Verwaltungsrecht

Disziplinarverfahren gegen Lehrerin wegen Anhängerschaft zur Reichsbürgerbewegung

Aktenzeichen  M 19L DK 18.4273

Datum:
15.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58770
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 9, Art. 11
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3
StGB § 240

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht liegt vor, wenn ein Beamter als Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (VG Regensburg, Urt. v. 26.11.2018 – RN 10 B DK 17.1988 -; VG Trier, Urt. v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR -; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 -; VG München, Urt. v. 8.2.2018 – M 19L DK 17.5914 -). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Verletzung der politischen Treuepflicht kommt es nicht darauf an, dass die politische Überzeugung des Beamten keinen Einfluss auf die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Übrigen hat und es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist (BVerwG, Urt. v. 17.11.2017 – 2 C 27.17 -). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 -; BayVGH, Urt. v. 28.11.2001 – 16 D 00.2077 -; VG Magdeburg, Urt. v. 30.3.2017 – 15 A 16/16 -). (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von fünf Jahren erkannt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

Gründe

Gegen die Beklagte wird die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochen (Art. 9 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine wesentlichen Mängel auf. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des Art. 53 Abs. 1 BayDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, B.v. 7.7.2016 – 2 B 1/16 – juris Rn. 10).
1.1. Der Bevollmächtigte rügt, dass sich die Verfügungen der Disziplinarbehörde in wesentlichen Teilen auf die Wiedergabe der digital erfassten Aktenbestandteile beschränkten. Es trifft zu, dass in den Verfügungen und auch in der Disziplinarklage die bis zu 17-seitigen Schreiben der Klägerin in eingescannter Weise wiedergegeben sind. Durch diese Form der Darstellung ist jedoch sichergestellt, dass die Schreiben in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden können und ihr Inhalt nicht durch eine bloß auszugsweise oder wertende Wiedergabe verfälscht wird.
1.2. Der Bevollmächtigte rügt weiter, dass die Ladung der Beklagten vom 28. Sep tember 2017 eine unvollständige Angabe des Beweisthemas enthalte. In der Ladung ist das Beweisthema „Zustandekommen der Schreiben vom …8.2015 und …5.2016 an OGVin S.“ angegeben. Da auch die Verträge „über Schadensersatz und AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)“ mit diesen Daten sowie die Rechnung vom … Mai 2016 Schreiben sind, ist eine fehlerhafte Bezeichnung des Beweisthemas nicht erkennbar. Im Übrigen könnte sich ein diesbezüglicher Fehler nicht auf das gerichtliche Disziplinarverfahren auswirken, weil der als Zeuge geladene Ehemann der Beklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und eine möglicherweise unvollständige Vorbereitung der Beklagten auf die Zeugeneinvernahme daher keine Auswirkungen haben konnte.
1.3. Der Bevollmächtigte rügt zuletzt, dass die Landesanwaltschaft … in der Disziplinarklage nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass die Beklagte einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst gestellt habe. Die Landesanwaltschaft … führt hierzu mit Schreiben vom 27. November 2018 unter Darstellung der Verfahrensabläufe nachvollziehbar aus, dass sie von dem Antrag bei Einleitung des Disziplinarverfahrens noch keine Kenntnis hatte. Ansonsten ist der Antrag der Beklagten auf Seite 4 der Disziplinarklage bei der Schilderung des Verfahrensgangs erwähnt. Zuletzt könnte sich ein möglicher Fehler insoweit nicht auf das gerichtliche Disziplinarverfahren ausgewirkt haben, weil dem Gericht der Antrag der Beklagten infolge umfassender Aktenkenntnis bekannt ist.
2. Das Gericht legt der Beklagten die im Tatbestand unter 2. dargestellten Schreiben zur Last, die auf Seite 8 bis 60 der Disziplinarklage eingescannt wiedergegeben sind.
