Verwaltungsrecht

Drittstaatenbescheid, Italien, Kirchlicher Würdenträger

Aktenzeichen  B 7 K 19.30588

Datum:
28.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54711
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1
GG Art. 4 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 05.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Diesem stehen die klageweise geltend gemachten Ansprüche nicht zu, insbesondere hat das Bundesamt es zu Recht abgelehnt, zugunsten des Klägers das Vorliegen eines auf Italien bezogenen Abschiebungsverbots festzustellen. Auch die weiteren Entscheidungen im angefochtenen Bescheid erweisen sich als rechtmäßig.
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist zur Sache sowie zur Klage das Folgende auszuführen:
1. Soweit die italienische Behörde dem Bundesamt am 28.02.2019 mitgeteilt hat, dass dem Kläger in Italien internationaler Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis wegen Asyls zugesprochen worden sei (vgl. Bl. 233 d.A.), gibt es keinerlei Hinweise, dass diese Mitteilung unzutreffend sein sollte. Die in dieser Mitteilung genannten Personendaten des Klägers stimmen mit den in Deutschland erfassten Daten überein, insbesondere wird auch das Geburtsdatum übereinstimmend angegeben. Ein Aufklärungsbedarf in diesem Kontext ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerseite erstmals in der mündlichen Verhandlung gewisse Zweifel an der Mitteilung der italienischen Behörde erwähnt hat. Diese geben jedoch keinen Anlass zu weiterer Aufklärung. Es ist nicht schlüssig erkennbar, was an der Mitteilung aus Italien aus welchen Gründen fehlerhaft sein sollte. Der Kläger hat zwar angegeben, von einer Anerkennung in Italien persönlich nichts zu wissen, doch hat er ebenso eingeräumt, dass er nach seiner dortigen Anhörung zu den Gründen für seine Ausreise aus Eritrea nicht nachgefragt habe in Bezug auf eine Sachentscheidung der dortigen Behörden, sondern er möchte die Einrichtung in Italien nachts verlassen haben, ohne sich dort abgemeldet oder sonst seine Abreise mitgeteilt zu haben (vgl. S. 3/4 des Protokolls). Dass Entscheidungen in einem Asylverfahren – seien sie positiv oder negativ – dem Betroffenen gegenüber auch dann rechtlich wirksam werden können, wenn sie ihn persönlich nicht (mehr) erreichen, weil er z.B. vorübergehend untergetaucht ist oder das Land verlassen hat, ist aber nicht ungewöhnlich und findet etwa auch im deutschen Asylgesetz eine rechtliche Grundlage.
Legt man zugrunde, dass der Kläger in Italien international Schutzberechtigter ist, so ist in keiner Weise erkennbar, dass die Italienische Republik diesen dem Kläger zuerkannten Status nicht beachten werde und beispielsweise contra legem Anstrengungen in Richtung einer Abschiebung des Klägers nach Eritrea unternehmen werde (vgl. S. 10 des Protokolls). Es versteht sich, dass der Kläger auch in Italien die Möglichkeit hat, sich gegen behördliche Maßnahmen, die aus seiner Sicht seine Rechte verletzen, gerichtlich zur Wehr zu setzen, wie er dies auch hier in Deutschland veranlasst hat.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Rechtspositionen, insbesondere hat es das Bundesamt zu Recht abgelehnt, zugunsten des Klägers das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Die in das Verfahren eingeführten Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 04.03.2019 und 10.02.2021 geben weder Anlass, von Amts wegen in weitere Ermittlungen einzutreten, noch kann der Kläger aus daraus einen Anspruch gegen die Beklagte ableiten. Denn die Gutachten beruhen auf Prämissen, die jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ersichtlich nicht (mehr) zutreffend sind, und zwar nicht nur in Bezug auf marginale Punkte, sondern in Ansehung wesentlicher Grundlagen.
