Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtschutz, Tenure Track, Verfahren, Evaluierungskommission als Äquivalent zur Berufungskommission, Bedenken hinsichtlich der Reichweite und Gestaltungsfreiheit eines Qualitätssicherungsmanagements, Besorgnis der Befangenheit, Folge von Verfahrensverstößen bei eingeschränkter Überprüfbarkeit der Bewertungsentscheidung, Berufungs- bzw. Evaluierungsergebnis ist Prüfungsentscheidung, Verbot der Stimmenthaltung bei Prüfungsentscheidungen

Aktenzeichen  M 3 E 21.4116

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29654
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayHSchPG Art. 18
BayHSchG Art. 13 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG Art. 21

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO verpflichtet, die Antragstellerin unter Beibehaltung ihres Rechts den Titel „Professorin” zu führen und aller damit verbunden Rechte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens M 3 K 21.2000 in ihrem Fachgebiet weiterzubeschäftigen.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 43.306,38 EURO festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, geboren am 3. März 1975, wurde von der T* … Universität M* … (im Folgenden: Universität) zum 1. Oktober 2014 auf die Tenure Track Assistant Professorship „Bioinorganic Chemistry“ in der Fakultät für Chemie berufen. Mit der Berufung war die Ernennung der Antragstellerin zur Professorin der Besoldungsgruppe W2 auf Zeit verbunden. Die Tenure-Phase umfasste sechs Jahre und endete zum 30.09.2020.
Im Jahr 2020 erfolgte eine vorgesehene Prüfung des Karriereaufstiegs zum Associate Professor (W3-Professur). Für den genauen Ablauf der Prüfung wird auf Bl. 333 der Behördenakte verwiesen. Das Votum der eingesetzten Evaluierungskommission zum Karriereaufstieg fiel mit 4 Stimmen zu 5 Enthaltungen negativ aus, da die Antragstellerin im Bereich Forschung & Entwicklung und in der Akademischen Lehre zwar sehr gute, aber keine exzellenten Leistungen erbrachte habe. Für die weiteren Einzelheiten zum Votum wird auf Bl. 217 ff. der Behördenakte verwiesen.
Nachdem auch das Appointment und Tenure Board mit Votum vom 30. Juni 2020 die Ablehnung des Tenure-Vorschlags empfahl und eine entsprechende Beschlussvorlage für das Präsidium vorformulierte, befand das Präsidium der Universität mit Beschluss vom 14. Juli 2020 negativ über den Karriereaufstieg. Für das Votum des Boards wird auf Bl. 225, für die Beschlussvorlage auf Bl. 230 ff. und den Beschluss auf Bl. 226 der Behördenakte verwiesen. Mit Beschluss vom 22. September 2020 stellte das Präsidium nach Anhörung der Antragstellerin erneut die negative Tenure-Evaluierung fest; für diesen Beschluss wird auf Bl. 257 ff. der Behördenakte verwiesen.
Der gegen den Beschluss des Präsidiums vom 22. September 2020 eingelegte Widerspruch der Antragstellerin wurde mit Widerspruchsbescheid der Universität vom 5. März 2021 zurückgewiesen. Für den Widerspruch, seine Begründung und den Widerspruchsbescheid wird auf Bl. 334 ff. der Behördenakte verwiesen.
Die Antragstellerin befindet sich seit dem 1. Oktober 2020 in einer 12-monatigen Auslaufphase auf einer A14-Beamtenstelle (connecting package) und führt den Titel „Professorin“. Diese Auslaufphase endet zum 30. September 2021.
Die Antragstellerin hat am 8. April 2021 gegen den Beschluss der Universität vom 22. September 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 3 K 21.2000). Mit Schriftsatz vom 3. August 2021, eingegangen am selben Tag, beantragt die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München:
Dem Antragsgegner wird vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aufgegeben, die Antragstellerin ab dem 1.Oktober 2021 mit einer Auslauffrist von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Wiederholung der Tenure Evaluierung erfolgt ist, jedenfalls aber bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, anhängig vor dem VG München (AZ: M 3 K 21.2000), als Professorin im Angestelltenverhältnis der Besoldungsgruppe W2 für Bioanorganische Chemie weiterzubeschäftigen.
hilfsweise
Dem Antragsgegner wird vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aufgegeben, die Antragstellerin unter Beibehaltung ihres Rechts, den Titel „Professorin“ weiterzuführen, zum 01. Oktober 2021 auf einer A14 Stelle als Akademische Oberrätin zu ernennen und sie mit einer Auslauffrist von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Wiederholung der Tenure Evaluierung erfolgt ist, jedenfalls aber bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, anhängig vor dem VG München (AZ: M 3 K 21 .2000), weiterzubeschäftigen.