Sie hat das Schreiben vom … August 2015 und den „Vertrag über Schadensersatz und AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)“ vom selben Tag selbst unterzeichnet. Sie hatte daneben – jedenfalls überschlägig – Kenntnis auch vom Inhalt der weiteren Schreiben vom … Dezember 2014, … Januar 2015 und … Mai 2016, die lediglich ihre eingescannte Unterschrift tragen. Sie hat weiter die Umschläge beschriftet, mit denen die Schreiben vom … August 2015 und … Mai 2016 versendet wurden. Dies hat sie in der Anhörung bei der Landesanwaltschaft … und auch in der mündlichen Verhandlung angegeben. Damit hat sie sich der versuchten Nötigung in zwei Fällen strafbar gemacht.
Das Gericht geht – anders als die Landesanwaltschaft … – davon aus, dass alle Schreiben tatsächlich von ihrem Ehemann erstellt wurden. Die Beklagte gibt insoweit an, dass ihr Ehemann sich generell um finanzielle Dinge kümmere und ihr die Angelegenheit lästig gewesen sei. Er sei sehr dominant und sie habe sich um des Familienfriedens willen gebeugt. Dies entspreche ihrem Naturell; sie wolle es allen recht machen und könne nicht nein sagen. Das Gericht hält diesen Vortrag für glaubhaft. Die Beklagte hat ihre Angaben aus der Anhörung bei der Landesanwaltschaft … in der mündlichen Verhandlung wiederholt und die familiäre Situation ansatzweise geschildert. Dabei klangen sowohl die schwierige eheliche Beziehungskonstellation als auch ihr Schwanken zwischen Resignation und Hoffnung an. Bei dieser Ausgangslage erscheint es nachvollziehbar, dass sie ihr vorgelegte Schreiben nach nur grober Durchsicht und ohne größere Diskussion unterschreibt und verschickt, um eine weitere Auseinandersetzung oder Verschlechterung des ehelichen Verhältnisses zu vermeiden.
Diese Aufgabenverteilung entlastet die Beklagte jedoch nicht wesentlich. Mit ihrer eigenhändigen Unterschrift unter das Schreiben vom … August 2015 und den „Vertrag über Schadensersatz und AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)“ vom selben Tag hat sie sich deren Inhalt zu eigen gemacht. Gleiches gilt im Hinblick auf die anderen Schreiben, von deren Inhalt sie zumindest kursorisch Kenntnis genommen hat und die mit ihrem Dazutun versendet wurden. Da ihr nach ihren Aussagen manche Äußerungen seltsam vorkamen, einige Begriffe nichts sagten und sie die hohen Schadensersatzforderungen in den AGBs und in der Rechnung vom … Mai 2016 „absurd“ fand, hätte dringender Anlass bestanden, die an eine offizielle Stelle gerichteten Schreiben eingehend zu lesen und inhaltlich zu prüfen. Da sie dies unterlassen und die Versendung der in ihrem Namen gefertigten Schreiben nicht unterbunden hat, hat sie die darin enthaltenen Äußerungen jedenfalls unter billigender Inkaufnahme verlautbart. Die Indizwirkung des Strafbefehls vom 18. November 2016 (vgl. Art. 55 Halbs. 1, 25 Abs. 2 BayDG) wurde damit im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand nicht entkräftet.
3. Durch ihr Verhalten hat die Beklagte ein Dienstvergehen begangen. Sie hat gegen ihre politische Treuepflicht (vgl. 3.1.) und gegen ihre Pflicht zu gesetzmäßigem sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (vgl. 3.2.) verstoßen.
