Aktenzeichen M 12 K 15.5867
Leitsatz
1 Soweit ein Ehepartner den anderen wegen der Beendigung der Beziehung aus der Wohung verweist, führt dies zu einer Unterbrechung der Drei-Jahresfrist des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG, auch dann, wenn der andere Partner an der Ehe festhalten möchte. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rücknahme eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entzieht der Fiktion über den Fortbestand des bisherigen Aufenthaltstitel bis zum Ablauf der Entscheidung die Grundlage. Dies kann wiederum zur Unterbrechung rechtmäßiger Aufenthaltszeiten nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG führen. (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 12 K 15.5867
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 25. Februar 2016
12. Kammer
Sachgebiets-Nr. 600
Hauptpunkte:
Eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten;
Rechtmäßiger Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. …
– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen
Freistaat Bayern vertreten durch: Landratsamt Weilheim-Schongau Ausländerbehörde Stainhartstr. 7, 82362 Weilheim i. OB
– Beklagter –
wegen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, die Richterin …, die ehrenamtliche Richterin …, die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2016 am 25. Februar 2016 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Er ist am … geboren, … Staatsangehöriger und reiste am 27. Juli 2010 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag vom 2. August 2010 wurde mit Bescheid vom 13. August 2010 abgelehnt (Bl. 18 d. Behördenakte – BA). Am … April 2011 heiratete der Kläger vor dem Generalkonsulat … Frau …, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist (Bl. 202, 232 d. BA). Der Kläger verzog nach München zu seiner Ehefrau (Bl. 435 d. BA).
Am 1. Dezember 2011 beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Bl. 523 d. BA) und erklärte am 13. Dezember 2011 gegenüber der Ausländerbehörde München, mit seiner Ehefrau die eheliche Lebensgemeinschaft in München zu führen (Bl. 529 d. BA). Es bestünden keine weiteren Wohnsitze im Bundesgebiet. Die Aufenthaltserlaubnis wurde am 13. Dezember 2011 gemäß § 30 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) mit einer Gültigkeit bis zum 13. Dezember 2012 erteilt (Bl. 538 d. BA).
Am 6. Dezember 2012 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis (Bl. 572 d. BA). Da auf dem vom Kläger vorgelegten Gehaltsnachweis für Januar 2013 ein Sachbezug für eine Wohnung aufgelistet war (Bl. 593 d. BA), wurde über seinen Antrag nicht sofort entschieden. Am 7. Dezember 2012 leitete die Ausländerbehörde dem Kommissariat … in München eine Verdachtsanzeige wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln zu (Bl. 604 d. BA). Das Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 10. Juni 2013 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Bl. 609 d. BA).
Mit Schreiben vom 15. Juli 2014 (Bl. 680 d. BA) wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrages vom 6. Dezember 2012 zu äußern. Aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse werde davon ausgegangen, dass zu keinem Zeitpunkt eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestanden habe.
Im Rahmen eines Termins bei der Ausländerbehörde am 27. November 2014 nahm der Kläger seinen Antrag auf befristete Aufenthaltserlaubnis vom 6. Dezember 2012 zurück und beantragte stattdessen eine befristete Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (Bl. 678 d. BA). Der Antrag ist sowohl vom Kläger als auch von seiner Bevollmächtigten unterschrieben. Sowohl ausweislich des Formulars als auch ausweislich der unter dem 27. November 2014 von der Ausländerbehörde gefertigten Niederschrift (Bl. 697 d. BA) wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass durch die Antragsrücknahme eine Unterbrechung seines rechtmäßigen Aufenthalts eintrete und daher bislang erlangte Aufenthaltszeiten nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Dem Kläger wurde am selben Tag eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG, gültig ab 27. November 2014 bis 26. November 2015, erteilt (Bl. 705 d. BA).
Am … April 2015 teilte die Ehefrau des Klägers durch Formblatt beim Einwohnermeldeamt mit, dass der Kläger nicht mehr bei ihr wohne (Bl. 696 d. BA). Dem Formblatt lag eine schriftliche Mitteilung vom … März 2015 über die Trennung seit 30. Januar 2015 mit der Bitte um Abmeldung des Klägers bei (Bl. 672 d. BA).
Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 wurde dem Kläger und seiner Ehefrau Gelegenheit gegeben, sich zu beabsichtigten ausländerrechtlichen Maßnahmen zu äußern (Bl. 693 d. BA). Mit Schriftsatz vom … Juni 2015 (Bl. 697 d. BA) machte die Bevollmächtigte des Klägers geltend, dass es nicht stimme, dass der Kläger von seiner Ehefrau seit mindestens 21. April 2015 getrennt lebe. Die Ehefrau des Klägers habe den Kläger am 30. Januar 2015 nach einem Streit ausgesperrt und ihn nicht mehr hereingelassen. Zudem habe sie dem Kläger den Wohnungsschlüssel nicht mehr herausgegeben. Somit habe der Kläger nicht die Möglichkeit gehabt, in die eheliche Wohnung zurückzukehren. Der Kläger würde aber weiterhin an der Ehe festhalten.
Am 4. August 2015 sprach die Ehefrau des Klägers bei der Ausländerbehörde vor (Bl. 670 d. BA). Sie gab an, dass der Kläger seit dem 30. Januar 2015 nicht mehr bei ihr wohne. Anlass für die Trennung sei ein heftiger Streit gewesen, den sie mit ihrem Ehemann und seiner Arbeitgeberin am 30. Januar 2015 geführt habe. Der Kläger habe seine Sachen gepackt und den Wohnungsschlüssel in den Briefkasten geworfen. Die Ehefrau gab an, nicht mehr mit dem Kläger die Ehe wieder aufnehmen zu wollen. Einen Scheidungsantrag habe sie noch nicht gestellt.
Seit Oktober 2015 wohnt der Kläger im Landkreis … Mit Schriftsatz vom … November 2015 bestellte sich eine weitere Bevollmächtigte des Klägers und beantragte die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis (Bl. 709 d. BA). Der Kläger habe sich im Oktober 2015 von seiner Ehefrau getrennt. Mit Schreiben vom 6. November 2015 (Bl. 716 d. BA) wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich zur beabsichtigten Antragsablehnung zu äußern. Die Bevollmächtigte des Klägers machte mit Schriftsatz vom … November 2015 (Bl. 718 d. BA) geltend, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt seien, da die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren bestanden habe.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2015 (Bl. 730 d. BA) wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 4. November 2015 abgelehnt (Nr. 1). Der Kläger habe das Bundesgebiet bis zum 13. Januar 2016 zu verlassen. Sollte er nicht fristgerecht ausreisen, werde er nach … abgeschoben. Die Abschiebung könne auch in einen anderen Staat erfolgen, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Nr. 2).
Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau habe nicht seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Durch die Rücknahme des Antrags vom 6. Dezember 2012 sei eine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthaltes eingetreten. Dem Kläger sei ab dem 27. November 2014 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt worden. Die Frist für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht habe aufgrund der Unterbrechung ab diesem Datum begonnen. Demnach habe die eheliche Lebensgemeinschaft lediglich etwa drei bis zehn Monate bestanden. Seit spätestens Oktober 2015 sei der Kläger von seiner Ehefrau getrennt. Es werde jedoch angenommen, dass die Trennung im Januar 2015 stattgefunden habe. Anhaltspunkte, die die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG rechtfertigen würden, seien nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen eines anderweitigen Anspruchs auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels lägen nicht vor. Die Aufenthaltserlaubnis dürfe auch nicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung erteilt werden. Ein weiterer, im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehener Aufenthaltszweck im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bestehe nicht.
Durch die Versagung des Aufenthaltstitels sei der Kläger zur Ausreise verpflichtet, § 50 Abs. 1 AufenthG. Er habe das Bundesgebiet gemäß § 50 Abs. 2 AufenthG bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist zu verlassen. Die Ausreisefrist sei seiner bisherigen rechtmäßigen Aufenthaltsdauer angemessen und ermögliche es ihm, die zur Ausreise erforderlichen Vorbereitungen zu treffen.