höchst hilfsweise
Dem Antragsgegner wird vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aufgegeben, die Antragstellerin unter Beibehaltung ihres Rechts, den Titel „Professorin“ weiterzuführen auf einer Angestelltenstelle der Entgeltgruppe E15 Stufe 6 TV-L mit einer Auslauffrist von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Wiederholung der Tenure Evaluierung erfolgt ist, jedenfalls aber bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, anhängig vor dem VG München (AZ: M 3 K 21.2000), weiterzubeschäftigen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Wiederholung der Tenure Evaluierung der Tenure Track Assistant Professorship „Bioanorganische Chemie“ unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des VG München habe. Wie in der Klagebegründung dargelegt, leide das negative Tenure Votum der Evaluierungskommission, darauf fußend auch die negative Tenure Entscheidung des Präsidiums der Universität und der Widerspruchsbescheid, an erheblichen Verfahrensfehlern. Die Tenure Entscheidung sei auch in materieller Hinsicht rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. In formeller Hinsicht verstoße das negative Tenure Votum der Evaluierungskommission gegen materielles Prüfungsrecht, weil sich bei der abschließenden Abstimmung über die Leistungsbewertung der Antragstellerin fünf Kommissionsmitglieder der Stimme enthalten hätten. Das negative Votum leide ferner an weiteren formellen Mängeln, weil der Vorsitzende der Evaluierungskommission entgegen der einschlägigen Bestimmung der Satzung der Universität aus einer fachfremden Fakultät bestellt worden sei und in Bezug auf die Mitwirkung eines Kommissionsmitglieds (Prof. C.) offenkundig Besorgnis der Befangenheit bestanden habe. Materiell erweise sich das negative Tenure Votum der Evaluierungskommission vor allem deshalb als rechtswidrig, weil es auf der Grundlage der Leistungsbewertungskriterien in § 10 Absatz 2 der Tenure Track Satzung der Universität ergangen sei. Diese Kriterien seien nicht nur unbestimmt, sondern stellten mit dem Verlangen nach exzellenten, über sehr gut hinausgehenden Leistungen extrem hohe Hürden auf, welche im Rahmen der im Tenure Track Verfahren zu treffende Übernahmeentscheidung gemessen an Art. 12 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG unverhältnismäßig seien. Wenn die Evaluierungskommission die Leistungen der Antragstellerin verfahrensfehlerfrei evaluiert und bei den Anforderungen das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachtet hätte, wäre das Votum mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Antragstellerin positiv ausgefallen. Dass deren Leistungen in Forschung und Entwicklung wie in der Lehre wenigstens als sehr gut einzustufen seien, sei völlig unbestritten. Ebenso sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Votum in dem nun zu wiederholenden Tenure Track Verfahren für die Antragstellerin positiv ausfallen werde. Das gelte umso mehr, als die Antragstellerin inzwischen weitere anerkannte herausragende wissenschaftliche Leistungen erbracht habe. Sei aber damit zu rechnen, dass die nachzuholende Evaluierung zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen würde, könne der zwischenzeitliche, von den Organen des Antragsgegners fehlerhaft herbeigeführte Schwebezustand nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Vielmehr müsse der Antragsgegner die Antragstellerin auch schon in der Zeit bis zur Beendigung des Verfahrens als Professorin W 2 weiterbeschäftigen. Weiter wird ausgeführt, dass die begehrte Anordnung zur Regelung der Rechtsbeziehung zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geboten sei, um einen drohenden und im Falle einer Unterbrechung ihrer akademischen Position als Professorin nicht mehr reparablen Karriereschaden, den die Antragstellerin sonst erleiden würde, abzuwenden. Der Antragsgegner in Gestalt der Universität würde bei Anordnung der begehrten vorläufigen Regelung keinen Nachteil oder Schaden erleiden. Die Universität würde, wie sich aus den Stellungnahmen der früheren Studiendekane sowie der Studierendenvertreter in der Evaluierungskommission ergebe, eine hochtalentierte Dozentin behalten. Der Antragsgegner würde davon profitieren, dass die Antragstellerin weiterhin Arbeiten in renommierten internationalen Zeitschriften veröffentlichen würde und die Finanzierung ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter durch DFG-Drittmittel sicherstellen würde. Der Antragsgegner bleibe auch im Genuss der Programmpauschalen aus den eingeworbenen DFG-Drittmitteln. Im Übrigen bliebe die Antragstellerin auch dem Exzellenz-Cluster „e-conversion“ erhalten und der Antragsgegner profitiere nicht zuletzt vom herausragenden Engagement der Antragstellerin in der Akademischen Selbstverwaltung. Letzteres finde sich auch im datumslosen Votum der Evaluationskommission wieder. Die beantragte Regelung beinhalte im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen keine Vorwegnahme der Hauptsache. Der Hauptantrag habe vorläufigen Charakter. Das sei der Fall, wenn das Gericht die Regelung zeitlich befriste. Würde das Gericht die Regelung anordnen, bis das Hauptsacheverfahren abgeschlossen sei, läge es nicht anders. Im Übrigen wäre die Vorwegnahme der Hauptsache hier auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG kein Hindernis, weil wegen des offensichtlichen Verstoßes gegen materielles Prüfungsrecht (unzulässige Enthaltungen bei der Abstimmung über das Tenure Votum) die Beschlüsse zumindest formell rechtswidrig seien und daher ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spreche.
