Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  AN 2 E 21.10148

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14092
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 36 ff.

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Zulassung zum klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin für das Wintersemester 2021/2022 an der … am Studienort … Der Antragsteller beantragte bei der … (künftig: …) – bislang erfolglos – die Zulassung zum 1. klinischen Fachsemester (5. Fachsemester) des Studiengangs Humanmedizin außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen. Mit Satzung vom 21. Juli 2021 setzte die … die Zulassungszahlen im 1. klinischen Fachsemester für das Wintersemester 2021/2022 und das Sommersemester 2022 auf jeweils 160 Studienplätze fest – für das Studienjahr insgesamt also auf 320 Studienplätze.
Der Antragsteller beantragt wörtlich im Wege der einstweiligen Anordnung,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, zum Studium der Humanmedizin im 5. Fachsemester bzw. 1. Klinische Semester zuzulassen, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig, bis zum Abschluss des Hauptverfahrens, zum Studium der Humanmedizin in einem niedrigeren Fachsemester zuzulassen.
Zur Begründung lässt der Antragsteller sinngemäß im Kern ausführen, der Antragsgegner habe rechtswidrig seine Kapazität nicht voll ausgeschöpft. Zu den Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die … teilt mit Schriftsatz vom 4. November 2021 folgende Kapazitätsauslastung für das Wintersemester 2021/2022 mit:
Fachsemester
Zulassungszahl
aktiv Studierende (ohne beurlaubte Studierende)
1
160
164
2
160
161
3
160
161
4
160
161
5
160
167
6
160
159
insgesamt
960
973
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von der … vorgelegten Unterlagen und Auskünfte, insbesondere auf die Datenerhebungsformularsätze mit Kapazitätsberechnung samt Erläuterungen und Nachfragen des Gerichts Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung insbesondere zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass die Antragstellerseite sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Hier fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Nach eingehender Überprüfung seitens der Kammer unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten ergibt sich im Wintersemester 2021/2022 an der … am Studienort … keine ungenutzte Kapazität im 1. klinischen Fachsemester (5. Fachsemester) des Studiengangs Humanmedizin.
Die Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen richtet sich nach dem Gesetz über die Hochschulzulassung in Bayern (Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz – BayHZG) vom 9. Mai 2007 (GVBl. S. 320, BayRS 2210-8-2-WK) und nach der Verordnung über die Hochschulzulassung an den Staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 10. Februar 2020 (GVBl. S. 87, BayRS 2210-8-2-1-1-WK).
a) Zunächst erfolgt die Ermittlung der Aufnahmekapazität gemäß §§ 40 ff. HZV auf Grundlage der personellen Ausstattung der Hochschule in der betroffenen Lehreinheit (personalbezogene Kapazität). Hierzu wird in einem ersten Schritt das Lehrangebot ermittelt, wobei insoweit nach § 44 Abs. 1, Abs. 2 HZV die Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007 (GVBl. S. 201, BayRS 2030-2-21-WK) maßgeblich ist. Von dem danach ermittelten Lehrangebot ist sodann gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 HZV ein Abzug für die von dem Lehrpersonal (auch) zu leistende Krankenversorgung vorzunehmen. In Abzug zu bringen sind auch Dienstleistungsexporte in die der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengänge (§ 46 HZV), während Lehraufträge sowie die sog. Titellehre das Lehrangebot erhöhen. Im Anschluss kann unter Berücksichtigung der Anteilsquote (§ 47 HZV) sowie des Schwundfaktors des betroffenen Studiengangs die jährliche Aufnahmekapazität ermittelt werden, indem das anteilige Lehrangebot durch die Lehrnachfrage eines Studierenden in Gestalt des (gewichteten) Curriculareigenanteils geteilt wird. Insoweit hat der Antragsgegner ein jährliches Lehrangebot in Höhe von 9.233,3308 SWS errechnet, sodass sich im Studienjahr nach Division mit dem Curriculareigenanteil in Höhe von 4,2775 SWS – der kapazitätsgünstig erheblich unter dem Curricularnormwert von 5,78 SWS liegt – eine (sehr hohe) jährliche Aufnahmekapazität von insgesamt 2.158,58 Studienplätzen ergäbe.