Der Kläger hat am … Dezember 2015 durch seine Prozessbevollmächtigte Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau habe seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Scheinehe ergeben hätten. Außerdem ergebe sich auch aus dem Ergebnis der Durchsuchung der Ehewohnung vom … März 2013 sowie aus der Befragung der Stieftöchter des Klägers, dass keine Scheinehe vorgelegen habe. Die Ehefrau des Klägers habe bestätigt, dass sie mit dem Kläger eine ganz normale Ehe führe und die Heirat ausschließlich aus Liebesgründen erfolgt sei. Soweit der Beklagte aufgrund der Hausbewohnerbefragung mutmaße, es würde keine eheliche Lebensgemeinschaft bestehen, sei dies nicht vertretbar. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung im … in München gearbeitet. Er sei ab 7.30 Uhr bis ca. 22.00 Uhr außer Haus gewesen und habe des Öfteren eine Doppelschicht arbeiten müssen. Daher habe er von seinem Arbeitgeber im … zusammen mit anderen Mitarbeitern für die Pausen ein Zimmer zur Verfügung gestellt bekommen, um sich umzuziehen und zu duschen. Der Kläger habe keine Wohnung von seinem Arbeitgeber angemietet, die einmalige Anrechnung eines Sachbezugs Wohnung im Januar 2013 sei ein Fehler gewesen. Insgesamt erscheine eine Hausbewohnerbefragung außerdem nicht geeignet, das Vorliegen einer Scheinehe zu beweisen, da die Anonymität von Mehrfamilienhäusern allseits bekannt sei.
Es werde angezweifelt, dass der Antrag vom 6. Dezember 2012 zurückgenommen worden sei bzw. eine Rücknahme des Antrages sei nicht aus freier Überzeugung des Klägers erfolgt. Selbst wenn der Kläger den Antrag zurückgenommen habe, könne eine Rücknahme den seit 6. Dezember 2012 bestehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Rahmen einer Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht rückwirkend unrechtmäßig machen. Denn die Fiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG bedeute, dass der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gelte. Der Aufenthaltstitel der am 13. November 2011 erteilten Aufenthaltserlaubnis habe daher bis zum 27. November 2014 fortbestanden. Dass das zuständige Ausländeramt am 27. November 2014 von einer ehelichen Gemeinschaft des Klägers ausgegangen sei, ergebe sich schon daraus, dass an diesem Tag eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG erteilt worden sei. Aufgrund der Handlungsweise des Ausländeramts entstehe der Eindruck, dass das drohende eigenständige Aufenthaltsrecht des Klägers verhindert werden sollte, weshalb dem Kläger einfach aufgedrängt worden sei, den zweijährigen rechtmäßigen Aufenthalt durch die Rücknahme eines Antrages nicht rechtmäßig erscheinen zu lassen. Diese Vorgehensweise sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Gehe man wie der Beklagte davon aus, dass durch die Antragsrücknahme die Fiktionswirkung des Antrags rückwirkend erloschen sei, so sei die am 27. November 2014 erteilte Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen, da es keine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einem zweijährigen illegalen Aufenthalt gebe. Gegebenenfalls wäre der Kläger auf ein Visumsverfahren zu verweisen gewesen. Die Sachbehandlung durch die Ausländerbehörde sei willkürlich, da über zwei Jahre hinweg keine Entscheidung über den am 6. Dezember 2012 gestellten Antrag auf Aufenthaltserlaubnis erfolgt sei. Die fehlende Entscheidung solle durch die Antragsrücknahme legalisiert werden. Die Antragsrücknahme sei kein Eingeständnis des Klägers, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe. Er habe immer das Gegenteil beteuert. Die Ausländerbehörde hätte den Antrag in der üblichen Zeitspanne ablehnen können. Dies sei mangels Nachweis, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft vorgelegen habe, nicht erfolgt. Somit habe zwischen dem 6. Dezember 2012 und dem 27. November 2014 eine eheliche Lebensgemeinschaft vorgelegen und die Voraussetzungen des § 31 AufenthG seien erfüllt.