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Das Verwaltungsgericht sei für eine privatrechtliche Weiterbeschäftigung der Klägerin im Angestelltenverhältnis nicht zuständig. Die gestellten Anträge seien unbestimmt, da die Dauer der Weiterbeschäftigung offen bleibe. Der Eilantrag sei erst wenige Wochen vor dem endgültigen Ausscheiden der Antragstellerin aus der ihr gewährten Anschlussbeschäftigung gestellt worden, obwohl bei der von vornherein zu erwartenden Verfahrensdauer offensichtlich war, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vor dem Ausscheiden ergehen könne. Deshalb sei das Rechtschutzbedürfnis zweifelhaft. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin bestehe nicht. Eine Weiterbeschäftigung als Beamtin komme für die Antragstellerin wegen Art. 8 Abs. 2 Satz 2 BayHSchPG nicht in Betracht. Eine Weiterbeschäftigung im Angestelltenverhältnis als Professorin scheide aus, da für die Ausnahmeregelung des Art. 8 Abs. 3 BayHSchPG erst recht die zeitliche Höchstdauer von 6 Jahren gelte. Eine Weiterbeschäftigung als Akademische Oberrätin auf Zeit sei nach Art. 22 Abs. 5 S. 2 Hs. 2 BayHSchPG nicht zulässig, da eine solche nur in den Fällen des Art. 17 Abs. 2 und 3 BayHSchPG oder einer erneuten Ernennung zum Akademischen Rat, zur Akademischen Rätin, zum Akademischen Oberrat oder zur Akademischen Oberrätin im Beamtenverhältnis auf Zeit möglich sei. Die beantragte Weiterbeschäftigung der Antragstellerin über die bisherige Anschlussbeschäftigung hinaus sei nirgends normiert und lasse sich auch nicht unter die bestehenden gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen subsumieren. Es bestehe ohne rechtliche Grundlage keine Verpflichtung ein wie auch immer geartetes Beschäftigungsverhältnis neu zu begründen. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Eilantrag erst wenige Wochen vor dem endgültigen Ausscheiden der Antragstellerin gestellt worden sei. Das Votum der Evaluierungskommission sei einwandfrei zustande gekommen. Nach § 30 Absatz 5 der Grundordnung der Universität beschließe die Evaluierungskommission mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Grundsätze des Prüfungsrechts seien auf das Votum der Evaluierungskommission nicht anwendbar. Denn das Votum sei nur ein Vorschlag an die weiteren im Verfahren beteiligten Gremien. Die finale Entscheidung treffe das Hochschulpräsidium und sei einstimmig und ohne Enthaltungen getroffen worden. Außerdem handele es sich bei der Tenure Evaluierung und der Entscheidung über den Karriereaufstieg nicht um eine Berufszulassungsprüfung, weil es einer solchen eigen sei, dass sie beim Bestehen den Zugang zu einem Beruf oder zu einer Tätigkeit eröffne, beim Nichtbestehen aber versperre. Wenn noch andere Wege den Zugang zu einem Beruf ermöglichten, könne es sich nicht um eine Berufszulassungsprüfung handeln. Eine negativen Tenure Evaluierung stelle nur fest, dass die Voraussetzungen für eine Berufung auf eine W2-Professur an der Universität nicht erfüllt würden, habe jedoch keinerlei rechtliche Auswirkungen auf die Frage der Berufbarkeit der Antragstellerin an andere Hochschulen und für andere Dienstherrn. Prof. C sei nicht befangen nach Art. 21 BayVwVfG. Eine Befangenheit ergebe sich nicht aus kritischen Äußerungen der Antragstellerin als Mitglied der Berufungskommission über Prof. C. Hiergegen spreche, dass der Dekan bei Zusammensetzung der Evaluierungskommission wohl von keiner Befangenheit ausging. Eine Befangenheit ergebe sich auch nicht daraus, dass Prof. C. im selben Fachgebiet wie die Antragstellerin tätig sei. Eine Konkurrenzsituation bestünde nicht, auch nicht um Ressourcen, da solche an die Fakultät, der auch Prof. C. angehört, zurückgehen würden. Auch aus dem Umstand, dass Prof. C. die Vorlesungen der Antragstellerin (samt den hierfür vorgesehen Mitteln) übernehmen solle, ergebe sich keine Konkurrenzsituation. Aus dem Vortrag, dass Prof. C. zwei weitere Kommissionsmitglieder im Vorfeld der Entscheidung auf ebendiese angesprochen habe, lasse sich keine Besorgnis der Befangenheit herleiten. Es handle sich um fachlichen Gedankenaustausch. Dabei könne Prof. C. auch eine vorläufige Einschätzung einbringen. Der Umstand, dass der Kommissionsvorsitzende Mitglied der Fakultät