Verwaltungsrecht

Dienstunfall, Berufserkrankung, Lehrerin, Hauterkrankung, Schimmelkontamination des Werkraums, nach Art der Tätigkeit keine besondere Gefährdung

Aktenzeichen  M 5 K 19.5691

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 778
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Erkrankungen als Berufskrankheit i.S.d. Art. 46 Abs. 3 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) i.V.m. der Berufskrankheiten-Verordnung (BK-VO). Der Bescheid des Beklagten vom … November 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Widerspruchsbescheid vom … Oktober 2019 unzutreffend von einem verfristet eingelegten Widerspruch ausgeht und insoweit rechtswidrig ist. Denn die Klagepartei hat nach ihrem eindeutigen Antrag eine Verpflichtungsklage erhoben mit dem Ziel, dass bei der Klägerin eine Berufserkrankung anerkannt wird. Streitgegenstand ist daher nicht die Frage der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids. Vielmehr hat die zugleich beantragte Aufhebung des Bescheids vom … November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Oktober 2019 nur unselbständige Bedeutung (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 5 C 23.85 – NVwZ 1987, 320, juris Rn. 12; U.v. 19.5.1987 – 1 C 13/84 – DVBl 1987, 1113, juris Rn. 21), als der Bescheid bzw. der Widerspruchsbescheid – ungeachtet ihm anhaftender Rechtsfehler – nur dann aufzuheben sind, wenn sich der Verpflichtungsanspruch als begründet erweist (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O.). Ist dagegen der Verpflichtungsanspruch unbegründet, so ist die Klage in vollem Umfang – ungeachtet der Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids – abzuweisen, d.h. der Widerspruchsbescheid ist dann nicht isoliert aufzuheben (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 a.a.O.).
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Erkrankungen als Berufskrankheit. Nach Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG gilt auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der BK-VO genannten Krankheit als Dienstunfall, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte oder die Beamtin sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat.
Die Klägerin macht vorliegend geltend, dass der Werkraum der Grund- und Mittelschule G. durch starke Schimmelbildung kontaminiert sei und der dienstliche Aufenthalt dort bei ihr schwere Hautallergien, ständige schwere Reizungen der Augen mit einer Herabsetzung des Sehvermögens, schwere Nierenprobleme sowie ständig wiederkehrende Kopf- und Ohrenschmerzen verursacht habe.
a) Unabhängig davon, ob die vorgetragenen Beschwerden (ständige schwere Reizungen der Augen mit einer Herabsetzung des Sehvermögens, schwere Nierenprobleme sowie ständig wiederkehrende Kopf- und Ohrenschmerzen) in kausalem Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit der Klägerin in besagtem Werkraum stehen, sind diese Erkrankungen nicht in der BK-VO gelistet, sodass eine Anerkennung als Berufskrankheit bereits aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.
b) Auch die vorgetragene Hautallergie ist keine Berufserkrankung i.S.v. Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG i.V.m. der BK-VO.
Von den in der BK-VO genannten (Haut-)Krankheiten kommt vorliegend nur Nr. 5101 in Betracht. Nr. 5101 der BK-VO betrifft schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben.
aa) Es bestehen bereits Zweifel am Nachweis einer solch schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat.
In den vorgelegten Attesten werden zwar wiederholt rezidivierende Exantheme (wiederkehrende Hautausschläge) im Bereich des Oberkörpers festgestellt, eine konkrete Diagnose wird jedoch nicht gestellt. Auch die Ursache der Ausschläge ist unbekannt. Eine belastbare Aussage, dass die Hautausschläge mit dem Aufenthalt der Klägerin in dem angeblich mit Schimmelpilz befallenen Werkraum in Zusammenhang stehen, lässt sich den vorgelegten Attesten nicht entnehmen. Vielmehr gibt es keinen Hinweis auf eine Hausstaub-, Schimmelpilz- oder Hefepilzallergie (Befundbericht vom …7.2018, Dr. R. (Facharzt für Dermatologie)). Ob der Werkraum überhaupt in gesundheitsschädlicher Weise mit Schimmel kontaminiert war, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Darüber hinaus ist auch nicht nachgewiesen, dass die Hautausschläge von einer solchen Schwere waren, dass sie die Klägerin zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben.
bb) Dies bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung. Denn selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass eine Hauterkrankung nach Nr. 5101 BK-VO durch Schimmelbefall im Werkraum vorliegt, scheitert die Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit, da Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG für die Anerkennung einer Erkrankung i.S.d. Anlage 1 zur BK-VO als Dienstunfall voraussetzt, dass der Beamte/die Beamtin nach der Art seiner/ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer solchen Erkrankung besonders ausgesetzt war. Der Beamte/die Beamtin ist der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt, wenn er/sie eine Tätigkeit ausübt, die erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung infolge des Dienstes in sich birgt.