3.1. Die Äußerungen der Beklagten in den genannten Schreiben begründen einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Diese Regelung fordert, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Das Bundesverfassungsgericht (B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 17; ähnlich bereits B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Ls. 2) führt hierzu aus:
„Berufsbeamte und Berufsrichter unterliegen einer politischen Treuepflicht, die zu den von Art. 33 Abs. 5 GG garantierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt. Gemeint ist damit nicht eine Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse – innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln – eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. Unverzichtbar ist, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Beamte, der dies tut, genügt seiner Treuepflicht und kann von diesem Boden aus auch Kritik äußern und Bestrebungen nach Änderungen der bestehenden Verhältnisse – im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und auf verfassungsmäßigen Wegen – unterstützen. Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern auch dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.“
Weiter fordert das Bundesverfassungsgericht für die Annahme einer disziplinar rechtlichen Relevanz der Verletzung der politischen Treuepflicht Folgendes (B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 31; ebenso bereits B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 45):
„Dabei ist zu beachten, dass sich der umschriebene Inhalt der Treuepflicht des Beamten nicht völlig mit dem Inhalt der disziplinär zu ahndenden Treuepflichtverletzung des Beamten deckt, weil zum letztgenannten Tatbestand ein Minimum an Gewicht und an Evidenz der Pflichtverletzung gehört. Das bloße Innehaben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, ist nicht in jedem Fall eine Verletzung der Treuepflicht, die dem Beamten auferlegt ist; dieser Tatbestand ist aber jedenfalls dann überschritten, wenn der Beamte aus seiner der Verfassung widersprechenden politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.“
Diese Anforderungen sind nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 – RN 10 B DK 17.1988 – S. 17, n.v.; VG Trier, U.v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR – juris Rn. 53 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 – juris Rn. 56 ff.; VG München, U.v. 8.2.2018 – M 19L DK 17.5914 – n.v.). Diese Anforderungen sind aber auch dann nicht gewährleistet, wenn er Äußerungen in diesem Sinne tätigt, ohne Anhänger dieser Bewegung zu sein, oder aber wenn er – wie hier – Äußerungen eines anderen für sich annimmt, ohne kritisch dagegen anzugehen. Das Bundesverfassungsgericht (B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 17) sieht es als „unverzichtbar“ für die politische Treuepflicht an, dass der Beamte „aktiv“ für den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung „eintritt“. Dies ist nicht der Fall, wenn er – wie hier – staatsfeindliche Äußerungen jedenfalls überschlägig zur Kenntnis nimmt und den anderen – aus welchen Gründen auch immer – gewähren lässt.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei der sog. „Reichsbürgerbewegung“ um keine homogene, streng zusammengehörige oder klar abgrenzbare Gruppe handelt. Vielmehr umfasst die Bewegung mehrere, oft untereinander konkurrierende Gruppierungen in Deutschland, so dass nicht von einer geschlossenen „Reichsbürger-Ideologie“ oder von einer spezifischen Weltanschauung gesprochen werden kann. Allerdings ist allen Anhängern gemein, dass sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat bestreiten. Sie behaupten, dass das Deutsche Reich fortbestehe. Die Bundesrepublik sei nicht mit dem Deutschen Reich identisch, sondern völker- und verfassungsrechtlich illegal und de jure nicht existent. Sie sei kein Staat, sondern eine privatrechtliche Organisation, die keine hoheitlichen Befugnisse habe. Die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland bedingt, dass die „Reichsbürger-Ideologie“ konsequent das Grundgesetz, die Gesetze und die Legitimität staatlicher Institutionen sowie ihrer Repräsentanten negiert. Sie zweifelt die Rechtsgültigkeit von Verwaltungshandeln an oder ignoriert sie gänzlich, beispielsweise mit der Weigerung, Bußgeldzahlungen oder Rundfunkbeiträge zu leisten (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 14; VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 – RN 10B DK 17.1988 – n.v., S. 17 f.; VG Trier, U.v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR – juris Rn. 67 ff.).