für Physik sei, begegne vor dem Hintergrund von Art. 18 Abs. 4 BayHSchPG keinen Bedenken, da hiernach der Kommissionsvorsitzende nicht zwingend Mitglied der Fakultät sein müsse, in der die zu evaluierende Person Mitglied sei. Die Evaluierungskriterien würden fachspezifisch und unter Berücksichtigung international üblicher Bewertungsmaßstäbe angewendet werden. Eine Konkretisierung oder Personalisierung sei nicht notwendig. Die Kriterien seien keine zu großen Hürden, da die Mehrzahl der Evaluierungen positiv ausfalle. Aufgrund der Vielzahl an Tenure-Professuren müsse das Auslaufjahr verlässlich handhabbar sein. Die zugewiesene Professorenstelle der oder des negativ Evaluierten solle nach Ende der Professur nur noch für die Zeit des Auslaufjahres reserviert bleiben und stünde ansonsten bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht für andere Professuren zur Verfügung. Eine Umsetzung der oder des negativ Evaluierten auf eine andere Stelle würde voraussetzen, dass eine solche vorhanden sei. Die Universität halte jedoch für den Fall negativer Tenure Evaluierungen kein Stellenkontingent vor und sei dazu vor dem Hintergrund ihrer Organisationshoheit auch nicht verpflichtet. In der Hauptsache könne die Antragstellerin nur einen Anspruch auf Wiederholung des Evaluierungsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts haben. Deshalb würde mit einer Verpflichtung des Antragsgegners, die Antragstellerin weiter zu beschäftigen, nicht nur die Hauptsache vorweggenommen, sondern die Antragstellerin würde sogar mehr als in der Hauptsache erreichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Eine aus Sicht des Antragsgegners zu spät erfolgte Antragstellung lässt das Rechtschutzbedürfnis nicht entfallen. Denn unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG darf das Rechtsschutzbedürfnis nicht mit der Begründung verneint werden, der Betroffene habe die Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt (BVerfG, B.v. 21.2.2018 – 2 BvR 301/18 – juris Rn. 5).
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Bei einer Regelungsanordnung muss glaubhaft gemacht werden, dass die begehrte Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der Nachteil muss sich zum einen unmittelbar auf das Rechtsverhältnis beziehen und er muss zum anderen wesentlich sein. Ein wesentlicher Nachteil sind vor allem die Gefahr der Vereitelung von Rechten des Antragstellers sowie ferner sonstige wesentliche rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Nachteile, die der Antragsteller in Kauf nehmen müsste, wenn er das Recht in einem Hauptsacheprozess erstreiten müsste (BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 3 CE 15.570 – Rn. 3).
Bei der Entscheidung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen könnte. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist es dem Gericht allerdings regelmäßig verwehrt, mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegzunehmen. Denn es würde dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen Anordnung widersprechen, wenn dem Antragsteller in vollem Umfang gewährt würde, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen kann. Allerdings gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung für den Antragsteller mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre und mit hoher Wahrscheinlichkeit von seinem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen ist.
Die Antragstellerin hat im Hinblick auf ihr unmittelbar bevorstehendes Ausscheiden aus der Universität und des damit einhergehenden Verlustes des Titels „Professorin“ und der damit einhergehenden Statusrechte einen Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht.
Sie hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Wegen der Eilbedürftigkeit des Anordnungsverfahrens sind die Anforderungen an das Beweismaß und somit auch an den Umfang der Ermittlung von Sach- und Rechtslage geringer als im Hauptsacheverfahren. Es genügt eine nur summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage. Nach dieser leidet das Tenure Verfahren an durchschlagenden formellen Fehlern, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg der Klage der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren auszugehen ist.
