Verwaltungsrecht

Einstellung des Asylverfahrens

Aktenzeichen  W 3 K 16.30550

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150439
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 33 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Wenn das Bundesamt von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylG Gebrauch macht, darf das Gericht mit der Aufhebung der getroffenen Entscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Asylgesuchs entscheiden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Einstellung des Verfahrens ohne die vorherige, zwingend vorgegebene schriftliche Belehrung über die Folgen des Nichterscheinens zum Anhörungstermin führt zur Rechtswidrigkeit der Verfahrenseinstellung und verletzt den Asylbewerber in seinem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. April 2016 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Fernbleibens der Beteiligten von der mündlichen Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist nur zum Teil zulässig. Wenn das Bundesamt von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylG Gebrauch macht, darf das Gericht mit der Aufhebung der getroffenen Entscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entscheiden. Vielmehr ist diese Sachentscheidung nach den Regelungen des Asylgesetzes zunächst dem Bundesamt vorbehalten. Der Asylsuchende muss die Aufhebung dieses Bescheides erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (vgl. zu § 33 AsylVfG: BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1/13 – juris Rn. 14). Insoweit war die Klage wegen Unzulässigkeit abzuweisen.
Die im Übrigen zulässige Klage (vgl. zum Rechtsschutzbedürfnis: BVerfG, B.v. 20.7.2016 – 2 BvR 1385/16 – juris Rn. 8; VG Würzburg, B.v. 23.9.2016 – W 3 S 16.31489 – juris) ist begründet. Die Einstellung des Verfahrens durch das Bundesamt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 33 Abs. 1 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 390) gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er eine Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 AsylG oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist.
Gemäß § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Dabei ist inhaltlich auf die nach Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Unabhängig von den hierzu durch die Rechtsprechung aufgeworfenen Streitfragen (vgl. hierzu z.B. VG München, U.v. 29.6.2017 – M 21 K 16.34701 – BeckRS 2017, 1159/83) liegt hier keine ordnungsgemäße Belehrung der Klägerin gegen Empfangsbestätigung vor. Aus dem Erfordernis der Empfangsbestätigung und ihrer Funktion als Beweismittel wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Belehrung mit dem Eintritt der Rücknahmefiktion verknüpfen wollte (OVG SH, B.v. 12.5.2017 – 4 LA 45/17 – juris Rn. 16). Die ausgehändigte Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Verfahrenshinweise enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung wegen Nichterscheinens zum Anhörungstermin, sondern beschränkte sich in diesem Zusammenhang auf den Hinweis einer Entscheidung nach Aktenlage. Auch der Auszug aus dem Gesetzestext zum Asyl(verfahrens) gesetz enthielt die Regelung in § 33 AsylG nicht.
Die Belehrung in der Ladung zur Anhörung ist der Klägerin nicht gegen Empfangsbestätigung übermittelt worden. Die Klägerin hat die Ladung nicht erhalten.
Die Einstellung des Verfahrens nach § 33 Abs. 2 AsylG ohne die zwingend vorgegebene Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG führt zur Rechtswidrigkeit der Verfahrenseinstellung und verletzt den Asylbewerber in seinem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Die angefochtene Verfahrenseinstellung war daher aufzuheben. Entsprechendes gilt für die Feststellung zu Abschiebungsverboten und die erlassene Abschiebungsandrohung. Diese sind jedenfalls verfrüht ergangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG.


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