Verwaltungsrecht

Dublin, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Vorheriger Antrag beim Bundesamt auf Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  M 5 E 21.50673

Datum:
2.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35369
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die Überstellung nach Spanien.
Die Antragstellerin, nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger, hat unter dem Az. 7525014 – 232 einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Mit Bescheid vom … Juli 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) diesen Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4).
Die hiergegen erhobene Klage (M 1 K 18.52729) wurde mit Beschluss vom 29. Juni 2020 rechtskräftig eingestellt. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (M 1 S 18.52730) wurde mit Beschluss vom 29. Juni 2020 rechtskräftig abgelehnt.
Mit Schreiben vom … Juli 2018 hat das Bundesamt ein Übernahmegesuch an die spanischen Behörden gerichtet. Am … Juli 2018 haben die spanischen Behörden der Übernahme zugestimmt. Mit Schreiben vom … April 2020 hat das Bundesamt den spanischen Behörden mitgeteilt, dass eine Überstellung aktuell, auf Grund eines eingelegten Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung, nicht möglich sei.
Am … Juli 2021 teilte das Bundesamt den spanischen Behörden mit, dass die aufschiebende Wirkung zum … Juli 2021 weggefallen sei und neues Fristende der … Januar 2021 sei.
Mit Schreiben vom … Januar 2021 hat das Bundesamt den spanischen Behörden erstmals mitgeteilt, dass die 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO gelte und das neue Ende der Überstellungsfrist auf … Januar 2022 festgesetzt, da die Antragstellerin flüchtig sei.
Am 20. Oktober 2021 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München:
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, der Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern, Außenstelle Manching/Ingolstadt mitzuteilen, dass eine Überstellung der Antragstellerin nach Spanien („Italien“ ist ein offensichtlicher Schreibfehler) derzeit unzulässig ist.
Zur Begründung wurde angeführt, dass die Antragstellerin zur Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen zähle, da sie sich während ihres drei- bis vierjährigen Aufenthalts in Madrid Zwangsprostituierten musste und somit von physischer und sexualisierter Gewalt betroffen gewesen sei. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK in Verbindung mit Art. 4 im EMRK könne bei einer Rückführung der Antragstellerin nach Spanien nicht ausgeschlossen werden.
Das Bundesamt legte die Asylakte auf elektronischem Weg vor und beantragte den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Asylakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist nicht zulässig, insbesondere ist er als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO nicht statthaft.
a) Grundsätzlich ist vorläufiger Rechtsschutz gegen eine kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 1, § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO), sodass ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht statthaft und damit unzulässig wäre (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Ist die Abschiebungsanordnung aber bestandskräftig geworden, muss der Betroffene in unmittelbarer Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG einen Antrag beim Bundesamt auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen, wenn er eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage geltend machen will (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 5 m.w.N.; VG München, B.v. 27.2.2019 – M 11 E 19.50113 – juris Rn. 10; VG Gelsenkirchen, B.v. 13.12.2017 – 12 a L 3499/17.A – juris Rn 4; VG Greifswald, B.v. 29.6.2017 – 4 B 734/17 As HGW – juris Rn. 17). Die Sicherung dieses Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens kann der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO beantragen. Der Antragsteller kann beantragen, dass der Bundesrepublik als Rechtsträgerin des Bundesamts aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 – juris Rn. 5 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, B.v. 13.12.2017 – 12 a L 3499/17.A – juris Rn 4).
b) Einem dementsprechenden Antrag nach § 123 VwGO fehlt nach derzeitigem Sach- und Streitstand jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. Nach Aktenlage hat die Antragstellerin bisher bei der Antragsgegnerin keinen neuen Antrag, etwa gerichtet auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der vor dem … Januar 2021 abgelaufenen Überstellungsfrist und eingetretener asylrechtlicher Zuständigkeit Deutschlands, gestellt. Ein solcher Antrag wäre aufgrund der Bestandskraft des Bescheids vom … Juli 2018 jedoch angezeigt. Daher ist die Antragstellerin auf eine erneute Prüfung im Rahmen des Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich nachträglichen Änderungen der Sach- oder Rechtslage, durch die Antragsgegnerin zu verweisen.
c) Auch ist der Antrag entsprechend § 88 VwGO nicht dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin einen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO verfolgen möchte. Auch ein solcher Antrag wäre unzulässig, da ein Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zwar ohne Frist jedoch nur bis zur Unanfechtbarkeit des angegriffenen, sofort vollziehbaren Verwaltungsakts gestellt werden kann (Schoch in Schoch/Schneider VwGO Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 577). Der Bescheid des Bundesamtes wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 29. Juni 2020 (M 1 K 18.52729) rechtskräftig und somit unanfechtbar.
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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