1. Bei dem sog. Tenure Verfahren der Universität handelt es sich eine Entfristung verbunden mit einem Karriereaufstieg (Berufung) von einer auf 6 Jahre befristeten W2-Professur auf eine unbefristete W3-Professur. Das Verfahren hierzu ist im Bayerischen Hochschulpersonalgesetz (BayHSchPG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 230, BayRS 2030-1-2-WK), das zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 9. April 2021 (GVBl. S. 182) geändert worden ist, und der Satzung der Universität zum Universitäts Faculty Tenure Track (Tenure-Satzung) geregelt.
Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 18 BayHSchPG über die Berufung von Professoren, Professorinnen, Juniorprofessoren und Juniorprofessorinnen. Hierfür spricht, dass es sich bei dem Verfahren um einen Karriereaufstieg handelt und eine bloße Entfristung der (zunächst) befristeten Professur nicht vorgesehen ist (vgl. § 2 Abs. 2 Hs. 2 Tenure-Satzung), und dass das Verfahren im Einklang mit Art. 18 BayHSchPG als Berufungsverfahren bezeichnet wird (vgl. § 3 Tenure-Satzung). Gegen den ebenfalls als Rechtsgrundlage denkbaren Art. 8 Abs. 2 Satz 5 bis 7 BayHSchPG spricht, dass dort die Umwandlung einer befristeten Professur als Beamtenverhältnis auf Zeit in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ohne Karriereaufstieg geregelt ist. Daran ändert Art. 8 Abs. 3a BayHSchPG nichts, da diese Regelung zwar auch für einen Karriereaufstieg gilt, aber lediglich eine Abweichung von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 BayHSchPG betrifft, der eine Regelung zur Verlängerung des Beamtenverhältnisses auf Zeit trifft und somit keine Aussage zur Entfristung enthält. Weiterhin geht auch der Antragsgegner (wie die Antragstellerin) selbst davon aus, dass Art. 18 BayHSchPG einschlägig ist, was für einen entsprechenden Willen spricht, das Berufungsverfahren anzuwenden.
Im demnach für das Verfahren maßgebenden Art. 18 BayHSchPG ist u.a. geregelt, dass Professuren auszuschreiben sind, wovon – wie hier – bei Vorlage eines zwischen Staatsministerium und Hochschule abgestimmten Qualitätssicherungskonzepts abgesehen werden kann (Abs. 3 Satz 1 und 5). Zur Vorbereitung des Berufungsvorschlags bildet der Fakultätsrat im Einvernehmen mit der Hochschulleitung einen Berufungsausschuss (Abs. 4 Satz 1), in dem die Professoren und Professorinnen über die Mehrheit der Stimmen verfügen und dem zusätzlich stimmberechtigt die jeweilige Frauenbeauftragte sowie je ein Vertreter oder eine Vertreterin aus der Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und der Studierenden angehören (Abs. 4 Satz 2) sowie mindestens ein auswärtiges Mitglied als Professor oder Professorin angehören soll (Abs. 4 Satz 3). Es ist auf die Erhöhung des Anteils der Frauen in der Wissenschaft hinzuwirken (Abs. 4 Satz 7) und sind die fachliche, pädagogische und persönliche Eignung eingehend und vergleichend zu würdigen (Abs. 4 Satz 11). Der Senat nimmt zu dem vom Berufungsausschuss beschlossenen Berufungsvorschlag Stellung (Abs. 5 Satz 1).
Dieses Verfahren wird von der Tenure-Satzung der Universität näher ausgestaltet. Grundsätzlich kann die Universität im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit die nähere Ausgestaltung der einzelnen Verfahrensschritte frei regeln. Ob sich eine solche Regelung auf die Satzungsfreiheit nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 9. April 2021 (GVBl. S. 182) geändert worden ist, gestützt werden kann, wie das vorliegend in der Tenure-Satzung explizit der Fall ist, kann dahinstehen. Ergänzend sei nur darauf hingewiesen, dass es sich bei der Personalverwaltung nach Art. 12 Abs. 3 Nr. 1 BayHSchG um staatliche Angelegenheiten handelt und nach Art. 18 Abs. 4 Satz 13 BayHSchPG nähere Regelungen nur in der Grundordnung getroffen werden. Eine eigene Satzung ist nicht vorgesehen.
