Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderung bezüglich Tatsachenfrage

Aktenzeichen  20 ZB 18.30438

Datum:
5.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7832
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG verlangt mehr als einen bloßen Hinweis; erforderlich ist vielmehr ein „Erläutern“, “Erklären“ oder „näher auf etwas Eingehen“ und damit auszuführen, aus welchen Gründen der Bewertung (hier der Verfolgungslage) durch das Verwaltungsgericht nicht gefolgt werden kann.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 K 16.35642 2018-01-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurde.
Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig
ob in den kurdischen Autonomiegebieten, in denen sich die Kläger kurz vor ihrer Ausreise aufgehalten haben, im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (gemeint offenbar: § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) herrscht, dem praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften, individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist
und
ob für weibliche irakische Staatsangehörige mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit keine interne Fluchtalternative besteht, insbesondere auch nicht in den kurdischen Autonomiegebieten Faida (Fayde),
sowie
ob für jeden aus dem europäischen Ausland zurückkehrenden irakischen Staatsangehörigen mit sunnitischer Religionszugehörigkeit angesichts der aktuellen Lage im Irak und den kurdischen Autonomiegebieten im allgemeinen derzeit von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. „Etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, Beschluss v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerfGE 13, 90/91; Beschluss v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, Beschluss v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Geht es wie vorliegend um die Klärungsbedürftigkeit einer Tatsachenfrage, ist über den ergebnisbezogenen Hinweis, dass der Bewertung der Verfolgungslage durch das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gefolgt werde, hinaus auszuführen, aus welchen Gründen dieser Bewertung nicht zu folgen ist. Es ist im Einzelnen unter Bezeichnung konkreter Erkenntnismittel wie gegensätzlicher Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte etc. anzugeben, welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen (OVG Weimar, Beschluss v. 16.7.1999 – 3 EO 510/99 – DVBl 2000, 434; Hanseatisches OVG, Beschluss v. 16.1.1995 – OVG Bs V 83/94 – AuAS 1995, 168; Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 610).
Diesen Anforderungen entspricht die Begründung des Zulassungsantrags hinsichtlich keiner der formulierten drei Fragen. Sie beschränkt sich auf die Behauptung, dass die Sicherheitssituation im Irak und insbesondere im kurdischen Autonomiegebiet in der Folge des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums vom 25. September 2017 sich erheblich verschlechtert habe und dies zu einer Gefährdung von Leib und Leben für alle Sunniten (auch kurdischer Volkszugehörigkeit) geführt habe. Irgendwelche Quellenangaben für diese Behauptung werden nicht gemacht. Schon aus diesem Grunde ist das Darlegungserfordernis nicht gewahrt. Darüber hinaus entspricht auch die Bewertung der Entwicklung der Sicherheitslage infolge des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums nicht der Auskunftslage. Denn entgegen andersartiger Befürchtungen hat sich in der Folge des kurdischen Autonomiereferendums die Sicherheitslage im kurdischen Autonomiegebiet nicht wesentlich verändert. Nachdem die kurdischen Peschmerga sich aus den umstrittenen Gebieten und insbesondere aus Kirkuk zurückgezogen haben, kontrollieren sie weiterhin die kurdische Autonomieregion, die ein unverändert hohes Sicherheitsniveau aufweist (vgl. z.G. Lifos, The Security Situation in Iraq: July 2016 – November 2017, S. 34). Auch in der Provinz Ninewa, dem Herkunftsgebiet der Kläger, haben sich die kurdischen Peschmerga am 17. Oktober 2017 vor den heranrückenden irakischen Streitkräften (und Volksmobilisierungseinheiten) zurückgezogen. Bis auf Einzelfälle wurden keine Konfrontationen zwischen den jeweiligen Streitkräften gemeldet (vgl. hierzu Lifos a.a.O., S. 29). Die grundsätzliche Bedeutung der formulierten Fragen ist daher nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der vorliegenden Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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