b) Der Überprüfungstatbestand nach § 52 HZV führt jedoch aufgrund patientenbezogener Einflussfaktoren zu einer Begrenzung der Aufnahmekapazität auf jährlich an sich 283 Studienplätze (patientenbezogene Kapazität). Denn der klinische Abschnitt des Humanmedizinstudiums ist von der Lehre am Patienten geprägt, so dass die Aufnahmekapazität grundsätzlich von der Anzahl geeigneter, für die Lehre zur Verfügung stehender Patienten abhängt (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 4 HZV).
aa) Aufgrund des kapazitätsbeschränkenden Charakters der patientenbezogenen Aufnahmekapazität ist hier eine genauere Auseinandersetzung mit der Berechnung der personalbezogenen Kapazität durch den Antragsgegner entbehrlich. Denn nach § 52 Abs. 2 Satz 1 HZV ist allein die patientenbezogene Aufnahmekapazität zugrunde zu legen, sofern diese die personalbezogene Aufnahmekapazität unterschreitet. Aufgrund dieser limitierenden Wirkung der patientenbezogenen Kapazität handelt es sich insoweit um die – rechtlich betrachtet – maximal denkbare Aufnahmekapazität. Im Übrigen erscheint es angesichts der antragsgegnerseits errechneten personalbezogenen Aufnahmekapazität von jährlich über 2.000 Studienplätzen gänzlich fernliegend, dass eine genauere Überprüfung insoweit eine Unterschreitung der patientenbezogenen Kapazität ergeben könnte. Im Übrigen würde es sich auch in diesem Fall kapazitätsgünstig auswirken, dass der Antragsgegner auf die patientenbezogene Kapazität abgestellt hat, so dass keine Verletzung subjektiver Rechter des Antragstellers ersichtlich wäre. Auch kann – wie zum Teil antragstellerseits geltend gemacht – die teilweise zum Studiengang der Zahnmedizin vertretene Auffassung, wonach Hochschulen grundsätzlich verpflichtet seien, Beschränkungen der Zulassungszahlen wegen personeller oder ausstattungsbedingter Engpässe entgegenzuwirken (vgl. OVG Bautzen, B.v. 18.05.2015 – 2 B 314/14.NC – BeckRS 2015, 51522 Rn. 11; OVG Bautzen, B.v. 27.4.2016 – 2 B 59/16.NC – BeckRS 2016, 46635 Rn. 11), nicht auf den klinischen Teil des Humanmedizinstudiums übertragen werden. Denn hierfür fehlt es jedenfalls an hinreichender Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen. Während in den Sachverhalten, die den zitierten Entscheidungen zugrunde lagen, Beschränkungen von 59 auf 56 bzw. von 57 auf 49 Studienplätze in Frage standen, geht es vorliegend um eine Beschränkung der personellen Kapazität von über 2.000 Studienplätze auf – patientenbezogen – 320 Studienplätze. Dabei kann die … die patientenbezogene Kapazität realistisch auch nicht mit Hilfe weiterer Kooperationsvereinbarungen mit außeruniversitären Krankenhäusern der personellen Kapazität angleichen. Im Übrigen unternimmt die … durchaus Anstrengungen, zusätzliche Studienplätze im klinischen Teil des Humanmedizinstudiums bereitzustellen. Dies ergibt sich sowohl aus der Festsetzung von Studienplätzen über die kapazitätsrechtlichen Berechnungen hinaus – auf die noch eingegangen wird – als auch aus dem Umstand, dass die … für den gesonderten Studiengang Humanmedizin am Studienort … im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit dem Klinikum … jährlich weitere 100 Studienplätz für den klinischen Studienabschnitt zur Verfügung stellt.
bb) Die patientenbezogene Aufnahmekapazität bestimmt sich zunächst nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 HZV. Die genannten Vorschriften sehen – im Kern – eine jährliche Aufnahmekapazität in Höhe von 15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums sowie der außeruniversitären Krankenanstalten vor. Danach ergibt sich in einem ersten Schritt unter Berücksichtigung von 1.216 tagesbelegten Betten eine patientenbezogene Kapazität von jährlich 188,48 Studienplätzen (1.216 x 0,155).
(1) Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage von 1.216 tagesbelegten Betten bestehen keine Bedenken.