Vorwegzuschicken ist allerdings, dass auch das Gericht davon ausgeht, dass die Ausübung seines Glaubens für den Kläger als … – also gleichsam … – der eritreisch-orthodoxen Kirche (vgl. S. 7/8 des Protokolls) wesentlicher Bestandteil seines Lebensentwurfs ist bzw. dass ein Leben ohne die Möglichkeit, seinen Glauben auszuüben, für den Kläger sinnlos erscheinen mag. Es versteht sich und bedarf im Grunde keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass die in den Schutzbereich des Art. 4 GG fallende Lebensweise des Klägers, seine Glaubensinhalte und Überzeugungen von den hiesigen Behörden und Gerichten zu respektieren sind und dass bei grundrechtlichen Kollisionen ein möglichst schonender Ausgleich anzustreben ist.
Durchaus problematisch wäre vor diesem Hintergrund eine Rückführung des Klägers in einen (Mitglied-)Staat, in dem es an Voraussetzungen, Grundlagen und Strukturen fehlte, die der Kläger für die Praktizierung seines Glaubens benötigt.
Es trifft jedoch nicht zu, dass die eritreisch-orthodoxe Kirche in Italien nicht vertreten wäre. Der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt und hierzu ausgeführt, dass ihm dies vormals so nicht bekannt gewesen sei. In der Zwischenzeit hat sich der Kläger offenbar selbst hinreichend informiert und in Erfahrung gebracht – entsprechende Hinweise hatte nicht zuletzt das Gericht mit der mit der Ladung übermittelten Auskunftsliste Italien, Stand: März 2021, gegeben – dass es in Italien sehr wohl Gemeinden seiner Konfession gibt. Der Kläger konnte hierzu sogar angeben, dass es derzeit in Italien … gebe (vgl. S. 9 des Protokolls).
Das Gutachten vom 10.02.2021 greift somit erkennbar auf eine unzutreffende Tatsachenbasis zurück, wenn es ausführt, dass es in Italien gar keine Angebote im orthodoxen Bereich gebe, da dort der katholische Glaube in den Einrichtungen und Klöstern bestehe (S. 13 des Gutachtens). Nicht als belastbar hat sich darüber hinaus die Fixierung in dem Gutachten vom 10.02.2021 dahin erwiesen, dass der Kläger in Italien gar nicht die Möglichkeit habe, in ein orthodoxes Kloster zu gehen, weil es solche dort nicht gebe. Ein Leben in einem Kloster sei für den Kläger aber eine wichtige Lebensvoraussetzung (S. 12 des Gutachtens). Bestätigt hat sich vielmehr die im Gutachten an anderer Stelle angesprochene Version, dass die derzeitige Lebenssituation des Klägers in Deutschland als „fast ideal“ zu bezeichnen sei (S. 10 des Gutachtens). Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung eingehend geschildert, wie sich sein Weg in Deutschland gestaltet hat und dass er sich nun letztlich in … sehr wohl fühle – hier finde er Ruhe -, wobei die Unterbringungssituation in einem Einzelzimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft mit gemeinsamer Nutzung von Bad und WC kein nennenswertes Problem darstelle, denn der Kläger könne in seinem Zimmer in Ruhe beten und meditieren. Auf ausdrückliche Nachfrage gab der Kläger an, dass es ihm in … an nichts fehle (vgl. S. 7, 10, 11 des Protokolls). Der Kläger ist mit keinem Wort darauf gekommen, dass es ihn irgendwie belaste, dass er in Deutschland nicht in einem Kloster seiner Konfession lebe. Vielmehr wurde deutlich, dass der Kläger seinen Glauben und insbesondere sein … innerhalb der eritreisch-orthodoxen Kirche in Deutschland rege ausübt (vgl. hierzu näher sogleich), und das auch ohne ein Leben oder eine sonstige Anbindung an ein Kloster seiner Konfession. Soweit also das Gutachten vom 10.02.2021 das Leben in einem orthodoxen Kloster für den Kläger als „wichtige Lebensvoraussetzung“ darstellt, hat sich dieser Befund in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise bestätigt.