Der Kläger legt eine eidesstattliche Erklärung vom … Juli 2011 vor. In dieser schildert seine Ehefrau, dass sie den Kläger im Dezember 2010 auf einer Party kennengelernt habe. Sie habe sich gleich in ihn verliebt und sie seien seit etwa dieser Zeit ein Paar. Im Februar hätten sie erstmals über eine Heirat gesprochen. Sie habe zunächst nicht wieder heiraten wollen, er sei viel jünger als sie. Sie hätten aber alle Bedenken überwunden und am … April 2011 geheiratet, weil sie sich liebten.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die eheliche Lebensgemeinschaft habe nicht seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Der Kläger habe am 27. November 2014 den Antrag vom 6. Dezember 2012 zurückgenommen. Die Antragsrücknahme sei durch die Bevollmächtigte des Klägers mitunterschrieben. Der Kläger sei auf die Folgen der Rücknahme hingewiesen worden. Es hätten keine Indizien dafür vorgelegen, dass die Rücknahme nicht aus freier Überzeugung erfolgt sei.
Der Kläger sei vom 30. November 2011 bis 13. Dezember 2012 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG gewesen. In der Folgezeit habe sein Aufenthalt lediglich fiktiv fortgegolten. Eine Anrechenbarkeit von Fiktionszeiten komme nur in Betracht, wenn die abschließende Entscheidung der Behörde über den Antrag positiv sei und der Aufenthaltstitel verlängert werde. Vorliegend sei jedoch der Antrag vom 6. Dezember 2012 durch den Kläger zurückgenommen worden. Erst nach Antragsrücknahme habe der Kläger einen neuen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gestellt.
Bezüglich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 25. Februar 2016, bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid vom 2. Dezember 2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt und er keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis hat, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
I.
Nr. 1 des angegriffenen Bescheids ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
1. Die Voraussetzungen der §§ 27 Abs.1, 30 Abs. 1 AufenthG sind nicht erfüllt, da der Kläger, wie er selbst vorträgt, spätestens seit Oktober 2015 nicht mehr in ehelicher Lebensgemeinschaft mit seiner Frau, die eine Niederlassungserlaubnis hat, lebt.
2. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht erfüllt, da die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner Ehefrau nicht seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.
a) Rechtmäßig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG meint, dass sowohl die eheliche Lebensgemeinschaft als auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet für mindestens drei Jahre ununterbrochen vorgelegen haben müssen (Göbel-Zimmermann in Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, § 31 Rn. 8 m. w. N.; vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 31 AufenthG Rn. 14). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben.
aa) Bereits am 30. Januar 2015 trennten sich die Eheleute und beendeten die eheliche Lebensgemeinschaft. Der Vortrag des Klägers, er habe an der Ehe zu diesem Zeitpunkt festhalten wollen und sei von seiner Ehefrau aus der Wohnung geworfen worden, ändert nichts daran, dass schon am 30. Januar 2015 die eheliche Lebensgemeinschaft beendet war. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 4. August 2015. Hiernach war der Kläger – wie auch er selbst einräumt – seit dem 30. Januar 2015 nicht mehr bei ihr wohnhaft. Die Ehefrau des Klägers wollte die Ehe mit dem Kläger nicht mehr wieder aufnehmen, so dass ab diesem Zeitpunkt keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr vorhanden war.
Aber selbst wenn man dem Vortrag des Klägers folgen und die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft erst im Oktober 2015 annehmen würde, lägen keine drei ununterbrochene Jahre ehelicher Lebensgemeinschaft in Kombination mit einem rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet vor. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die eheliche Lebensgemeinschaft bereits am 30. Januar 2015 oder erst im Oktober 2015 beendet wurde.
bb) Denn die vor der Antragstellung am 27. November 2014 zurückgelegten Aufenthaltszeiten des Klägers können nicht auf das Erfordernis des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eines dreijährigen rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet angerechnet werden.