Die Beklagte hat in ihren Schreiben, besonders in denen vom … August 2015 und … Mai 2016, mehrfach und durchgängig in unmissverständlicher Weise insbesondere zum Ausdruck gebracht, dass sie den Beitragsservice als Firma ansieht und diesem nicht beigetreten sei, die Legitimation der Obergerichtsvollzieherin und ihr hoheitliches Handeln nicht anerkennt, diese vielmehr als privater Unternehmer tätig wird, auch das Amtsgericht … als Firma und dessen Direktor als „Hauptverantwortlichen“ ansieht und die Existenz der Bundesrepublik nicht anerkennt, indem sie von „sog. „BRD“ und ihren Bediensteten spricht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die detaillierte Darstellung in der Disziplinarklage (dort S. 64 bis 67) verwiesen. Durch die Inhalte der Schreiben und die verwendeten reichsbürgertypischen Formulierungen hat die Beklagte ihre mit der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung nicht im Einklang stehenden Staatsideen nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.
Für die Verletzung der politischen Treuepflicht kommt es nicht darauf an, dass die in den vorgeworfenen Schreiben bekundete politische Überzeugung der Beklagten keinen Einfluss auf die Art der Erfüllung ihrer Dienstpflichten im Übrigen hatte und es nicht zu konkreten Beanstandungen ihrer Dienstausübung gekommen ist (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 27.17 – juris Rn. 85).
3.2. Neben dem Verstoß gegen die politische Treuepflicht begründet das Verhalten der Beklagten gegenüber der Obergerichtsvollzieherin weiter einen Verstoß gegen ihre Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 240 Abs. 1 bis 3, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Mit ihren Schreiben hat sie ihre mit der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung nicht vereinbare Gesinnung kundgetan und die Obergerichtsvollzieherin unter Hinweis auf ihre – so nicht bestehende – persönliche Haftung und Strafbarkeit unter Druck gesetzt.
4. Das Fehlverhalten der Beklagten stellt sich dabei sowohl als inner- als auch als außerdienstliches dar.
Der Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG begründet ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 85; BayVGH, U.v. 28.11.2001 – 16 D 00.2077 – juris Rn. 155; VG Magdeburg, U.v. 30.3.2017 – 15 A 16/16 – juris Rn. 45). Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht als verfassungsrechtlich verankerte Kernpflicht ist deshalb stets als Dienstvergehen innerhalb des Dienstes zu werten, selbst wenn die pflichtwidrigen Handlungen außerhalb des Dienstortes und der Dienstzeit verübt wurden (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, § 33 BeamtStG Rn. 109).
Den Verstoß gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) sieht das Gericht als außerdienstlichen an. Der Schriftverkehr der Beklagten mit der Obergerichtsvollzieherin war weder formell in ihr Amt noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 29). Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt. Selbst bei der hier vorliegenden nur versuchten Nötigung liegt der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 27 Monaten (vgl. §§ 240 Abs. 1, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und damit über einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, die die Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55/13 – juris Rn. 11) als maßgeblich ansieht, damit ein außerdienstliches Fehlverhalten ein Mindestmaß an Relevanz überschreitet und disziplinarrechtliche Bedeutung erlangt.
