Verwaltungsrecht

Durchsuchung des Zimmers eines Asylbewerbers

Aktenzeichen  B 7 K 18.1238

Datum:
2.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7243
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 15 Abs. 4
GG Art. 13
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Durchsuchungsanordnung der Regierung … – Zentrale Ausländerbehörde – vom 24.10.2018 rechtswidrig war.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Anordnung der Durchsuchung seiner Person und der von ihm in seiner Unterkunft mitgeführten Sachen vom 24.10.2018 rechtswidrig war.
I.
Das Gericht konnte über die Klage gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden insoweit mit Schreiben vom 31.05.2019 gehört. Der Beklagte erklärte daraufhin ausdrücklich sein Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid.
II.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage gegen die Durchsuchungsanordnung vom 24.10.2018 ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, insbesondere kann sich der Kläger im Hinblick auf eine konkret drohende Wiederholungsgefahr auf das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse berufen. Besteht die Gefahr, dass die Behörde erneut einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt des erledigten Verwaltungsakts oder zumindest einen gleichartigen Verwaltungsakt erlässt, so rechtfertigt dies einen Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wenn die Gefahr, dass zukünftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird konkret ist und die maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sind (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 112 m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, ist nach Auffassung des Gerichts eine Wiederholungsgefahr zu bejahen. Der Kläger bzw. dessen Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft wurden durch den Beklagten wiederholt durchsucht, um einen Reisepass aufzufinden, obwohl der Kläger angegeben hat, einen solchen nicht zu besitzen. Bei den bisherigen Durchsuchungen wurde ein solcher auch nicht gefunden. Im Übrigen ist das Asylverfahren des Klägers noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24.01.2020 (Az. B 7 K 17.32675) ist gegenwärtig ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim BayVGH anhängig. Mithin befindet sich der Kläger gegenwärtig immer noch im Anwendungsregime des AsylG, sodass die Gefahr besteht, dass der Beklagte nochmals eine Durchsuchungsanordnung auf Grundlage der hier streitgegenständlichen Norm des § 15 Abs. 4 AsylG erlässt. Daneben hat sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 17.03.2020 geweigert, die vom Gericht vorgeschlagene Zusicherung – insbesondere, dass die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig war – abzugeben.
Da im vorliegenden Fall das Fortsetzungsfeststellungsinteresse eindeutig unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr bejaht werden kann, bedarf es keiner weitergehenden Entscheidung dahingehend, ob auch im Hinblick eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben wäre.
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Durchsuchungsanordnung vom 24.10.2018 war rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
Unabhängig von der Frage, ob die Durchsuchung des klägerischen Zimmers in der Gemeinschaftsunterkunft überhaupt von § 15 Abs. 4 AsylG gedeckt ist bzw. ob das Zimmer unter dem Wohnungsbegriff des Art. 13 GG fällt und insoweit ein Richtervorbehalt gemäß § 13 Abs. 2 GG besteht, erfordert § 15 Abs. 4 Satz 1 AsylG jedenfalls konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen seiner Einlassungen einen Reisepass bei sich führt bzw. im Besitz eines solchen ist. Der bloße Hinweis auf behördliche Erfahrungen oder die Nichtabgabe eines Reisepasses trotz Mitwirkungspflicht reicht für eine rechtmäßige Durchsuchung nach § 15 Abs. 4 AsylG nicht aus. Vielmehr muss sich aus den Äußerungen des Asylbewerbers oder aus sonstigen Umständen der konkrete Verdacht begründen lassen, der Asylbewerber führe entgegen seiner Behauptungen die entsprechende Urkunde mit sich (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 15 Rn. 26/27). Weder dem Bescheid vom 24.10.2018, noch der Behördenakte ist aber auch nur ansatzweise zu entnehmen, dass im Zeitpunkt des Bescheidserlasses ein solcher konkreter Verdacht beim Kläger bestand. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits aufgrund eines Bescheides vom 28.05.2018 am 30.05.2018 eine Durchsuchung des klägerischen Zimmers nach dem Reisepass stattgefunden hat und dabei ein solcher nicht gefunden wurde. In der Behördenakte finden sich nach dem Bescheid vom 28.05.2018 bzw. nach der Durchsuchung vom 30.05.2018 keinerlei Hinweise oder Erwägungen, aus denen nunmehr (neue) konkrete Verdachtsmomente für eine neuerliche Durchsuchungsanordnung ersichtlich wären. Im Gegenteil, in der Behördenakte fehlen sogar offensichtlich wesentliche Aktenbestandteile. Insbesondere ist nicht einmal der Entwurf des streitgegenständlichen Bescheids aufzufinden, geschweige denn etwaige Vermerke oder weitere Erkenntnisse, dass nach der Durchsuchung vom 30.05.2018 neue Hinweise oder Erwägungen, aus denen sich nunmehr konkrete Verdachtsmomente für eine neuerliche Durchsuchungsanordnung ergeben könnten, vorhanden sind.
Daneben steht die Durchsuchungsanordnung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AsylG im Ermessen des Beklagten. Der Beklagte stellt im Bescheid aber nahezu keine bzw. nur völlig unzureichende und floskelhafte Ermessungserwägungen ohne Einzelfallbezug an. Im maßgeblichen Absatz auf Seite 2 des Bescheides vom 24.10.2018 heißt es insoweit: „Eine Durchsuchung ist somit anzuordnen, da ein öffentliches Interesse an der Klärung ihrer Identität gegenüber ihrem privaten Interesse überwiegt. Ein milderes Mittel ist nicht mehr erfolgsversprechend, da sie ihrer Pflicht zur Passvorlage nicht nachgekommen sind.“
Aufgrund der gravierenden Grundrechtseingriffe im Zusammenhang mit der Anordnung der Durchsuchung des Klägers bzw. seines Zimmers sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung schon im Ansatz nicht gegeben. Die Anordnung erweist sich somit zudem als ermessensfehlerhaft und damit auch aus diesem Grund als rechtswidrig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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