In der mündlichen Verhandlung ist stattdessen deutlich geworden, dass der Kläger als … in Deutschland mittlerweile ausgeprägte Aktivitäten im religiösen Bereich entfaltet. Er hat ausführlich davon berichtet, dass er bereits zu der Zeit, als er in … untergebracht gewesen sei, Anschluss an die dortige orthodoxe eritreische Gemeinde gefunden habe. Der Kläger sei von Eritreern angesprochen worden, dass es in … eine orthodoxe Kirche gebe, nachdem er sich selbst dort zunächst noch nicht ausgekannt habe. Offiziell habe der Kläger dort nicht arbeiten könne, sei aber immer behilflich gewesen, z.B. bei der Vorbereitung der Messen oder auch nachher beim Aufräumen; ferner habe er bei den Messen assistiert. Mit dem dortigen Priester namens … habe sich der Kläger viel unterhalten, so etwa über die gesundheitlichen Probleme des Klägers und … habe versucht, den Kläger aufzubauen und zu trösten. Auch sonst hat sich der Kläger informiert gezeigt über die Verhältnisse der eritreischen Gemeinde in … Sein dortiges … sei zunächst nur für den Übergang gedacht gewesen. Man habe abwarten wollen, bis der Kläger einen Bescheid erhalte, dass er in Deutschland bleiben könne. Der andere Priester habe dann dafür sorgen wollen, dass der Kläger in der Gemeinde in … in eine … werde (vgl. S. 4/5 des Protokolls).
Der Kläger wurde jedoch schließlich von … zunächst nach … und dann nach … umverteilt. Eine orthodoxe eritreische Kirche gebe es auch in … und dort … Der Kläger … nicht nur in …, sondern er … So sei er zum Beispiel unterwegs zu …, … oder auch … Insgesamt habe der Kläger so viel zu tun. Die dortigen … würden den Kläger auch mögen und seine … verlangen. Sie … So komme es, dass der Kläger ziemlich beschäftigt und … sei in Sachen Kirche.
Der Kläger erläuterte, dass er als … in Bezug auf den … erreicht habe. Das sei übertragen auf das Katholische quasi ein … Deshalb sei es auch so, dass die …, z.B. auch dazu, dass der … … Es sei in den eritreischen Gemeinden so, dass normalerweise die … Angesprochen auf die Situation konkret in … erklärt er, die dortige Gemeinde … Deshalb übe er eine reguläre andere Arbeit aus, um seine Existenz zu sichern. Ab und zu gebe es aber … (vgl. S. 7/8 des Protokolls).
Der Kläger hat nach seiner Darstellung auch den Kontakt zur eritreischen Gemeinde in … nicht abreißen lasse, er erscheine dort immer …, nachdem … (vgl. S. 8 des Protokolls).
Legt man all dies zugrunde, so kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger gleichsam lebensuntüchtig und nicht einmal in der Lage wäre, für sich selbst ggf. notwendige Hilfe zu organisieren. Soweit im Gutachten vom 10.02.2021 auf S. 11 angeführt wird, dass der Kläger es nicht gelernt habe, sich um die Belange des Alltags zu kümmern, kann dieser Einschätzung bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht gefolgt werden. Dem Kläger ist es nicht nur gelungen, erfolgreich von Eritrea nach Europa zu fliehen, sondern hat von Italien aus den weiteren Reiseweg nach Deutschland absolvieren können. Unterwegs habe er immer Leute gefragt, wobei die Konversation quasi mit Händen und Füßen erfolgt sei; er sei mit dem Zug gefahren und habe sich selbst die nötigen Zugtickets besorgt (vgl. S. 3/4 des Protokolls).
