Verwaltungsrecht

Chinesischer Staatsangehöriger, Spezialitätenkoch, Fiktionswirkung, Visumsverfahren, Zumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens

Aktenzeichen  M 25 S 21.2428

Datum:
5.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26079
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
AufenthG § 19c
BeschV § 11 Abs. 2
AufenthG § 81 Abs. 4
AufenthG § 60a
AufenthG § 5 Abs. 2
AufenthV § 39 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ablehnung seiner Aufenthaltserlaubnis, die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot von zwei Jahren anzuordnen.
Der Antragsteller ist chinesischer Staatsangehöriger. Er reiste in der Vergangenheit mehrmals in das Bundesgebiet ein, um hier als Koch für chinesische Spezialitäten zu arbeiten. Letztmals reiste er am 15. Februar 2020 mit einem entsprechenden Visum nach § 19c Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 BeschV zur Ausübung der Tätigkeit als Spezialitätenkoch im Restaurant … … … GmbH in H … ein. Das Visum besaß eine Gültigkeit vom 1. Februar 2020 bis 21. Februar 2020 und war auf die Beschäftigung im o.g. Restaurant beschränkt.
Die Stadt H … stellte am 24. Februar 2020 eine bis 23. Juni 2020 gültige Fiktionsbescheinigung mit der Auflage der Erlaubnis der Beschäftigung als Spezialitätenkoch nach § 11 Abs. 2 BeschV im Restaurant … H. … GmbH aus. Zugleich forderte sie den Antragsteller mit Schreiben vom 24. Februar 2020, 6. Juli 2020 und 14. Oktober 2020 zur Vorsprache bzw. Zusendung von Unterlagen auf. Das Schreiben vom 14. Oktober 2020 kam als unzustellbar zurück.
Mit E-Mail vom 3. September 2020 teilte der Geschäftsführer der … … … GmbH der Stadt H … mit, dass der Antragsteller seinen Arbeitsvertrag zum 10. September 2020 gekündigt habe. Die ihm zur Verfügung gestellte Wohnung habe der Antragsteller geräumt.
Mit Schreiben vom … Dezember 2020 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er arbeite inzwischen im China-Restaurant … … in R …
Daraufhin stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung bis 3. April 2021 mit der Auflage der Beschäftigung bei … … in R … aus, die bis 3. Juni 2021 verlängert wurde.
Am 15. Februar 2021 teilte die Arbeitgeberin dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller wieder arbeitsfähig sei und sie ihn einstelle, sobald das Restaurant wieder öffnen dürfe.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 erteilte die Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung zu einer Beschäftigung (Arbeitgeberwechsel) nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 BeschV als Spezialitätenkoch bei … … in R …
Nach Anhörung des Antragstellers lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20. April 2021 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 16. Dezember 2020 ab (Ziff. 1) und forderte diesen zur Ausreise bis 15. Mai 2021 auf (Ziff. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach China oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Ziff. 3). Für den Fall der Abschiebung wurde ein zweijähriges Einreise- und Aufenthaltsverbot festgesetzt (Ziff. 5).
Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 BeschV könne nicht erteilt werden, da die Arbeitgeberin des Antragstellers mitgeteilt habe, dass wegen der derzeitigen Coronaschließung keine Einstellung erfolgen könne.
Eine Arbeitsaufnahme habe nicht stattgefunden. Zudem lägen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor. So sei der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und der Antragsteller sei nicht mit dem entsprechenden Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 AufenthG). Das Visum aus 2020 sei abgelaufen und sei nur für eine Beschäftigung für ein bestimmtes Restaurant in H … erteilt worden. Vom Visumsverfahren könne auch nicht abgesehen werden.
Mit Schreiben vom … April 2021 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. April 2021.
Beim Verwaltungsgericht München beantragte er mit Schreiben vom … Mai 2021,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 29. April 2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. April 2021 anzuordnen.
Zur Begründung des Antrags wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsteller sich bereits von 1996 bis 1999, von 2002 bis 2005 und von 2012 bis 2016 als Spezialitätenkoch im Bundesgebiet aufgehalten habe. Gleichwohl verfüge der Antragsteller über keine brauchbaren Deutschkenntnisse. Die Kommunikation mit der Ausländerbehörde übernähme üblicherweise der Arbeitgeber. Das Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber in H … sei coronabedingt kurz nach Antritt erheblich gestört gewesen. Der Antragsteller habe nur einen Teil seines Lohnes bekommen. Schließlich habe der Antragsteller zum 10. September 2020 gekündigt.