(a) Zur Ermittlung der Anzahl tagesbelegter Betten ist die … ausweislich der Kapazitätsunterlagen von 1.697 Planbetten in verschiedenen Kliniken ausgegangen. Dabei sind auch Lehrkrankenhäuser – z.B. das Klinikum … – berücksichtigt, soweit diese für den klinischen Teil der studentischen Ausbildung zur Verfügung stehen (vgl. für eine Aufstellung aller Lehrkrankenhäuser der … die online abrufbare Übersicht in dem Informationssystem UnivIS der … unter Einrichtungen/Medizinische Fakultät/Lehrkrankenhäuser). In diesem Zusammenhang hat der Antragsgegner auf Nachfrage der Kammer sinngemäß erklärt, über die berücksichtigten Planbetten in den aus den Kapazitätsunterlagen ersichtlichen (Lehr-)Krankenhäusern hinaus erfolge in weiteren Lehrkrankenhäusern keine Lehre für den vorklinischen Studienabschnitt, sondern allein im Rahmen des Praktischen Jahrs. Insoweit hat sich keine Änderung gegenüber einer bereits aus dem Jahr 2013 stammenden, inhaltsgleichen Auskunft der … ergeben.
(b) Die genannten 1.216 tagesbelegten Betten beinhalten – zutreffend und kapazitätsgünstig -auch die mit Privatpatienten belegten Betten. Dies hat der Antragsgegner auf Nachfrage der Kammer glaubhaft erklärt.
(2) Eine Abänderung der kapazitätsrechtlichen Parameter nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV durch die Kammer – insbesondere des Prozentsatzes von 15,5 – scheidet aus.
(a) Grundsätzlich ist es Aufgabe des Verordnungsgebers die Entwicklung der maßgeblichen Faktoren zu beobachten und ggf. Rechtsvorschriften an die beobachtete Entwicklung anzupassen. Bestimmte Zeitabstände für Regelüberprüfungen o.Ä. lassen sich dabei nicht festlegen. Solange es sich nicht aufdrängt, dass Regelungen und ihnen zugrundeliegende Annahmen fehlerhaft oder überholt sind, ist es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, einschlägige Bestimmungen durch andere Vorgaben zu ersetzen (vgl. so im Ganzen BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 7 CE 19.10044 – BeckRS 2019, 27529 Rn. 11 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 28.7.2014 – 7 CE 14.10038 – BeckRS 2014, 55306 Rn. 15).
(b) Danach scheidet eine Abänderung der fraglichen Parameter aus. Denn jedenfalls mit Blick auf die Kapazitätsentwicklung bei der … bestehen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die Kapazitätsermittlung auf Grundlage von 15,5% der Gesamtzahl tagesbelegter Betten nicht mehr zeitgemäß bzw. nicht mehr zulässig sein könnte. Erst Recht drängt sich Entsprechendes hier nicht auf. Zwar wird es im Grundsatz bei allgemeiner Betrachtung zutreffen, dass die Anzahl vollstationärer Betten bzw. deren Belegungsdauer in den vergangenen Jahren aufgrund der Veränderung von Abrechnungssystemen – insbesondere der Umstellung auf sog. Fallpauschalen – und wegen des medizinischen Fortschritts bundesweit zurückgegangen ist. Ein solcher, klar erkennbarer Trend ist jedoch mit Blick auf die … nicht feststellbar. In den Berechnungszeiträumen 2013/2014 bis 2020/2021 haben sich die auf Basis der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gebilligten Mitternachtszählung (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 7 CE 17.10240, BeckRS 2018, 532 Rn. 11; B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – BeckRS 2014, 52905 Rn. 14) ermittelten Zahlen für tagesbelegte Betten – wobei Betten in Tageskliniken nicht mitgezählt werden müssen (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2015 – 7 CE 15.10115, BeckRS 2015, 48421 Rn. 8) – nicht gravierend verändert: 2013/2014: 1.377, 2014/2015: 1.304, 2015/2016: 1.362, 2016/2017: 1.359, 2017/2018:1.336, 2018/2019: 1.315, 2019/2020: 1.300, 2020/2021: 1.294. Dasselbe gilt für das Verhältnis der Gesamtzahl tagesbelegter Betten zur Anzahl von Planbetten: 2013/2014: ca. 82%, 2014/2015: ca. 82%, 2015/2016: ca. 86%, 2016/2017: ca. 84%, 2017/2018: ca. 83%, 2018/2019: ca. 81%, 2019/2020: ca. 80%. 