Die Tenure-Satzung spezifiziert die Vorgaben des Art. 18 BayHSchPG u.a. dahingehend, dass die Evaluierungskommission aus bis zu neun stimmberechtigten Mitgliedern besteht, nämlich eine Professorin oder ein Professor der Fakultät (Vorsitz und Fach-/ Strukturkompetenz), eine Professorin oder ein Professor aus einer anderen Fakultät (kritische Distanz und Berichterstattung), bis zu vier fachlich ausgewiesene Professorinnen oder Professoren der TUM (Fachkompetenz), wobei eine Professorin oder ein Professor die Studiendekanin oder den Studiendekan und somit die Lehrinteressen vertritt (didaktische Kompetenz, Lehrbelange), ein fachlich ausgewiesenes externes Mitglied (Fachkompetenz), eine wissenschaftliche Mitarbeiterin oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter (Personalführungskompetenz), eine Studierendenvertreterin oder ein Studierendenvertreter, zzgl. einer Studierendenvertreterin oder einem Studierendenvertreter ohne Stimmrecht (Akzeptanz in der Lehre) (vgl. § 8 Abs. 2 Tenure-Satzung).
2. Das vorliegende Verfahren leidet nach summarischer Prüfung gleich an mehreren formellen Fehlern, die jeder für sich zum Erfolg in der Hauptsache, die auf Wiederholung des Tenure-Verfahrens bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss dieser Wiederholung gerichtet ist, führen.
a) Zunächst wurde § 8 Abs. 2 Tenure-Satzung nicht eingehalten. Nach dieser Vorschrift ist der Vorsitz der sog. Evaluierungskommission – eigentlich des Berufungsausschusses nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 BayHSchPG – ein Professor der Fakultät. Hier war der Vorsitzende aber eben kein Professor der Fakultät der Antragstellerin. In diesem Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Tenure-Satzung ist ein Verfahrensfehler zu sehen. Zwar ist dem Antragsgegner dahingehend Recht zu geben, dass in Art. 18 Abs. 4 BayHSchPG selbst keine spezifische Fakultätszugehörigkeit für den Vorsitz (oder überhaupt ein Vorsitz) vorgesehen ist. Dies entbindet die Universität aber nicht, sich an die von ihr selbst festgesetzte nähere Ausgestaltung des Berufungsverfahren zu halten. Der Freiheit zur eigenverantwortlichen Gestaltung der eigenen Organisation entspricht die Verpflichtung der Befolgung selbstgesetzter Normen. Insofern tritt eine Selbstbindung ein. Dieser formelle Fehler ist auch beachtlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einem anderen Vorsitz eine andere Entscheidung der Kommission getroffen worden wäre; eine Beeinflussung der Entscheidung kann nicht ausgeschlossen werden (Art. 46 BayVwVfG).
b) Weiter liegt ein Verfahrensfehler darin, dass sich 5 von 9 Mitgliedern der Kommission der Stimme enthalten haben. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der von der Berufungskommission zu treffenden Entscheidung um eine Prüfungsentscheidung, so dass der von der Berufungskommission zu fassende Beschluss sich an den besonderen Grundsätzen des Prüfungsrechts zu orientieren hat. Im Prüfungsrecht ist eine Stimmenthaltung aber nicht zulässig. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Auftrag der Prüfer im Rahmen einer Prüfungsentscheidung, die dazu berufen sind, die Leistungen des Prüflings zu beurteilen. Durch die Bestellung mehrerer Prüfer, durch die verschieden ausfallende Wertungen ausgeglichen werden soll, wird nicht die Möglichkeit eröffnet, sich der Stimme zu enthalten (so bereits m.w.N. OVG SH, U.v. 9.2.1996 – 3 L 79/95 – juris Rn. 35 f.). Bereits der Wortlaut der §§ 8 ff. Tenure-Satzung („Evaluierung“, „bewertet“, „Bewertung“, „Leistungsbewertung“) und des Art. 18 Abs. 4 Satz 11 BayHSchPG („Eignung [..] zu würdigen“) deutet auf eine Prüfungsentscheidung. Vor allem aber dem Sinn und Zweck des Art. 18 BayHSchPG nach muss es sich hierbei um eine Prüfungsentscheidung handeln, da durch das Berufungsverfahren ein fachlich, pädagogisch und persönliche geeigneter Kandidat für die zu besetzende Professorenstelle zu finden ist. Ein solcher kann aber logischerweise nur gefunden werden, wenn die Kandidaten auf diese Eignung hin geprüft werden; genau für diese Prüfung wird der Berufungsausschuss geschaffen. Dieser kann also nur eine Prüfungsentscheidung treffen. Folglich liegt in den Enthaltungen im Votum der Kommission ein Verfahrensfehler, der auch beachtlich ist, da nicht das absolute Mehr der Kommissionsmitglieder für eine negative Prüfungsentscheidung gestimmt haben. Darüber hinaus verlangt auch der Faculty Recruitment Code of Conduct der Universität von den Mitgliedern der Kommission, dass sie ihr Evaluationsmandat gewissenhaft ausführen (vgl. „II. Ethische Grundlinien“ des Codes). Enthaltungen werden diesen ethnischen Grundlinien nicht gerecht. Die anderslautende Reglung in § 30 Abs. 5 Satz 1 der Grundordnung der Universität vom 21. August 2007 in der Fassung der Zwölften Änderungssatzung vom 17. Mai 2021 ist erkennbar allgemein gefasst und nicht spezifisch für das Verfahren der hier relevanten Kommission gedacht und wäre im Übrigen nach dem Vorhergesagten für diese Entscheidung auch nicht rechtmäßig.