Da der Arbeitgeber die gesamte Kommunikation mit der Stadt H … übernommen habe, könne dem Antragsteller kein Vorwurf gemacht werden, dass er Termine nicht wahrgenommen habe. Der Antragsteller habe sich auf die Suche nach einer anderen Arbeitsstelle gemacht und sei in R … im Restaurant „… …“ fündig geworden, weil dort zu diesem Zeitpunkt die Außengastronomie noch geöffnet hatte. Der Antragsteller sei seit 8. Februar 2021 wieder arbeitsfähig. Da das Restaurant einen coronakonformen Abholservice anbiete und kein anderer Koch zur Verfügung stünde, sei das Restaurant dringend auf den Antragsteller angewiesen. Der Lebensunterhalt sei bei freier Kost und Logis gesichert.
Mit Schreiben vom … Mai 2021 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München Klage (M 25 K 21.2516) gegen den Bescheid vom 20. April 2021.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2021 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Die Stadt H … habe den Antragsteller mehrfach zur Vorsprache und Antragstellung aufgefordert. Dieser Aufforderung sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Auch wenn der Antragsteller über keine Deutschkenntnisse verfüge, so liege es gleichwohl in seinem Verantwortungsbereich, sich um seinen Aufenthaltstitel zu kümmern.
In der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Tätigkeit bei … … in R … liege keine Zusage in der Erteilung eines Aufenthaltstitels. Auch die Einwände des Antragstellers, er müsse durch seine Arbeit seine Familien in China unterstützen und habe für das vorangegangene Visumsverfahren erhebliche Kosten aufgewendet führen nicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 25 K 21. 2516 sowie die Behördenakte Bezug genommen.
II.
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides vom 20. April 2021 unzulässig, hinsichtlich der Ziffern 2-4 zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides) ist unzulässig.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 AufenthG ist nur statthaft, wenn die Antragsablehnung zum Erlöschen der Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führt und der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig wird. Löst ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung aus, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen anzustreben (vgl. VGH BW, B.v. 20.9.2018 – 11 S 1973/18 – beckonline Rn. 13).
Vorliegend hat der Antragsteller erstmals am 16. Dezember 2020 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Diesem Antrag kommt keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG zu.
Gem. § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt.
Der Antragsteller reiste am 15. Februar 2020 mit einem vom 1. Februar 2020 bis 21. Februar 2020 gültigen Visum zur Beschäftigung nach § 6 Abs. 3 AufenthG ein. Der Antragsteller befand sich damit im Besitz eines bis 21. Februar 2020 gültigen Aufenthaltstitels, § 4 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Jedoch hat der Antragsteller bis 21. Februar 2020 keinen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels bei der Stadt H … gestellt. Ein solcher Antrag findet sich in der Behördenakte nicht. Auch der Bevollmächtigte des Antragstellers hat einen solchen nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr ergibt sich aus den mehrfachen Schreiben der Stadt H …, dass der Antragsteller keinen Antrag gestellt hat. Auch der Umstand, dass die Stadt H dem Antragsteller gleichwohl am 24. Februar 2021 – also nach Ablauf des Visums – eine bis 23. Juni 2020 gültige Fiktionsbescheinigung ausgestellt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da eine Fiktionsbescheinigung nur eine deklaratorische und keine konstitutive Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2020 – 10 CE 20.1914; 10 CS 20.1915 – beckonline BeckRS 2020, 24613 Rn. 24; BayVGH, B.v. 21.6.2013 – 10 CS 13.1002 – beckonline BeckRS 2013, 53428 Rn. 13; Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 81 AufenthG, Rn. 35f.)
Bei der Antragstellung am 16. Dezember 2020 war das Visum bereits seit fast 10 Monaten erloschen, § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Eine Entscheidung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, wonach die zuständige Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte im Falle der verspäteten Beantragung die Fortgeltungsfiktion anordnen kann, hat die Antragsgegnerin nicht getroffen. Sie ist auch nicht in den von der Antragsgegnerin ausgestellten Fiktionsbescheinigungen vom 4. Januar 2021 und 1. April 2021 zu sehen. Im Übrigen wäre für das Vorliegen einer solch unbilligen Härte nichts ersichtlich. Der Antragsteller hat hierfür bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen wäre. Der Antragsteller war zuvor schon in Deutschland und hat das Prozedere bereits mehrfach mitgemacht. Bei fehlenden Sprachkenntnissen und daraus resultierenden Schwierigkeiten im Umgang mit deutschen Behörden fällt es vielmehr in die Sphäre des Antragstellers, sich Unterstützung bei Rechtsanwälten oder anderen Vertrauenspersonen zu suchen.
Eine Fiktionswirkung ergibt sich auch nicht aus § 81 Abs. 3 AufenthG. Danach gilt der Aufenthalt eines Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.
Der Antragsteller hielt sich jedoch im Zeitpunkt der Antragstellung am 16. Dezember 2020 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Insbesondere verschafften ihm die von der Stadt H … und der Antragsgegnerin ausgestellten Fiktionsbescheinigungen keinen rechtmäßigen Aufenthalt (s.o.). Unabhängig davon war sie nur bis 23. Juni 2021 gültig.