Dabei kommt es nicht auf den generellen Inhalt der Dienstaufgaben, sondern darauf an, ob die konkret ausgeübte dienstliche Verrichtung ihrer Art nach und im Besonderen nach den zur fraglichen Zeit tatsächlich bestehenden Verhältnissen und Begleitumständen die besondere Gefährdung mit sich gebracht hat (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz, Stand Feb. 2020, Erl. 254 zu § 31). Diese besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.1993 – 3 B 92.1526; U.v.17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20; Nr. 46.3.2 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht (BayVV-Versorgung) vom 20. September 2012). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG (und damit auch Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG) zwar nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt; maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 15.05.1996 – 2 B 106/95 – juris Rn. 6).
Indem sich der Gesetzgeber in Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG dafür entschieden hat, auf die Art der dienstlichen Verrichtung abzustellen, sind für die Frage, ob der Beamte der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, gerade nicht die sonstigen dienstlichen Bedingungen ausschlaggebend, unter denen die Tätigkeit verrichtet wird. Zu diesen sonstigen dienstlichen Bedingungen zählt auch die Beschaffenheit der Diensträume. Eine andere Interpretation der Vorschrift würde zur unzulässigen Ersetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der „Art der dienstlichen Verrichtung“ etwa durch das Tatbestandsmerkmal „dienstliche Verrichtung unter besonderen räumlichen Bedingungen“ führen. Die besondere Dienstbezogenheit der Erkrankung nach Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG begrenzt den Dienstunfallschutz wesentlich. Für die spezifische Dienstbezogenheit genügt es nicht, dass der Beamte nur „in Ausübung oder infolge“ des Dienstes erkrankt. Greift der eng umgrenzte Bereich des Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG tatbestandlich nicht ein, kommt Dienstunfallfürsorge selbst dann nicht in Betracht, wenn die gesundheitsschädigende Dauereinwirkung der dienstlichen Sphäre entstammt. Schädliche Einwirkungen, die von der Beschaffenheit des Dienstzimmers und damit vom Ort der Verrichtung ausgehen, scheiden daher aus, weil sie gerade nicht die Art der dienstlichen Verrichtung betreffen (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3113 – BayVBl. 1995, 727; U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – ZBR 1996, 343, juris Rn. 20 ff.; OVG RhPf, U.v. 16.2.1996 – 2 A 11573/95 – NVwZ-RR 1997,45, juris; OVG NW, B.v. 16.12.2008 – 21 A 2244/07 – juris Rn. 7; VG Wiesbaden, U.v. 31.3.2011 – 1 K 156/10.WI – juris Rn. 23). Damit sind solche Erkrankungen der Risikosphäre des Beamten zuzuordnen, in denen sich letztlich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat, selbst wenn die Verwirklichung desselben in einem ursächlichen Zusammenhang mit Diensträumen und damit dem Dienstort in dem Sinne steht, dass sie nicht oder nicht so eingetreten wäre, wenn der Beamte nicht an dem konkreten Dienstort Dienst geleistet hätte. Zwar kann der Beamte den Ort der Dienstleistung und insbesondere die Diensträume nicht selbst bestimmen, sondern hat sich insoweit grundsätzlich, d.h. mit gewissen Einschränkungen, den Weisungen des Dienstherrn zu fügen. Dass das Risiko einer Erkrankung infolge schädlicher Dauereinwirkungen am Arbeitsplatz dennoch in die Sphäre des Beamten verwiesen wird, rechtfertigt sich daraus, dass dieser auch ohne Leistungen der Dienstunfallfürsorge nicht in Not gerät, weil ihn der Dienstherr ohnehin zu alimentieren und ihm unter Fürsorgegesichtspunkten Beihilfe zu leisten hat (vgl. OVG RhPf, U.v. 16.2.1996 – 2 A 11573/95 – NVwZ-RR 1997,45, juris; zum Ganzen: VG Würzburg, U.v. 21.4.2015 – W 1 K 13.1007 – juris Rn. 27). Des Weiteren besteht die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Dienstherrn wegen Verletzung der Fürsorgepflicht (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – ZBR 1996, 343, juris Rn. 23).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine Anerkennung der geltend gemachten Hauterkrankung aufgrund des (angeblich) mit Schimmelpilz kontaminierten Werkraumes als Berufserkrankung nicht in Betracht, weil die Klägerin als Kunstlehrerin tätig war und sie nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung daher keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Lehrer aufgrund der Art ihrer dienstlichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung der Gefahr von Erkrankungen aufgrund des Aufenthaltes in schadstoffbelasteten Räumen ausgesetzt sind (OVG NW, B.v. 16.12.2008 – 21 A 2244/07 – juris Rn. 7 ff.). Vielmehr ist die Erkrankung der Klägerin – sollte sie ihre Ursache überhaupt im dienstlichen Bereich haben – unabhängig von der konkreten Art der dienstlichen Verrichtung aufgetreten. Auch die Klägerin selbst führt die Ursache ihrer Erkrankung nicht auf die Art ihrer Tätigkeit, sondern auf den angeblich vorhandenen Schimmelpilz im Werkraum und damit auf die dienstlichen Bedingungen zurück. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist jedoch allein auf die Art der dienstlichen Verrichtung abzustellen und nicht auf die sonstigen dienstlichen Bedingungen, zu denen etwa die Beschaffenheit der Diensträume zählt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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