2020/2021: ca. 80%. Soweit allerdings mit 1.216 tagesbelegten Betten im aktuellen Studienjahr ein merklicher Rückgang zu verzeichnen ist (ebenfalls im Verhältnis zwischen der Gesamtzahl tagesbelegter Betten und Planbetten: ca. 72%), hat der Antragsgegner dies überzeugend damit erklärt, dass die Belegungszahlen im Erhebungsjahr 2020 aufgrund der Coronapandemie gesunken seien. Danach handelt es sich bei der aktuellen Belegungszahl für das Studienjahr 2021/2022 um einen nicht hinreichend aussagekräftigen „Ausreißer“. Auch spricht gegen die Annahme eines kapazitätsrechtlich bedenklichen Rückgangs der Gesamtzahl vollstationärer Betten, dass im aktuellen Studienjahr 2021/2022 insgesamt 1.697 Planbetten zur Verfügung stehen, was einer Steigerung um 79 Planbetten oder etwa 5% gegenüber dem Vorjahr entspricht (2020/2021; 1.618 Planbetten). Auf dieser Grundlage bestehen kapazitätsrechtlich auch keine Bedenken, dass der Kooperationsvertrag mit dem Klinikum … über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nephrologie und Hypertensiologie (außeruniversitäre Klinik) einvernehmlich mit der Folge aufgelöst wurde, dass insoweit 100 Planbetten verloren gegangen sind, zumal der Antragsgegner zur Kompensation mit dem Klinikum … eine Kooperation eingegangen ist, aus der aktuell 225 Planbetten zur Verfügung stehen. Nach alledem ist – wie der Antragsgegner sinngemäß zutreffend geltend macht – gegenüber dem status quo des vorangegangenen Studienjahrs in Zukunft sogar ein nicht unerheblicher Anstieg der Gesamtzahl tagesbelegter Betten zu erwarten.
(c) Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich, soweit antragstellerseits teilweise eingewendet wurde, insbesondere mit Blick auf den – nicht vorgelegten – Endbericht der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ vom 27. März 2021 ergäben sich Änderungen der fraglichen Parameter. Denn auch sofern aufgrund des Endberichts Veränderungen geboten sein sollten – was eingehender Prüfung bedürfte (im Übrigen ablehnend hinsichtlich einer Studie des Bamberger Centrums für Empirische Studien (BACES), auf den sich der vorgenannte Endbericht beziehen dürfte, BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 7 CE 19.10044 – BeckRS 2019, 27529 Rn. 13) – wäre dem Verordnungsgeber im Fall einer etwaig erforderlichen Neuregelung jedenfalls ein angemessener Zeitraum zur Prüfung und ggf. Regelung etwaiger Anpassungen einzuräumen. Dieser würde jedenfalls über die wenigen Monate nach dem 27. März 2021 bis zur Festsetzung der Zulassungszahlungen kraft Satzung der … und Semesterbeginn hinausgehen (in diesem Sinne auch, außerdem mit Hinweis auf eine (zulässigerweise) noch ausstehendende abschließende Berücksichtigung der Studienergebnisse VG München, B.v. 7.12.2021 – M 3 E 21.18026 – BeckRS 2021, 40881 Rn. 29 f.). (3) Schließlich besteht auch für das streitgegenständliche Studienjahr keine Veranlassung, vertieft der Frage nachzugehen, ob und ggf. inwieweit die … bei ihrer sich erstmals für das Studienjahr 2014/2015 auswirkenden Entscheidung, die Kooperation mit der Geriatrie des Klinikums … zu beenden, kapazitätsrechtliche Belange hinreichend berücksichtigt hat. Denn zum einen können für das streitgegenständliche Studienjahr keine hinreichend konkreten Auswirkungen dieser Entscheidung mehr festgestellt werden. Vielmehr standen der Lehre im Studienjahr 2013/2014 – also in dem letzten Studienjahr vor Kooperationsende – 1.675 Planbetten zur Verfügung. Im aktuellen Studienjahr 2021/2022 sind es dagegen 1.697 Planbetten, sodass der Wegfall von Planbetten in der Geriatrie des Klinikums … mittlerweile überkompensiert ist. Zum anderen hat die … – worauf noch näher eingegangen wird – die Zulassungszahlen wie schon in den Vorjahren über das Ergebnis der Kapazitätsberechnungen hinaus festgesetzt.