Es wird nicht verkannt, dass es dem Kläger im Fall der freiwilligen Ausreise nach Italien oder einer etwaigen Abschiebung deutlich leichter fallen wird, dort ebenso wie hier in Deutschland Fuß zu fassen, wenn er auf gewisse unterstützende Strukturen zurückgreifen kann. Prognostisch ist anzunehmen, dass es dem Kläger gelingen wird, die benötigte Hilfe zu erlangen. Er ist auch nicht gehindert, bereits von Deutschland aus Kontakt mit einer eritreischen Gemeinde in Italien Kontakt aufzunehmen und/oder nötigenfalls mit Hilfe der hiesigen Gemeinden – der Kläger ist nach seiner eigenen Darstellung … und gleichsam gut vernetzt – Vorkehrungen zu treffen für eine Niederlassung in Italien. Freilich mag es zutreffen, dass manche eritreischen Gemeinden klein seien bzw. wegen der Struktur ihrer Mitglieder über keine erheblichen Einnahmen verfügten, doch ist nicht zu erwarten, dass die Gemeinden einem … die notwendige (Start-)Hilfe verweigern würden, sei es durch Hilfe bei der Wohnungssuche, der vorübergehenden Zurverfügungstellung eines Zimmers oder nötigenfalls auch bei der Suche nach einer ergänzenden Arbeitsmöglichkeit im weltlichen Bereich, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit, die sich mit seinem Lebensentwurf und seinem Glauben vereinbaren lässt – so womöglich eine einfache Tätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich oder auch im sozialen Sektor (vgl. S. 10 des Protokolls) unvereinbar wäre mit seinen für ihn wesentlichen Glaubensüberzeugungen. Solches ist auch sonst nicht naheliegend, denn der Kläger hat selbst erwähnt, dass es … gebe, die im weltlichen Bereich arbeiten, auch wenn es sich dabei häufig um … handele (vgl. S. 10 des Protokolls). Der Kläger hat nach eigenen Angaben früher in Eritrea in seinem Kloster auch im Bereich des Gemüseanbaus mit gearbeitet. Es ist nicht zu erwarten, dass der Kläger seine Existenz in Italien dauerhaft auf Hilfen durch die dortigen Mitglieder der eritreischen Gemeinden wird aufbauen müssen, die jene ggf. kaum in der Lage sein würden aufzubringen (vgl. S. 9 des Protokolls).
Angesprochen darauf, was – unter Ausblendung der damaligen für den Kläger ungenügenden Unterbringungssituation – aus der Sicht des Klägers dagegensprechen würde, nach Italien zurückzukehren, dort ein kleines Zimmer zu finden, ggf. etwas zu arbeiten und als … zu leben, verwies er auf die Inhomogenität der eritreischen Gemeinden (vgl. S. 10/11 des Protokolls). Es erscheint durchaus naheliegend, dass es in den eritreischen Gemeinden Mitglieder gibt, die gegen das politische System in Eritrea eingestellt sind und andererseits solche, die Anhänger der dortigen Machthaber sind. Mit dem gleichen Problem ist der Kläger indessen in Deutschland konfrontiert. Er hat eingeräumt, dass er auch hierzulande schon als Verräter beleidigt worden sei und manchmal Angst verspüre, dass er verprügelt werden könnte (vgl. S. 10/11 des Protokolls). Gleichwohl ist es dem Kläger gelungen, dass er als … … wird. Es ist zu erwarten, dass der Kläger auch in Italien einen gangbaren Weg finden wird, der es ihm ermöglicht, in und mit den dortigen … zusammenzuarbeiten, auch wenn es freilich einmal zu einer Konfliktsituation kommen kann. Ob diesbezüglich der Kläger einmal polizeiliche Hilfe benötigen wird, erscheint spekulativ, doch steht solche erforderlichenfalls auch in Italien zur Verfügung. Naheliegender dürfte jedoch sein, dass es dem Kläger gelingt, durch sein Wirken im religiösen Bereich zugleich denjenigen Elementen zur Geltung zu verhelfen, die die eritreische Gemeinde einen und nicht wegen der Bewertung der Verhältnisse im Heimatland die Spaltung befördern.