c) Insoweit die Besorgnis der Befangenheit des Kommissionsmitglieds Prof. C. nach Art. 21 BayVwVfG gerügt wird, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache jedenfalls zumindest offen. Die Besorgnis der Befangenheit aus der subjektiven Sicht des Bewerbers genügt insoweit allerdings nicht, vielmehr ist die Besorgnis der tatsächlichen Voreingenommenheit eines Beurteilers aus der Sicht eines objektiven Dritten festzustellen. Diese Feststellung kann sich aus der Beurteilung selbst, aber auch aus einem Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten des Bewerbers oder diesem gegenüber während des Beurteilungsverfahrens ergeben (BVerwG, B.v. 7.11.2017 – 2 B 19.17 – juris Rn. 11 m.w.N.). Auf jeden Fall bedarf es konkreter, überprüfbarer Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit berechtigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2021 – 7 CE 20.2869 – juris Rn. 14). Anhaltspunkte für die Besorgnis der tatsächlichen Voreingenommenheit von Prof. C. aus der Sicht eines objektiven Dritten ergeben sich vorliegend insbesondere aus dem Umstand, dass die Antragstellerin Mitglied der Berufungskommission war, die wiederum über Prof. C. als Kandidatin in deren Berufungsverfahren zu entscheiden hatte. Verstärkend kommt hinzu, dass auch der Faculty Recruitment Code of Conduct der Universität in einer solchen Konstellation von einem (objektiven) Anschein der Befangenheit ausgeht (vgl. „III.1. Befangenheitsregelung“ des Codes). Hier tritt darüber hinaus noch der Umstand hinzu, dass die Antragstellerin eine negative Stellungnahme bezüglich der damals potentiellen Berufung von Prof. C. abgegeben hat. Dem Vortrag der Antragstellerin, dies auch dem Dekan im November 2019 vor der ersten Sitzung der Kommission am 10. Januar 2020 mitgeteilt zu haben, wird vom Antragsgegner nicht substantiiert entgegengetreten. Unstreitig hat die Antragstellerin gegenüber dem Präsidenten der Universität nochmals die Beteiligung von Prof. C. innerhalb der ihr gesetzten Anhörungsfrist zur negativen Tenure-Evaluierung gerügt. Aus der Beteiligung von Prof. C. kann sich daher aufgrund der möglichen Beeinflussung von weiteren Kommissionsmitgliedern ein beachtlicher Verfahrensfehler ergeben. Im Übrigen wird eine solche (versuchte) Beeinflussung auch vorgetragen und könnte einen weiteren Anhaltpunkt für eine Besorgnis der Befangenheit darstellen (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, Rn. 341). Zu dem Einwand des Antragsgegners, dass die Rüge der Besorgnis der Befangenheit nicht gegenüber den nach Faculty Recruitment Code of Conduct der Universität verantwortlichen Personen geäußert worden sei, ist anzumerken, dass der Faculty Recruitment Code of Conduct der Universität einen Ausschluss de jure vorsieht, also einen Automatismus des Rücktritts vom Mandat im Falle des Anscheins der Befangenheit. Eine Rügeobliegenheit kennt der Faculty Recruitment Code of Conduct der Universität nicht. Darüber hinaus scheint der Dekan aufgrund seiner herausgehobener Bedeutung innerhalb der Universität (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayHSchG, Art. 28 BayHSchG usw.) nach summarischer Prüfung zumindest geeignet als Adressat einer Befangenheitsrüge.
d) Schließlich ist für das Gericht nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass der Senat, wie von Art. 18 Abs. 5 Satz 1 BayHSchPG vorgesehen, Stellung genommen hat. Hierbei handelt es sich um einen weiteren Verfahrensfehler.