cc) Die so ermittelte jährliche Aufnahmekapazität erhöht sich – übereinstimmend mit der Berechnung des Antragsgegners – nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 HZV um 94,24 Studienplätze auf insgesamt 282,72 Studienplätze, gerundet 283 Studienplätze (188,48 Studienplätze zuzüglich 94,24 Studienplätze). Nach den genannten Vorschriften erhöht sich die patientenbezogene Aufnahmekapazität je 1.000 poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl Eins, wenn die nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV berechnete Aufnahmekapazität unter der personalbezogenen Aufnahmekapazität liegt, wobei die Erhöhung höchstens um 50% der nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV ermittelten Zahl erfolgt. So liegt der Fall hier, da eine entsprechende Unterschreitung angesichts der antragsgegnerseits errechneten personalbezogenen jährlichen Aufnahmekapazität von über 2.000 Studienplätzen auch ohne genauere Überprüfung unterstellt werden kann. Im Übrigen wirkt sich die Erhöhung der patientenbezogenen Kapazität mit Rücksicht auf poliklinische Neuzugänge kapazitätsgünstig aus, sodass jedenfalls keine subjektiven Rechte des Antragstellers verletzt sind. Genauer ergeben sich aus den Kapazitätsunterlagen – ohne Berücksichtigung der nicht aufgeführten Zahlen des Klinikums … – insgesamt 213.679 poliklinische Neuzugänge. Hieraus würden sich also grundsätzlich 213 weitere Studienplätze errechnen. Allerdings ist die Erhöhung der Studienplatzzahlen aufgrund der Begrenzung auf die Hälfte der nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV ermittelten Zahl (15,5% der tagesbelegten Betten bzw. hier 188,48 Studienplätze) auf 94,24 Studienplätze beschränkt (188,48 Studienplätze x 0,5). Aus diesem Grund wirkt sich auch nicht aus – worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat -, dass für das Klinikum … zwar tagesbelegte Betten berücksichtig wurden, jedoch wie ausgeführt aus den Kapazitätsunterlagen keine Daten zu poliklinischen Neuzugänge ersichtlich sind. Im Ergebnis dasselbe gilt, sollten – wovon die Kammer nicht ausgeht – die genannten 213.679 poliklinische Neuzugänge keine Privatpatienten enthalten.
dd) Eine weitere Erhöhung der Aufnahmekapazität nach § 51 HZV bzw. in entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Die genannte Norm sieht vor, dass die Studienanfängerzahl zu erhöhen ist, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums, Fachrichtungs- oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge Studierender in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Dies trifft auf Grundlage der Kapazitätsunterlagen zwar auch auf den klinischen Teil des Humanmedizinstudiums der … zu. Jedoch scheidet eine Erhöhung der Aufnahmekapazität aufgrund nachlassender Studierendenzahlen in höheren Semestern aus Rechtsgründen aus. Denn der Überprüfungstatbestand nach § 52 HZV betreffend die patientenbezogene Kapazität sieht eine solche Modifikation nicht vor. Insbesondere verweist der Wortlaut der Vorschrift nicht auf § 51 HZV. Soweit § 52 Abs. 2 Satz 1 HZV die Vorschrift nach § 49 Abs. 3 Nr. 3 HZV erwähnt, bringt dies allein zum Ausdruck, dass bei der Berechnung der personalbezogenen Kapazität nach §§ 41 ff. HZV die Vorschrift des § 49 Abs. 3 Nr. 3 HZV zu berücksichtigen ist, wobei sodann personal- und patientenbezogene Kapazität zu vergleichen sind (vgl. so zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 7 CE 19.10044 – BeckRS 2019, 27529 Rn. 16). Zudem sieht die Rechtsfolge gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 HZV vor, dass „das Berechnungsergebnis nach Abs. 1“ – also das nicht weiter modifizierte (Rechen-)Ergebnis – zugrunde zu legen ist. Systematisch wird dies durch § 52 Abs. 2 Satz 2 HZV bestätigt, wonach die allein genannte Vorschrift des § 49 Abs. 2 Nr. 6 HZV unberührt bleibt, also eine Verminderung der Kapazität aufgrund abweichenderer Berechnungsergebnisse für den vorklinischen und klinischen Teil des Studiengangs Medizin möglich bleibt. Die Erwähnung von § 51 HZV oder § 49 Abs. 3 Nr. 3 HZV fehlt indes, obwohl eine solche für den Fall zu erwarten wäre, dass der Verordnungsgeber eine Modifikation des Ergebnisses des Überprüfungstatbestands hinsichtlich des Abgangs Studierender in höheren Semestern beabsichtigt hätte.