Soweit der Kläger in der Vergangenheit in Italien einmal schlechte Erfahrungen im dortigen Asylverfahren gemacht habe und eben in Bezug auf die angesprochene Konversion nicht lediglich ein Missverständnis vorgelegen haben sollte, sondern ein Fehlverhalten des dortigen Amtwalters, ist nicht zu erwarten, dass sich solches in der Zukunft wiederholen wird. Denn das Asylverfahren des Klägers ist in Italien mit der Zuerkennung internationalen Schutzes erfolgreich abgeschlossen. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass der Kläger gehindert sein sollte, seinen Glauben in Italien auszuüben.
Soweit es um die Wohnungssituation in Italien geht, wird der Kläger dort den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sein. Er ist zu erwarten, dass es dem Kläger mit Hilfe der dortigen und ggf. hiesigen eritreischen Gemeinden gelingen wird, ein zumindest einfaches Zimmer zu finden, in dem er die nötige Ruhe für die Ausübung seines Glaubens erfährt. Dabei ist bei der anzustellenden Prognose von einer geplanten, freiwilligen Ausreise auszugehen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf nämlich grundsätzlich ein Asylbewerber dann nicht des Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland, wenn er eine geltend gemachte Gefährdung durch zumutbares eigenes Verhalten, wozu insbesondere die freiwillige Ausreise gehört, abwenden kann (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96; U.v. 3.11.1992 – 9 C 21.92 – juris). Dem Kläger muss aber seit dem Zugang des Bescheids vom 05.04.2019 und dem negativen Ausgang des gerichtlichen Eilverfahrens Az. B 8 S 19.30587 (B.v. 18.4.2019) klar sein, dass er grundsätzlich zur Ausreise aus Deutschland aufgefordert ist, auch wenn das Bundesamt die Vollziehung der Abschiebungsandrohung mit am 23.04.2019 eingegangenem Schriftsatz ausgesetzt hat. Insofern war und ist es dem Kläger auch weiterhin möglich, seine Rückreise nach Italien zu planen und notwendige Vorkehrungen zu treffen, die es ihm erleichtern, in Italien Fuß zu fassen.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Kläger auf anderweitiger nicht asylrechtlicher Grundlage ein Bleiberecht in Deutschland erhalten könnte bzw. inwieweit er nach (freiwilliger) Ausreise auf legalem Weg außerhalb eines Asylverfahrens nach Deutschland zurückkehren könnte, beispielsweise um hier als … Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese zu seinen Gunsten das Vorliegen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots feststellt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG). Dem Kläger droht in Bezug auf seine gesundheitliche Situation im Falle seiner Rückkehr oder Rückführung nach Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine solche Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Sätze 4 und 5 AufenthG). Abzustellen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG).
Eine alsbald eintretende erhebliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers ist im Falle seiner Rückkehr bzw. Rückführung nach Italien nicht anzunehmen. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Daher ist eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz: bei existentiellen Gesundheitsgefahren, was insbesondere aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken folgt (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe ferner BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris).
Es ist prognostisch zu erwarten, dass der Kläger ggf. notwendige medizinische Versorgung auch in Italien erhalten wird. Personen mit Schutzstatus sind in Italien den Einheimischen bezüglich der Gesundheitsversorgung gleichgestellt; notwendig ist eine Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst (vgl. etwa SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 77 ff.). Es mag zwar zutreffend, dass der Kläger nach wie vor mit psychischen Belastungen zu kämpfen hat. Andererseits spricht alles für eine hinreichende Stabilisierung, die es ihm nicht zuletzt ermöglicht, zu … und dort im … zu wirken. Auch in dieser gesundheitlichen Beziehung wird der Kläger prognostisch nötigenfalls Unterstützung durch Gemeindeangehörige erlangen können, die ihn z.B. bei Behördengängen, Arztbesuchen oder auf andere Weise in Italien unterstützen.
Es ist auch in einer Gesamtschau nicht zu erwarten, dass bei Rückkehr oder Abschiebung des Klägers nach Italien die für eine Schutzgewährung anzulegende Schwelle des § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreicht wird.
3. Nach allem ist die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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