Verwaltungsrecht

Disziplinarverfügung bei Weigerung zur Wahrnehmung eines Untersuchungstermins

Aktenzeichen  16a DZ 14.557

Datum:
15.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48823
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 9, Art. 62 Abs. 2 S. 2, Art. 72 Abs. 4 S. 1, Art. 73 Abs. 1 S. 1
BeamtStG § 35 S. 1, S. 2, § 36 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Im Falle der Unvereinbarkeit von Dienstplan und Ladung zur polizeiärztlichen Untersuchung besteht eine diesbezügliche Hinweispflicht des Beamten, der zu mitdenkendem und helfendem Gehorsam verpflichtet ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung entbinden nicht von der Pflicht zur sofortigen Ausführung der Anordnung. Von der Gehorsamspflicht unberührt, hätte dem Beamten die Möglichkeit offen gestanden, die von ihm bezweifelte Rechtmäßigkeit der an ihn gerichteten dienstlichen Anordnung verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. auch BVerfG NVwZ 1995, 680).  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 DB 13.3320 2014-01-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) gestützte Zulassungsantrag (vgl. Art. 62 Abs. 2 Satz 2 BayDG) bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche ernstliche Zweifel wären nur dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt würde (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen würden, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismitteln des Zulassungsverfahrens mithin möglich erscheint (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/01 – juris). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidiums M. vom 5. August 2011, mit der die Dienstbezüge des Klägers für die Dauer von neun Monaten um ein Zwanzigstel gekürzt worden sind, zu Recht abgewiesen. Der Kläger, der als Polizeihauptmeister (BesGr A 9) im Dienst des Beklagten steht und in der Polizeiinspektion L… tätig ist, hatte sich entgegen dem ihm am 28. Juni 2010 ausgehändigten Ladungsschreiben nicht am 30. Juni 2010 um 9.30 Uhr auf seine (Polizei-) Dienstfähigkeit polizeiärztlich untersuchen lassen.
Der Kläger wendet sich gegen die Begründung des Verwaltungsgerichts, die vom Kläger nachträglich angeführte Unvereinbarkeit von Dienst- und Fahrplan zeige, dass er sich vorsätzlich der polizeiärztlichen Untersuchung entzogen habe. Die diesbezügliche Anordnung müsse inhaltlich und formell nicht zu beanstanden, also ordnungsmäßig sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die Einhaltung des Untersuchungstermins sei praktisch nicht möglich gewesen, weil der früheste Zug, den der Kläger hätte erreichen können, erst um 11.07 Uhr in M. angekommen wäre. Dem Dienststellenleiter sei bekannt gewesen, dass der Kläger zur Nachtschicht am 29. Juni 2010 zwischen 7 Uhr und 13 Uhr und dann von 19 Uhr bis 7 Uhr morgens eingeteilt gewesen sei. Die Fürsorgepflicht hätte es geboten, die tatsächliche Vereinbarkeit von Dienst und Dienstuntersuchung herzustellen. Dem Kläger sei auch nie mitgeteilt worden, dass die polizeiärztliche Untersuchung Vorrang habe.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 S. 1, 2 BeamtStG). Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen (§ 36 Abs. 2 S. 1 BeamtStG). Daraus ergab sich für den Fall der Unvereinbarkeit von Dienstplan und Ladung zur polizeiärztlichen Untersuchung eine diesbezügliche Hinweispflicht des Klägers, der zu mitdenkendem und helfendem Gehorsam verpflichtet war (vgl. Zängl in Fürst u. a., GKÖD, § 55 BBG Rn. 73). Der Kläger verweist insoweit darauf, dass er „nach der Klageschrift“ dem Dienststellenleiter auch mitgeteilt habe, dass er am 30. Juni 2010 nicht nach der Nachtschicht nach München fahre bzw. fahren könne. Nach dem Aktenvermerk des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West vom 28. Juni 2010 ergibt sich indes, dass es der Kläger grundsätzlich ablehnte, den Untersuchungstermin wahrzunehmen, weil er dessen Notwendigkeit nicht einsehen wollte. Schon bei dieser Gelegenheit war der Kläger auf seine Gehorsamspflicht hingewiesen worden. Der Aktenvermerk des Dienststellenleiters vom 30. Juni 2010 handelt auf zwei Seiten ebenfalls die zu Tage getretene Verweigerungshaltung des Klägers und die hierzu am 28. und 29. Juni 2010 geführten Gespräche ab, ohne dass sich zum damaligen Zeitpunkt irgendein Hinweis auf eine geltend gemachte Unvereinbarkeit von Dienstplan und Untersuchungstermin ergibt. Dass der Dienststellenleiter, der den Kläger davon zu überzeugen versuchte, den Untersuchungstermin wahrzunehmen und ihm deshalb anbot, kurzfristig einen Termin mit dem Präsidium auszumachen, sowie ihn bat, sich nicht nur auf die Kostenübernahmeerklärung seiner Rechtsschutzversicherung zu verlassen, sondern im Vorfeld einen Rechtsanwalt/Fachanwalt für Verwaltungsrecht zu kontaktieren, weil er sich mit seiner Verweigerungshaltung vermutlich nur schade, auf der Einhaltung des Dienstplans bestanden hätte, kann ersichtlich ausgeschlossen werden. Die Bedenken, die der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung hegte, weil er nach der außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt vom 25. April 2007 bereits mehrmals polizeiärztlich untersucht worden war, entbanden ihn nicht von der Pflicht zur sofortigen Ausführung der Anordnung. Von der Gehorsamspflicht unberührt, hätte ihm die Möglichkeit offen gestanden, die von ihm bezweifelte Rechtmäßigkeit der an ihn gerichteten dienstlichen Anordnung verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. BVerfG, B.v. 7.11.1994 – 2 BvR 1117/94 u. a. – juris Rn. 6).
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO). Hierzu wäre darzulegen gewesen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenüber gestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird. Dagegen genügt es nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze aufzuzeigen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73). So liegt es indes hier, denn der Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers erschöpft sich in dem Vorbringen, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – NVwZ 2012, 1483) sei Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Anordnung einer ärztlichen Untersuchung zur Klärung der Dienstfähigkeit, dass die Anordnung inhaltlich und formell nicht zu beanstanden sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trage.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (Art. 62 Abs. 2 BayDG i. V. m. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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