ee) Aus dem Hochschulpakt 2020 und der damit zusammenhängenden Mittelverteilung lässt sich jedenfalls nicht herleiten, dass in dem vorliegenden Studiengang weitere Studienplätze geschaffen werden müssten, etwa indem der Antragsgegner Verträge mit (weiteren) Lehrkrankenhäusern zur Erhöhung der Ausbildungskapazität abschließen müsste. Zwar sollen den Hochschulen nach dem Hochschulpakt Mittel zufließen, um zusätzliche Studienplätze schaffen zu können. Aus der Vereinbarung folgt aber keine Verpflichtung zur Mittelverwendung gerade im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin. Zudem begründet der Hochschulpakt keine subjektiv-öffentlichen Rechte von Studienbewerbern. Vielmehr bedarf es zunächst der Umsetzung der Vereinbarungen aus dem Hochschulpakt durch die Wissenschaftsverwaltung (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 21.7.2009 – 7 CE 09.10090 – BeckRS 2010, 54275 Rn. 7 ff.; OVG Münster, B.v. 8.6.2010 – 13 C 257/10 – BeckRS 2010, 50158).
c) Über das Ergebnis der kapazitätsrechtlichen Berechnung von gerundet jährlich 283 Studienplätzen hinaus hat die … wie in den Vorjahren die Aufnahmekapazität des Studienjahrs 2021/2022 im 1. klinischen Fachsemester (5. Fachsemester) für das Wintersemester 2021/2022 und das Sommersemester 2022 auf jeweils 160 Studienplätze festgesetzt – also für das Studienjahr insgesamt auf 320 Studienplätze. Hierzu hat der Antragsgegner sinngemäß ausgeführt, die Kapazität sei erstmals im Studienjahr 2013/2014 auf jährlich 320 Studienplätze angewachsen, wobei für das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst seither aufgrund von Veränderungen extern einbezogener Bettenkapazitäten keine Absenkung der festzusetzenden Studienplatzzahlen in Betracht komme. Insoweit dürfte die bereits erwähnte Beendigung der Kooperation mit der Geriatrie des Klinikums … gemeint sein, die sich erstmals im Studienjahr 2014/2015 ausgewirkt hatte. In jedem Fall ist die erfolgte Festsetzung auf jährlich 320 Studienplätze kapazitätsgünstig, so das insoweit keine subjektiven Rechte des Antragstellers verletzt sind.
d) Nach alledem ist die festgesetzte Kapazität im 1. klinischen Fachsemester (5. Fachsemester) im Wintersemester 2021/2022 ausgeschöpft. Denn nach dem glaubhaften Vorbringen der … mit Schriftsatz vom 4. November 2021 sind in dem fraglichen Semester 164 Studierende immatrikuliert, wobei keine Beurlaubungen vorliegen, während sich die Kapazität in diesem Semester auf 160 Studienplätze beläuft. Auch in dem klinischen Abschnitt des Studiengangs am Studienort … sind keine freien Kapazitäten ersichtlich, die am Studienort … eingesetzt werden könnten. Denn jedenfalls sind bei 50 festgesetzten Studienplätzen im Studiengang am Studienort … ausweislich der Mitteilung der … vom 4. November 2021 52 Studierende immatrikuliert, wobei keine Beurlaubungen vorliegen.