e) Zuletzt bestehen aus Sicht des Gerichts erhebliche Bedenken an der entscheidungsbefugten Beteiligung des sog. „Appointment and Tenure Board“ am Berufungsverfahren. Auch dieses Gremium hat ein Votum bezüglich des potentiellen Karriereaufstieges der Antragstellerin verfasst. Im Gegensatz zur Evaluierungskommission findet sich hierfür allerdings keine gesetzliche Grundlage. Angesichts der Bedeutung des Berufungsverfahrens in Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG bedarf die Mitwirkung eines weiteren, zum selbstständigen Votum berufenen Gremiums einer hinreichend konkreten Regelung durch den Gesetzgeber selbst (so auch Jaburek in BeckOK HochschulR Bayern, 22. Ed. 1.8.2021, Art. 18 BayHSchPG, Rn. 23). Eine Regelung ist bezüglich der Feststellung der Eignung mit Art. 18 Abs. 4 BayHSchPG getroffen; dort ist aber nur ein Gremium, dessen Zusammensetzung geregelt ist, vorgesehen. Für ein weiteres Gremium, dass eigenständig zusätzlich die Eignungsprüfung vollzieht, ist mangels gesetzlicher Grundlage kein Raum. Keine gesetzliche Grundlage für die eigenständige Prüfung des Boardes stellt Art. 18 Abs. 3 Satz 5 BayHSchPG dar, der nach Wortlaut und systematischer Stellung lediglich eine Ausnahme von Ausschreibungspflicht vorsieht. Hinzu kommt, dass ein weiteres entscheidungsbefugtes Gremium über eine (dort geregelte) Qualitätssicherung weit hinausgeht. Da nach Auffassung des Gerichts ein Gremium nur mit hinreichender gesetzlicher Grundlage zur Abgabe eines weiteren Votums neben der gesetzlich vorgesehenen Berufungskommission berufen werden kann, begründet eine Teilnahme des Appointment and Tenure Board in der vorliegenden Verfahrensausgestaltung an der Berufungsentscheidung einen beachtlichen Verfahrensfehler.
Aufgrund der dargestellten formellen Fehler bestehen erhebliche Erfolgsaussichten der Antragstellerin in der Hauptsache.
Die vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über die beantragte Anordnung zu treffende Interessenabwägung fällt in Folge zugunsten der Antragstellerin aus. Die Antragstellerin würde durch ein Ausscheiden aus der Universität ihren Titel und ihre Statusrechte verlieren. Dadurch würde ihre wissenschaftliche Karriere einen nicht mehr zu behebenden Schaden durch den Verlust von Fördermitteln, den Abbruch von Kooperationen, den Reputationsverlust in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die fehlende Kontinuität der Forschung etc. nehmen. Demgegenüber entstünde dem Antragsgegner der nur vergleichsweise geringe Nachteil eine von ihm als sehr gut bewertete Professorin weiterzubeschäftigen.
Als Anordnung zur Sicherung des Status quo der Antragstellerin genügt eine – wie auch immer geartete – Weiterbeschäftigung der Antragstellerin in ihrem Fachgebiet und deren Statuserhalt als Professorin mit allen damit verbundenen Rechten. Insoweit eine spezifische (beamtenrechtliche) Klassifizierung der Weiterbeschäftigung beantragt wurde, wird der Antrag abgelehnt. Denn eine solche ist zur Sicherung des status quo im Rahmen der einstweiligen Anordnung hier nicht geboten. Vielmehr besteht das – auch vom Antragsgegner dargestellt – Risiko, dass als beamtenrechtliche Konsequenz der einstweiligen Anordnung ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entsteht. Ein solches würde einen schwerwiegenden, in der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Nachteil des Antragsgegners bewirken und statt einer Sicherung des derzeitigen Status einer Regelung und Vorwegnahme der Hauptsache gleichkommen. Eine solche Sicherungsanordnung ist aber auch nicht angezeigt, da durch jegliche Weiterbeschäftigung der Antragstellerin, mit der sie ihren Titel und ihre Rechte weiterführen kann, der dargestellte nicht mehr behebbare Schaden einstweilen verhindert wird. Es wird allerdings auf Art. 8 Abs. 3a BayHSchPG hingewiesen; eine auf 12 Monate begrenzte Weiterbeschäftigung der Antragstellerin als Beamtin auf Zeit dürfte hiernach zunächst durchaus möglich sein.
Dem Antrag war daher im tenoriertem Umfang mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO stattzugeben. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) geändert worden ist, i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.


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