Nach alldem hat die Ablehnung des Antrags vom 16. Dezember 2020 nicht zum Erlöschen einer Fiktionswirkung geführt. Damit ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft.
2. Bezüglich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 und 3 des Bescheides) ist der Antrag statthaft, aber unbegründet. Dem Antragsteller war die Abschiebung anzudrohen, da er nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig ist und unter den Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgeschoben werden kann. Die gem. § 59 Abs. 1 AufenthG festgesetzte Ausreisefrist von etwa 3 Wochen hält sich im gesetzlich vorgesehenen Rahmen von sieben bis dreißig Tagen, § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Sie erscheint ausreichend, dass der Antragsteller die für die Ausreise notwendigen Vorbereitungen treffen kann.
3. Gem. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG hat auch die Klage gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4) trotz des anderslautenden Wortlauts der Norm keine aufschiebende Wirkung (vgl. VGH BW B.v. 13.11.2019 – 11 S 2996/19 – beckonline BeckRS 2019, 29732 Rn. 50). Der Antrag ist damit diesbezüglich ebenfalls statthaft.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nur für den Fall der zwangsweisen Abschiebung verfügt wurde.
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Befristung von zwei Jahren hält sich im unteren Bereich des gesetzlich vorgegebenen Rahmens, § 11 Abs. 3 AufenthG. Die im Übrigen getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden.
II. Auch eine am Rechtsschutzbegehren gem. § 88 VwGO ausgerichteten Auslegung des Antrags auf Verpflichtung der Antragsgegnerin nach § 123 VwGO, einstweilen die Abschiebung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Klageantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auszusetzen, führt nicht zum Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, also der Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat die Tatsachen für den Anordnungsanspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen eines rechtlichen Abschiebehindernisses in Form eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
1. Die Abschiebung ist rechtlich unmöglich, wenn sie einen Anspruch des Antragstel lers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vereiteln oder unverhältnismäßig erschweren würde. Ein solcher Anspruch besteht nicht. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m § 11 Abs. 2 BeschV.
Denn der Erteilung eines Aufenthaltstitels steht entgegen, dass der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 AufenthG eingereist ist. Der Antragsteller ist zwar am 15. Februar 2020 mit einem Visum zur Beschäftigung eingereist. Dieses ist jedoch erloschen (s.o.).
Der Antragsteller kann auch nicht gem. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV den Aufenthaltstitel im Inland beantragen. Nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet beantragten, wenn er im Besitz eines Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis ist. Der Antragsteller war im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Beantragung der Aufenthaltserlaubnis am 16. November 2020 weder im Besitz eines gültigen Visums noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (s.o.; vgl. dazu VGH BW, B.v. 2.3.21 – VGH 11 S. 120 /21 – beckonline BeckRS 2021, 4045 Rn. 30 ff; BayVGH U.v. 17.8.2020 – 10 B 18.1223 – beckonline BeckRS 2020, 20621 Rn. 32).
Die erneute Einholung eines Visums ist für den Antragsteller auch nicht auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles unzumutbar, § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Die erneute Einholung des erforderlichen Visums zur Beschäftigung ist nicht als bloße Förmelei anzusehen. Das Visumsverfahren ist von elementarer Bedeutung als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung und dient damit wichtigen öffentlichen Interessen. Der mit der Durchführung des Visumsverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf und Aufwand ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Ausgehend von diesem Zweck, sind Ausnahmen von der Visumspflicht prinzipiell eng auszulegen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.9.2020 – 10 CE 201914, 10 CS 20.1915 – beckonline BeckRS 2020, 24613 Rn. 31).
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, das Visumsverfahren erneut zu durchlaufen. Insbesondere ist die erneute Einholung des Visumsverfahren mit den Anforderungen aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK vereinbar.
Vorliegend leben die Ehefrau und das Kind des Antragstellers in China, so dass der Antragsteller keine Rechte aus Art. 6 GG ableiten kann. Der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers, dass dieser erneut Geld und Mühen für die Erlangung des Visums aufwenden muss, trifft den Antragsteller nicht anders als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation und sind die typischen Konsequenzen einer nicht ordnungsgemäßen Einreise. Auch der Umstand, dass der Antragsteller in Deutschland den Lebensunterhalt seiner Familie verdienen will, führt nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK.
2. Sonstige Abschiebungshindernisse rechtlicher oder tatsächlicher Art sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Antragsteller verfügt über einen gültigen Reisepass. Als Staatsangehöriger der Volksrepublik China ist es ihm daher möglich, in seine Heimat zurückzukehren, zumal dort auch seine Familie lebt.
III. Der Antrag war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzu lehnen.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs.


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