Auch die Überbuchung um vier Studienplätze kann dem Antrag nach § 123 VwGO nicht zum Erfolg verhelfen. Mit Blick auf eine solche Überbuchung in geringem Umfang (um lediglich 1,2%) ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass der Antragsgegner etwa willkürlich Studienplätze losgelöst von der Kapazität der … bzw. den entsprechenden Berechnungen vergeben hätte. Im Übrigen besteht mit Blick auf überbuchte Studienplätze kein Anordnungsanspruch. So besitzt der Antragsteller jedenfalls keinen subjektiv öffentlich-rechtlichen Anspruch auf einen überbuchten Studienplatz. Denn dieser ist seinerseits an eine bzw. einen Studierende(n) vergeben, die bzw. der sich hinsichtlich des Studienplatzes ebenfalls auf die grundrechtliche Gewährleistung aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann (vgl. OVG Greifswald, B.v. 18.6.2008 – 1 N 1/07 – BeckRS 2008, 142985; vgl. auch BayVGH, B.v. 17.6.2020 – 7 CE 20.10021 – BeckRS 2020, 14711 Rn. 11). Dies gilt umso mehr, als sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller, der bzw. dem Studierenden auf dem überbuchten Studienplatz und dem Antragsgegner strukturell vergleichbar einem Konkurrentenstreitverfahren darstellen, wobei sich Studierende auf überbuchten Studienplätzen regelmäßig in dem zentralen Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung aufgrund besserer Qualifikation gegenüber dem Antragsteller durchgesetzt haben werden.
Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass bis zum Vorlesungsbeginn im Wintersemester 2021/2022 am 18. Oktober 2021 bislang noch nicht berücksichtigte Studienplätze wieder frei geworden sein könnten. So datiert die Mitteilung der … über die Auslastung im Wintersemester vom 4. November 2021. Danach ist die Kapazität auch über zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn erschöpft. Etwaige Exmatrikulationen oder Höherstufungen in andere Semester nach Vorlegungsbeginn wären dagegen nicht mehr entscheidungserheblich (vgl. zu Exmatrikulationen BayVGH, B.v. 14.02.2017 – 7 CE 17.10003 – BeckRS 2017, 103974 Rn. 8).
e) Auch soweit hilfsweise die Zulassung in (niedrigere) Fachsemester des vorklinischen Studienabschnitts beantragt wurde, fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Denn verfassungsrechtlich ergibt sich das Recht jeden Bürgers, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgrundsatz (so BVerfG, B.v. 22.10.1991 – 1 BvR 610/85 – NVwZ 1992, 361, 361). Der Zulassungsanspruch geht verfassungsrechtlich auf Teilhaberechte der Studienbewerber zurück, die jedenfalls unter dem Vorbehalt des Möglichen in dem Sinne stehen, was Studienbewerber vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen können (so BVerfG, U.v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 und 25/71 – NJW 1972, 1561, 1564 f.). Auf dieser Grundlage besteht letztlich kein Anspruch auf Zulassung in ein niedrigeres Semester. Denn dies käme einer nochmaligen bzw. wiederholten Teilhabe an Studieninhalten und Prüfungen gleich, obwohl diese bereits beherrscht werden bzw. bereits erfolgreich abgelegt wurden. Einer solchen erneuten Teilhabe bzw. Zulassung in ein niedrigeres Semester steht aber das Teilhaberecht solcher Studienbewerber entgegen, die an Inhalten und Prüfungen des jeweiligen Semesters noch in keiner Weise teilhaben konnten. Dabei geht die Zulassung der zuletzt genannten Studienbewerber im Rahmen der besonders begrenzten Kapazität gerade im Studiengang der Humanmedizin vor, da Studienbewerber, die die Zulassung in ein niedrigeres Semester begehren, schon mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vernünftigerweise beanspruchen können, erneut an knappen Ressourcen mit der notwendigen Folge teilhaben zu können, dass Kapazitäten für die erstmalige Teilhabe anderer – in gleicher Weise qualifizierter – Studierender verringert werden (ebenfalls aus dem Teilhabeanspruch eine Beschränkung des Zulassungsanspruchs ableitend VG Düsseldorf, B.v. 15.1.2019 . 15 Nc 89/18 – juris Rn. 83 f. mit Verweis auf OVG NRW, B.v. 12.2.2008 – 13 C 57/08 – nicht veröffentlicht).
Nach alldem war der Antrag abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG und Ziff. 18.1, 1.5 des Streitwertkatalogs.


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