5. Die Beklagte hat die ihr obliegenden Pflichten dabei schuldhaft verletzt. Ihr ist vor sätzliches Handeln zur Last zu legen, weil sie die Verlautbarung der ihr vorgeworfenen Schreiben jedenfalls billigend in Kauf genommen und deshalb mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
6. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass die Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht vollständig verloren hat und die Kürzung der Dienstbezüge im gesetzlich möglichen Umfang (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 3 BayDG) die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch die Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Da sich die Bemessung der Disziplinarmaßnahme vorrangig nach der schwersten Verfehlung richtet, kommt dem Gewicht des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue hier richtungsweisende Bedeutung zu. Da die Variationsbreite der Verfassungstreuepflichtverletzungen zu groß ist, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen, gibt es zwar keine disziplinare Regelrechtsprechung (vgl. VG Trier, U.v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR – juris Rn. 102). Dennoch erscheint bei der Verletzung der politischen Treuepflicht in der besonders schweren Form verfassungsfeindlicher Aktivitäten grundsätzlich eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten (Zängl, BayDG, Stand Aug. 2018, MatR II, Rn. 117). Die schuldhafte Missachtung der politischen Treuepflicht ist disziplinarrechtlich von erheblicher Bedeutung, weil die Einhaltung dieser Pflicht unverzichtbare beamtenrechtliche Kernpflicht ist. Von dem Grundsatz der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis weicht das Gericht hier jedoch deshalb ab, weil es infolge der Distanzierung der Beklagten mit den Grundlagen des Beamtenverhältnisses angezeigt erscheint, sie weiterhin mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen. Aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Äußerungen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im Disziplinarverfahren schließt die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie es nicht aus, sie im Dienst zu belassen, weil sie die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht in grundsätzlicher Weise ablehnt. Eine Zurückstufung der Beklagten kommt hier nicht in Frage, weil sie sich noch im Eingangsamt befindet (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Deshalb erscheint die Bezügekürzung im gesetzlich möglichen Umfang zur Pflichtenmahnung erforderlich, aber auch ausreichend.
Die Beklagte hat sich im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im Disziplinar verfahren glaubhaft und nachhaltig von der in den genannten Schreiben zum Ausdruck kommenden staats- und verfassungsfeindlichen Haltung distanziert. Da sie diese Schreiben nach ihren glaubhaften Erklärungen im Verfahren nicht selbst konzipiert, sich den dort geäußerten Ideen und Gedanken nicht inhaltlich zugewendet und diese nicht für sich angenommen und bejaht hat, lässt es das Gericht für eine Distanzierung ausreichen, dass sie sich von den Schreiben als solchen abwendet und klar zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt. Dies hat sie seit Eröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch eine Vielzahl von Bekundungen getan. Sie hat einen Bevollmächtigten eingeschaltet, nach dessen Empfehlung den Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 18. November 2016 akzeptiert und die darin verhängte Geldbuße in Höhe von insgesamt 3.600 € bezahlt. Sie hat auch im Disziplinarverfahren einen Bevollmächtigten beauftragt und über diesen auf dem Dienstweg die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen lassen. In dessen Rahmen hat sie um die Möglichkeit zur persönlichen Äußerung bei der Landesanwaltschaft … gebeten. Bei dieser und auch in der mündlichen Verhandlung war sie geständig, einsichtig und reuig. Sie hat weiter glaubhaft versichert, dass sie einen Staatsangehörigkeitsausweis nicht kenne und die Bundesrepublik der Staat sei, in dem sie lebe, nicht aber eine Firma oder GmbH. Außerdem hat sie die offenen Rundfunkbeiträge inzwischen entrichtet. Sie hat zudem erklärt, dass sie nach diesen Verfahren ihre Gutgläubigkeit verloren habe und bei einem nächsten Mal prüfen oder prüfen lassen würde, ob sie ein Schreiben versenden könne oder nicht.
7. Eine weitere Milderung der gegen die Beklagte auszusprechenden Disziplinarmaßnahme erscheint – auch im Hinblick auf die zu ihren Gunsten sprechenden Milderungsgründe – nicht angezeigt. Zu ihren Gunsten spricht, dass sie bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, seit längerem gute bis sehr gute dienstliche Leistungen erbringt, was sich aus den Beurteilungen und den Persönlichkeitsbildern vom 24. Juli 2018 ergibt, und sich geständig und reuig zeigt. In Anbetracht der Schwere des disziplinarrechtlichen Verstoßes und der Bedeutung der Pflicht zur Verfassungstreue als beamtenrechtliche Kernpflicht kommt eine Abschwächung der Disziplinarmaßnahme, etwa durch Reduzierung des Kürzungszeitraums, jedoch nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Da gegen die Beklagte im Verfahren der Disziplinarklage eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wurde, trägt sie die Kosten des Verfahrens.


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