonderheiten und/oder kausal-kompensatorische Einsparungen nicht berücksichtigt werden (vgl. BayLSG, Urteil vom 06.03.2002, Az. L 12 KA 15/01). Der Disziplinarausschuss konnte daher die von der Prüfungsstelle getroffenen Tatsachenfeststellungen übernehmen und von einer Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers ausgehen. In dem Zusammenhang ist es ohne Belang, aus welchen Gründen – vorgetragen wird, der Kläger habe darauf verzichtet, Widersprüche einzulegen, weil seine ärztlichen Tätigkeiten im Vordergrund stünden – klägerseits keine weitere Klärung versucht wurde. Im Übrigen bezieht sich der Großteil des klägerischen Vorbringens, insbesondere die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten (Betreuung von Heimpatienten) auf einen Zeitraum (Jahre 2014 ff.), der vom Zeitraum, der dem Disziplinarverfahren zugrunde lag (Quartale bis 4/12), nicht erfasst ist. Eine Berücksichtigung dieser Besonderheiten konnte daher weder im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, erst recht nicht im Rahmen des Disziplinarverfahrens stattfinden.
Der ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme stehen auch nicht die in § 18 der Satzung der KVB (§ 18 Abs. 1 und Abs. 3) enthaltenen Antragsfristen entgegen. Denn es handelt sich, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, um eine Pflichtverletzung, die sich in mehreren zeitlichen Abschnitten manifestiert, so dass für die Fristberechnung der Zeitpunkt der Bestandskraft des Kürzungsbescheides für das Quartal 4/12 (04.11.2016) maßgeblich ist.
Für das Gericht steht folglich fest, dass eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vorliegt, die auch als schuldhaft anzusehen ist.
Die Beklagte hat auch umfangreich ausgeführt, warum sie zur Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 3.000.- EUR gelangte. Sie ist in einen umfangreichen Abwägungsprozess eingetreten, in dem Aspekte, die zugunsten des Klägers anzuführen sind, in gleichem Maße gewürdigt wurden wie Aspekte, die zu seinen Ungunsten sprechen. Angesichts des langen Zeitraums unwirtschaftlichen Verhaltens und angesichts der des Umfangs der Honorarkürzungen erscheint die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme auf jeden Fall verhältnismäßig und angemessen. In dem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass § 18 Abs. 1 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sogar Geldbußen bis zu einer Höhe von 10.000.- EUR (Satzung a.F.; nunmehr sogar bis zu EUR 50.000,- Satzung n.F.) vorsieht. Die Geldbuße in Höhe von 3.000.-EUR befindet sich somit im unteren Drittel des in der Satzung vorgesehen Rahmens und kann deshalb nur als moderat bezeichnet werden.
Für weitere Ausführungen des Gerichts bestand keine Veranlassung, da trotz mehrfacher Erinnerung an die Klagebegründung diese nicht abgegeben wurde und das Gericht der Begründung des Disziplinarbescheides vom 18.04.2018 folgt. Es macht daher von der Möglichkeit Gebrauch, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass der erneuten Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in seinem Schriftsatz vom 08.10.2019, es möge das Ruhen des Verfahrens angeordnet werden, nicht gefolgt werden konnte. Zum einen musste der Prozessbevollmächtigte aufgrund der Einlassungen der Beklagten davon ausgehen, dass diese ihre für das Ruhen des Verfahrens nach § 202 SGG i.V.m. § 251 ZPO erforderliche Zustimmung nicht abgeben wird. Konkrete Anhaltspunkte, anzunehmen, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen Gründen die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zweckmäßig ist, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 05.06.2019 mit guten Argumenten dargestellt, weshalb sie eine „außergerichtliche Gesamtlösung“ für „nicht vorstellbar“ erachtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.


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