Der Kläger hat am 27. November 2014 seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 6. Dezember 2012 zurückgenommen und einen neuen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gestellt. Das vom Kläger und seiner damaligen Bevollmächtigten unterschriebene Formblatt (Bl. 678 d. BA) ist eindeutig, so dass die von der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Zweifel an der Antragsrücknahme, welche zudem nicht näher dargelegt werden, nicht durchgreifen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag vom 6. Dezember 2012 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zurückgenommen werden sollte. Damit trat eine Unterbrechung der rechtmäßigen Aufenthaltszeiten ein, worauf der Kläger ausweislich des am 27. November 2014 unterschriebenen Formblatts sowie ausweislich der Niederschrift von 27. November 2014 auch hingewiesen wurde.
Dafür, dass die Rücknahme des Antrags vom 6. Dezember 2012 nicht dem freien Willen des Klägers entsprach, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die von der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebrachten Zweifel, dass die Antragsrücknahme nicht aus freier Überzeugung des Klägers erfolgt sei, werden nicht näher dargelegt. Vielmehr wurde der Kläger sowohl ausweislich des Formblatts vom 27. November 2014 als auch ausweislich der Niederschrift vom selben Tag auf die Folgen der Antragsrücknahme hingewiesen. Hinzu kommt, dass der Kläger bei dem Termin bei der Ausländerbehörde vom 27. November 2014 anwaltlich vertreten war und seine Anwältin die Antragsrücknahme mitunterzeichnet hat.
cc) Aus § 81 Abs. 4 AufenthG ergibt sich nichts anderes. Hiernach gilt ein bisheriger Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Zwar hat der Kläger hier am 6. Dezember 2012, bevor sein Aufenthaltstitel vom 13. Dezember 2011 am 13. Dezember 2012 ablief, rechtzeitig die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt. Allerdings hat er den Antrag vom 6. Dezember 2012 am 27. November 2014 zurückgenommen, so dass eine Unterbrechung der rechtmäßigen Aufenthaltszeiten des Klägers eintrat. Zwar führt die Fiktion zunächst dazu, dass der dem Kläger am 13. Dezember 2011 erteilte Aufenthaltstitel weitergalt. Mit der Rücknahme des Antrags ist aber auch die Grundlage der Fiktionswirkung entfallen. Es ist kein Antrag vorhanden, auf den sich die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG stützen ließe. Damit kommt keine Anrechnung der Fiktionszeiten auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers in Betracht. Der rechtmäßige Aufenthalt des Klägers wurde unterbrochen, so dass nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft in Kombination mit einem rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet für die Dauer von drei Jahren ununterbrochen vorliegt.
dd) Der Vorwurf der willkürlichen Sachbehandlung durch die Ausländerbehörde verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Selbst wenn – wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers vorträgt – der Antrag vom 6. Dezember 2012 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis schon vor dem 27. November 2014 positiv hätte verbeschieden werden müssen, ändert dies nichts daran, dass der anwaltlich beratene Kläger diesen Antrag am 27. November 2014 zurückgenommen hat und dadurch eine Unterbrechung der Aufenthaltszeiten eingetreten ist. Damit ist unerheblich, ob es sich bei der Ehe des Klägers um eine Scheinehe handelte oder nicht, da allein aufgrund der Antragsrücknahme keine Anrechnung der vor dem 27. November 2014 zurückgelegten Aufenthaltszeiten in Betracht kommt.
b) Für die Anwendung des § 31 Abs. 2 AufenthG ist kein Raum. Es ist nicht ersichtlich, dass es zur Vermeidung einer besonderen Härte für den Kläger erforderlich wäre, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Insbesondere sind allgemeine sich aus der Ablehnung seines Antrags und der Aufenthaltsbeendigung ergebende Härten hinzunehmen. Der Kläger ist nicht härter getroffen als andere Ausländer, die nach vergleichbaren Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen und aus dem hiesigen Erwerbsleben ausscheiden müssen.
3. Ein Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus anderweitigen Vorschriften ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Nr. 2 des angegriffenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Ausreisepflicht des Klägers ergibt sich aus § 50 Abs. 1 AufenthG, die Abschiebungsandrohung aus § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist ist angemessen, da sie ihm ermöglicht, die zur Ausreise erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Gründe für die Verlängerung der Ausreisefrist nach § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG sind nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem Streitwertkatalog).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.